Sehr geehrte Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 103. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der siebenten Wahlperiode und begrüße Sie auf das Herzlichste.
Im Namen des Hohen Hauses sowie persönlich gratuliere ich dazu recht herzlich und wünsche alles Gute.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir setzen nunmehr die 49. Sitzungsperiode fort und beginnen die heutige Beratung mit dem sogenannten Prioritätenblock, dem die Tagesordnungspunkte 3, 23, 4 und 5 zugeordnet worden sind.
- Ich möchte Sie bitten, den Geräuschpegel zu senken. Nach meiner Information sind auch Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinitiative im Hohen Haus anwesend und möchten gern den Verlauf unserer Debatte verfolgen. Deswegen mein Appell, den Geräuschpegel zu senken, damit die Debatte verfolgt werden kann. - Frau Kollegin Frederking, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Es ist genau so, wie die Präsidentin es dargestellt hat: Die Bürgerinitiative „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ ist im Haus. Viele Bürgerinnen und Bürger aus der Altmark haben vorhin auf dem Domplatz für die Beseitigung der Giftschlammgrube Brüchau demonstriert.
Frau Frederking, einen kleinen Moment bitte. Der Ton ist wohl zu leise. - Können Sie diesen bitte etwas lauter machen? - Kollegin Frederking, einfach etwas näher an das Mikrofon gehen; das war der Hinweis aus der Regie. Bitte, Sie dürfen fortfahren.
Ich möchte noch einmal zurückblicken. Stellen Sie sich vor, in Ihrer Nachbarschaft ist ein See - umzäunt, abgesperrt und überwacht, umsäumt mit Grün, Büschen und Bäumen. Doch was idyllisch anmutet, enthält ein gefährliches Giftgemisch. Niemandem wird zugestanden zu wissen, was sich darin genau befindet, ob die Grube dicht ist oder ob Gifte ins Grundwasser gelangen. Unwohlsein sowie die Angst um Gesundheit und Umwelt machen sich breit. Wenn angesprochene Missstände auch noch von einigen zuständigen Behörden nicht ernst genommen werden, dann sind Unmut und Resignation groß.
Mit dieser Situation mussten die Menschen in Brüchau, einem kleinen Ort in der Einheitsgemeinde Kalbe (Milde) in der westlichen Altmark, über Jahrzehnte leben. Direkt vor ihrer Haustür befindet sich eine ehemalige Tongrube, in die einfach Schadstoffe gekippt wurden.
Doch seit der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse im Abschlussbericht zur Obertagedeponie Brüchau mit Stand vom 13. Mai 2020 gibt es erneut eindeutige Fakten zum Deponieinhalt, zu den Schadstoffen im Sandboden unter der Deponie sowie im Grundwasser sowie zur Beschaffenheit und zur Dichtigkeit der Deponie.
Der nun vorliegende Abschlussbericht bestätigt das, was viele schon vorher gesagt haben, was der Altmarkkreis Salzwedel, die Stadt Kalbe, die Bürgerinitiative „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ und die Menschen vor Ort aus vorherigen Gutachten, Messergebnissen, eigenen Beobachtungen und Augenzeugenberichten schon lange
wissen: Die Giftgrube ist undicht und das Inventar ist gefährlich für Mensch, Umwelt, Tiere und das Grundwasser.
Die Grube kann nicht an Ort und Stelle bleiben. Nur mit der vollständigen Auskofferung und sicheren Verbringung des Grubeninventars in Deponien an anderen Standorten können die Menschen vor Ort wieder ohne Angst und Sorgen um ihre Gesundheit leben. Nur dann werden die Gefährdungen für die Umwelt und die Kontamination des Grundwassers gebannt sein. Genau deshalb wollen wir mit dem Antrag erreichen, dass konkret geplant wird, wie das funktionieren kann.
Die aktuellen Untersuchungsergebnisse werden von allen Seiten anerkannt. Endlich gibt es eine Basis für eine Aktualisierung der Gefährdungsabschätzung und eine Neubewertung von Schließungsvarianten wird möglich. Endlich werden die Schlussfolgerungen gezogen, die man schon lange hätte ziehen können.
In unserem Antrag nennen wir als Zielbestimmung eine Vorzugsvariante: Auskofferung des Deponats und Weiterverbringung in zugelassene Deponien an anderen Standorten. Das ist eine von drei Schließungsmöglichkeiten, die Neptune Energy als Betreiberfirma aufzeigt. Es ist die Variante, die die Menschen, die Behörden und die Politikerinnen der Altmark seit Langem und immer wieder fordern. Dieser muss jetzt nachgegangen werden, damit die Auskofferung und der Abtransport des Deponats so schnell wie möglich beginnen können.
Die beiden anderen Varianten sind a) die Umlagerung auf dem Gelände in eine neue Deponie und b) die Abdichtung der Fehlstellen in der Geschiebemergelschicht.
Schauen wir noch einmal zurück. Bei der Obertagedeponie Brüchau handelt es sich nicht um eine Deponie im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes,
vielmehr ist sie eine Anlage zur Ablagerung von bergbaulichen Abfällen, die nach der Allgemeinen Bundesbergverordnung einzuordnen ist.
Bei der Grube handelt es sich um eine regelrechte Giftschlammgrube, bestehend aus einem Cocktail aus gefährlichen chemischen Substanzen. Rund die Hälfte des ursprünglichen Kerndeponats ist an den Seiten schon mit Boden abgedeckt worden. Es ist also schon verfestigt worden. Das sieht man im östlichen und westlichen Bereich.
Die Einlagerung in diese Grube erfolgte im Zeitraum von 1972 bis 2012. Neben bergbaulichen Abfällen aus der Erdgasförderung - dazu zählen Gesteins- und Bodenaushub, Rückstände aus der Gasreinigung und aufkonzentrierte Reinigungsschlämme aus Rohren und Armaturen - wurden in der ehemaligen Tongrube bis zum Jahr 1990 auch bergbaufremde Abfälle eingelagert, unter anderem Pflanzenschutzmittel, Teerreste und Galvanikschlämme.
Dass das dort eingelagert wurde, wird jetzt auch im Abschlussbericht bestätigt. Das Schadstoffinventar weist eine ganze Reihe an Chemikalien, Chlorid, Sulfat, Arsen, Barium, Blei, Kupfer, Quecksilber, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Mineralölkohlenwasserstoffe, Benzol, Herbizide und Organochlorpestizide. Allein die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe sind besorgniserregende Stoffgruppen. Sie können krebserregend und erbgutverändernd sein. Einige bleiben lange in der Umwelt und werden dort kaum abgebaut, wiederum andere sind sehr giftig für Menschen und andere Organismen.
Beim Deponat wurden sowohl der feste Teil am Rande, also das, was ich eben beschrieben habe, dieser abgedeckte Teil, als auch die Flüssigkeit untersucht. Überall zeigt sich, dass es keine Homogenität bei den Schadstoffen und deren Mengen gibt. Vor der Endlagerung müssen die Schadstoffe auch unterschiedlichen Deponieklassen zugeordnet werden.
Untersucht wurden auch der gewachsene Sandboden unterhalb der Deponie und das Grundwasser. Auf der Seite 118 des Berichts ist zu lesen, dass von den ermittelten Bodenbelastungen und dem aufkonzentrierten Sickerwasser eine Gefährdung für das Schutzgut Grundwasser ausgeht. Ein Eintritt von Schadstoffen in das Grundwasser hat bereits stattgefunden.
Es ist ja nicht so, dass mit dem Abschlussbericht vom 13. Mai erstmalig Untersuchungsergebnisse vorliegen, die die Gefährdungen und Bedrohungen, die von der Giftschlammgrube in Brüchau ausgehen, zeigen würden. Aus der Vergangenheit existieren bereits zahlreiche Gutachten und kontinuierliche Messungen des Grundwassers, unter anderem zu finden in den Kleinen Anfragen, die ich bereits seit dem Jahr 2015 gestellt habe.
Mehrere Gutachten weisen nach, dass die Grube nicht dicht ist. Ich zitiere aus einem Schreiben des Staatlichen Amtes für Umweltschutz Magdeburg vom September 2000: Durch die bisher durchgeführten Untersuchungen ist nachgewiesen, dass die natürliche Abdichtung der Deponie nicht den Austrag von Schadstoffen verhindert.
ausgegangen, dass eine durchgängige Geschiebemergelschicht mit einer Mächtigkeit am Grubenboden von mindestens 0,7 m eine natürliche Barriere darstellt und eine Basisabdichtung zum darunter liegenden Sandboden sicherstellt. Im Stichprobenverfahren wurden allerdings drei Stellen ohne Geschiebemergel entdeckt. Weitere Sondierungen hatten Stellen mit einer Mächtigkeit von weniger als 0,3 m ergeben. Die Barriere funktioniert nicht. Das zeigt sich auch an den Kontaminationen im Grundwasser.
Es ist gut, dass nun alle beteiligten Behörden aufgrund der jahrelangen Proteste und der seriösen fachlichen Auseinandersetzungen die Erkenntnisse ernst nehmen.
An dieser Stelle möchte ich auch all denjenigen danken, die sich mit großem Engagement für eine Beseitigung der Grube einsetzen. Insbesondere möchte ich der Bürgerinitiative „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ danken.