Protocol of the Session on October 16, 2020

Sehr geehrte Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 112. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der siebenten Wahlperiode. Ich begrüße Sie dazu auf das Herzlichste.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir setzen nunmehr die 53. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Regierungsbefragung und anschließend der Regierungserklärung.

Ich erinnere daran, dass heute Minister Herr Tullner und Minister Herr Prof. Dr. Willingmann parallel an der Videokonferenz der Kultusminister teilnehmen. Des Weiteren sind der Staats- und Kulturminister Herr Robra und Minister Herr Richter abwesend.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 1

Befragung der Landesregierung gemäß § 45a GO.LT

Ich eröffne die Befragung der Landesregierung entsprechend der Regelung in § 45a unserer Geschäftsordnung, blicke in die Reihen der Fraktion DIE LINKE und sehe, dass sich die Abg. Frau von Angern zu Wort meldet. - Sie haben das Wort, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Am Mittwoch fand die Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin Frau Merkel in Berlin statt. Im Anschluss an dieses Treffen erklärte der Ministerpräsident im MDR, dass die Ministerpräsidentenkollegen seiner Meinung nach die dort beschlossenen Coronamaßnahmen - ich zitiere - „knallhart und stringent“ durchsetzen sollen, damit die Dämme nicht brechen. Gleichzeitig sind Sie aber der einzige Ministerpräsident, der bei dem Thema Maskenpflicht Milde zeigt und keine Sanktion auferlegt.

(Beifall)

Ich frage Sie: Wer soll uns Sachsen-Anhalterinnen dann mit so einer Aussage in der bundespolitischen Debatte noch ernst nehmen? Sind Sie sich bewusst, welches Signal Sie an die Maskenverweigerer senden, wenn diese in Sachsen-An

halt keine Konsequenzen zu fürchten haben? Bei welcher Höhe der Infektionszahlen werden Sie bei dem Thema Maskenpflicht und Bußgeld Einsicht zeigen und sich korrigieren?

(Ulrich Siegmund, AfD: Gar nicht!)

Herr Ministerpräsident.

(Zurufe von der AfD)

- Ich möchte Sie bitten, dem Ministerpräsidenten die Möglichkeit zu geben, auf diese Fragen zu antworten. Wenn Sie Fragen stellen, dann möchten Sie das auch für sich in Anspruch nehmen. - Bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Frage ist nicht mit einem Satz zu beantworten. Das muss ich gleich sagen. Wenn ich weiter ausholen muss, dann ist das dem Umstand geschuldet, dass es sich nicht um eine triviale Geschichte handelt.

Sie müssen entscheiden, Frau Präsidentin, ob ich schriftlich antworten soll oder ob ich ausreichend Zeit bekomme, um dazu auszuführen.

Wenn hier Fragen gestellt werden, dann sollten Sie darauf auch hier mündlich antworten.

Da die Uhr bereits läuft, wollte ich Sie darauf hinweisen, dass die Antwort etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt.

Wir sind seit März unterwegs, um zu versuchen, die Coronasituation mithilfe von Verordnungen zu bewältigen. Wir haben die Verordnungen bewusst als Eindämmungsverordnungen bezeichnet. Derzeit gilt die achte Verordnung.

Sie finden in dem Ablauf der Verordnungen eins bis acht - demnächst gibt es sicherlich eine neunte Verordnung - immer einen roten Faden. Dieser rote Faden lässt sich an Folgendem festmachen: Wir hatten eine solche Situation noch nie. Die Infektionsquote bzw. die Streubreite, die letztendlich mit dieser Pandemie verbunden ist, ist bisher einzigartig auf diesem Globus. Wer die Bilder aus Norditalien und anderen Regionen der Welt vor Augen hat, der weiß, dass es dort ganz schlimme Situationen gab, dass das Gesundheitswesen überfordert war und damit letztendlich die Gesamtsituation bis hin zur Sterberate unerträglich war.

Das hat uns in Deutschland insgesamt dazu gebracht, dass wir eine Strategie entwickelt haben,

die auf der einen Seite dafür sorgt, dass es durch Kontaktminimierung möglich wird, die Ausbreitungsgeschwindigkeit zu verringern und damit den Anstieg so weit zu strecken, dass die jeweils zur Verfügung stehenden Intensivkapazitäten ausreichen. Auf der anderen Seite ist der Zusammenhalt einer Gesellschaft notwendig. Deswegen muss man plausibel begründen, warum wann was gemacht wird, und zwar im Sinne von Maß und Mitte, im Sinne von Verhältnismäßigkeit und damit auch von Rechtssicherheit. Wenn dies als notwendig erachtet wird, dann wird es von der übergroßen Mehrzahl der Menschen auch mitgetragen.

Es hat sich auch gezeigt - das flechte ich an dieser Stelle ein -, dass wir dann in einem Problem stecken, wenn sich eine Differenz zwischen plausiblem Agieren, dem bewussten Mitnehmen der Menschen, der Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen und dem ergibt, was in den Verordnungen steht und was die Menschen mit einer großen Mehrheit mitzutragen bereit sind.

Jede staatliche Maßnahme muss, wenn sie mit Restriktionen und Sanktionen verbunden ist, kontrollierbar sein; ansonsten wird die Autorität eines Staates und der staatlichen Behörden unterminiert bzw. untergraben. Diese Philosophie haben wir durchgehalten. Deswegen haben wir diese Philosophie auch die ganze Zeit über, auch in Zeiten, in denen es in Sachsen-Anhalt viel höhere Infektionszahlen als heute gab, weiter verfolgt. Sie war immer davon geprägt, auf das Verantwortungsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zu setzen.

Sanktionen im Sinne von Bußgeldern in verschiedenen Bereichen müssen immer auch in Abhängigkeit von der Exekutierbarkeit und im Sinne der Verhältnismäßigkeit genau bewertet werden. Dies hat zu der positiven Entwicklung beigetragen. Das muss man ganz klar sagen.

Es gibt derzeit bei uns im Land Sachsen-Anhalt - das sage ich ausdrücklich - keinen Anlass, in irgendeiner Weise eine andere Situation beschreiben zu wollen, die an dieser Stelle eine Verschärfung der Sanktionsmechanismen erforderlich macht.

Es gibt aber auch kein Dogma. Wenn sich bestimmte Situationen anders entwickeln, als wir es alle erhoffen, dann könnten weitere Eskalationsstufen, auch im Sinne von staatlichen Eingriffen bzw. Sanktionierungen, nicht ausgeschlossen werden. An dieser Stelle sind wir aber längst noch nicht angekommen.

Solange die Menschen bei uns mit großer, großer Mehrheit - in Klammern: mehr als in anderen Bundesländern - unsere Vorgaben mittragen, sind wir gut beraten, unsere Philosophie nicht zu verän

dern, die wir über Monate hinweg durchgehalten haben.

(Beifall)

Ich könnte mich jetzt hier hinstellen, auf die Empirie verweisen und sagen: Wenn Sie sich die Bußgeldhöhen ansehen und diese mit den Infektionsraten vergleichen, dann sehen Sie eine klare Korrelation.

(Zurufe)

Hierbei handelt es sich zwar um eine unwissenschaftliche Aussage, aber es wäre eine Möglichkeit, zu schauen, inwieweit Sanktionen etwas bringen.

(Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

Ich glaube nicht, dass der Sanktionsmechanismus - -

(Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

- Frau Präsidentin! Sie müssen sagen, ob ich dem Landtag antworten soll oder nicht.

Ich hätte jetzt sowieso eingriffen. - Frau von Angern, Sie haben die Frage gestellt. Dann geben Sie dem Ministerpräsidenten auch die Chance, auf Ihre Frage zu antworten. Es gibt nachher noch weitere Fragen. Aber im Moment sollte der Ministerpräsident die Möglichkeit erhalten zu antworten. - Bitte.

Es ist mit Blick auf die Korrelation schwierig, dies abschließend zu bewerten, weil bestimmte Mechanismen nicht noch zusätzlich in eine solche Modellierung eingebucht werden können.

Fakt ist aber eines: Dort, wo formal die härtesten Festlegungen in einer Verordnung getroffen worden sind, wachsen die Hotspots momentan an, breiten sich aus und werden zur Gefahr für andere Bundesländer, die bisher in einer etwas besseren Situation waren. Das muss man ganz klar sagen.

Wenn Sie die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz aufrufen, dann sind die folgenden zwei Blöcke, die wir an diesem Abend bis in die Nacht hinein besprochen haben, die entscheidenden:

Es muss eine klare Strategie geben, um das weitere Aufwachsen und flächige Ausbreiten von Hotspots zu vermeiden. Wenn in Berlin inzwischen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen Infektionsraten von 170 bis 175 in Bezirken festzustellen sind, dann ist das eine Situation, die, wenn sie sich so weiterentwickelt, nicht nur für Berlin katastrophal ist, sondern auch für die Berlin umgebenden Bundesländer.

Wenn bestimmte Maßnahmen bei 50 Infektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen nicht mehr im Sinne der normalen Nachverfolgbarkeit durch die Gesundheitsämter zu bewältigen sind, dann bleibt nur eines übrig, nämlich dass man durch eine massive Kontaktbeschränkung die Kontaktdichte um 50 % reduziert. Das ist die einzige Chance, um in einem bestimmten Zeitraum von mehreren Wochen wieder in einen Bereich zu kommen, um die Nachverfolgbarkeit durch die Gesundheitsämter wieder zu gewährleisten und damit Kausalitäten festzustellen und eine gewisse Chance auf eine Eindämmung zu haben.

Wenn man das weiß, dann heißt das ganz klar: Wenn in diesen Bundesländern die jetzt getroffenen Maßnahmen, die für diese hohen Infektionsraten, für diese Hotspots gelten - sie beginnen mit 35 bzw. 50 Infektionen -, keinen Erfolg haben, dann wird dies für ganz Deutschland, auch für Sachsen-Anhalt, Probleme mit sich bringen und Folgen zeitigen.

Wenn es darum geht, die Ausbreitung zu verhindern, dann wissen wir, dass die Infektionen in den letzten Monaten und Wochen immer mit einer gewissen Mobilität im Zusammenhang mit touristischen Dingen verbunden waren.

Es waren nicht nur die Urlaubsrückkehrer aus verschiedenen Ländern, die bei uns arbeiten, aber vielleicht aus Südosteuropa oder aus anderen Regionen Europas stammen, zurückkehren und diese Infektionen mitbringen. Ja, die gab es auch. Das ist etwas abgeflacht, weil diese Urlaubszeiten jetzt beendet sind. Aber es sind im Prinzip vor allen Dingen die Bereiche, die im Zusammenhang mit touristischen Angeboten standen. Ich nenne nur als Stichwort „Franzensbad und Busse“.

Wenn man das weiß, dann sind wir gut beraten, eine schon seit Mai existente Festlegung zu den Beherbergungsverboten - das Wort „Verbot“ ist an dieser Stelle eigentlich falsch; das steht bei uns auch so nicht drin; den Begriff „Beherbergungsverbot“ will ich trotzdem verwenden - beizubehalten, weil im Prinzip aus diesen Hotspots der Eintrag von Infektionen zu riesigen Problemen nicht nur medizinischer Natur bezüglich der Schädigung der Gesundheit von Menschen führt, sondern auch wirtschaftliche Konsequenzen hat.

Wenn aus einem Risikogebiet jemand diese Infektion zum Beispiel in ein Hotel hineinträgt, dann weiß man, was in den nächsten Wochen in diesem Hotel passiert. Da ist man auch sehr, sehr gut beraten, selbst auch aus der Branche heraus darauf zu achten, dass man sich nicht unnötigen Gefahrenpotenzialen aussetzt.

Aber Fakt ist eines: Es gibt definitiv kein Verbot. Man kann jeden Tag auch aus Risikogebieten nach Sachsen-Anhalt kommen; das kann keiner