Sebastian Striegel

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Last Statements

Herr Kollege Kurze, ich habe nur eine ganz kurze Frage. Wir haben vor etwa einem Jahr im Landtag den Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung behandelt. Dort wird der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festgeschrieben, inklusive aller seiner Sparten, Kanäle usw.
Ist mir das nur nicht aufgegangen, habe ich das überhört, oder ist es tatsächlich so, dass Ihre Fraktion dem einstimmig zugestimmt hat und dass es hierzu auch im Plenum keine Debatte von Ihrer Seite gab und dass auch keine Debatte beantragt wurde?
Mich würde einfach interessieren, was dafür der Hintergrund ist; denn dort wird ja der Auftrag, von
dem Sie jetzt noch mal so wortreich beklagt haben, dass der viel zu breit ausgestaltet sei, definiert. Das, was wir hier als Staatsvertrag zu beschließen gehabt hätten, ist ja nur die Ableitung davon, nämlich die Empfehlung der KEF.
Ich wollte gar nicht lachen.
Ich wollte gar nicht lachen, Herr Kurze. Mir ist Folgendes nur nicht ganz klar: Die Inkonsistenz Ihrer Argumente ist an der Stelle ziemlich offensichtlich. Die CDU macht seit Jahren den Punkt, ihr sei seit Jahren daran gelegen, den öffentlichrechtlichen Rundfunk zu reformieren. Dass dafür viele CDU-Medienpolitiker mit verantwortlich sind, will ich mal zur Seite gestellt lassen.
Aber die Frage ist: Warum hat sich aus Ihrer Fraktion zum Reformvertrag zur Medienordnung in Deutschland, in dem der Auftrag des öffentlichrechtlichen Rundfunks festgeschrieben wird, hier im Landtag, also an dem Ort, an dem darüber zu entscheiden war, kein Protest geregt? Warum haben Sie dort ohne Debatte in zwei Lesungen zugestimmt?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Montag dieser Woche sind dem RKI 267 Coronatodesfälle gemeldet worden.
Am Dienstag waren es mindestens 305 Tote. Am Mittwoch waren es 251 Tote und am Donnerstag 260. In der Vorwoche starben insgesamt 1 195 mit Corona infizierte Menschen. In dieser Woche ist mit etwa 1 500 Menschen zu rechnen, die sich infiziert haben und die ihr Leben an ein gefährliches Virus verlieren werden. Alle 16 Sekunden stirbt derzeit in Europa jemand an den Folgen von Covid-19. Hunderttausende haben sich inzwischen auch in unserem Land infiziert. Viele werden auf unbestimmte Zeit an zum Teil schweren Folgeschäden leiden.
Ich bin nicht bereit, das als gegeben zu akzeptieren. Ich sehe uns alle und ich sehe die Behörden in der Pflicht, weiteren Schaden von der Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger abzuwenden. Dafür sind weitere und auch noch eine geraume Zeit andauernde Maßnahmen für die Bekämpfung der Pandemie erforderlich. Ja, diese Maßnahmen sind hart. Über sie muss gestritten werden, und zwar unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aller Disziplinen nach Maßstäben allein an der Evidenz orientiert, in den Stäben und Abteilungen der öffentlichen Verwaltung unter Rückgriff auf den Stand der Wissenschaft, in den Parlamenten als Rede und Gegenrede und selbstverständlich auch auf den Straßen und Plätzen dieses Landes unter freiem Himmel, mit Abstand und einem Mund-Nasen-Schutz, der das Infektionsrisiko signifikant vermindert.
Frau Bundeskanzlerin Merkel hat das Virus zu Recht eine demokratische Zumutung genannt. Das ist es. Es ist eine Zumutung für die Parlamente, die sich - noch zu langsam - in der Krise verschüttgegangene Informationsrechte und Beteiligungsrechte zurückholen. Sie tun dies ihrem Verfassungsauftrag entsprechend mittels Gesetzgebung, so wie es am Mittwoch der Deutsche Bundestag mit seinem Beschluss zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes getan hat.
Die AfD hat diesen Gesetzgebungsprozess geschmäht und versucht, mit Störern Bundestagsabgeordnete zu nötigen.
Es geht dabei nicht mehr um Ordnungswidrigkeiten. Es geht um Straftatbestände, und es sind Sie, die dieses Parlament, die dieses Land an den Rand einer Diktatur bringen wollen.
Das ist ein Tabubruch, der nicht folgenlos bleiben darf, Frau Funke.
Noch ist bei der Parlamentsbeteiligung in der Pandemie nicht alles Notwendige erreicht worden, aber ein erster wichtiger Schritt zur Begrenzung der Maßnahmen wurde getan. Nun sollen auch die Länder folgen und nach dem Vorbild BadenWürttembergs die Macht der Exekutive begrenzende Infektionsschutzgesetze verabschieden.
Das Virus ist aber auch eine Zumutung für alle, die durch Maßnahmen zum Schutz aller in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit ebenso beschränkt werden wie in der Wahrnehmung gewichtiger Grundrechte, insbesondere des Grundrechts, sich frei und ohne Waffen zum Aufmerksammachen auf ein eigenes Anliegen zu treffen.
Man hört in diesen Tagen oft den Satz, dass die Demonstrationsfreiheit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Rechtsordnung konstitutiv sei. Dieser Satz ist richtig. Ohne Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ist eine moderne Demokratie nicht denkbar. Zugleich steht das Wahrnehmen dieses Freiheitsrechtes in einer Pandemie notwendigerweise im Widerspruch zur Aufforderung, sich im Interesse aller zu vereinzeln, Kontakte zu beschränken und, ja, Menschenmassen aus dem Weg zu gehen.
Die ersten Coronaverordnungen im Frühjahr dieses Jahres beinhalteten gravierende Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit. In manchen Ländern wurde das Recht zu demonstrieren kurzfristig und aus meiner Sicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise ausgesetzt. In SachsenAnhalt waren Versammlungen zwar weiterhin erlaubt, jedoch stark - womöglich zu stark - eingeschränkt.
Ein solcher Zustand konnte und durfte nicht aufrechterhalten bleiben. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich deshalb schon früh und auch erfolgreich für Lockerungen eingesetzt. Die Pandemie darf eben nicht in einen Dornröschenschlaf des demokratischen Lebens einmünden - weder in den Parlamenten noch auf der Straße.
Wer also in diesen Zeiten demonstrieren will, der soll und kann das tun, ganz gleich, welches Thema ihn bewegt oder welche Sorge ihn befallen hat. Er sollte und muss dies verantwortlich tun, weshalb die zuständigen Behörden ihm in der Pandemie Auflagen machen können, wenn es ihm an Anstand - in diesem Fall als Abstand verstan
den - fehlt. Jede und jeder, der seine Meinung auf die Marktplätze dieser Republik trägt, muss damit leben, dass sich diese Meinung im demokratischen Diskurs bewähren muss. Es gibt keine Meinungsfreiheit ohne Widerspruch. Es gibt kein Recht darauf, beim Demonstrieren nicht von völlig entgegengesetzten Meinungen behelligt zu werden.
Schon gar nicht gibt es ein Recht darauf, von Fakten und wissenschaftlicher Erkenntnis unbehelligt zu bleiben, Herr Olenicak. Solange beim Querdenken nur Quark herauskommt, muss mit energischer Widerrede gerechnet werden.
- Herr Kirchner, ich entscheide das nicht, aber drei Viertel der Menschen in diesem Land sind der Meinung, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie angemessen sind. Es ist diese Mehrheit, es sind meine Wählerinnen und Wähler, für die ich hier an dieser Stelle stehe.
Diese stützen die demokratischen Maßnahmen, sie wollen solidarisch sein und sie wollen sich selbst einschränken, um die Freiheit nach der Pandemie für alle, auch für Sie, zu erhalten. Es mögen Tausende auf den „Querdenker“-Demos gewesen sein. Es sind Millionen Menschen in diesem Land, die einen anderen Kurs, einen Kurs der Verantwortung wollen.
Solidarität lässt sich nicht verordnen. Sie muss durch Empathie begründet und gelernt werden. Unter denjenigen, die in den letzten Wochen unter anderem in Leipzig und an diesem Mittwoch in Berlin auf die Straße gingen, gab es keine Solidarität, sondern nur Egoismus. Dieser Egoismus ging so weit, dass man seine eigenen Kinder vor den Wasserwerfer gestellt hat.
Dazu kommt auch Verachtung für diesen Staat, für unsere auf gemeinsame Werte gründende Gesellschaft und für die Demokratie. Das wirre Gebräu aus Verschwörungsmythologie und impfskeptischer Esoterik, das sich unter dem Label „Querdenken“ zusammengefunden hat, ist keine Querfront. Es ist eine Gruppe von Menschen, die sich in eine rational kaum noch zu durchdringende Mythologie zurückgezogen hat, die allenfalls vom Antisemitismus zusammengehalten wird. Wer Impfungen durch die Bank ablehnt und Deutschland zur Coronadiktatur erklärt, der argumentiert vernunftwidrig.
Wer sich als ein Opfer inszeniert, dem das gleiche Leid wie Jüdinnen und Juden während des Holocausts geschehe, dem ist rational kaum noch beizukommen.
Unsere Demokratie hält das bis zu einem gewissen Grade aus. Die Freiheit ist eben auch die Freiheit der gedanklich Fehlgehenden.
Eine ganz andere Qualität bekommen die Proteste gegen die Coronamaßnahmen durch eine Entwicklung, die immer deutlicher zutage getreten ist, nämlich die Unterwanderung und Steuerung der Proteste durch die extreme Rechte, unter anderem durch die AfD.
Seit den verheerenden Bildern von fahnenschwenkenden Neonazis und Reichsbürgern auf den Stufen des Reichstags müssen sich alle Teilnehmerinnen an den Protesten fragen lassen: Mit wem marschiert ihr da? Verantwortungsdiffusion geht dabei als Argument nicht an. Wer mit Nazis demonstriert, kann das nicht mit gemeinsamen Zielen rechtfertigen oder damit, man habe nichts davon gewusst. Wer es wissen wollte, der hat im Vorfeld der Leipziger Demonstration gewusst, dass ihm dort Nazis und Hooligans den Weg freiräumen würden. Wer keine klare Abgrenzung betreibt, der ist mitverantwortlich.
Das Gleiche gilt aber auch für die Polizei, die Versammlungsbehörden und die Innenministerien in Deutschland. Es empört mich, wenn ich sehe, wie im Nachgang der Ereignisse in Leipzig die Verantwortung wie eine heiße Kartoffel hin und her geworfen wird.
Ja, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
gilt beim polizeilichen Vorgehen gegen Demonstrationen. Aber einer Demonstration gewaltbereiter Rechtsradikaler, aus deren Reihen die Polizei massiven Angriffen ausgesetzt war, hätte niemals die Straße überlassen werden dürfen. An dieser Stelle wurde lange im Vorfeld und am Tag der Demonstration schwer versagt.
Dafür trägt der sächsische Innenminister Verantwortung. Die Bilder triumphierender Rechtsradikaler senden ein fatales Signal. Der Staat erlegt allen schwerwiegende Beschränkungen auf. Doch wer nur radikal genug gegen die Maßnahmen verstößt, der kommt ungeschoren davon. Hierbei muss eine klare Kante gelten. Punkt.
Berlin hat am Mittwoch gezeigt, dass Verbote mit Augenmaß durchgesetzt werden können. Verbotene Versammlungen wurden aufgelöst, gegen illegal Ausharrende kamen Wasserwerfer zum Einsatz, und wer nach Stunden immer noch illegal im Versammlungsraum unterwegs war, der wurde festgesetzt und mit einem Bußgeld belegt.
In Reaktion auf Gesetzesbrecher gilt es nun auch, nicht repressiv überzureagieren. Polizei und Verfassungsschutz müssen sich auf den Kampf gegen militante Rechtsradikale fokussieren und ihn entschlossen führen. Davon, die gesamte Szene der Coronaleugner durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen, halte ich nichts. Mir scheint die Debatte angesichts der wiederholten schlimmen Bilder ein Stück weit auch von dem Bedürfnis nach einer schnellen, handfesten Lösung getragen.
Ich wünsche mir stattdessen entschlossenen Widerspruch und einen Gegendiskurs der demokratisch Gesinnten in diesem Land. Die Vernunft hat noch die Mehrheit in diesem Land. Aber diese Mehrheit scheint mir ein wenig debattenmüde zu sein und angesichts großer Unsicherheiten in der aktuellen Lage ist das Argumentieren oft auch schwer.
Die Grundsätze müssen aber klar sein: Wissenschaft geht vor Esoterik und Verschwörungsmythologie. Das beinhaltet eben auch Zweifel, Uneindeutigkeiten und Holzwege. Diese sind kein Ausdruck von Unwahrhaftigkeit.
Meine Damen und Herren! Es zeigt sich immer mehr, dass der Kampf gegen die Pandemie auch den andauernden Kampf um demokratische Werte verschärft. Diese müssen wir auch unter diesen Umständen bewahren. Ich hoffe, bei diesem Gedanken alle demokratischen Fraktionen in diesem Hohen Hause mit mir einverstanden zu wissen.
Ich hoffe auch, dass wir als Parlament dieser Verantwortung gerecht werden. - Herzlichen Dank.
Wissen Sie, Herr Farle, ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen, dass Sie sich mit diktatorischen Dingen, wie sie in der DDR geschehen
sind, auskennen als jemand, der in einer Zeit, als die DDR noch existierte, genau diese Ideologie vertreten hat.
Aber das will ich ausdrücklich nicht tun, sondern ich will Sie darauf hinweisen, dass Ihnen, wenn Sie bei dieser oder einer anderen Regierung Verfassungsbruch vermuten,
in diesem Land - da wir in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat leben - die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, zum nächsten zuständigen Gericht zu gehen,
die entsprechende Situation zu beklagen und, soweit Sie recht hätten, auch recht bekommen würden.
Sofern Sie aber nicht recht hätten, würden diese Klagen keinen Erfolg haben.
Das Infektionsschutzgesetz und dessen Änderungen, die Sie angesprochen haben, sind das Gegenteil von Diktatur und dessen, was Ihre Fraktion in einem fehlgeleiteten Vergleich „Ermächtigungsgesetz“ nannte. Es ist das komplette Gegenteil; denn es sichert die Mitsprache des Parlaments, des Deutschen Bundestags und anderer in diesem Staat. Wir sind als Parlament aufgerufen, Verantwortung für dieses Bundesland zu übernehmen und nun auch Parlamentsrechte in SachsenAnhalt auszubauen. Ich habe gelesen, dass Ihre Fraktion dies ablehnt. Ich finde das bedauerlich;
denn es täte not.
Ich möchte noch einige Lügen zurückweisen, die Sie hier verbreitet haben. Die Demonstration in Berlin war nicht friedlich. Es gab 274 Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen massiver Angriffe auf Polizeibeamte. Ich würde mir wünschen, dass auch die AfD
an dieser Stelle deutlich machen würde, dass sie zu Friedlichkeit steht und nicht mit jenen sympathisiert, die Angriffe auf Polizeibeamte ausüben.
Noch ein letzter Punkt.
Ja. Nur noch ein ganz kurzer Punkt. - Der Redner Ihrer Fraktion, Herr Farle,
Ihr Fraktionsvorsitzender Kirchner, hat einen Lockdown für sämtliche anderen Fraktionen - mit Ausnahme der Ihren - im Parlament gefordert. Das ist nichts anderes als Diktatur.
Sie wollen die Diktatur in diesen Raum, ins Hohe Haus, bringen, nichts anderes.
Man kann es sehr kurz machen beim Abg. Loth: Erstens. Anstand braucht in diesen Tagen Abstand. Das ist das, was ich gesagt habe, und, ich denke, das ist es, was den Menschen in diesem Land guttun würde und was solidarisch ist.
Zweitens. Demonstrationen in diesem Land werden nicht genehmigt. Es gibt keinen Genehmigungsvorbehalt für Demonstrationen. Sie können in diesem Land demonstrieren und Sie brauchen dafür keine Genehmigung. Das Einzige, was passieren kann, ist, dass Ihre Demonstration beauflagt wird oder gegebenenfalls mit der schärfsten Auflage, einem Verbot, belegt wird. Aber Sie brauchen keine Genehmigung.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Bildungsminister, Sie haben dazu Ausführungen gemacht, dass die Schule kein Ort sei, an dem verstärkt Infektionen auftreten, und dass die Infektionen in die Schulen hineingetragen würden. Liegt der Landesregierung eine Übersicht vor, die nach Jahrgängen differenziert hinsichtlich der Inzidenzen in den einzelnen Schulbereichen, die zum Beispiel zwischen dem Primar- bzw. Sekundarbereich unterscheidet?
Ich habe eine kurze Nachfrage. - Herr Minister, Sie sind meiner Frage mit dem Ausweichen auf einen anderen Themenbereich aus dem Weg gegangen.
- Doch, das muss ich an dieser Stelle feststellen.
Es geht nicht darum, dass Sie Daten zu einzelnen Patientinnen und Patienten vortragen sollen.
Mich interessiert vielmehr, ob der Landesregierung eine statistische Übersicht zur Verteilung von Covid-19-Infektionen in den Jahrgängen vorliegt. Wir wissen aus den Übersichten des RKI, dass die Inzidenz im Bereich der Sekundarstufe deutlich höher ist als im Grundschulbereich.
Meine Frage ist: Gibt es die Inzidenzen auch nach Jahrgängen aufgeschlüsselt? Daran angeschlossen ergibt sich die Frage: Was würde das für die weitere politische Entwicklung im Bereich der Schulen, zum Beispiel in Bezug auf Hybridunterricht, Klassenaufteilung usw. bedeuten? Was sind Ihre politischen Schlussfolgerungen daraus? - Dazu würde ich sie gern um eine Antwort bitten, nicht zu Ausführungen über allgemeine Erwägungen zum Datenschutz. Das ist an der Stelle nicht relevant.
Herr Farle, Sie leugnen mit Vehemenz die Gefährlichkeit dieser Pandemie. Ich will Sie deshalb fragen, ob Ihnen bewusst ist, dass in den Vereinigten Staaten, wo ein Präsident Trump, der mit einem ähnlichen Verhältnis zur Wahrheit unterwegs ist wie Sie, über vier Jahre regiert hat,
inzwischen eine Viertelmillion Menschen, 250 000 Menschen, an und mit diesem Virus gestorben sind. Wenn das umgerechnet auf die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland wäre, würden wir
über etwa 63 000 Tote im selben Zeitraum und nicht 13 000 reden. Das könnte möglicherweise ein Hinweis darauf sein, dass unsere präventiven Methoden in der Bundesrepublik Deutschland, so schwierig und so hart sie sein mögen - das will ich gar nicht bestreiten -, doch wirksam sind.
Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Umgang eines Staates mit dem Demonstrationsrecht seiner Bürgerinnen und Bürger ist ein feiner Seismograf für den inneren Zustand der Demokratie. Wir werden morgen - Frau Kollegin Quade hat schon darauf verwiesen - in einer Debatte über die Grenzen des Demonstrationsrechts vor dem Hintergrund einer Pandemie zu sprechen haben.
Heute debattieren wir aber über ein Gesetzesvorhaben, das für mich zeigt, dass Sachsen-Anhalt in positiver Art und Weise vorangehen kann. Es zeigt, dass hier in unserem Land Haltung zu Verfassungsrecht und schließlich auch zu praktischer Politik werden kann. Kollege Erben hat es angesprochen.
Versammlungsbehörden haben sich in SachsenAnhalt wiederholt schwergetan, wo Nazis auf Straßen und Plätzen demonstrierten. Das hatte und hat unterschiedliche Ursachen: fehlende Kenntnisse der rechtlichen Möglichkeiten, fehlende Konsequenz und bisweilen auch - die Kollegin Quade sprach es an - fehlende gerichtsfeste Dokumentation von begangenen Verstößen, seien es Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten. Zudem - das ist ein weiterer Grund - ist in Sachsen-Anhalt im Versammlungsrecht bisher nur die öffentliche Sicherheit, aber nicht die öffentliche Ordnung Schutzgut.
Als Resultat dieser unterschiedlichen Ursachen war es offenen Rassisten und Antisemiten möglich, Woche für Woche ihr geistiges Gift auf Marktplätzen in unserem Land zu verteilen und Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Auftreten einzuschüchtern.
Als Gesetzgeber standen und stehen wir nun vor der Frage, wie wir gegen diese Faschisten vorgehen, ohne das Versammlungsrecht als solches zu beeinträchtigen. Sonst liefen wir Gefahr, die Freiheit aus Angst vor den Gegnern der Freiheit selbst zu beschädigen.
Unsere Landesregierung hat deshalb in Abstimmung mit uns einen Weg gewählt, der zunächst auf das Vorbild von weiteren 14 Versammlungs
gesetzen verweisen kann, insoweit diese das Schutzgut der öffentlichen Ordnung enthalten.
Sachsen-Anhalt geht aber darüber hinaus. Seit der Parlamentsreform besteht Klarheit darüber, dass die Verfassungsordnung unseres Landes nicht neutral, sondern dezidiert antifaschistisch ist. Artikel 37a der Landesverfassung verpflichtet uns als Teil der staatlichen Gewalt, die Wiederbelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, die Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems sowie rassistische und antisemitische Aktivitäten nicht zuzulassen.
Der vorliegende Gesetzentwurf ermöglicht es den Versammlungsbehörden, unter besonderer Beachtung dieses Verfassungsauftrages deutlich früher als bisher gegen Demonstrationen von Neonazis vorzugehen, und natürlich müssen die Versammlungsbehörden dabei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Eingrenzung des Begriffes der öffentlichen Ordnung beachten. Aber jetzt kann deutlich früher als bisher gegen Demonstrationen von Neonazis vorgegangen werden und wir können dieses Einschreiten dann auch erwarten.
Dass wir uns auf diese Regelung einigen konnten, ist für mich ein positives Signal. Wo Neonazis Demokratie bedrohen, stellen wir uns ihnen entgegen, und wir zeigen, dass wir den uns selbst gegebenen Verfassungsauftrag praktisch umsetzen. Dazu gehört in diesem Zusammenhang, dass gegen die einschüchternden Auftritte quasi uniformierter Gruppen, zum Beispiel des III. Weges, nun vorgegangen werden kann. Hier haben wir meiner Meinung nach eine gute Regelung mit Augenmaß gefunden.
Meine Damen und Herren! Die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht für ein liberales Versammlungsrecht.
Demonstrationen sind Wesenselement einer lebendigen Demokratie. Aber wie jedes andere Recht
hat auch die Versammlungsfreiheit Grenzen. Zur Klarstellung dieser Grenzen leistet der Gesetzentwurf einen Beitrag. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gesagt worden, es gab zum Sommer dieses Jahres eine ganze Menge Aufruhr um das Landesantidiskriminierungsgesetz in Berlin. Neben grundsätzlicher Ablehnung, weil vorgeblich die Notwendigkeit für ein solches Gesetz fehle, wurde von den Gegnern des Gesetzes außerhalb Berlins auch die Sorge ins Feld geführt, dass Bund und Länder für Schadenersatzansprüche, die bei Einsätzen ihrer Polizistinnen
und Polizisten in Berlin entstehen könnten, aufkommen müssen.
Diese Aufregung war - es ist gesagt worden - gegenstandslos. Das Land Berlin hat bereits Ende Juni erklärt, dass das Gesetz ausschließlich für die Berliner Verwaltung gilt und sich an die Berliner Stellen und ihre Bediensteten richtet. Folglich drohen auch dem Land Sachsen-Anhalt keine Entschädigungsansprüche bei Einsätzen von Polizeibeamtinnen und -beamten in Berlin. Die bundesweite Zusammenarbeit der Polizeien des Bundes und der Länder und die Amtshilfe bei polizeilichen Unterstützungseinsätzen werden deshalb selbstverständlich fortgesetzt.
Das Berliner LADG betrifft alle staatlichen Behörden in Berlin. Die durchsichtige Sorge, die dem heute zu erledigenden AfD-Antrag zugrunde lag, hat sich vier Monate nach dem Inkrafttreten des Gesetzes als völlig unbegründet herausgestellt. Eine Klagewelle ist ausgeblieben.
Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes sind bisher 104 Beschwerden eingegangen. Die betreffen alle Bereiche des staatlichen Handelns, nicht nur die Polizei. Stattdessen hat sich gezeigt, dass Diskriminierung in vielfältigen Lebensbereichen stattfindet. So gab es nicht nur Beschwerden aufgrund von Diskriminierung nichtweißer Gruppen oder der sexuellen Orientierung sowie der sexuellen Identität. Auch in der Pandemie zeigten sich Diskriminierungseffekte. Beispielsweise beschweren sich sehbehinderte Menschen darüber, dass viele Behörden nur noch online erreichbar seien.
Das in Berlin geltende Gesetz zeigt, dass breite Bevölkerungsschichten davon profitieren, dem Kampf gegen Diskriminierung durch staatliche Behörden einen gesetzlichen Rahmen zu geben.
Als GRÜNE engagieren wir uns deshalb dafür, dass auch in Sachsen-Anhalt die Menschen eine einfach anwendbare Rechtsgrundlage haben, um sich gegen Diskriminierung durch öffentlich-rechtliches Handeln wehren zu können. Ein Landesantidiskriminierungsgesetz ist ein weiterer Schritt hin zu einem toleranten, weltoffenen und modernen Sachsen-Anhalt. - Herzlichen Dank.
Herr Abg. Kirchner, Sie haben in Ihrem Redebeitrag behauptet, der R-Wert wäre in den letzten Tagen stabil unter null.
- Entschuldigung. Ich korrigiere - -
Auf die Entschuldigung des Abg. Kirchner lege ich keinen Wert.
Frau Präsidentin, ich möchte aus dem täglichen Fallbericht des RKI zitieren, und zwar aus dem Fallbericht von gestern Abend, und damit die Aussagen des Abg. Kirchner korrigieren: „Die berichteten R-Werte liegen seit Anfang Oktober stabil deutlich über 1. In den letzten Tagen hat der R-Wert leicht abgenommen, liegt aber weiter über 1. Das bedeutet“ - es ist dann auch für Menschen wie Sie noch erklärt -, „dass die Anzahl der neuen Covid-19-Fälle weiterhin zunimmt.“
Sie haben darauf verwiesen, Herr Kirchner, dass wir auf der Basis von fundierten Zahlen miteinander sprechen müssen. Ich möchte Sie auffordern, genau das zu tun. Der Kurs, den Sie hier fahren, den Ihre Fraktion hier fährt, ist einer, der geradewegs in die Katastrophe führt,
der dazu führt, dass Menschen in Sachsen-Anhalt und in der Bundesrepublik Deutschland in Größenordnungen sterben werden. Das ist ein Kurs, den meine Fraktion nicht bereit ist mitzugehen. Ich bin ausdrücklich dankbar, dass wir uns hier in den demokratischen Fraktionen darüber streiten, wie der Kurs für das Land aussieht, aber nicht darüber, dass wir etwas gegen die Coronapandemie tun müssen. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die Demokratie hintertreibt, Menschenrechte mit Füßen tritt, wer den Rechtsstaat zerstören will und das friedliche Zusammenleben aller Menschen in diesem Land unmöglich machen will,
dem sagen wir GRÜNE nicht nur „Stopp!“, dem treten wir aktiv entgegen und werden ihn an seinem Tun hindern. Ganz egal, was seine Motivation ist, ganz egal, hinter welcher politischen Theologie er sich zu verstecken sucht, ganz egal, mit welchem Terror er uns bedroht: Wir verteidigen die Demokratie gegen alle, die sie abschaffen wollen.
Die von Rechtsextremen eingesetzte EnqueteKommission „Linksextremismus in Sachsen-Anhalt“ ist kein geeignetes Instrument, um die Demokratie zu verteidigen.
Diese Enquete-Kommission hat keine neuen Erkenntnisse gebracht. Um diese Erkenntnisse geht es der AfD auch nicht. Die AfD verfolgt mit dieser Enquete-Kommission das Ziel, Zivilgesellschaft zu formatieren. Alle, die im begrenzten Weltbild dieser rechtsextremen Partei keinen Platz haben, werden diffamiert und sollen aus dem politischen Diskurs gedrängt werden.
Die Vorwürfe, die Sie gegen Mitglieder von Gewerkschaften, Vereinen und Verbänden erheben, sind infam. Sie behaupten Linksextremismus, wo keiner ist. Wer sich mit den Vorträgen, Artikeln und Interviews des von Ihnen in Ihrem dahingeschluderten Bericht diffamierten Vertreters des Vereins Miteinander beschäftigt, der findet darin eben keinerlei demokratiefeindliche Inhalte. Keine! Sie behaupten Kontaktschuld; Sie bauen einen Popanz auf.
Indem Sie Ihre kundigen Kritiker zu Extremisten zu stempeln versuchen und in die Nähe von Ge
walttätern rücken, versuchen Sie Ihr Braunhemd politisch in eine weiße Weste einzutauschen.
Ja, die Demokratie wird in diesem Land bedroht. Sie wird bedroht von Terroristen,
die auf der Grundlage der Verschwörungsideologie eines vermeintlichen großen Austausches Menschen töten, eine Ideologie, die auch in der AfD gedeiht und transportiert wird. Sie wird bedroht von einer rechtsextremen Partei, die ihre politischen Erfolge darauf bauen will, dass es unserem Land schlecht geht, dass es Deutschland schlecht geht.
Die Demokratie wird bedroht, wo, wie in Wien gestern Abend, ein islamistischer Attentäter Menschen ermordet,
wo ein Lehrer, wie in Paris, starb, weil er von einem Islamisten hingerichtet wurde, der Meinungsfreiheit nicht akzeptieren konnte.
Dass in Sachsen-Anhalt die Gefahr durch Linksextremismus größer sei als die durch Rechtsextremismus oder Islamismus, ist eine bewusste Verdrehung der Tatsachen. - Herr Olenicak, Sie müssten das wissen. Sie müssten es wirklich wissen.
Ja, sogar schwere Gewaltstraftaten bis hin zu zwei versuchten Tötungsdelikten sind in der polizeilichen Kriminalstatistik in den vergangenen Jahren in diesem Phänomenbereich registriert worden. Diesen Delikten treten unsere Behörden mit aller notwendigen Konsequenz entgegen. Defizite in der Strafverfolgung sind dabei nicht zu erkennen.
Meine Damen und Herren! Wir leben in einer Zeit, in der die Demokratie oft für selbstverständlich gehalten wird. Doch wir sind an einem Punkt in der Geschichte angelangt, an dem wir vor einer zentralen Aufgabe stehen. Wir müssen verhindern, dass die Demokratie von innen zerstört wird, dass sie zerstört wird von rechtsextremen Parteien wie der AfD, die versucht, aus den deutschen Parlamenten heraus demokratische Strukturen zu zerschlagen.
Die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird sich dem entschieden entgegenstellen. Wir werden uns fortwährend und mit aller Kraft für die Demokratie in Sachsen-Anhalt einsetzen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, das Beherbergungsverbot ist tatsächlich problematisch, weil es nicht verhältnismäßig und nicht geeignet ist, dafür zu sorgen, dass die Infektionsherde tatsächlich identifiziert und damit auch bekämpft werden. Denn wenn ich von A nach B aus einer zum Beispiel sehr gering mit Corona belasteten Gegend irgendwohin fahre und dort in einem Ferienhaus bin, ist das Infektionsrisiko für Dritte bei null.
Meine Frage ist: Wie kommen wir zu wirklich geeigneten Mitteln? Wäre es nicht sinnvoll, bevor in Sachsen-Anhalt jemand vor das Verwaltungsgericht oder das Oberverwaltungsgericht zieht und klagt und mit einiger Wahrscheinlichkeit recht bekommt, zu sagen: Wir ersetzen dieses Mittel
durch ein anderes, geeignetes, verhältnismäßigeres Mittel?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am gestrigen Tage haben wir anlässlich des Jahrestages des antisemitischen und rassistischen Anschlags vom 9. Oktober 2019 in Halle
debattiert, der zwei Menschen das Leben kostete und viel mehr Menschen an Leib und Seele verletzte. Es wurde dabei oft betont, dass wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen dürfen, dass wir Konsequenzen ziehen und eben Taten sprechen lassen müssen.
Darüber hinaus waren sich die demokratischen Fraktionen in diesem Parlament im Wesentlichen darüber einig, dass wir eine Verpflichtung gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen haben. Diese Verpflichtung besteht darin, die an Körper und Seele Verletzen mit ihren Schmerzen und ihren psychischen Folgen dieses grauenhaften Ereignisses eben nicht allein zu lassen.
Oft quält die Überlebenden eines solchen Ereignisses das Gefühl, dass Politik und Gesellschaft keinen Anteil an ihrem Leid nehmen. Ich wünschte mir, dass wir es in diesem Fall besser machen und wirklich empathisch an der Seite der Opfer stehen. Das heißt eben auch zu schauen, ob die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten schon ausreichend sind. Mir scheint, dazu gibt es sowohl mit Blick auf diesen konkreten Fall als auch generell noch eine Ausbaufähigkeit.
Es wäre in diesem Sinne eine meines Erachtens denkbare Geste, den Hinterbliebenen und Opfern, die als Nebenklägerinnen und Nebenkläger am Prozess gegen den Täter teilnehmen, auch finanzielle Unterstützung zu gewähren. Wir sollten diesen Vorschlag deshalb wohlwollend prüfen.
Die Welt hat vor einem Jahr mit Schrecken nach Halle geblickt. Wir alle werden uns fragen lassen müssen, was wir getan haben, und vor allem, wie wir den Opfern geholfen haben. Die regelmäßige Teilnahme am Prozess kann für die Betroffenen ein Schritt bei der Bewältigung ihres Traumas sein.
Wenn wir an dieser Stelle behilflich sein können, dann sollten wir es tun. Es wäre ein Akt praktischer Solidarität, den wir uns meiner Meinung nach und der Meinung der Fraktion nach durchaus leisten können. - Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Idee, das Ganze hier vielleicht pantomimisch darzustellen, ist tatsächlich spannend. Wir haben uns beim Lesen des Antrags auch gefragt, was das eigentlich soll.
Wir werden ihn konsequenterweise auch ablehnen; denn es steht wirklich nur Unfug darin. Ich will aber wenigstens noch ein paar inhaltliche Dinge dazu sagen.
Das im Bund beschlossene Onlinezugangsgesetz verpflichtet Bund, Länder und Gemeinden dazu, bis Ende des Jahres 2022 - Zitat -: „ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten“ und diese „miteinander zu einem Portalverbund zu verknüpfen.“ Bis 2023 muss das dann sogar europaweit geschehen.
Staat und Verwaltung digital upzudaten haben die aktuellen Koalitionspartner nicht nur in den Koalitionsvertrag geschrieben, sondern wir haben dafür im Land mit dem Informationszugangsgesetz und dem E-Government-Gesetz die Rechtsgrundlagen
gelegt. Die Updates zur digitalen Verfügbarkeit der Verwaltung ergeben sich genau daraus.
Zukünftig müssen diese beiden quasi als Betriebssystem der Verwaltung im Land in ein OZG münden. Diese Migration der Verwaltung wurde also landes- wie bundesseitig bereits aufgesetzt.
Der vorliegende Antrag ist aus der Zeit gefallen. Denn dass Sachsen-Anhalt das OZG umsetzen wird, ist bereits abschließend geklärt worden. Spannender ist die Umsetzung der Details. Auf ein paar Probleme ist schon hingewiesen worden.
Wir befinden uns bei der Arbeit an den Untermenüs. Dort liegen auch die tatsächlich aktuell brennenden und komplexen Herausforderungen, um zügig spürbare Erfolge bei der Verwaltungsdigitalisierung zu erzielen. Der vorliegende Antrag verharrt dann doch eher noch beim Hochfahren.
Angesichts der Dimension, der Komplexität und der zeitlichen Vorgabe des Vorhabens kann die Umsetzung nur in einer engen vertrauensvollen und verwaltungsträgerübergreifenden Zusammenarbeit gelingen. Die landesseitige Koordinierung von MF und MI mit den Kommunen, die für viele Basisdienstleistungen die Kontaktstelle unserer Bürgerinnen und Bürger sind, hat dafür den Leistungsrahmen leider noch nicht annähernd ausgeschöpft.
Das Land hat die Verantwortung angenommen, den kommunalen Anforderungen entsprechende Basisdienste und Infrastrukturen sowie darauf aufsetzende Onlinedienste bereitzustellen. Rechtsgrundlagen, IT-Architektur und Programme für digitale Verwaltungsdienstleistungen zur Verfügung zu stellen, ist aber nur die Basisversion des E-Governments und umfasst nur den App-Store für die Verwaltung.
Auch im App-Store hakt es noch. Denn konkret wissen die Kommunen noch immer nicht, welche Lösung sie übernehmen können oder wofür sie selbst Services entwickeln müssen.
Im gerade erschienenen 4. Monitor „Digitale Verwaltung“ wird dazu ausgeführt - ich zitiere -:
„Es gibt keine eindeutige Übersicht […] - weder für die Steuernden im BMI, Kanzleramt und bei den Ländern, noch für die Umsetzenden, insbesondere auf der Kommunalebene.“
Hier ist es an den fachverantwortlichen Ministerien in Bund und Land, nachzuarbeiten. Insbesondere Gesundheitsämter sollten primär vorgezogen digitalisiert und gepatcht werden. Neben den Programmen müssen vor Ort in den Kommunen dazu die Verwaltungsprozesse komplett digital umprogrammiert werden.
Die kommunalen Admins der Verwaltung und die Anwenderinnen und Anwender in den Behörden
benötigen entsprechend viel neues Know-how, und entsprechend feinfühlig wie auch nachhaltig muss das vermittelt werden. Wir brauchen weniger Stempel und Siegel, mehr Maus und Programmierzeilen. - Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Jahr ist vergangen, seitdem ein Nazi und Anhänger einer antisemitischen und rassistischen Verschwörungsideologie versucht hat, an Jom Kippur ein Blutbad unter betenden Jüdinnen und Juden in Halle anzurichten. Seiner Mordlust fielen zwei Menschen zum Opfer, die das unsagbare Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Ihnen gilt unser Andenken.
Ihren Angehörigen spreche ich mein tief empfundenes Mitgefühl aus. Viele weitere Menschen wurden an Leib und Seele verletzt. Sie wurden angeschossen. Sie wurden vom Täter angefahren. Er zielte auf sie oder sie mussten ansehen, wie Menschen vor ihren Augen getötet und verletzt wurden. Die Taten des 9. Oktober haben sich für immer in ihr Gedächtnis eingegraben. Sie tragen schwer daran.
Als Mitglied dieses Parlamentes sind wir es den Ermordeten, den Menschen, die in der Synagoge um ihr Leben bangen mussten, den Angehörigen der Toten, den Verletzten und allen Betroffenen schuldig, etwas zu tun. Wo also stehen wir ein Jahr, nachdem die Welt entsetzt nach Halle geblickt hat?
Jahrhunderte der Judenfeindschaft, die unserer Kultur leider innewohnen, kann man nicht innerhalb eines Jahres beseitigen. Aber wir müssen
uns ehrlich machen und uns der Frage stellen, ob wir das uns Mögliche getan haben, um kleine Schritte auf einem neuen Weg zu gehen. In dieser Verantwortung stehen wir trotz Corona und all den Herausforderungen, die die Pandemie mit sich bringt; denn es ist auch die gesellschaftliche Gesundheit, um die wir kämpfen müssen. Wir haben als Deutsche oft betont, vielleicht sogar manchmal mit etwas Hochmut, dass wir aus unserer Geschichte gelernt hätten. Es ist höchste Zeit, dass wir Taten sprechen lassen.
Mit einem gewissen Optimismus nehme ich zur Kenntnis, dass sich auf der politischen Ebene durchaus etwas bewegt. Ich nehme wahr, dass es hier und da eine neue Bereitschaft gibt, Antisemitismus als Problem anzuerkennen, auszusprechen und verbal anzuerkennen, dass Rassismus das friedliche Zusammenleben in unserem Land bedroht, dass Rechtsextremismus in all seinen Schattierungen die derzeit größte Bedrohung der Demokratie in Deutschland ist.
Ich bin stolz darauf, dass wir einen Konsens der Demokratinnen und Demokraten erzielen konnten, der es ermöglicht hat, eine Antifaschismusklausel in unsere Landesverfassung aufzunehmen. Artikel 37a lautet:
„Die Wiederbelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, die Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems sowie rassistische und antisemitische Aktivitäten nicht zuzulassen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Verantwortung jedes Einzelnen.“
Jedes Einzelnen! Es liegt nun an uns, dieses demokratische Bekenntnis wirklich zu verinnerlichen und zu politischer und persönlicher Praxis zu machen. Nur so gelingt gesellschaftlicher Wandel.
Dass diese Verfassungsnorm mehr sein kann und wird als bloße Verfassungslyrik, zeigen unsere Verhandlungen über eine Reform des Versammlungsrechts beispielhaft. Wir sind auf einem guten Weg, eine Einigung zu erzielen, die es Neonazis in Zukunft schwerer machen wird, unser aller Freiheit zu nutzen und gegen die Demokratie und ihre Werte zu hetzen. An dieser Stelle kann es kein Wegsehen geben. Das Grundgesetz ist keine wertneutrale Ordnung. Es ist im Kern eine antifaschistische Verfassung und eines ihrer Wesensmerkmale ist die Wehrhaftigkeit gegen ihre Feinde. Das muss in allem staatlichen Handeln deutlich werden und ist Verpflichtung aller gesellschaftlichen Akteure.
Es ist deshalb gut, dass die Landesregierung in der letzten Woche eine Vereinbarung mit den jüdischen Gemeinden zu deren Schutz unterzeichnet hat. Diese Vereinbarung war angesichts
der Bedrohungslage überfällig. Es wird nun darauf ankommen, dass die vereinbarten Mittel unverzüglich in Baumaßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit fließen können.
Es ist auch richtig, dass sich unser Bundesland nun an einer Studie zu rassistischen, antisemitischen und rechtsextremen Einstellungsmustern bei der Polizei insgesamt beteiligt. Warum hat dies so lange gedauert? - Erst ein nun bekannt gewordenes empörendes Beispiel von selbstverständlich gepflegtem Alltagsantisemitismus hat für ein Umdenken gesorgt. Ich frage: Warum nicht gleich so? - Wir wussten auch zuvor genug, um genauer hinzuschauen.
Ich bin davon überzeugt, dass die vom Innenminister auf den Weg gebrachten Maßnahmen in die richtige Richtung weisen, aber weitere Schritte sind nötig. Wir brauchen endlich einen unabhängigen Polizeibeauftragten oder eine unabhängige Polizeibeauftragte, um antisemitischem, rassistischem und allgemein demokratiefeindlichem Ungeist bei der Polizei wirksam entgegentreten können, gerade auch im Interesse der Vielzahl an Beamtinnen und Beamten, die Tag für Tag in und durch ihren Dienst den Rechtsstaat und die Demokratie verteidigen.
Wenn wir uns fragen, wie es zu einem solchen Attentat hier bei uns kommen konnte, dann ist ein Teil des Problems diese auf vielen Ebenen gepflegte Kultur des Wegschauens.
Ich will dies an einem Beispiel verdeutlichen. Am vergangenen Freitag hörte man den Ministerpräsidenten in einem Interview sagen, dass sich niemand einen solchen Vorgang wie in Halle habe vorstellen können. - Natürlich übersteigt eine solche Tat das menschliche Fassungsvermögen, und ich nehme unserem Ministerpräsidenten seinen auf Fassungslosigkeit fußenden Unglauben vollständig ab, aber nach Utøya, Christchurch, Pittsburgh, den Morden des NSU und vielen anderen rechtsextremen Mordtaten offenbart sich in dieser Aussage ein Teil des Problems.
Wir haben als Gesellschaft und als Verantwortliche die Anzeichen vielleicht zur Kenntnis genommen, aber wir haben uns der Gefahr nicht ehrlich gestellt. Der Rechtsextremismus zieht eine Blutspur durch die deutsche Nachkriegsgeschichte. Man muss sich eine solche Tat nicht mehr vorstellen, man musste nur hinsehen. Der Hass, dessen Opfer wir vor einem Jahr in Halle zu beklagen hatten, war schon vor 40 Jahren beim Bombenattentat auf das Münchner Oktoberfest am Werk. Der Hass tötete Walter Lübcke. Dieser Hass ermordete Jana und Kevin. In Hanau schlug er erneut zu und im Netz ist seine Fratze tagtäglich zu sehen.
Neu ist dabei aber nicht seine Ideologie, sondern neu ist allenfalls das Medium. Rechter Terrorismus hat eine jahrzehntelange Tradition in Deutschland. Wenn wir dies anerkennen, haben wir einen wichtigen Schritt getan. Aber auch das beste Landesprogramm für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus kann nichts ausrichten, wenn wir nicht auf individueller Ebene Verantwortung für unsere Gesellschaft übernehmen, indem wir gegen Hass und hetzerische Parolen unsere Stimme erheben.
Das, was mir in unserem Land bisher fehlt, ist so etwas wie eine heilsame Wirkung des Schocks, eine demokratische Kultur des beherzten Widerspruchs, weil man verstanden hat, nicht zur Tagesordnung übergehen zu können. Das bedeutet übrigens auch, dass wir uns empathisch an die Seite der Betroffenen stellen und ihnen nicht noch das Gefühl geben, ihr Schutz sei eine Last. Das ist unsere gesellschaftliche Pflicht. Nicht die Betroffenen müssen sich rechtfertigen. Es müssen stattdessen die faschistischen Täter und ihre geistigen Stichwortgeber innerhalb und außerhalb des Parlaments zur Verantwortung gezogen werden.
Dass der Magdeburger Kreisverband der AfD einen Frank Pasemann als Kandidaten für die Bundestagswahl aufstellt, den man angeblich noch vor Monaten unter anderem wegen seines Antisemitismus aus der Partei werfen wollte, spricht Bände über das Wesen dieser Partei.
Genauso Bände spricht das Agieren von Ihnen, Herr Farle. Sie haben angesprochen, dass Sie bei Gericht waren. Sie hätten auch sagen sollen, was Sie dort im Saal erzählt haben, als eine Nebenklägerin gefragt hat. Sie haben gesagt, da fragt Soros. Was anderes ist das als ein antisemitisches Stereotyp, das Sie dort bemüht haben? Was anderes ist das?
Bei Ihnen ist noch nicht einmal mehr eine bürgerliche Fassade da. Die AfD ist der parlamentarische Arm des Rechtsterrorismus.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen an der Seite aller, die für die offene Gesellschaft und gegen den antisemitischen, rassistischen und rechtsvölkischen Ungeist kämpfen. Wir reichen dazu allen demokratischen Kräften die Hand. Die übergreifende Anteilnahme vor einem Jahr und vor knapp einer Woche anlässlich des Jahrestages waren kraftvolle Gesten in diesem Geist. Wir wollen sie als das hoffnungsvolle Erbe dieses schrecklichen Tages bewahren.
Ich bin froh, ich bin wirklich froh über das Engagement, das auch die Kollegin von Angern gewürdigt hat, das Katja Pähle gewürdigt hat, das Tobias Krull gewürdigt hat. Dieses Engagement,
das in Halle zutage getreten ist, von Menschen in der ganzen Breite der Gesellschaft, die sich dort durch ihr Tun klar antifaschistisch bekannt haben, die gezeigt haben, dass diese Stadtgesellschaft eine demokratische ist, die Erinnerungen wachgerufen haben und die vor allem aber auch ein deutliches Zeichen gesetzt haben, dass es so in unserer Gesellschaft nicht weitergehen kann, das war wichtig.
Mich persönlich hat ganz besonders berührt, was am Vorabend, am 8., am Donnerstag, vor dem „Kiez-Döner“ passiert ist. Dort waren mehr als 300 Menschen anwesend, von denen große Teile auch migrantische Menschen waren. Dort hat eine Veranstaltung stattgefunden, auf der ausschließlich migrantische Stimmen zu Wort kamen unter dem Motto „Jetzt sprechen wir!“. Das war wichtig für diese Stadt, weil diese Perspektive an viel zu vielen Stellen zu kurz kommt.
Ich hoffe, dass aus solchen Ereignissen, aus solchen Momenten des Gedenkens und des Erinnerns auch neue Kraft für uns als Gesellschaft insgesamt erwächst, die es uns ermöglicht, diejenigen leiser werden zu lassen, die Rassismus und Antisemitismus das Wort reden. - Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Jugendarrest stellt einen unter Umständen gewichtigen Grundrechtseingriff dar. Deswegen ist es richtig, dass wir ihn endlich auf eine tragfähige gesetzliche Grundlage stellen. Der vorliegende Gesetzentwurf liefert brauchbare Ansätze; dennoch ist der Jugendarrest in dieser Form kein grünes Herzensprojekt. Es steht auch weiterhin zu befürchten, dass der Jugendarrest weniger als pädagogische Maßnahme denn als Strafe empfunden wird und so sein Ziel verfehlt. Die Kollegin Frau von Angern hat auf die Probleme verwiesen.
Mich beschleichen angesichts der Ausgestaltung und der Situation der Arrestdurchführung grundsätzliche Zweifel, ob ein Arrest von einigen Tagen oder Wochen dem gesetzten Ziel genügen kann. Schaut man sich die eingegangenen Stellungnahmen und das Protokoll über die mündliche Anhörung zu diesem Gesetzentwurf an, dann stellt man fest: Alle Stellungnahmen aus der pädagogischen Praxis durchzieht ein sehr skeptischer Grundton. Die Einschätzungen bewegen sich oft zwischen den Begriffen - ich zitiere - „wirkungslos“ bis hin zu „unter Umständen sogar schädlich“. In Teilen sehe ich das ähnlich.
Ich glaube allerdings auch, dass der Jugendarrest, zeitnah und als Ultima Ratio angewandt, in Einzelfällen einen richtigen Anstoß geben kann, dies aber nur dann, wenn er eben nicht als Schuss vor den Bug, sondern pädagogisch durchdacht und mit nachhaltigen Anschlussmöglichkeiten für die Jugendlichen vollzogen wird. Das allerdings schaffen wir nicht, wenn wir eine Haftstrafe light verhängen. Ich bin deshalb froh, dass wir im parlamentarischen Verfahren zum Beispiel die Absonderung in einen gesondert gesicherten Haftraum von 24 auf sechs Stunden verkürzt haben.
Ganz grundsätzlich aber müssen wir uns klarmachen: Als Gesellschaft fahren wir allemal besser, wenn wir den Fokus mehr auf Prävention legen. Der Jugendarrest greift offensichtlich in vielen Fällen erst dort, wo das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Die vorliegenden Defizite in der Entwicklung der Betroffenen auszugleichen ist wesentlich schwerer, als im Vorhinein besser hinzuschauen und stützende Angebote zu unterbreiten. Hiermit können wir wirklich gewinn
bringende Investitionen in unser aller Zukunft machen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der 8. Mai 1945 ist zentraler Bezugspunkt deutscher und europäischer Erinnerungskultur. An diesem Tag wurden Deutschland und ganz Europa von der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten befreit. Ein menschenverachtendes System fand sein Ende. Sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden von den Nationalsozialisten in der Schoah ermordet. Der Nationalsozialismus hat einen Weltkrieg ausgelöst, der mehr als 70 Millionen Menschen das Leben kostete.
Nach 1945 wurde dem 8. Mai in der deutschen Erinnerungskultur lange Zeit keine große Beachtung geschenkt. Erst 40 Jahre später hat der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker - darauf ist heute schon Bezug genommen worden - die Bezeichnung „Tag der Befreiung“ für den 8. Mai 1945 eingeführt. Für einige ist es offensichtlich immer noch schwer zu ertragen, dass das ein Tag der Befreiung ist. Das ist heute hier
auch schon gesagt worden. Der Abg. Höse hatte für die AfD-Fraktion im Innenausschuss entsprechend vorgetragen.
Dieser Tag ist nicht nur bedeutsam, weil er das Ende der Nazidiktatur einläutete. Er hat auch den Weg für die heutige Demokratie bereitet, in der wir in Deutschland und in Sachsen-Anhalt leben dürfen. Die Erinnerung an das Grauen des Naziregimes und an die damaligen Schreckenstaten darf niemals in Vergessenheit geraten. Nur durch das Aufrechterhalten der Erinnerung an damaliges Unrecht in unserem kollektiven Gedächtnis können wir ähnliche Verhältnisse auch in Zukunft verhindern.
Gedenk-, Mahn- und Feiertage, die das Unheil des Dritten Reiches jedes Jahr wieder ins Gedächtnis rufen, sind ein bedeutender Aspekt der deutschen Erinnerungskultur. Den 8. Mai zum Gedenktag zu erklären hat deshalb die Unterstützung der Bündnisgrünen-Landtagsfraktion. Wir können uns diesem Anliegen durchaus anschließen. - Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorrednerinnen und Vorredner
haben es schon deutlich gemacht, der Antrag der AfD-Fraktion hätte tatsächlich auch einfach lauten können „Ausländer raus!“. Der volksverhetzende Charakter Ihres Antrags wäre damit von Anfang an deutlich geworden.
Es überrascht jedoch niemanden, dass Sie die Aspekte des Asyl- und Immigrationspakets der EU-Kommission begrüßen, die dazu führen, dass weniger Menschen nach Deutschland und Sachsen-Anhalt migrieren können. Es ist doch kein Geheimnis, dass Ihnen kulturelle Vielfalt widerstrebt und Sie den aberwitzigen Traum von einem homogenen deutschen Volk verfolgen.
Herr Kirchner, was ist denn das Problem, wenn ein Viertel der Deutschen einen Migrationshintergrund hat? Welche Rolle spielt das? Warum ist das wichtig?
- Doch.
Ihre ganze Rede strotzte davon, dass Sie es als Problem beschrieben haben. Dazu passt auch, dass Sie in dem Antrag die Teile des Asyl- und Migrationspakts ablehnen, die eine gezieltere Verteilung der Geflüchteten zwischen den Mitgliedstaaten vorsehen, wodurch die momentan überforderten Staaten Südeuropas entlastet werden sollen. Dass dabei die Sorge um den Konsens in der Europäischen Gemeinschaft als Vorwand von Ihnen genutzt wird, erscheint lächerlich im Hinblick auf die Tatsache, dass Sie seit Ihrer Gründung eine europafeindliche Partei sind
und im Jahr 2019 in Ihrem Leitantrag zur Europawahl sogar den Austritt Deutschlands aus der EU forderten.
Welches Geistes Kind die Abgeordneten der AfDFraktion sind, beweisen sie auch damit, dass sie die Bundesregierung dafür kritisieren, in einer humanitären Katastrophenlage, wie sie im Geflüchtetenlager Moria existiert, dringend benötigte Hilfe zu leisten. Dass noch dazu Fluchtursachen von Ihnen als - Zitat - „perverse Sogwirkung“ bezeichnet werden, entlarvt Sie umso deutlicher. Darauf lässt sich nur eines erwidern: Nicht die vielfältigen Gründe der Geflüchteten, die nach Europa fliehen, sind pervers, sondern Ihr Antrag ist es.
Vor diesem Hintergrund ist es von Ihnen mehr als zynisch, die CO2-Besteuerung, die eine von
vielen hilfreichen Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise ist, als menschenfeindlich zu bezeichnen.
Allerdings erweist sich dieser Antrag nicht nur als menschenverachtend, sondern er ist auch von Falschaussagen geprägt. Die Entscheidung der Bundesregierung im Sommer 2015 war eben keineswegs rechtswidrig. In Bezug auf die Situation im Sommer 2015 wird immer wieder behauptet, Deutschland hätte nach den Regeln der Dublin-IIIVerordnung keine Geflüchteten aufnehmen dürfen. Das ist falsch. Nach Artikel 17 dieser Verordnung kann jeder Staat vom sogenannten Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen. Das bedeutet, dass es Deutschland erlaubt ist, Asylverfahren zu prüfen, auch wenn es gar nicht zuständig ist.
Das Argument des vermeintlichen Rechtsbruchs, dass Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen gern benutzen, verfolgt einzig und allein das strategische Ziel, die deutsche Politik und das deutsche System zu delegitimieren.
Ich möchte an Sie zum Schluss noch ein paar Worte richten. Wer mit Worten zündelt, der trägt am Feuer Schuld.
Es muss sich niemand darüber wundern, dass sich rassistische Einstellungen verfestigen und die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle in Deutschland ansteigt, wenn solche hetzerischen Anträge von einer Fraktion einer im Parlament vertretenen Partei vorgelegt werden.
Als Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellen wir Ihrem Rassismus ein weltoffenes und tolerantes Sachsen-Anhalt entgegen. Wir stehen für gelingende Zuwanderung statt nationalistischer Einfältigkeit. - Vielen herzlichen Dank.
Herr Farle, ich würde gern von Ihnen wissen, ob Sie juristisch kenntnisreich genug sind, dass Sie uns hier mal die Stellung der Landeswahlleiterin im Gefüge der Ministerialbürokratie erläutern könnten. Unterliegt die Landeswahlleiterin im Bereich des Innenministeriums einer Weisungsbefugnis, ja oder nein?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von nunmehr fast 16 Jahren starb ein Mensch im sachsen-anhaltischen Polizeigewahrsam unter bis heute nicht vollständig geklärten, aber zweifellos düsteren Umständen. Oury Jalloh verbrannte in einer Zelle in einem Dessauer Polizeirevier. Bis heute versagt der deutsche Rechtsstaat, die vollständige Aufklärung dieses Falles
zu gewährleisten. Die ordentlichen Gerichte konnte diese Aufklärung nicht vollumfänglich liefern. Dieser Befund schmerzt; er ist und bleibt eine offene Wunde für unseren Rechtsstaat und für unsere Demokratie.
Die Regierungskoalition dieses Landes hat sich zur Gewährleistung parlamentarischer Kontrolle dazu entschlossen, mit Manfred Nötzel und Jerzy Montag zwei erfahrene Juristen damit zu beauftragen, nach Ausschöpfung des Rechtswegs den gesamten Aktenbestand nochmals zu durchforsten, die aus der Sicht des Rechtsausschusses offenen Fragen zu beantworten und Empfehlungen für die Zukunft zu geben.
Beide Berater haben Ergebnisse geliefert. Ein zentrales Ergebnis ist, dass alle - alle! - polizeilichen Maßnahmen gegenüber Oury Jalloh rechtswidrig waren. Oury Jalloh wurde ohne Grund festgenommen; denn seine Identität wäre ohne Weiteres feststellbar gewesen. Hätten sich die handelnden Polizeibeamten an geltendes Recht gehalten, hätten sie ihn gar nicht erst verhaften dürfen bzw. hätten ihn zumindest zeitnah wieder auf freien Fuß setzen müssen. Wären die hier geltenden Regeln beachtet worden: Oury Jalloh wäre am 7. Januar 2005 nicht verstorben. Das ist ein gravierender Befund in einem Rechtsstaat.
Ein weiterer zentraler Befund ist aber auch, dass die juristischen Berater aus den Akten keinen Ansatzpunkt für weitere Mordermittlungen sehen. Dies würde einen hinreichenden Tatverdacht gegen einen oder mehrere konkret benennbare Tatverdächtige voraussetzen. Ein solcher Tatverdacht ist aktuell nicht ersichtlich. Aber - wir haben es heute schon gehört - Mord verjährt nicht. Die Wiederaufnahme der Ermittlungen ist bei Vorliegen neuer Erkenntnisse jederzeit möglich.
Was ergibt sich aus diesen Befunden für die Zukunft? - Wir müssen zunächst alles Menschenmögliche dafür tun, damit sich ein solcher Fall nicht wiederholen kann. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass, wie von den Beratern empfohlen, Fixierungen durch die Polizei in Sachsen-Anhalt der Vergangenheit angehören.
An dieser Stelle möchte ich einen Änderungsantrag zum Antrag der Koalitionsfraktionen zur Ausbesserung eines Redaktionsversehens stellen. Punkt 5 soll zukünftig lautet:
„Der Landtag begrüßt die im Nachgang des 5. Januar 2005 ergangenen Änderungen der Gewahrsamsordnung und die ausdrückliche Anweisung, dass bei Gewahrsamnahmen durch die Polizei keine Fixierungen mehr erfolgen dürfen.“
Aber natürlich braucht es mehr als das. Wir müssen uns als Gesellschaft dem Thema Rassismus
innerhalb und außerhalb der Polizei entschlossener und offener stellen.
Gleiches gilt auch für das Thema Polizeigewalt im Allgemeinen; denn der Bericht hat auch gezeigt, dass rechtswidrige Polizeimaßnahmen im betreffenden Revier und darüber hinaus zur alltäglichen Polizeikultur gehörten. Vorfälle dieser Art dürfen nicht hingenommen werden.
Wir als GRÜNE plädieren unter anderem für unabhängige Beauftragte für die Polizeien in Bund und Ländern. Es braucht in Teilen einen weitergehenden Kulturwandel in Ausbildung und Praxis der Polizei. Wir haben erst gestern im Zusammenhang mit dem Thema Racial Profiling über diese Fragen debattiert.
Viel diskutiert und auch heute wieder angesprochen wird die Frage zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Die grüne Landtagsfraktion ist bereit, an einer solchen Einsetzung mitzuwirken. Ein Untersuchungsausschuss braucht einen erfüllbaren Untersuchungsauftrag und einen sich im Rahmen der Gewaltenteilung bewegenden Auftrag. Zu klären ist also, welche Fragen mit diesem Mittel noch beantwortet werden können. Wir werden dazu den Kontakt mit den anderen demokratischen Fraktionen suchen.
Davon unabhängig finde ich, dass dem Land Sachsen-Anhalt eine moralische Verantwortung für den Tod von Oury Jalloh zukommt; denn zweifellos war sein Tod direkte Folge einer rechtswidrigen Festnahme durch die Polizei unseres Landes.
In Anerkenntnis dieser Tatsache sollte das Land den Angehörigen des Toten ein symbolisches Schmerzensgeld gewähren. Das ersetzt weder das verlorene menschliche Leben, noch ersetzt es die schuldig gebliebene Aufklärung. Es wäre jedoch eine starke Geste, die zeigt, dass das Land Sachsen-Anhalt aus diesem düsterem Fall gelernt hat und zu seiner Verantwortung steht. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.