Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 120. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich 24 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Auch heute ein Mitglied dieses Hohen Hauses Geburtstag. Unser Kollege Christian Weisbrich wird heute 67 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Weisbrich, auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit Schreiben vom 31. März 2009 den Antrag Drucksache 14/8873 „NRW darf HRE-Gesetz im Bundesrat nicht verzögern“ zurückgezogen. Damit entfällt der entsprechende Tagesordnungspunkt. Die nachfolgenden Tagesordnungspunkte werden nach vorn gezogen.
1 Realschulen durch Einheitsschulpläne in Gefahr – Bewährte Schulstrukturen erhalten und verantwortungsvoll weiterentwickeln
Die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP haben mit Schreiben vom 30. März 2009 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dieser aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und gebe Herrn Kollegen Recker von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Recker.
Ich möchte meine Ausführungen mit einem Zitat aus „Focus online“ vom 1. Mai 2005 beginnen. Dort heißt es:
Mit mir wird keine einzige Realschule, kein einziges Gymnasium gegen den Willen von Schülern, Eltern und Lehrerverbänden abgeschafft.
Meine Damen und Herren, das war keine Aussage der CDU, sondern von Peer Steinbrück, Spitzenkandidat der SPD im Wahlkampf 2005.
Am 25. August 2007 beschloss die SPD auf ihrem Landesparteitag: Die Gemeinschaftsschule nimmt die Kinder nach der Grundschule auf und ist bis zur Klasse 10 für deren Bildungserfolg verantwortlich.
Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, meine Damen und Herren, aber ich bin der Ansicht, dass man nach der Wahl möglichst das halten soll, was man vor der Wahl versprochen hat.
(Beifall von der SPD – Achim Tüttenberg [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen! – Weitere Zurufe von der SPD)
Meine Damen und Herren, Sie haben seinerzeit ein klares Bekenntnis zur Realschule abgegeben. Die Grünen beschlossen auf ihrer Landesdelegiertenkonferenz: Das Ziel ist eine gemeinsame Schule aller Kinder bis zum Ende der Pflichtschulzeit.
Sollten die Beschlüsse der SPD und auch der Grünen Wirklichkeit werden, so würde das für unser Land Nordrhein-Westfalen bedeuten, dass die Eltern nach der Grundschule keine Möglichkeit mehr haben, eine Hauptschule, eine Realschule oder ein Gymnasium auszuwählen, denn dann bestünde nur noch ein Einheitsangebot, meine Damen und Herren.
Ich frage Sie: Wo bleiben die Wahlmöglichkeit und die demokratischen Prinzipien für die Eltern, die Ihnen auf dem Papier immer so wichtig sind, meine Damen und Herren? In Wahrheit wollen Sie den Eltern die Möglichkeit verwehren, für ihre Kinder eine Schule auszuwählen, die sie für am besten und geeignetsten für ihre Kinder halten.
Auf eines möchte ich zusätzlich hinweisen: Wenn wir Ihre unsinnigen Vorschläge in die Tat umsetzen würden, dann wären wir das einzige Bundesland, das zur realschul- und gymnasialfreien Zone würde. Das ist auch unter Standortaspekten eine abenteuerliche Vorstellung, meine Damen und Herren.
Und dass dies nicht bloß Parteitagsbeschlüsse sind, das zeigt der damals vorgesehene Koalitionsvertrag von Rot-Grün in Hessen.
Da war die Zerstörung des bewähren Schulsystems nämlich schon lange beschlossene Sache. Im sogenannten Haus der Bildung hieß es – ich zitiere –: Schülerinnen und Schüler sollen in der Regel bis Klasse 9 und 10 gemeinsam lernen. Ausdrücklich wird dieser Weg auf Realschulen und Gymnasien ausgedehnt. Bis 2013 sollte mindestens die Hälfte aller weiterführenden Schulen zu Einheitsschulen werden. Diese Entwicklung wurde glücklicherweise im letzten Moment verhindert, meine Damen und Herren.
Vertrauensschutz ist ein Gut, das man nicht leichtfertig verspielen sollte. Ich sage hier ganz deutlich und offen: Wir als CDU stehen zu unseren Realschulen wie zu allen Schulformen in NordrheinWestfalen.
Ich füge an dieser Stelle hinzu, dass die Realschulen wirklich hervorragende Arbeit leisten, die übrigens auch von der Wirtschaft hoch geschätzt wird. Diese Arbeit gilt es fortzusetzen, und dafür stehen wir ein, meine Damen und Herren.
Deshalb ist es auch richtig, dass der Realschullehrerverband und die Landeselternschaft an Realschulen jetzt eine Kampagne gestartet haben, in der sie auf ihre Schule aufmerksam machen. Denn wie so oft, meine Damen und Herren, werden von der Presse und auch von der Politik oftmals leider nur die Teile des Systems betrachtet, in denen es Probleme gibt, aber nicht die Teile, die reibungslos und deshalb lautlos funktionieren. Das ist bei der Realschule der Fall.
Insofern können wir hier und heute ziemlich einfach sagen, ob wir für oder gegen Realschulen sind, ob wir für oder gegen unser gewachsenes Schulsystem sind. Ich sage Ihnen noch einmal ganz deutlich für die CDU, dass wir wie auch in der Vergangenheit für das gegliederte Schulsystem einstehen, und zwar ohne Wenn und Aber.
Verantwortungsvolle und faire Bildungspolitik ermöglicht es allen Schülerinnen und Schülern, ihre Talente zu entdecken und zu entfalten, und dazu haben wir in Nordrhein-Westfalen ein vielfältiges Angebot in unterschiedlichsten Formen. Vielfältig muss das Angebot auch deshalb sein, weil Talente, Persönlichkeitsentwicklung, Interessen und Ziele individuell unterschiedlich sind. Nicht jeder will dasselbe. Nicht jeder kann dasselbe.
Wir wollen jedem Kind und Jugendlichen hinreichend Gelegenheit geben, zu erfahren, wo seine Talente liegen bzw. nicht liegen.
Übrigens: Angesichts der Tendenz zur Individualisierung ist die Annahme, dass individuelle Förderung in einem uniformen Einheitsschulwesen besser gelingen kann als in einem vielfältigen und zugleich durchlässigen Schulsystem, ziemlich weit hergeholt.
Wir wollen die bewährten Schulstrukturen erhalten und verantwortungsvoll weiterentwickeln. Das bedeutet eine Konzentration auf die Qualität in der Bildung und dem, was im Inneren einer Schule, nämlich im Unterricht, passiert. Das war 2005 unser Ansatz, als wir an die Regierung kamen, und das ist unser Ansatz geblieben, seitdem wir regieren.