Protocol of the Session on November 20, 2020

Sehr geehrte Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 115. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der siebenten Wahlperiode. Ich begrüße Sie auf das Herzlichste.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses - wenngleich sie auch ein wenig höher sein könnte - fest.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Abg. Herr Dietmar Krause begeht heute einen runden Geburtstag. Im Namen des Hohen Hauses sowie persönlich gratuliere ich recht herzlich, wünsche alles Gute, vor allen Dingen Gesundheit. Um Kontakte so weit wie möglich zu vermeiden, wird Frau Lüdkemeier in meinem Namen einen Blumenstrauß überreichen. Nochmals herzlichen Glückwunsch und alles Gute im Namen des Hohen Hauses.

(Beifall)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir setzen nunmehr die 55. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen mit den Tagesordnungspunkten 7, 8 und 9.

(Unruhe)

- Ich bitte Sie aber trotzdem, auch wenn das eine nette Einführung heute Morgen ist, den Geräuschpegel etwas herabzusetzen, denn wir haben heute noch ein straffes Programm vor uns.

Ich erinnere daran, dass sich Minister Herr Prof. Dr. Willingmann für die gesamte Sitzungsperiode entschuldigt hat. Des Weiteren hat sich der Minister Herr Stahlknecht wegen einer vorsorglichen häuslichen Quarantäne kurzfristig entschuldigt.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 7

Aktuelle Debatte

Maßnahmen von Sicherheitsbehörden gegen Coronaleugner-Demos

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/6847

Die Redezeit beträgt je Fraktion zehn Minuten, die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Es wurde folgende Reihenfolge vereinbart: DIE LINKE, SPD, AfD, GRÜNE und CDU. Zunächst hat die Antragstellerin das Wort. Frau Quade steht schon bereit. Sie spricht für die Fraktion DIE LINKE. - Bitte, Sie haben das Wort, Frau Quade.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie sind umstritten - das sehen wir hier immer wieder. Während die Regierungen in Bund und Ländern in der Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor großen Rückhalt für den allgemeinen Kurs der Verlangsamung des Infektionsgeschehens, um Infektionsketten nachzuvollziehen und Behandlungsmöglichkeiten sicherzustellen, erfahren, sind die einzelnen Maßnahmen seit Beginn der Pandemie Gegenstand kontroverser Auseinandersetzungen in der Politik und in der Gesellschaft. Es wichtig, das deutlich zu sagen, meine Damen und Herren, das ist auch gut so.

(Beifall)

In einer demokratischen Gesellschaft muss offen diskutiert werden, wie wir mit so einer gewaltigen Herausforderung umgehen, wie wir damit umgehen, dass sich das Leben jedes Menschen verändert hat, und wie wir damit umgehen, den notwendigen Schutz zu organisieren und gleichzeitig elementare Freiheitsrechte zu schützen, wie wir die Lasten, die sich als Folge der Eindämmungsmaßnahmen ergeben, gerecht verteilen, wie wir dafür sorgen, dass jene, deren ökonomische Existenz gefährdet ist, Unterstützung erfahren, wie wir für die Menschen, deren unermüdlicher Einsatz den Schutz aller ermöglicht, mehr tun können, als zu klatschen, und nicht zuletzt, wie wir mit einschneidenden Folgen im Alltag, wie Einsamkeit, umgehen, und mit der Tatsache, dass Menschen unglücklich werden - auch aufgrund der notwendigen Maßnahmen.

Das muss Gegenstand öffentlicher Debatten sein, die nicht abgewendet werden dürfen mit dem Verweis darauf, dass es Gemeinsamkeit braucht. Es ist zwar richtig, dass es diese braucht, aber Gemeinsamkeit lässt sich nicht verordnen, sie muss im Zweifel in der Diskussion über die verschiedenen Argumente erreicht werden.

(Beifall)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sei vorweg gesagt, setzt auch den Rahmen, in dem wir über die Aktionen von Personen und Gruppierungen sprechen müssen, welche die Existenz des Coronavirus in Abrede stellen und die hinter den Eindämmungsmaßnahmen nicht mal gute und mal weniger gute Entscheidungen sehen wollen, sondern eine große Verschwörung behaupten. Denn wer falsche Informationen, Lügen und Verschwörungserzählungen verbreitet, beteiligt sich nicht an einer öffentlichen Debatte mit dem Ziel, einen Austausch über Positionen herzustellen, sondern mit dem Ziel, die Debatte entweder zu manipulieren oder sie gänzlich zu zerstören.

(Beifall)

Genau das ist es, was die extreme Rechte will. Ideologisch schreibt sie ihre Kernerzählung fort, die ich hier zum Verständnis, weil es notwendig ist, kurz skizzieren will. Es ist die Erzählung, dass die Deutschen - gemeint sind die weißen Deutschen - von Feinden im Inneren bedroht seien, von Politikern, die sie verkaufen würden, von Nichtregierungsorganisationen, die sie steuern würden, von einer Presse, die sie belügen würde, neuerdings auch von Medizinern und Medizinerinnen, die sie schwächen und versklaven wollten.

(Beifall)

Und das - so geht diese extrem rechte Erzählung weiter -, um Feinden im Äußeren zu dienen; ja, letztendlich, um die behauptete „weiße Rasse“, um die Deutschen zu vernichten.

Diese Erzählung steht in der Kontinuität faschistischen und nationalsozialistischen Denkens, sie ist grundlegend antisemitisch, sie baut auf der Vorstellung von globalen Eliten - gemeint sind hier immer jüdische Eliten, behauptete jüdische Eliten, auch wenn es oftmals nur angedeutet oder in Codes ausgedrückt wird -, die ihre Interessen gegen die Interessen derer durchsetzen würden, die die extreme Rechte als „das Volk“ konstruiert und aus dem weite Teile der Bevölkerung ausgeschlossen sind.

Die extreme Rechte will sich damit nicht an einer notwendigen demokratischen Debatte über die Eindämmungsmaßnahmen beteiligen, sondern sie baut die Eindämmungsmaßnahmen in ihre Verschwörungserzählungen ein, mit denen sie die eigenen Anhängerinnen und Anhänger mobilisieren, ihre Gegnerinnen und Gegner angreifen, die Debatte beenden und durch hasserfüllten Kampf ersetzen will, um ihrem Ziel näher zu kommen, die Demokratie zu zerstören und ihre eigene Herrschaft zu errichten.

Die Konsequenz, meine Damen und Herren, sind brachiale Auftritte, wie wir sie in Berlin beobachten mussten, als Rechtsextreme auf die Treppen des Reichstags stürmten. Was dort geschehen ist, ist ebenso wenig Zufall,

(Zurufe)

wie es Zufall ist, dass es Abgeordnete der AfD waren, die vorgestern genau diese Leute in den Bundestag holten, wo sie Abgeordnete bedrängten.

(Zuruf)

Es ist der gezielte Versuch, Demokratinnen einzuschüchtern und dem eigenen Lager die eigene Macht zu demonstrieren.

(Starker Beifall - Zurufe)

Diese Macht soll nicht nur demonstriert werden, um sich selbst besser zu fühlen - wobei ich glau

be, dass das auch ein wesentlicher Grund ist -, nein, diese Macht soll demonstriert werden, um die eigenen Anhängerinnen zu weiteren Taten anzustacheln. Der symbolische Gewinn ist das Entscheidende für die extreme Rechte.

Die Ausschreitungen in Leipzig am letzten Wochenende rühren nicht daher, dass Rechtsextreme glauben, damit die Umsetzung ihrer politischen Ziele tatsächlich gewaltsam erzwingen zu können. Vielmehr wollen sie damit das politische System insgesamt destabilisieren. Die Verbreitung von Falschinformationen geschieht nicht, weil die handelnden Personen verwirrt sind und es nicht besser wissen, sondern es sind gezielte Desinformationen. Hier sehen wir die wichtigste Mastererzählung der extremen Rechten seit dem Jahr 2015.

Das zeigt sich auch daran, dass selbst in relativ neuen Zusammenschlüssen, wie der verschwörungsideologischen „Bewegung Mitteldeutsch

land“ und ihren lokalen Ablegern, offen Umsturzfantasien geäußert werden. Die Realität ist, und sie ist bitter: Die extreme Rechte befindet sich im Aufwind.

Die Anzahl extrem rechter Aufmärsche und Kundgebungen überschreitet schon jetzt deutlich die Zahlen, die im Jahr 2015 dokumentiert worden sind. Die Radikalisierung geschieht dabei noch schneller, als es bisher zu beobachten war. Schon seit Jahren spielen dabei aktive Rechtsextreme in Sachsen-Anhalt eine zentrale Rolle. Ich nenne nur einige Beispiele von Corona-Leugner-Kund

gebungen, bei denen sich das zeigt: Steffen Thiel von der NPD in Zeitz, die IB in Wernigerode, Hooligans und Kameradschaftsspektrum in Dessau, Püschel, Karl und Mundt von der NPD in Weißenfels, Poggenburg und Kurth in Köthen, Hauser und Klemm von der IB in Merseburg, Bauer von der Artgemeinschaft in Zeitz.

(Zuruf)

Gezielt zieht die extreme Rechte Menschen aus einem rationalen gesellschaftspolitischen Gespräch in eine Parallelwelt aus Lügen und Hass;

(Beifall)

in eine Parallelwelt, in der Gewalt zur Notwehr erklärt wird. Diese Gewalt sehen wir, wenn beispielsweise in Halle Journalistinnen und Gegenprotestler von Teilnehmern der Corona-LeugnerProteste beleidigt, bedrängt, bespuckt und geschlagen werden und wenn Neonazi Sven Liebich mit seinen Anhängern aus Sachsen-Anhalt in Leipzig einen Fotojournalisten tätlich angreift.

Wir sehen auch, dass die Sicherheitsbehörden diesen Versammlungen seit Monaten nicht effektiv begegnen. Abstände werden nicht eingehalten,

ein Mund-Nasen-Schutz wird nicht getragen, sofort vollziehbare Beschränkungen, die bei jeder anderen Demo sofort durchgesetzt würden, werden nicht umgesetzt. Oft geschieht schlichtweg nichts.

Wir haben gestern über das Versammlungsrecht debattiert, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir brauchen keine Lex Liebich, um eine Antwort auf diesen Neonazi zu finden.

(Beifall)

Er gehört schlichtweg, weil er gewalttätig ist, sich nicht an Auflagen hält, Teile der Bevölkerung verächtlich macht, Menschen beleidigt - und das jedes Mal ganz konkret dokumentierbar -, als Versammlungsleiter und Redner bei Versammlungen abgelehnt. Das gibt die Rechtslage schon jetzt her.

(Beifall)

Um das zu tun, müssten Versammlungsbehörden genau analysieren, was auf diesen Versammlungen geschieht, es gerichtsfest dokumentieren und daraus die richtigen rechtlichen Schlüsse ziehen, also zutreffende Gefahrenanalysen erstellen.

(Zuruf: Jawohl! - Zustimmung)