Protocol of the Session on July 14, 2005

Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 5. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen in dieser Wahlperiode. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir treten in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Aussprache über die Regierungserklärung

Meine Damen und Herren, vereinbarungsgemäß findet heute die Aussprache über die gestern vom Ministerpräsidenten Dr. Rüttgers abgegebene Regierungserklärung statt.

Ich erteile Frau Kraft von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

(Beifall von der SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben gestern in Ihrer Regierungserklärung versucht, mit viel Pathos einen normalen demokratischen Vorgang moralisch zu überhöhen.

Lassen Sie uns bei den Fakten bleiben. Es hat in Nordrhein-Westfalen einen Regierungswechsel gegeben. Ja.

(Demonstrativer Beifall von CDU und FDP)

Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Das ist aber schon einmal was!)

Wir Sozialdemokraten haben diesen Wechsel fair akzeptiert,

(Lachen von der CDU)

ihn ohne Groll und Häme vollzogen.

(Beifall von der SPD - Minister Eckhard Uh- lenberg: Bravo!)

Der Wechsel gehört zu den Spielregeln der Demokratie. Sie wissen doch, Herr Ministerpräsident: Auch Ihre Amtszeit ist endlich.

(Beifall von der SPD)

Wir alle haben unsere politischen Ämter nur auf Zeit.

Wir werden hart daran arbeiten - dessen seien Sie sicher -, dass Ihre politische Laufbahn als NRWRegierungschef nur kurz sein wird.

(Beifall von der SPD)

Auch dies, eine starke Opposition, gehört zur Demokratie.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Aber, Herr Ministerpräsident, warum dieses überhöhte Sendungsbewusstsein - als hätten Sie ein höheres moralisches Recht, dieses Land zu regieren, als andere? Tun Sie doch einfach das, wofür die Menschen Sie gewählt haben! Regieren Sie Nordrhein-Westfalen, und flüchten Sie sich nicht ständig in einen Nebel von Politiklyrik, in dem nicht zu erkennen ist, was Sie wirklich wollen!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Eine Regierungserklärung wie ein Hochamt zu zelebrieren, geht aus meiner Sicht deutlich zu weit.

(Beifall von der SPD)

Ich kann Ihnen nur raten: Sparen Sie Ihre Kräfte! Der Papst kommt erst im August.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Darüber, dass Sie Ihre Regierungserklärung an das politische Leitprinzip des SPD-Kanzlers Willy Brandt „Mehr Demokratie wagen!“ angelehnt haben, musste ich doch, gelinde gesagt, schmunzeln.

(Beifall von der SPD)

Auch beim früheren SPD-Ministerpräsidenten Johannes Rau nehmen Sie ja gerne einmal Anleihen, wie man hört. Finden Sie nicht selber, Herr Rüttgers, dass diese Schuhe einige Nummern zu groß sind und es auch immer bleiben werden?

(Beifall von der SPD)

Sie werden nicht mehr sein als eine blasse Raubkopie von Willy Brandt und Johannes Rau.

(Beifall von der SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben gestern in Ihrer Regierungserklärung viel von Zukunft geredet. Dabei haben Sie unterschlagen, dass Sie schon einmal für Zukunft standen, und zwar als Zukunftsminister des Kabinetts Kohl. Doch das war damals keine gute Zeit, keine gute Zukunft, son

Plenarprotokoll 14/5

dern die Zeit, in der Deutschland die entscheidenden Reformen verpasst hat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Und am Rande bemerkt: Als Tüpfelchen auf dem i sagen Sie dann gestern hier auch noch, versicherungsfremde Leistungen dürften nicht mehr aus den Sozialkassen gezahlt werden. Wir alle wissen doch, wer sie da hineingebracht hat, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Hätten Sie damals dafür gearbeitet, die Weichen richtig zu stellen, müssten wir heute nicht so massive Korrekturen vornehmen, um Deutschland fit zu machen für die Zukunft.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Auch Sie, Herr Rüttgers, standen im Kabinett Kohl für den Satz „Die Rente ist sicher.“ Auch Sie standen für höhere Arbeitslosigkeit. Auch Sie standen für eine Explosion der Staatsverschuldung.

Sie persönlich standen für weniger Geld bei Hochschulen und Forschung. Sie persönlich standen für den Versuch, das BAföG abzuschaffen.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Da machen wir uns doch berechtigterweise Sorgen, wenn Sie jetzt wieder so vollmundig von einer neuen Zukunft für dieses Land sprechen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie waren stets ein Teil des Systems Kohl. Davon haben Sie sich nie gelöst. Sie sind eine Art Kohl light.