Protocol of the Session on September 15, 2005

Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich zur achten Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen willkommen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 17 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben heute ein Geburtstagskind. Seinen Geburtstag feiert Herr Dr. Stefan Berger. Da er noch ein junger Mann ist, kann ich das Alter verraten: Er wird 36 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute im Namen der Kolleginnen und Kollegen!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, wir treten nunmehr in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Aktuelle Stunde

Thema: Drohende Lehrerlücke verhindern - Junge Menschen für das Lehramt motivieren

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP gemäß § 90 Abs. 2 Gesch0

Die Fraktionen der CDU und der FDP haben mit Schreiben vom 12. September 2005 zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion Herrn Kaiser das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde heute Morgen befasst sich mit der Nachwuchsförderung für Lehrerinnen und Lehrer. Hier ist Handeln angesagt. Immer wieder wurde in der Vergangenheit zwar darauf verwiesen, aber es wurde wenig getan. Aktuelle Zeitungsberichte beweisen es: Es ist wirklich Zeit zum Handeln. Die Versorgung der Schulen mit engagierten Lehrerinnen und Lehrern wird immer schwieriger. Aber Lehrermangel können wir uns schon allein aus Standortgesichtspunkten nicht mehr leisten.

Dabei sind insbesondere die Ursachen für die mangelnde Attraktivität des Lehrerberufs zu untersuchen. Es ist die Frage zu stellen, ob in der Vergangenheit wirklich genügend getan worden ist, um dem Lehrerengpass entgegenzuwirken. Meine Kollegin Uschi Doppmeier wird sich später noch genauer damit befassen.

Mit aller Vorsicht kann hier nur gesagt werden, dass nicht genügend getan worden ist. Deshalb müssen wir künftig folgende Punkte dringend anpacken:

Wir brauchen eine bessere gesellschaftliche Wertschätzung der Lehrerinnen und Lehrer. Die beste und langfristigste Strategie für einen ausreichenden Lehrernachwuchs ist die, dass wir die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer in aller Öffentlichkeit stärker wertschätzen.

(Beifall von der CDU)

Ich kann in dieser Frage auch hier im Hause trotz aller Kontroversen in anderen Fragen zunächst einen Konsens aller Fraktionen feststellen. Hier hat es auch bei Rot-Grün immer eine deutliche Distanzierung von der populistischen, diffamierenden Äußerung des damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen und heutigen Bundeskanzlers Gerhard Schröder gegeben, der bekanntlich von Lehrern als faulen Säcken gesprochen hat. Dies hat dem Ansehen des Berufs extrem geschadet.

Diese Aktuelle Stunde ist wichtig, weil wir von hier aus zwei Signale aussenden wollen:

Die neue Koalition der Mitte geht die Frage der Behebung der Lehrerlücke, des Lehrermangels engagiert an. Man kann der Vorgängerregierung den Vorwurf nicht ersparen, hier nur unzureichend agiert zu haben.

(Beifall von der CDU)

Zur Erinnerung: Die Einführung des Faches Naturwissenschaften der alten Landesregierung war nicht zuletzt verwaltungsmäßig motiviert, weil der eklatante Mangel an Chemie- und Physiklehrern so kaschiert werden konnte.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist absurd, was Sie da sagen!)

Des Weiteren betont die neue Koalition immer wieder die Priorität von Bildung. Die Neueinstellung von 1.000 Lehrerinnen und Lehrern zum neuen Schuljahr ist Beleg dafür. Wir stellen uns vor unsere Lehrerinnen und Lehrer und widerstehen auch in Wahlkampfzeiten populistischen Klischees.

(Lachen von Sören Link [SPD])

- Wer war das jetzt?

(Sören Link [SPD] hebt eine Hand. - Allge- meine Heiterkeit)

- Eine Freude, dass Sie da sind! Gleich wird es qualifizierter.

(Beifall von der CDU)

Ich wiederhole: Wir stellen uns vor unsere Lehrerinnen und Lehrer und widerstehen auch in Wahlkampfzeiten populistischen Klischees. Denn eines gilt: Die Koalition aus CDU und FDP stellt sich vor die Lehrerinnen und Lehrer und stärkt ihnen den Rücken. Dazu gehört auch, dass wir das Kerngeschäft des Lehrers wieder in den Mittelpunkt stellen, nämlich den Umgang mit Kindern und Jugendlichen, ihre Erziehung und die Wissensvermittlung. Ich höre immer wieder, dass das richtigerweise gesagt wird: Lasst uns doch einfach unterrichten und gängelt uns nicht ständig mit neuen bürokratischen Vorschriften!

Die Koalition der Mitte hat sich die Entbürokratisierung auf die Fahne geschrieben. Wir sehen gerade im Bereich der Schule ein umfassendes Feld für bürokratische Entrümpelungen, was auch zu einer anderen Wertschätzung selbstständig arbeitender Akademiker führen wird.

Bei meiner Internetrecherche habe ich eine Passage gefunden, die aus Niedersachsen noch zu SPD-Zeiten stammen soll. Dabei sage ich ausdrücklich, dass es mir jetzt nicht um eine parteipolitische Zuordnung geht.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Wer hätte das gedacht!)

- Lassen Sie mich doch einmal erzählen! - Das Beispiel ist schön: Man weiß nicht genau, ob einem die Tränen kommen sollen oder ob man lachen soll. Der Autor im Internet hat nämlich nach eigenen Aussagen eine Order über pädagogisches Verhalten in FKK-Bereichen zitiert. Es heißt dort:

„Ein unbekleideter Lehrer sollte herannahenden Schülern ausweichen, etwa, indem er sich hinter einem Gebüsch verbirgt oder ins Wasser springt. Grundsätzlich gilt, dass ein Lehrer unbekleideten Schülern ausnahmslos nur ins Gesicht schauen darf. Der Lehrer sollte mit der linken Hand wie zufällig seine ‚primären Geschlechtsteile’ bedecken und mit der rechten Hand dem Schüler leicht zuwinken und dabei einen alterstypischen Gruß aussprechen, etwa: ,Hi’ oder ,Hallo’.“

(Lachen von CDU und FDP. - Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: Das wird der Sache nicht gerecht!)

- Frau Löhrmann, es geht mir schon darum zu argumentieren. - Bei einer kritischen Durchsicht unserer Vorschriften würden wir sicherlich Ähnliches finden. Deshalb ist es umso nötiger, dass wir auch hier entsprechend entrümpeln und dass wir sagen: Wir brauchen selbstständige Lehrer in selbstständigen Schulen mit Selbstverantwortung. Da muss nicht jedes Detail geregelt werden. Ich glaube, das können die Lehrer selber. Das ist das Wichtigste, um wieder entsprechenden Lehrernachwuchs zu bekommen.

(Beifall von CDU und FDP)

Zweitens. Wir brauchen ein transparentes System mit genauen Angaben zum zukünftigen Bedarf.

(Carina Gödecke [SPD]: Wir haben eine Ak- tuelle Stunde beantragt!)

- Frau Gödecke, bei Ihnen merkt man, dass der Humor restlos verschwunden ist. Vielleicht würde der Ihnen ein bisschen helfen. Wir betreiben diese Diskussion alle ernsthaft, aber trotzdem kann man die fröhliche Laune behalten.

(Zurufe von der SPD)

Wir brauchen eine Lehrerausbildung in einem gewissen Maß über den eigentlichen Bedarf hinaus, um schulscharfen Ausschreibungen agieren und insbesondere den ländlichen Raum dauerhaft versorgen zu können. Wir brauchen Schulen, die eine Auswahlmöglichkeit haben. Deshalb ist es umso wichtiger, dass das System transparent ist und dass deutlich wird, welche Lehrämter gesucht werden und welche Stellen frei sind. Daran müssen wir arbeiten.

Drittens. Wir brauchen gezielte Werbemaßnahmen für Lehrer in Mangelfächern. Wir müssen dafür sorgen, dass schon in der Schule in den Ingenieurswissenschaften Schnupper- und Praktikumsmöglichkeiten bestehen, damit wir qualifizierten Nachwuchs gerade in den Naturwissenschaften gewinnen können.

Viertens. Wir müssen dafür sorgen, dass es verlässliche Rahmenbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer gibt. In den vergangenen Jahren wurde gegängelt. Es wurden Zeitverträge vor den Ferien beendet und nach den Ferien wieder begonnen. Es gab keine Verlässlichkeit über Einstellungskorridore. Die Studenten in der zweiten Ausbildungsphase wurden gegängelt. Wir brauchen Verlässlichkeit, um dafür zu sorgen, dass Lehrerinnen und Lehrer, die diesen Beruf ergreifen wol

len, wissen: Wir werden in Nordrhein-Westfalen gesellschaftlich anerkannt. Es wird anerkannt, dass wir für den Standort Nordrhein-Westfalen wichtig sind. - Wir sorgen dafür, dass die Lehrerinnen und Lehrer dafür zuverlässige Bedingungen finden. - Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kaiser. - Frau Pieper-von Heiden hat nun für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Zeitungsmeldungen dieser Tage rütteln uns auf: Die Rede ist von einem dramatischen Lehrermangel, auf den wir zusteuern, der vor allem durch die auf uns zurollende Pensionierungswelle bedingt ist. Aber Lehrer werden ja nicht plötzlich, einfach so von heute auf morgen, pensioniert. Das hat in der Regel schon mit ihrem Lebensalter zu tun, das bei den zuständigen Stellen doch hoffentlich aktenkundig ist. Über die Pensionierungen brauchte sich daher keiner der Verantwortlichen zu wundern, und deshalb konnte sich diesbezüglich keiner aus der Verantwortung stehlen. Die alte rot-grüne Landesregierung hat eine solche Statistik entweder offensichtlich nicht geführt oder zumindest keine Konsequenzen daraus gezogen.

Eigentlicher Anlass für diese Aktuelle Stunde sind in der Tat die Versäumnisse der abgewählten rotgrünen Landesregierung. Es wurde am tatsächlichen Bedarf vorbei ausgebildet; zu wenig Lehramtsstudenten waren und sind für die sogenannten Mangelfächer zu begeistern, weil genau diese bereits Mangelfächer in der eigenen Schulzeit der Lehramtsstudenten waren. Sie konnten keine Begeisterung für Naturwissenschaften und Technik entwickeln, weil ihnen diese in ihrer eigenen Schulzeit nicht vermittelt wurde. Und von Sachen, bei denen man sich nicht auskennt, lässt man doch lieber die Finger.

Darüber hinaus hat die alte Landesregierung noch vor wenigen Jahren nichts ausgelassen, was die unterrichtende Zunft verschrecken musste. Lehrerschelte von der früheren obersten Dienstherrin, Exministerin Gabriele Behler, die sich aus dem Fenster lehnte und öffentlich über ihr Lehrpersonal herzog, so als wenn sich ein Unternehmer aus dem Fenster lehnen und den Passanten zurufen würde, wie unbrauchbar und weinerlich sein Personal doch sei. Lehrerschelte übelster Art gab es auch von dem noch amtierenden Bundeskanzler Gerhard Schröder, wie Klaus Kaiser bereits angesprochen hat. Er scheute sich nicht, unsere Leh

rerinnen und Lehrer als faule Säcke zu beschimpfen.