Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 129. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich 15 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
1 Vereinbarung zwischen dem Landtag Nordrhein-Westfalen und der Landesregierung über die Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung – Parlamentsinformationsvereinbarung
Zur einführenden Berichterstattung erteile ich dem Vorsitzenden des Hauptausschusses, Herrn Kollegen Jostmeier, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer bei uns im Landtag auf der Tribüne, seien Sie uns ganz herzlich willkommen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vereinbarung zwischen dem Landtag Nordrhein-Westfalen und der Landesregierung, die sogenannte Parlamentsinformationsvereinbarung, die wir jetzt zur Kenntnis nehmen, ist nicht irgendwas. Deswegen ist sie auch sehr prominent an den Beginn unserer Plenarberatung gesetzt worden. Welche Bedeutung sie hat, liebe Kolleginnen und Kollegen, mag man daran ablesen, wenn wir die Diskussion verfolgen, die in den letzten Wochen in Berlin um das Begleitgesetz zum Verfassungsvertrag stattgefunden hat.
In Nordrhein-Westfalen befassen wir uns mit dieser Thematik seit mehr als 20 Jahren. Das erste Schreiben, das dazu – soweit ich informiert bin, Frau Präsidentin – im Archiv des Landtags zu finden ist, datiert vom 29. Januar 1974. Dort hat der damalige stellvertretende Ministerpräsident dem Parlamentspräsidenten Informationsrechte zugestanden.
gehandhabt: Manche Bundesländer wie zum Beispiel Bayern haben eine Verfassungsänderung bevorzugt. Als wir bis 2005 noch keine Mehrheit hatten – das gebe ich zu –, hat es auch vonseiten der Oppositionsparteien Forderungen gegeben, eine Verfassungsänderung herbeizuführen. Oder man macht es wie zahlreiche andere Bundesländer in Form eines PIG, eines Parlamentsinformationsgesetzes.
Wir haben uns in Nordrhein-Westfalen zu dieser Vereinbarung entschieden, nachdem wir in einem Arbeitskreis aller Fraktionen in Verhandlungen mit der Landesregierung dieses Ergebnis haben herbeiführen können.
Meine Damen und Herren, der wesentliche Kern der Parlamentsinformationsvereinbarung besagt, dass die Landesregierung dazu verpflichtet wird, über die vorhandenen Frage- und Auskunftsrechte der Abgeordneten hinaus einer weiter gehenden und ständigen Information des Parlaments nachzukommen. Das bedeutet – Sie können es nachlesen; ich will die verschiedenen Politikbereiche jetzt nicht nennen – konkret: Das federführende Ministerium wird die Fraktionen des Landtags über Gesetzesentwürfe der Landesregierung unterrichten, sobald diese den Verbänden oder Organisationen zur Anhörung zugeleitet worden sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das funktioniert und bereits praktiziert wird, können Sie daran ablesen, dass wir gestern ein Schreiben des Chefs der Staatskanzlei, Herrn Staatssekretär Beneke, datiert vom 8. September, erhalten haben. Dort wird darauf hingewiesen, dass eine gemeinsame Vereinbarung über die Koordinierungsstelle in Magdeburg zur Behandlung der verbrachten Kulturgüter aus dem Zweiten Weltkrieg getroffen wird. Meine Damen und Herren, es funktioniert also und ist bereits in Kraft.
Abschließend darf ich mich als Vorsitzender der Arbeitsgruppe und des Hauptausschusses ganz herzlich bei den vier Fraktionen bedanken, insbesondere bei deren Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern, die dazu beigetragen haben, dieses Ergebnis zu erreichen.
Ich darf mich auch bei der Landesregierung, Herrn Minister Krautscheid und Staatssekretär Beneke, bedanken. Ich darf mich darüber hinaus bei der Präsidentin bedanken, die für den Landtag eine sehr konstruktive und nachhaltige Position eingenommen hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Dank gilt auch den Damen und Herren der Verwaltung, Herrn Jeromin, Herrn Dr. Thesling und Herrn Schlichting, die uns sehr dabei geholfen haben, zu dem Ergebnis zu kommen, das heute vorliegt und das wir im Übrigen bereits durch den Notenaustausch verabschiedet haben. Es ist in Kraft. Ganz herzlichen Dank!
Es liegt jetzt an uns, dass wir davon entsprechend Gebrauch machen und auf diese Art und Weise die Stellung des Parlaments stärken, wenn es um die Entscheidungsfindung bei Rechtssetzungsakten geht. – Ganz herzlichen Dank.
Danke schön, Herr Kollege Jostmeier. – Ich gebe nun Herrn Kollegen Kuschke von der SPD-Fraktion das Wort und möchte darum bitten, dass es im Saal etwas ruhiger wird.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jostmeier hat gerade zutreffend auf die wechselvolle Geschichte der Auseinandersetzung um Parlamentsinformationsrechte verwiesen. Es ist in der Tat richtig: Die Auseinandersetzung ist auch ein Ringen um die Grundausstattung dieses Hohen Hauses. Denn ohne Information, ohne Beteiligung kann der Landtag nicht die Rechte wahrnehmen, die innerhalb des demokratischen Systems von ihm erwartet werden.
Dass das Ganze noch etwas mehr Dynamik gewonnen hat, hängt sicherlich damit zusammen, dass der Landtag, die Landesregierung, das Land insgesamt weitaus stärker in Bundesangelegenheiten und in Angelegenheiten der Europäischen Union eingebunden sind, Stichworte: Föderalismusreform I und II sowie die Auseinandersetzung und Diskussion um den Reformvertrag von Lissabon.
Es gibt einen Punkt, bei dem ich Ihnen, Herr Kollege Jostmeier, nicht widersprechen, aber darauf aufmerksam machen möchte, dass die Charakterisierung, die Sie gewählt haben, vielleicht nicht ganz zutreffend ist. Sie haben davon gesprochen, dass wir uns für diese Vereinbarung entschieden haben. Unsere und auch die Vorstellung von Bündnis 90/Die Grünen war weiter gehend; sie stellte auf eine Verankerung in der Landesverfassung ab. Der Konsens, den wir erreicht haben – ich will das nicht schmälern –, ist ein Minimalkonsens.
Die Diskussion um den Reformvertrag von Lissabon und die sogenannten Begleitgesetze, die wir im Augenblick erleben und erlebt haben, stärken uns in unserer Position, das in der Landesverfassung zu verankern. Wenn Bundesregierung und Bundestag darangehen, ihre bisherige Vereinbarung, die unserer Form ähnelt, in ein Gesetz zu gießen, meine Damen und Herren, dann sollten wir in den kommenden Monaten zumindest darüber nachdenken, ob das nicht ein nächster, weiter gehender Schritt sein muss.
der Vereinbarung erwähnen und das mit einem Lob an die Präsidentin verbinden, sondern auch die Entschließung aller Landtagspräsidentinnen und -präsidenten vom 20. August, in der es heißt – ich darf mit Genehmigung der Präsidentin zitieren –:
Nach Meinung der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente obliegt es den Ländern, die jeweiligen Regeln im Landesrecht, vorzugsweise im Landesverfassungsrecht, auszugestalten.
Das ist eine eindeutige Aussage aller Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten und macht noch einmal deutlich, meine Damen und Herren – das will ich für meine Fraktion betonen –: Wir brauchen in den nächsten Wochen und Monaten Klarheit darüber, ob das, was in den sogenannten EUBegleitgesetzen festgehalten worden ist, nicht einer stärkeren Verankerung bedarf.
Die Parlamentsinformationsvereinbarung ist eine Zwischenstation. Dazu bekennen wir uns, aber wir sollten jetzt – es gibt den Vorschlag, den ich noch einmal verdeutlichen will – in einem praktischen Verfahren erproben, ob wir weiter gehen müssen. Das bezieht sich auch auf die Dinge, die mit der Subsidiaritätskontrolle zusammenhängen, die wir bisher einvernehmlich, Herr Kollege Jostmeier, zurückgestellt haben. Dort brauchen wir praktische Erfahrungen.
Auch in den Bereichen, die jetzt zwischen Bundestag und Bundesregierung geregelt worden sind, die Bundesländer, den Bundesrat betreffend, sollten wir an einem konkreten Beispiel überprüfen, ob unsere Parlamentsinformationsvereinbarung ausreicht oder ob wir nicht eine andere Absicherung brauchen.
Wir würden uns freuen, wenn das wie zur Parlamentsinformationsvereinbarung in einer konstruktiven Zusammenarbeit des Hohen Hauses, der Präsidentin und der Landesregierung geschehen könnte. Dann sind wir auf der Höhe der Zeit, auch was die Diskussion in den vergangenen Wochen und Monaten anbelangt. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es kommt nicht so oft vor, dass die Präsidentin und das gesamte Parlament seitens der Opposition ein Lob bekommen. Aber ich will mich diesem Lob gerne anschließen, Herr Kuschke.
mit der jetzt abgeschlossenen Parlamentsinformationsvereinbarung, die wir alle miteinander tragen, kommt eine rund 20 Jahre dauernde Diskussion zu einem guten Ende. Ich will noch einmal begrüßen, dass die vorliegende Vereinbarung von allen vier Fraktionen des Landtags unterstützt und getragen wird.
Auf die Einzelheiten brauche ich nicht einzugehen, jeder kennt den Text. Es wird Informationen über Gesetzentwürfe geben, sobald diese in die Verbandsanhörung gehen. Es wird eine rechtzeitige Information zu beabsichtigen Staatsverträgen oder Verwaltungsabkommen geben, wenn sie landespolitisch bedeutend sind. Die Landesregierung will und wird fortlaufend und frühzeitig über die im Bundesrat anstehenden Vorhaben informieren. Ähnliches gilt für die Angelegenheiten der EU.
Mit der getroffenen Vereinbarung kann sich das Land Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu anderen Bundesländern durchaus sehen lassen, auch wenn die Regelung keinen Gesetzescharakter hat. Sie ist aus Sicht meiner Fraktion eine sorgsam ausbalancierte Abwägung zwischen den Informationsbedürfnissen des Landtags und der nötigen Gestaltungsfreiheit der Landesregierung.
Der Abschluss der Vereinbarung durch einen Notenwechsel zwischen der Präsidentin des Landtags und dem Ministerpräsidenten reiht sich ein in eine Staatspraxis, die sich hier in Nordrhein-Westfalen bewährt hat.
Ich wünsche der Landesregierung, der Präsidentin und uns, dass die Vereinbarung mit dem Leben erfüllt wird, wie wir uns das vorstellen. Dann werden wir alle davon profitieren. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die hier diskutierte Vereinbarung zeigt, wie die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen das Verhältnis von Parlament und Regierung sehen und wie sie mit der Opposition und damit auch mit Informationsrechten der Opposition umgehen. Ich finde es erfreulich, dass wir diese Vereinbarung auf den Weg bringen.
Zum Abschluss einer Vereinbarung in ähnlicher Gestalt ist die rot-grüne Vorgängerregierung nie bereit gewesen. Ich darf daran erinnern, dass die FDP-Landtagsfraktion bereits am 19. März 2002 in einem umfassenden Antrag – nachzulesen in Landtagsdrucksache 13/2393 – die Verankerung dieser Parlamentsrechte gefordert hat. Damals wurde in diesem Hause eine breite Expertenanhörung dazu durchgeführt. Die rot-grüne Vorgängerregierung war
allerdings nicht dazu zu bewegen, dem Parlament insgesamt entsprechend fixierte Zusagen zu geben. Oder, höflich formuliert: Die damaligen Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben für das gesamte Parlament als erster Staatsgewalt seinerzeit eine entsprechende Vereinbarung mit der damaligen Landesregierung nicht durchsetzen können.
Herr Kuschke, Sie haben eben ausgeführt, dass wir hier einen Minimalkonsens vereinbart hätten, mit dem nicht alle Ihre Wünsche erfüllt würden. Ehrlicherweise muss man dann doch die Frage stellen, was Sie seinerzeit auf diesem Gebiet erreicht haben. Die Stärkung der Parlamentsrechte und damit insbesondere auch der Minderheitenrechte wurde von Rot-Grün erst wiederentdeckt, als Sie hier in der Oppositionsrolle waren.
Ich darf daran erinnern, dass auch Johannes Remmel von den Grünen in der Plenardebatte vom 21. März 2003 – nachlesbar in Plenarprotokoll 13/86 – die Wichtigkeit des Umgangs von erster und zweiter Staatsgewalt gewürdigt, eine Stärkung des Parlaments sowie eine effizientere Arbeit angesprochen und entsprechende Defizite eingeräumt hat. Geschehen ist in der letzten Legislaturperiode dann aber merklich wenig, wie wir wissen.