Protocol of the Session on October 24, 2018

Sehr geehrte Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 57. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der siebenten Wahlperiode und begrüße Sie hier auf das Herzlichste.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Sehr geehrte Damen und Herren! Uns hat heute die traurige Nachricht erreicht, dass am 22. Oktober 2018 das ehemalige Mitglied des Landtages Herr Peter Brüll im Alter von 80 Jahren verstorben ist. Herr Peter Brüll war in der ersten Wahlperiode Mitglied des Landtages. Er war somit einer der Abgeordneten, die sich in den Jahren nach der friedlichen Revolution um den Aufbau unseres Landes verdient gemacht haben. Er gehörte der CDU-Fraktion an und wirkte unter anderem in den Ausschüssen für Umwelt und Naturschutz sowie für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen mit.

Im Gedenken an den Verstorbenen bitte ich Sie, sich für eine Schweigeminute von Ihren Plätzen zu erheben. - Vielen Dank. Mit dieser Schweigeminute haben wir unsere Anteilnahme zum Ausdruck gebracht.

Ich komme zu den Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Frau Ministerin GrimmBenne ist am heutigen Sitzungstag krankheitsbedingt ganztägig abwesend.

Frau Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert ist am ersten und am zweiten Sitzungstag krankheitsbedingt ganztägig abwesend.

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff und Staatsminister Herr Rainer Robra sind am zweiten Sitzungstag aufgrund der Teilnahme an der Jahreskonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder in Hamburg ganztägig verhindert.

Minister Prof. Dr. Armin Willingmann ist am zweiten Sitzungstag aufgrund der Teilnahme an der Sitzung der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Berlin ganztägig verhindert.

Des Weiteren bittet Staatsminister Rainer Robra mit Schreiben vom 22. Oktober 2018, seine Abwesenheit am heutigen Tage im Anschluss an die Beratungen im Rahmen der Aktuellen Debatte unter dem Tagesordnungspunkt 2 mit Rücksicht auf seine Teilnahme an der die Jahreskonferenz der

Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vorbereitende Konferenz der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder in Hamburg zu entschuldigen.

Zur Tagesordnung. Sehr geehrte Damen und Herren! Die Tagesordnung für die 27. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Gibt es hierzu Ihrerseits Bemerkungen oder Änderungswünsche? - Das sehe ich nicht. Dann werden wir danach verfahren.

Darüber hinaus ist mitzuteilen, dass Abg. Herr Harms darum gebeten hat, ihm die Gelegenheit zu einer Erklärung außerhalb der Tagesordnung gemäß § 68 der Geschäftsordnung des Landtages einzuräumen. Dieser Bitte entsprechend wird er am morgigen Tage vor Eintritt in die Mittagspause die Möglichkeit erhalten, seine Erklärung abzugeben.

Zum zeitlichen Ablauf der 27. Sitzungsperiode. Die morgige 58. Sitzung des Landtages beginnt um 9 Uhr.

Wir steigen nun ein in den

Tagesordnungspunkt 1

Befragung der Landesregierung; Kleine Anfragen für die Fragestunde gemäß § 45 GO.LT - Erprobungsbeschluss

Unterrichtung Ältestenrat - Drs. 7/2896

Kleine Anfragen für die Fragestunde zur 27. Sitzungsperiode des Landtages von Sachsen-Anhalt

Fragestunde mehrere Abgeordnete - Drs. 7/3496

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ältestenrat hat bekanntlich in der 26. Sitzung beschlossen, im Rahmen der Fragestunde eine Befragung der Landesregierung zu erproben. Diese Befragung ist der regulären Beantwortung von Kleinen Anfragen für die Fragestunde voranzustellen.

Ich möchte nochmals in Erinnerung rufen, dass Mitglieder des Landtages über die Saalmikrofone Fragen an das zuständige Mitglied der Landesregierung richten können. Für den Fall, dass nach Abschluss der ersten Fragerunde und gegebenenfalls weiterer Fragerunden noch Zeit zur Verfügung steht, widmen wir uns in der verbleibenden Zeit den Kleinen Anfragen für die Fragestunde. - So weit meine Vorbemerkungen.

Wir kommen zum ersten Teil, zur Regierungsbefragung. Ich eröffne den ersten Teil der Fragestunde, die Befragung der Landesregierung, und blicke in die Reihen der SPD-Fraktion.

Bevor wir beginnen, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Carolinum Bernburg im Hohen Hause recht herzlich zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Der Abg. Herr Erben hat für die SPD-Fraktion das Wort, um die erste Frage zu stellen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich habe mich für dieses Saalmikrofon entschieden, weil ich dem Mikrofon da drüben nicht richtig traue; es sieht etwas eigenartig aus.

(Heiterkeit bei der SPD)

Meine Frage richtet sich an Ministerpräsident Herrn Dr. Haseloff. Wir stehen aktuell vor einer doppelten Herausforderung, einerseits wirt

schaftspolitisch, andererseits energie- und umweltpolitisch. Es geht zum einen um den Umbau der Energiewirtschaft, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Zum anderen stehen Herausforderungen des Strukturwandels in den Braunkohlerevieren vor uns. Da geht es vor allem darum, Perspektiven für die betroffenen Menschen in den Revieren zu schaffen. Deswegen wurde die Kommission von der Bundesregierung eingesetzt, die nicht umsonst „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ heißt und genau diesen Auftrag hat.

In dieser Woche tritt die Kommissionsarbeit in die aus unserer Sicht entscheidende Phase, zumindest was den Strukturwandel betrifft. Deswegen möchte ich an dieser Stelle zwei Fragen an die Landesregierung, konkret an den Herrn Ministerpräsidenten, richten.

Die erste Frage: Teilen Sie die Auffassung, dass am Ende der Kommissionsarbeit nicht ein Deal der Bundesregierung mit den Eigentümern von RWE, Leag und Mibrag stehen darf, der einen beschleunigten Kohleausstieg festschreibt, die Länder und Kommunen jedoch mit dem Strukturwandel allein lassen würde? Ist das realistischerweise zu verhindern?

Zweitens. Dem Vernehmen nach wird die Kommission ein Sofortprogramm mit rund 100 Millionen € vorschlagen, damit in allen Revieren die bereits in den vergangenen Jahren angeschobenen Projekte, die mangels Finanzkraft in Kommunen nicht umgesetzt werden konnten, eine zweite Chance bekommen und schnell Ergebnisse vorgezeigt werden können, die Mut für den weiteren Strukturwandel in den Regionen machen.

Gibt es innerhalb der Landesregierungen bereits Überlegungen, welcher Art und Größe solche Projekte im sachsen-anhaltischen Teil des mitteldeutschen Reviers sein können?

Vielen Dank, Herr Abg. Erben. - Der Ministerpräsident Herr Dr. Reiner Haseloff wird antworten. Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Kollege Erben, ich will mal so anfangen: Mit der Wiedervereinigung gab es Strukturveränderungen in den neuen Bundesländern, die in der Form noch nicht vonstatten gegangen waren. Es gab dafür keine Blaupause; das wissen Sie.

Vor dem Hintergrund, dass wir ab dem Jahr 1990 Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland und damit der Europäischen Union wurden, war klar, dass wir, die fünf neuen Bundesländer, automatisch den Entwicklungsprozessen zu folgen haben, die innerhalb der Europäischen Union zum Beispiel dem Klimaschutz dienen.

Ich will in dem Zusammenhang nur darauf hinweisen, dass erstens die ab dem Jahr 1990 eingegangenen Zusagen der Bundesrepublik Deutschland zur Erreichung der Klimaschutzziele - das will ich an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben - nicht infrage gestellt werden, weil deren Umsetzung generell notwendig ist. Zum Erreichen dieser Ziele hat mit allein 60 % des CO2-Ausstoßes der Transformations- und Veränderungsprozess in den neuen Bundesländern beigetragen. Wenn man es eng sieht, wurde diese Einsparung durch 10 % der Bevölkerung Deutschlands erreicht; denn es sind im Wesentlichen Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg, die diese CO2-Ersparnisse erbracht haben. Das ist erst einmal ein Fakt.

Das Zweite ist, dass dieser Transformationsprozess dadurch geprägt war, dass wir nicht versucht haben, in irgendeiner Weise Energieerzeugungsarten zu substituieren. Die neuen Strukturen, die zum Beispiel im Chemiedreieck aufgebaut wurden, gingen ganz klar von einer rohstoffenergetischen und auch -synergetischen Basis aus, was die Entwicklung von Chemieparks anbelangt. Dabei wurde ein Weg beschritten, den es so noch nicht gab, und zwar mit Braunkohle als zugriffsfähiger, bezahlbarer Rohstoffressource und zur Energieerzeugung mit den modernsten Kraftwerken, die installiert wurden. Das Land SachsenAnhalt hat allein in das Kraftwerk Schkopau 600 Millionen DM an Förderung investiert.

Im Anschluss daran sind bis hin zur Wärmeversorgung von Kommunen - Stichworte Leipzig und Chemnitz - auch in Sachsen-Anhalt die Wärmeversorgungs- und Energieversorgungsstrukturen so miteinander vernetzt worden, dass maximale Wirkungsgrade erzeugt werden. Das Thema KWK will ich an dieser Stelle bezüglich der technologischen Möglichkeiten gar nicht herausheben.

Warum mache ich diesen Einstieg? - Ich will klarmachen, dass es sich nicht um eine einfache Substitution von Energieerzeugung handelt, die wir bezogen auf unsere erneuerbaren Energien in keiner Weise zur Diskussion zu stellen brauchen; denn wir sind mit Brandenburg, MecklenburgVorpommern und Niedersachsen die Länder, die weltweit, aber auch im deutschen Ranking bei der Erzeugung von erneuerbaren Energien ganz vorne stehen. Sie stellen den Eigenversorgungsgrad, was die installierte Leistung anbelangt, dem Grunde nach sicher. Sie sind Exportländer, können es allerdings nicht durchgängig sein, weil eine Grundlast für die Energieversorgung für die gesamte Volkswirtschaft benötigt wird. Dazu ist derzeit Kohle notwendig vor dem Hintergrund, dass unabhängig von den früher beschlossenen Klimazielen der Atomausstieg nach dem Reaktorunfall von Fukushima erfolgte, was eine doppelte Herausforderung darstellt.

Ich will dieses Kapitel damit beenden, dass ich sage: Wenn jetzt die Diskussion in der Strukturkommission dahin läuft, dass wir nochmals an diese modernen Strukturen, die für die nächsten Jahrzehnte noch die Grundlage dieser Region darstellen müssen, herangehen, dann ist das eine Herausforderung, die nicht damit eingefangen werden kann, dass man mal ein 100-Millionen-€Sofortprogramm macht und gegebenenfalls im Koalitionsvertrag 1,5 Milliarden € für alle Abbaugebiete, vom Rheinland bis in die Lausitz hinein, zur Verfügung stellen.

Vielmehr geht es um die Totalsubstitution von Wertschöpfung, von volkswirtschaftlicher Leistungskraft bis hin zu den Konsequenzen für die Kommunen und deren Gewerbesteuereinnahmen. Diese werden letztendlich nicht gesichert, indem man die jetzt betroffenen Bergleute sozialverträglich in den Ruhestand schickt, und dann war es das.

Wir brauchen Ersatzarbeitsplätze, deren Kosten nach einer ersten Hochrechnung durch Wissenschaftler - wenn wir keine Reduzierung der volkswirtschaftlichen Leistungskraft in den betroffenen Regionen in Kauf nehmen wollen - mindestens 60 Milliarden € betragen, nämlich zur Substitution dieser Arbeitsplätze auf diesem hohen Niveau, nicht mit Mindestlohn, sondern auf dem Niveau der IG-BCE-Standards, sage ich einmal etwas verkürzt. Auf der anderen Seite brauchen die Kommunen, die diese Chemieparks dargestellt haben, eben auch Möglichkeiten, damit sie es schaffen, sich anzupassen. Das wird eine Zeit dauern.

Die Unternehmen haben klar signalisiert, dass sie Grundsatzentscheidungen davon abhängig machen, wie diese Strategie der Bundesrepublik Deutschland aussieht.

Ich habe mit dem Deutschlandchef von der Dow Chemical am Donnerstagabend ein sehr deutliches Gespräch gehabt, in dem es auch darum ging, dass in diesem Konzern Folgeinvestitionen und auch damit verbundene Standortscheidungen auf dem gesamten Globus auch davon abhängen, wie die Versorgungssicherheit innerhalb der jetzigen Standorte gewährleistet wird.

Das hat alles dazu geführt, dass wir diesbezüglich auf verschiedenen Strängen tätig geworden sind. Ich habe vor wenigen Tagen dazu auch einen Brief an den Bundesfinanzminister geschickt. Der Anlage sind die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen zu entnehmen, auf die Sie in Ihrer Frage abgehoben haben. Das sind vier Seiten. Ich werde Ihnen diese zur Verfügung stellen und auch gern dem gesamten Landtag, damit man sieht, welche Maßnahmen wir in einem ersten Paket dort unterbringen wollen.

Dazu gehören, um es einmal konkret zu machen, für den Burgenlandkreis und darüber hinaus unter anderem Infrastrukturmaßnahmen, die vor der Klammer, ohne die sonstigen Nachweisführungen, ohne Fragen wie: Ist denn überhaupt der Bedarf da, wie viele fahren denn mit der S-Bahn oder mit Eisenbahnen oder sonstigen Zugverbindungen oder im öffentlichem Personennahverkehr? realisiert werden sollen. Wir wollen dort sozusagen die Kette umdrehen und sagen: Wenn wir dort Entwicklungsimpulse hingeben, müssen sie realisiert werden, damit das andere nachgezogen wird.

Das sind Dinge, die den S-Bahn-Verkehr der Städte Weißenfels, Zeitz, Naumburg betreffen, den Zugverkehr, die Entfristung von bei der Bahn bestellten Leistungen, die Verbindung nach Halle und Leipzig, um den Großraum so zu vernetzen, dass dort Attraktivität, aber auch Mobilität so gesichert ist, dass dort überhaupt Alternativen stattfinden können.

Das geht hin bis zu einem Vorschlag aus der Region, den wir aufgegriffen haben. Es geht dort um Bildung, es geht um einen Campus, der mehrere Standorten umfassen kann. Es geht dabei auch um Überlegungen, wie man zum Beispiel Strukturen wie das Schloss Weißenfels, wo wir ja für die eine Hälfte noch Nutzungsarten suchen, für eine Verwendung im öffentlichen Bereich durch Verwaltung, durch Bildung, durch Campuslösungen usw. öffnen kann.

Das haben wir versucht, dort aufzuzählen. Wir wissen, dass auch eine ganze Reihe von Straßenbaumaßnahmen daran scheitert, dass die Kofinanzierung durch den jeweils Zuständigen, entweder Gemeinde oder Kreis, nicht geleistet werden kann. Das muss sofort aufgelöst werden. Da sind einige Sachen im Schubfach und können als Projekte hervorgezogen werden.

Aber ich sage eines: Das Budget, das derzeit dazu zur Verfügung gestellt und diskutiert wird, wird nicht reichen, um zu einer Vollsubstitution der bisherigen Leistungskraft in diesen Bereichen zu führen.