Protocol of the Session on February 20, 2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 83. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen und heiße Sie herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich elf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir treten in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Altlasten beseitigen, Zukunft sichern – Neue Chancen für die WestLB

Unterrichtung

durch die Landesregierung

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Sagel (fraktionslos)

Drucksache 14/6223

Entschließungsantrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/6224

Entschließungsantrag

der Fraktion der SPD

Drucksache 14/6226

Mit Schreiben vom 12. Februar 2008 hat der Chef der Staatskanzlei mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag in der heutigen Plenarsitzung über das oben genannte Thema zu unterrichten.

Ich erteile Herrn Finanzminister Dr. Linssen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie über die aktuelle Situation der WestLB AG unterrichten.

Wie Sie wissen, haben sich die Eigentümervertreter der WestLB am 8. Februar 2008 nach sehr intensiven Verhandlungen auf Eckpunkte zur Zukunftssicherung der WestLB verständigt. Diese Maßnahmen ergänzen die hier bereits am 23. Januar 2008 erläuterten Kapitalmaßnahmen. Aus beiden ergibt sich ein Gesamtkonzept, das der WestLB wieder eine hoffnungsvolle Zukunft gibt.

Bevor ich Ihnen das Konzept erläutere, möchte ich einige grundsätzliche Bemerkungen zur Situation der WestLB und der Bankenlandschaft voranstellen. Denn nur in diesem Kontext ist verständlich, warum die WestLB in den letzten Monaten in eine derartig schwierige Lage geraten ist.

Die WestLB AG als eine der größten deutschen Banken hat vor und nach der Trennung von der NRW.BANK im Jahre 2002 als Bank mit internationalem Geschäft über Jahre sehr unterschiedliche Ergebnisse erzielt, wobei man sehr genau zwischen tatsächlich erzielten operativen Gewinnen und ausgewiesenen Erträgen differenzieren muss. Im Einvernehmen mit allen Eigentümern der WestLB, also dem Land – auch unter der rotgrünen Landesregierung –, den beiden nordrheinwestfälischen Sparkassenverbänden und den Landschaftsverbänden, wurden Hilfen gewährt, die jeden Einzelnen stark forderten und das unzureichende Geschäftsmodell nur mühsam übertünchten.

Schon seit geraumer Zeit gab es Hinweise darauf, dass nicht alle Geschäftszweige ein ausgewogenes Verhältnis von Chancen und Risiken aufwiesen. Als Beispiele nenne ich nur die Verluste beim englischen Fernsehverleiher Boxclever, bei der amerikanischen Flugzeugleasingfirma Boullioun oder bei den langjährigen Spekulationsgeschäften im Eigenhandel mit den sogenannten SpreadGeschäften.

Aus den Jahren vor dem Regierungswechsel 2005 stammt auch die große Mehrzahl der seit 1998 aufgenommenen Geschäfte, die jetzt zu den dramatischen Entwicklungen der letzten Monate geführt haben. Vor dem Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung im Juli 2005 hat sich die Westdeutsche Landesbank wie andere Landesbanken auch im großen Umfang mit günstigen Krediten eingedeckt. Diese wurden in erheblichen Größenordnungen in vermeintlich sicheren Papieren und Investments angelegt.

Dazu gehörten auch Subprime-Papiere, also Verbriefungen amerikanischer Immobilienkredite unterschiedlicher Sicherheit. Die internationalen Ratingagenturen haben diese Papiere seinerzeit fast durchgängig in sehr guten Risikoklassen eingestuft. Die Risiken sind jedoch aus heutiger Sicht betrachtet eklatant unterschätzt worden, auch von der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen und den Wirtschaftsprüfern.

Im Sommer 2007 stellte sich heraus, dass die Papiere nicht alle so gut waren, wie die Spitzenratings dies so suggerierten. Die IKB war die erste

deutsche Bank, die das mit den Papieren von Rheinland Funding schmerzhaft erfahren hat.

Übrigens, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundesfinanzminister und ehemalige Ministerpräsident Steinbrück äußert sich über die Landesbanken in Deutschland und kritisiert deren Geschäftsmodelle. Ich gestatte mir von diesem Pult aus den Hinweis: Nicht die Länder, sondern der Bund ist über die KfW zu 38 % an der IKB und ihren SubprimeGeschäften beteiligt.

(Gisela Walsken [SPD]: Was hat das mit der Landesbank zu tun?)

Um in Steinbrücks Sprache zu bleiben: Der Herr Bundesfinanzminister versucht derzeit, sich mit allerlei vorder- und hintergründigen Bemerkungen einen schlanken Fuß zu machen.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD: Ach!)

Es ist leicht, meine Damen und Herren, andere zu kritisieren. Wer aber bei der IKB im Glashaus sitzt, sollte bei der WestLB nicht mit Steinen werfen.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Vertrauenskrise an den internationalen Kapitalmärkten hat in den letzten Monaten dazu geführt, dass die größten Bankhäuser der Welt Bewertungsverluste teilweise in zweistelliger Milliardenhöhe erlitten haben.

(Bodo Wißen [SPD]: Gilt das auch für Sie selbst?)

Auch die als besonders seriös geltende Schweizer Bank UBS hat zuletzt erhebliche Einbrüche mitgeteilt und wird erstmals in ihrer Geschichte in einem Jahresabschluss rote Zahlen schreiben.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Das ist alles nicht schlimm!)

Unter den Landesbanken ist es – so stellt es sich immer mehr heraus – bei weitem nicht nur die WestLB, die entsprechende Bewertungsrisiken und Verluste erlitten hat: Ob LBBW, also die baden-württembergische Landesbank, oder Bayerische Landesbank, die ebenfalls beide sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind, ob HSH Nordbank oder in besonderem Maße die Sachsen LB – bei allen hinterlassen die Subprime-Probleme große Löcher in der Bilanz.

Seit September 2007 haben wir im Rhythmus von vier Wochen, zuletzt in 10-Tage-Abständen, er

hebliche Bewertungsabschläge zu verkraften gehabt.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Da muss man sich fragen, warum!)

Die Eigentümer der WestLB haben sich mit ihrer Vereinbarung ihrer gemeinsamen Verantwortung gestellt. Bei dieser Einigung in der Nacht zum 8. Februar ging es auch darum, den Finanzplatz Deutschland zu stabilisieren. Hätte sich das Rating der WestLB in den B-Bereich hinein verschlechtert, so hätte dies unweigerlich sofort auch schwerwiegende Auswirkungen auf den Sparkassensektor in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus gehabt. Dafür haben die Eigentümer der WestLB, vor allem aber das Land NordrheinWestfalen, besondere Verantwortung übernommen.

Alle Fraktionen dieses Hauses eint die Überzeugung, dass wir einen starken Finanzplatz Nordrhein-Westfalen brauchen. Auch dieser Finanzplatz wäre ohne eine grundlegende Zukunftssicherung der WestLB in eine erhebliche Schieflage geraten. Deshalb bemüht sich die Landesregierung auch weiterhin um einen übergreifenden Konsens über die zukünftige Ausrichtung des öffentlichen Bankensektors in Nordrhein-Westfalen.

Das Gesamtkonzept zur Zukunftssicherung der WestLB umfasst im Wesentlichen drei Punkte: eine Restrukturierung der WestLB, eine Optimierung des Geschäftsmodells und eine Risikoabschirmung. Alle drei Punkte sind von den Ratingagenturen, insbesondere von Standard & Poor’s, eingefordert worden. Sie sind auch aus Sicht der Landesregierung essenziell für eine Stärkung der WestLB. Und die Ratingagenturen S & P und DBRS haben die Beschlussfassung der Eigentümer mit einer Bestätigung des Ratings akzeptiert.

Die Eigentümervertreter sind ihrer Verantwortung insbesondere aufgrund der fortdauernden Gewährträgerhaftung über das normale Maß eines Aktionärs hinausgehend gerecht geworden. Sie haben sich am 12. Dezember 2007 zur Bank in einer 10-Punkte-Erklärung bekannt, die ich Ihnen am 20. Dezember 2007 hier vorgestellt habe.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Makulatur!)

Am 20. Januar 2008 haben sich die Eigentümervertreter darauf verständigt, die erwarteten Verluste und die Auswirkungen der Wertminderungen bis zu 2 Milliarden € quotal zu tragen. Hierüber habe ich am 23. Januar 2008 berichtet.

Neu ist nun, dass sich die Eigentümervertreter für die fraglichen Wertpapierportfolios auf eine Risikoabschirmung verständigt haben. Durch die Risi

koabschirmung wird die Gewinn- und Verlustsituation der WestLB von diesen volatilen Wertpapieren unabhängig. Die WestLB soll so eine stabile Position erlangen. Diese Maßnahme ist zugleich Ausgangspunkt für weitere Gespräche mit der Helaba und für die Konsolidierung der Landesbanken.

Doch lassen Sie mich nun auf die einzelnen Eckpunkte zu sprechen kommen, auf die sich die Eigentümervertreter am 8. Februar 2008 verständigt haben.

Als Restrukturierungsmaßnahmen sind insbesondere Kosteneinsparungen in Höhe von rund 300 Millionen € geplant. Dazu gehört auch der Abbau von 1.300 bis 1.500 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2010. Gleichzeitig sollen die Erträge um rund 100 Millionen € allein durch die Sparkassen- und Mittelstandsoffensive erhöht werden. Darauf komme ich gleich zurück.