Protocol of the Session on November 25, 2016

Ich begrüße Sie heute Morgen um 9:01 Uhr. Ich bitte Sie, Platz zu nehmen und den Geräuschpegel zu senken.

(Unruhe)

- Ich wiederhole meine Bitte: Bitte nehmen Sie Platz und senken Sie den Geräuschpegel. Ich glaube, es ist in unser aller Interesse, heute pünktlich zu beginnen. Wir haben in den letzten beiden Tagen mit Blick auf den Zeitplan schon einiges herausgeholt. Das soll uns aber nicht verleiten, am Freitag die Dinge schleifen zu lassen.

Deshalb begrüße ich Sie jetzt noch einmal ganz herzlich zum dritten aufeinanderfolgenden Tag der 8. Sitzungsperiode. Wir nehmen gleich die Gelegenheit wahr, in die Tagesordnung einzusteigen.

Bevor wir dies tun, stelle ich die Beschlussfähigkeit fest. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Dies scheint nicht so zu sein. Dann können wir beginnen.

Wir kommen zu dem ersten Tagesordnungspunkt, den wir uns heute vorgenommen haben.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 26

Aktuelle Debatte

Hierzu liegen zwei Themen vor.

Ich rufe das erste Thema auf:

Elektromobilität in Sachsen-Anhalt voranbringen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 7/611

Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Für die Debatte wurde folgende Reihenfolge vereinbart: GRÜNE, AfD, SPD, DIE LINKE und CDU. Zunächst hat für die Antragstellerin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Fraktionsvorsitzende Frau Lüddemann das Wort. Frau Lüddemann, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema Elektromobilität ist ein gutes Beispiel für die Erkenntnis: Es nur auf der Agenda zu haben, reicht nicht.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Aus der Realisierung des Ziels von einer Million Elektro-Pkw bis 2020 ist noch nicht viel geworden. Von der Nationalen Plattform Elektromobilität - dort wurden acht Modellregionen ausgerufen, leider ohne die Beteiligung Sachsen-Anhalts - hört man nicht viel. Zwischen 2010 und 2014 bundesweit 1,5 Milliarden € in Forschung, Pilotprojekte etc. zu investieren, ist etwas zu wenig.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Verkaufszahlen von Elektroautos, obwohl für bestimmte Nutzergruppen marktfähige Autos verfügbar sind, blieben gering. In Ladeinfrastruktur wurde bisher fast gar nicht investiert.

In den letzten sechs Jahren ist also viel zu wenig passiert, um den Massenmarkt anzuschieben. Die Einführung der Kaufprämie durch die Bundesregierung - auch hier kann man natürlich darüber streiten, ob 4 000 € für reine E-Autos oder 3 000 € für Hybridautos ausreichend sind; das ist eine andere Frage - im Mai 2016 war überfällig und erfolgte - das muss man jetzt einfach konstatieren - deutlich zu spät.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Aber kommen wir zu Sachsen-Anhalt. Im letzten Jahr waren wir Schlusslicht bei neu zugelassenen E-Autos. Nur 1,9 Autos von 10 000 waren E-Autos. Sogar Mecklenburg-Vorpommern mit 2,1, Thüringen mit 2,4 und Brandenburg mit 3,1 E-Autos waren nachfrageseitig etwas besser aufgestellt. Natürlich sind wir nicht Bayern, BadenWürttemberg oder ein Stadtstaat, wo die Verkaufszahlen höher liegen. Aber im Vergleich der ostdeutschen Bundesländer ist ein Rückstand nicht erklärbar und nicht akzeptabel.

Wir haben in Sachsen-Anhalt bekanntlich keine großen Autofabriken, aber einerseits viele Berufspendler in diesem Bereich, die bei BMW in Leipzig, vor allem aber bei VW in Wolfsburg arbeiten. Andererseits sind wir Standort für eine Reihe mittelständischer Zulieferunternehmen im Automobilsektor. Gerade der Zulieferbereich wird sich in weiten Teilen wandeln müssen. Bei E-Autos fallen natürlich der Verbrennungsmotor und der Antriebsstrang weg, auch die Abgasanlage, der Motorblock sowie tendenziell auch das Getriebe sind kein Thema mehr.

Bereits im Sommer 2011 gab es zur Elektromobilität eine Landtagsdebatte. Die Kollegen, die dabei waren, werden sich sicherlich daran erinnern. Dabei wurde auf die Verankerung der Elektromobilität in der Regionalen Innovationsstrategie RIS verwiesen, auch auf die Landesinitiative Elisa - „Elektromobil, Leicht, Intelligent für Sachsen-Anhalt“ - und ebenso auf die Weiterentwicklung der Landesinitiative „Angewandte Verkehrsfor

schung/Galileo-Transport“.

Der Tenor damals: Wir haben gute Ansätze im Bereich der Forschung und Zulieferindustrie für

Elektromobilität und wollen dies unterstützen. - Das ist richtig; das kann ich ganz klar sagen. Aber nun kommt es auch darauf an, die Nachfrageseite zu stärken.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dabei geht es nicht um Zusatzsubventionen für private Endverbraucher. Das ist nicht unser Part. Das haben wir im Landtag nicht zu leisten. Aber eine wichtige Stellschraube, die wir hier drehen können, sind die Verwaltungen auf Landes-, aber auch auf Kreis- oder auf kommunaler Ebene.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Bei Letzteren stellt sich die noch vergleichsweise geringe Reichweite von E-Pkw als nicht relevanter Nachteil dar. Für Dienstwege in Kommunen, aber auch in den meisten Landkreisen reicht die mittlere Reichweite von 150 km der bisherigen E-Autos locker aus.

Ich hatte dazu kürzlich - das möchte ich kurz berichten - ein sehr interessantes Gespräch mit Bürgermeister Dittmann aus Zerbst. Die Kommune hat an dem Projekt „E-Flotte - elektromobil unterwegs“ teilgenommen. Die Mitarbeiter waren begeistert; so wurde mir berichtet. Nun soll der eigene Fuhrpark komplett auf E-Autos umgestellt werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Eine Unterstützung des Landes, wenn auch nur beratend, wäre an dieser Stelle sicherlich zu begrüßen. Das Projekt „E-Flotte - elektromobil unterwegs“ zeigt ohnehin, wie groß das Interesse an diesem Thema ist. Von 207 Bewerbern, Unternehmen und Kommunen, wurden 31 ausgewählt. Vielleicht könnte man etwas Ähnliches auch hier im Land initiieren.

In der letzten Woche gab es zudem die Meldung, dass - manche würden sagen: sogar - Opel im nächsten Jahr ein E-Auto mit einer Reichweite von immerhin 380 km auf den Markt bringt. Damit hätte sogar die Landesverwaltung kaum mehr ein Problem bei Dienstfahrten.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

Denn - hier eine Auffrischung unserer GeografieKenntnisse - unser Land hat eine Ost-West-Ausdehnung von 160 km und eine Nord-Süd-Ausdehnung von maximal 210 km.

(Zuruf von Detlef Gürth, CDU)

Verwaltungen mit Elektromobilität würden zudem der Ladeinfrastruktur einen immensen Schub geben.

Ein weiteres Thema im Bereich der Elektromobilität sind die Elektrobusse. Hierbei gehen natürlich die großen Städte Berlin, Köln etc. voran. Aber auch bei uns sehen wir GRÜNE Potenziale, allem voran in den Städten, in denen bereits Straßen

bahnen fahren; denn dort ist elektrotechnisches Know-how vorhanden. Ich denke dabei nicht nur an meine Heimatstadt Dessau, sondern auch an die Stadt Halle, die ein großes Straßenbahnnetz hat. Dort gibt es bereits eine Machbarkeitsstudie zu einer Linie, die dann mit E-Bussen betrieben werden könnte.

Natürlich müssen wir dabei die Abschreibungszeiträume der aktuellen Busflotten betrachten. Ich weiß, in Magdeburg würde es zurzeit nicht so perfekt passen. Aber wir dürfen grundsätzlich diesen Zukunftstrend nicht verpassen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Deshalb sollte die Landesförderrichtlinie, die die 80-prozentige Förderung der Mehrkosten vorsieht, spätestens im Frühjahr vorliegen, um den Verkehrsunternehmen Planungssicherheit zu garantieren.

Wahrscheinlich wäre der grundsätzliche Markteinstieg über E-Busse sogar nachhaltiger gewesen, als den Fokus, wie es bereits getan wurde, auf Pkw zu legen. Gerade innerstädtisch verkehrende Busse transportieren vergleichsweise viele Menschen und sind etliche Stunden am Tag im Einsatz. Das ist deutlich ressourceneffizienter als der Eine-Person-Pkw, der mehr als 23 Stunden am Tag herumsteht. Hier sollten wir auf die Bundespolitik einwirken. Ein Bundesprogramm für EBusse würde ein spürbaren Schub geben und die E-Busse, die bisher alle Einzelstücke sind, deutlich verbilligen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Verkehrsbetriebe in Sachsen-Anhalt würden davon profitieren können.

Eine weitere Idee als Testprojekt, hauptsächlich über Bundesgelder finanziert und mit Hochschulkooperationen vor Ort verbunden, wäre die Umstellung einer Überlandlinie auf E-Busse. E-Busse habe bisher eine Reichweite von 200 bis 300 km. Aber diesbezüglich ist eine rasante Entwicklung zu verzeichnen, insbesondere bei der Schnellladetechnik. So wurde in der Schweiz eine Technik vorgestellt, mit der ein Bus in vier bis fünf Minuten komplett aufgeladen wird.

Weiterhin eine wichtige Säule im Bereich Elektromobilität, die ansonsten gern vergessen wird, aber die uns GRÜNEN natürlich besonders am Herzen liegt, ist der Radverkehr. Der Verkauf von Elektrofahrrädern ist bundesweit eine richtige Erfolgsgeschichte. Im Jahr 2015 wurden 535 000 Stück verkauft. Auch in Sachsen-Anhalt sieht man sie immer öfter.

Elektrofahrräder halten auch die Älteren - davon haben wir leider Gottes eine Menge - mobil und fit und sollten auch beim Führerschein mit 15 stärker in den Fokus geraten. Mofas mit Verbrennungs

motoren sind nicht mehr die Zukunft. Auch auf die Schwalbe aus DDR-Zeiten, auf die gern verwiesen wird, können wir sicherlich nicht mehr ewig zurückgreifen.