- Ich bitte um etwas mehr Ruhe, damit wir pünktlich beginnen können. Wir haben heute einen langen Tag vor uns.
- Ich bin schon erstaunt, das muss ich sagen, dass hier im Saal, wenn wir die Sitzung eröffnen, keine Ruhe ist. Ich möchte Sie bitten, zukünftig doch etwas mehr darauf zu achten - ich habe inzwischen schon ein paar Minuten zugegeben -, dass Sie pünktlich hier erscheinen, sodass wir dann auch vernünftig beginnen können. Zum Abend hin sind Sie nämlich auch alle der Meinung, wir müssen dann pünktlich Feierabend machen, zumal wir heute auch unser Sommerfest haben. Deswegen denke ich, etwas mehr Disziplin wäre gut.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne noch einmal. Ich eröffne hiermit die 29. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der siebenten Wahlperiode. Dazu begrüße ich Sie alle auf das Herzlichste.
Bevor ich beginne, möchte ich mitteilen: Mir liegt ein Antrag des Abg. Herrn Gebhardt auf Abgabe einer Erklärung außerhalb der Tagesordnung nach § 68 der Geschäftsordnung vor. Hierzu möchte ich sagen: Ich werde dieses Anliegen zulassen, aber erst kurz vor der Mittagspause. Wir werden jetzt erst einmal beginnen. Die Fraktionsvorsitzenden haben natürlich jederzeit das Recht zu reden, aber bei Abgeordneten halte ich es doch für angebracht, das auf die Zeit vor der Mittagspause zu verlegen.
Noch etwas Organisatorisches. Ich schlage vor, heute nicht eine Stunde Mittagspause zu machen, sondern eine Stunde und 15 Minuten.
Wir haben - das haben Sie gestern bemerkt - einen technischen Defekt an der Anlage. Die Fachfirma braucht auf jeden Fall etwas länger als eine Stunde. Deswegen bitte ich um Ihr Verständnis dafür, dass wir heute eine Mittagspause von einer Stunde und 15 Minuten machen. Ich hoffe,
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir setzen nunmehr die 14. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die heutige Beratung mit dem sogenannten Prioritätenblock, den Tagesordnungspunkten 4, 5, 6, 7 und 8.
Ich erinnere daran, dass sich für heute Ministerpräsident Herr Dr. Reiner Haseloff ab 14:30 Uhr sowie Ministerin Frau Grimm-Benne und Ministerin Frau Keding ganztägig entschuldigt haben.
Gute Fachkräfte braucht die Kita - Modellprojekt „Fachkraft in Kindertageseinrichtungen“ weiterentwickeln
Einbringerin ist die Abg. Frau Lüddemann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie haben das Wort, bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Mit diesem Antrag greifen wir einen Faden auf, den wir vor ziemlich genau fünf Jahren in diesem Hohen Hause zu weben begonnen haben. Damals gab es einen Antrag von der damaligen GRÜNEN-Fraktion, noch aus der Opposition heraus, mit dem Titel „Reform der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern“.
Unser Ziel war es damals und ist es auch heute noch, eine dreijährige duale Ausbildung in diesem Bereich zu etablieren. Wir alle wissen, dazu ist es nicht gekommen, sondern das Modellprojekt „Fachkraft in Kindertageseinrichtungen“ wurde etabliert - mit all seinen Schwächen. Aber das werden wir ja heute hier verbessern.
Die damals zugrunde liegende Problemstellung hat sich nämlich im Wesentlichen nicht geändert. In dem Beschluss vom Oktober 2015 heißt es - ich zitiere -:
„Der Landtag von Sachsen-Anhalt stellt fest, dass der Bedarf an pädagogischen Fachkräften für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt steigen wird.“
„Für die Fachkräftesicherung in SachsenAnhalt ist es notwendig, mehr Frauen und Männer für einen pädagogischen Beruf im Bereich der Kindertagesbetreuung zu gewinnen.“
Ich denke, die ersten Evaluierungsergebnisse - wir sprachen gestern bereits über das Kinderförderungsgesetz - unterstreichen diese Feststellung. Die Hälfte der Erzieherinnen und Erzieher ist über 50 Jahre alt, ein Mittelbau ist kaum vorhanden. Entsprechend haben wir als Politik die Pflicht, hier verlässliche neue Rahmenbedingungen zu schaffen, um mehr junge Menschen für die Ausbildung zu interessieren und auch eine perspektivträchtige Ausbildung anzubieten.
Der sich anbahnende Fachkräftemangel - wir sind ja, das zeigt diese Studie ganz klar, eigentlich schon mittendrin - generiert einen hohen Bedarf an pädagogischen Fachkräften. Dies wird noch verschärft durch die Konkurrenz mit anderen Bundesländern. Gerade in den westlichen Bundesländern stehen in den nächsten Jahren steigende Betreuungsquoten an, etwa in Bayern und BadenWürttemberg. Dort liegt die Betreuungsquote bei den Kindern zwischen null und zwei Jahren aktuell bei 27 %.
Wenn man sich vorstellt, dass sie allein auf den Bundesdurchschnitt von 32 % ansteigt, kann man sich ungefähr vorstellen, was das an zusätzlichen Fachkräften erforderlich macht. Nicht auszudenken wäre es, wenn man dort tatsächlich eine Betreuungsquote wie in Sachsen-Anhalt von 52 % erreichen würde.
Dass das zu erwarten ist, zeigt die Vergangenheit. Wenn man sich das einmal ansieht: Zwischen 2012 und 2016 ist in den genannten Ländern die Betreuungsquote um 4 % gestiegen, in NRW sogar um 7 %. Nun kann man sagen, mit der neuen Regierung in NRW wird sich die Entwicklung nicht fortsetzen,
Grundsätzlich ist es doch so: Auch hier im Land - wir haben das festgestellt - gibt es wieder mehr Kinder. Das ist doch etwas, das wir alle wollen.
Und mehr Kinder - das ist klar - ziehen einen steigenden Personalbedarf in den Einrichtungen und eben auch eine größere Konkurrenz um diese Fachkräfte nach sich.
Aber wir als koalitionstragende Fraktion führen diese Debatte um eine Verbesserung der Erzieherinnenausbildung nicht nur aus einem Defizitdenken heraus. Es geht nicht nur um ein quantitatives Problem; dann könnte man sich ja über Standards unterhalten. Es geht auch darum, dass sich die Profession der Erzieherin oder des Erziehers in einer grundsätzlichen Neufindungsphase befindet. Es erweitern sich das professionelle Selbstverständnis, die Verantwortung und die gesellschaftliche Wertigkeit für diesen Beruf. Es gibt insgesamt einen massiven Bedeutungsgewinn frühkindlicher Bildung.
Gleichzeitig verändert sich das Bild vom Kind und über das Kind. Es ist jetzt eigenständiges Handlungsobjekt. Es ist Rechtssubjekt. Das ist im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention. Wir haben gestern über die Verfassung gesprochen. Die Kinderrechte sind eines von zwei Themenfeldern, die in die Verfassung aufgenommen wurden. Diese Ansprüche an Kinder generieren auch Ansprüche an die Erzieherinnen und Erzieher.
Der Bildungsauftrag für Kinder- und Jugendeinrichtungen wurde im Jahr 1990 erstmals im SGB VIII verankert. Die Debatte hat richtig Fahrt aufgenommen in diesem Jahrhundert. Es wurden bundesweit mittlerweile 50 Studiengänge im Bereich Frühpädagogik, frühkindliche Bildung, Kindheitswissenschaften und Kita-Leitung eingerichtet.
Ebenso hat sich die Politik in den letzten Jahren sehr viel stärker in den Bereich frühkindliche Bildung eingebracht. Die Bildungspläne und Bildungsprogramme sind ein klarer Beleg dafür. Das Programm „Bildung elementar“ hier bei uns im Land stammt in seiner Ursprungsfassung schon aus dem Jahr 2004. Auch der KMK-Beschluss, der es begründet, mit dem Titel „Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen“ stammt bereits aus dem Jahr 2004 und ist Anspruch und Verpflichtung. Spätestens seit dieser Zeit ist klar: Kita ist Bildungsort.
Parallel dazu hat die Debatte um Kinderrechte - ich habe es eben schon kurz erwähnt - Fahrt aufgenommen. Beides zusammen macht sehr klar: Kitas in Sachsen-Anhalt sind Bildungsort, Spielort, Betreuungsort, Lebensort für Kinder.
All das zusammen ist ein Korrektiv zu einer rein akademischen Debatte in der frühkindlichen Bildung und zeigt, wie vielfältig die Ansprüche an das Fachpersonal in den Einrichtungen heutzutage sind.
Zusammenfassend kann man sagen: Das Berufsbild der Erzieherin, des Erziehers ist stark im Wandel und korreliert mit dem sich im Wandel befindenden Bild des Kindes. Beides muss seinen Niederschlag in der Ausbildung finden.
Es gibt aber auch noch einen dritten Aspekt. Das gesamte Feld der Fachschulausbildung ist in Bewegung. Wir kennen das, im Bereich der Pflege haben wir auch grundsätzliche Diskussionen. Das wird oft auch parallel oder gemeinsam diskutiert. Das ist etwas, dem wir uns stellen müssen, damit wir hier in Sachsen-Anhalt auch tatsächlich auf dem Stand der Technik - so würde man es jetzt in anderen Fällen sagen - bleiben.
Für uns ist das Modellprojekt eine Basis. Man muss es auf rechtssichere Füße stellen. Das ist zunächst sozusagen die Erstausbildung. Dann folgen eine dreijährige duale Ausbildung - das will ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen; das ist das Ziel dieses Antrags - und dann, insbesondere für den Bereich der Kita-Leitungen, eine akademische Ausbildung.
In den letzten fünf Jahren ist in diesem Feld bundesweit leider nicht so viel passiert. Etwas, das heute auch möglich ist - das könnte sozusagen auch eine Steilvorlage für den Bildungsminister sein -, ist: Wenn wir das heute hier so beschließen, dann kann Sachsen-Anhalt nicht nur diese Entwicklung mitbestimmen, sondern tatsächlich auch Vorreiter sein.