Protocol of the Session on March 4, 2009

Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 117. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen, einer Sondersitzung. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 14 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Meine Damen und Herren, bevor wir in die heutige Tagesordnung eintreten, bitte ich Sie, sich von Ihren Sitzen zu erheben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 17. Februar ist der frühere Vizepräsident dieses Hauses und langjährige Abgeordnete Richard Winkels nach einem erfüllten Leben im Alter von 88 Jahren im heimischen Warendorf verstorben.

Unser Mitgefühl gilt seiner Ehefrau und der ganzen Familie.

Mit Richard Winkels verlieren wir in NordrheinWestfalen einen überaus erfahrenen und geradlinigen Demokraten, der über die Parteigrenzen hinweg geschätzt und geachtet wurde und der die Politik unseres Landes über Jahrzehnte mitgeprägt hat.

Dem Landtag Nordrhein-Westfalen gehörte der Sozialdemokrat von 1961 bis 1990 an. Vizepräsident dieses Hohen Hauses war Richard Winkels von 1980 bis 1985. Über zehn Jahre hatte er den Vorsitz des Sportausschusses inne. Sein Wirken im Landtag war geprägt von unermüdlichem Engagement und großer Fairness.

Auch wenn wir heute nur noch sechs Abgeordnete haben, die mit Richard Winkels im Parlament zusammengearbeitet haben – die Abgeordneten Brunn, Hegemann, Kuschke, Linssen, Schultheis und Uhlenberg –, so hat er doch sicher bleibende Spuren hinterlassen, auch für die nächsten Generationen.

Der Sport war für Richard Winkels eine Lebensaufgabe. Unvergessen bleibt sein sportpolitisches Wirken, auch als langjähriger Präsident des Landessportbundes. Die Aufnahme des Sports als Staatszielbestimmung in unsere Landesverfassung geht auch auf seine Initiative zurück.

Der Landtag Nordrhein-Westfalen gedenkt Richard Winkels in Dankbarkeit, Respekt und Verehrung.

(Kurze Stille)

Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben haben.

Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident hat mir mit Schreiben vom 3. März 2009 Folgendes mitgeteilt:

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, hiermit beehre ich mich Ihnen mitzuteilen, dass ich Herrn Lutz Lienenkämper zum Minister für Bauen und Verkehr ernannt habe.

Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie in der nächsten Landtagsplenarsitzung die Vereidigung gemäß Artikel 53 der Landesverfassung vorsehen würden.

Das will ich gerne tun und bitte Herrn Lienenkämper zu mir.

(Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.)

Herr Lienenkämper, ich bitte Sie, Ihre Schwurhand zu heben und mir den nach Artikel 53 der Landesverfassung vorgeschriebenen Eid nachzusprechen:

Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten, Verfassung und Gesetz wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das neue Mitglied der Landesregierung hat nach Artikel 53 der Landesverfassung den vorgeschriebenen Eid vor dem Landtag NordrheinWestfalen geleistet.

Ich beglückwünsche Sie, Herr Lienenkämper, im Namen aller Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und ein glückliches Händchen bei der Erledigung Ihrer verantwortungsvollen Aufgabe. Alles Gute!

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

(Allgemeiner Beifall – Die Abgeordneten nehmen ihre Plätze wieder ein. – Minister Lutz Lienenkämper nimmt Glückwünsche entgegen.)

Meine Damen und Herren, nun treten wir in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Die Einberufung des Landtags erfolgt gemäß Artikel 38 Absatz 4 der Landesverfassung auf Antrag der Landesregierung zu TOP 1 und 2 und auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu TOP 3.

Wir kommen zu:

1 Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes NordrheinWestfalen für das Haushaltsjahr 2009 (Nach- tragshaushaltsgesetz 2009)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/8650

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich der Landesregierung, und zwar Herrn Minister Dr. Linssen, das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer Welt der ständigen Veränderungen erleben wir immer neue, schwierige Herausforderungen. Vor zwei Jahren dachte noch niemand an die Finanzkrise. Irgendwo in den USA gab es Schwierigkeiten bei einer kleinen Hypothekenbank. Sie wuchsen sich aufgrund der weltweiten Verflechtungen und durch aberwitzige Finanzkonstrukte zur globalen Finanzkrise aus.

Nun sind die Probleme in der Realwirtschaft angekommen, sodass wir am Anfang der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg stehen. Die Menschen erwarten angesichts dieser Situation vom Staat zu Recht Handlungsfähigkeit. Diese haben wir bisher auch bewiesen.

Wir müssen jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, alle Kräfte bündeln und als Staat gegen die Krise tun, was wir tun können. Keiner kann derzeit sagen, wie sich diese Krise weiter entwickeln wird. Es gibt viele Unsicherheiten für die Haushaltsplanung, insbesondere bezüglich der Kalkulation der Steuereinnahmen.

Der Entwurf des Nachtragshaushalts für 2009, den ich Ihnen heute vorlege, beruht dabei auf Annahmen, die auch der Bund zugrunde gelegt hat. Bis zur Steuerschätzung im Mai dieses Jahres abzuwarten, wäre falsch; denn das Konjunkturpaket II muss zügig umgesetzt werden.

Die Bundesregierung begründet ihre Ausweitung der Nettoneuverschuldung auf nahezu das Doppelte mit der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Der Bund wird statt der geplanten 18,5 Milliarden € über 36 Milliarden € neue Schulden machen und die Kreditverfassungsgrenze überschreiten. Dies begründet er mit dem Vorliegen der Störungslage. Ich darf zitieren:

Das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes eines gestörten gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist angesichts der aktuellen Wirtschaftsdaten und der in die Zukunft reichenden Indikatoren eindeutig.

Meine Damen und Herren, diese Beurteilung ist zutreffend. Wir nehmen dies auch für NordrheinWestfalen in Anspruch.

In der Vergangenheit ist in Nordrhein-Westfalen manches Mal rein aus politischer Not die Überschreitung der Kreditverfassungsgrenze mit der Erklärung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts konstruiert worden.

Heute, im Jahr 2009, ist sie nicht konstruiert, sondern Realität. Im vierten Quartal 2008 hat sich die konjunkturelle Talfahrt deutlich beschleunigt. Die globale Wachstumsprognose des IWF ist mit 0,5 % die niedrigste seit 1945. Wesentliches Kennzeichen – auch in der historischen Rückschau – dieses Abschwungs ist, dass er mehr oder weniger synchron die gesamte Weltwirtschaft betrifft. Etwas Vergleichbares haben wir noch nicht erlebt.

Im letzten Quartal 2008 ist die deutsche Wirtschaft um 2,1 % gegenüber dem Vorquartal geschrumpft, so stark wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Für 2009 sind die Aussichten ebenfalls schlecht. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Wirtschaft um 2,25 % schrumpft.

Es wäre kontraproduktiv, gegen diese Krise anzusparen. Das hieße, die Abwärtskräfte zu verstärken. Damit würden die Nachfrage und die Wirtschaft insgesamt weiter geschwächt. Die automatischen Stabilisatoren müssen wirken können. Deswegen hat es keinen Sinn, die zusätzlichen Anstrengungen zur Konjunkturstärkung durch Kürzungen an anderen Stellen zu kompensieren – erst recht nicht in dieser Größenordnung. Das wäre zwangsläufig mit massiven Kürzungen in wichtigen Zukunftsbereichen wie Kinderbetreuung und Schule verbunden. So etwas wird es mit dieser Landesregierung nicht geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Deutsche Bundesbank weist in ihrem Monatsbericht für Februar 2009 ausdrücklich auf Folgendes hin – ich darf zitieren –:

In dieser Ausnahmesituation ist es vor dem Hintergrund eines weitgehend ausgeglichenen Staatshaushalts vertretbar, nicht wie bei normalen Konjunkturabschwüngen allein auf die automatischen Stabilisatoren zu setzen, sondern auch aktiv finanzpolitische Maßnahmen zur Konjunkturbelebung zu ergreifen.

Es ist daher für Nordrhein-Westfalen unumgänglich, die Nettoneuverschuldung in diesem Jahr zu erhöhen. Die Nettoneuverschuldung wird im Jahre 2009 um 2,64 Milliarden € auf dann 5,61 Milliarden € steigen. Die Kreditverfassungsgrenze wird damit um 1,79 Milliarden € überschritten. Der Anstieg der Nettoneuverschuldung resultiert dabei ausschließlich aus der Summe der zu erwartenden Haushaltsverschlechterungen, die sich durch den dramatischen Konjunkturabschwung ergeben.

Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung müssen wir für das Jahr 2009 mit massiven Steuermindereinnahmen rechnen. Der Steuerschätzung von November 2008 lag noch eine Wachstumsrate von real plus 0,2 % zugrunde. Mittlerweile geht die Bundesregierung davon aus, dass die Wirtschaft in diesem Jahr real um 2,25 % schrumpfen wird. Das wird sich massiv bei den Steuereinnahmen auswirken. Gegenüber dem bisherigen Haushaltsansatz werden die geplanten Einnahmen für 2009 deshalb um 2,26 Milliarden € reduziert.

Darin enthalten ist auch die Erstattung der Pendlerpauschale mit einem Betrag von 500 Millionen €. Wir haben in Nordrhein-Westfalen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sehr zügig umgesetzt. In weniger als zwei Monaten wurden 2,25 Millionen Steuerfälle nachgerechnet und die erforderlichen Erstattungen veranlasst. Das spricht für die Effizienz unserer Finanzverwaltung.

Meine Damen und Herren, wir sehen auch die Notwendigkeit, den Ansatz für den Länderfinanzausgleich um 200 Millionen € zu erhöhen. Damit führen auch steuerinduzierte Veränderungen zu Haushaltsverschlechterungen. Die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich hängen bekanntlich sowohl von der Entwicklung der Steuereinnahmen in Nordrhein-Westfalen als auch von der Steuereinnahmenentwicklung in den anderen Bundesländern ab. Es ist zu erwarten, dass es aufgrund der Wirtschaftskrise unterschiedliche Entwicklungen in den Ländern gibt. Die daraus folgenden Veränderungen im Finanzkraftgefüge können Zahlungsverpflichtungen für Nordrhein-Westfalen auslösen. Diesem Risiko beugen wir vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Finanzierung des Zukunftspaktes für die Kommunen ist das Kernstück des Nachtragshaushaltes. Wir reagieren auf die Krise, indem wir schnell und zügig das Konjunkturpaket II umsetzen. Aus dem Investitionsprogramm des Bundes erhält das Land NordrheinWestfalen 2,13 Milliarden €. Das Land und die Kommunen müssen zusätzliche Mittel im Umfang von 711 Millionen € bereitstellen.

Zur Umsetzung der Finanzhilfen des Bundes und des Landes wird ein neues Sondervermögen mit dem Namen „Zukunftsinvestitions- und Tilgungsfonds Nordrhein-Westfalen“ gegründet. Wir folgen hier dem Beispiel des Bundes. Die Finanzierung des Landes- und Kommunalanteils erfolgt ausschließlich über eine Kreditaufnahme des Sondervermögens. Die Rückzahlung ist für den Zeitraum ab 2012 für zehn Jahre vorgesehen. Ende 2021 werden diese Schulden also getilgt sein.

Die Kommunen werden ihren Anteil dabei durch einen pauschalen Abzug bei den finanzkraftunabhängigen Zuweisungen nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz aufbringen. Der Eigenanteil wird dadurch erst im Wege der Abfinanzierung erbracht. Damit wird es allen Kommunen ermöglicht, Investi