Helga Ziegert
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Last Statements
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der letzten oder vorletzten Bürgerschaftssitzung haben wir hier in großer Einmütigkeit eine Initiative zur beruflichen Weiterbildung verabschiedet, auch unter dem Aspekt, wie wichtig lebenslanges Lernen heutzutage für das Weiterkommen im Beruf und zur Behebung des Fachkräftemangels in der Wirtschaft, also in der beruflichen Bildung, ist.
Heute beschäftigen wir uns nun mit dem Weiterbildungsgesetz, bei dem es eben darum geht, diesen zweiten Aspekt des Lernens zu sehen. Bildung und Weiterbildung umfassen nämlich nicht nur die berufliche Bildung und das Weiterlernen im Beruf, sondern zu einer ganzheitlichen Bildung gehören auch die allgemeine Bildung im Sinne von Gesundheitsbildung, im Sinne von Literatur und vielen anderen Dingen dazu, aber eben auch die politische Bildung. Von daher, meine ich, müsste es für uns in einem demokratischen Gremium eigentlich selbstverständlich sein, dass wir gerade die politische Bildung als Grundlage für die Demokratie und die demokratische Kultur in unserem Land fördern müssen.
Deswegen begrüße ich es ausdrücklich, dass auch in dem neuen Weiterbildungsgesetz – wie übrigens schon im bisherigen Weiterbildungsgesetz – der politischen Bildung ein hoher Stellenwert eingeräumt worden ist, denn wir stehen in der Gefahr, dass wir heute Erwachsenenbildung und lebenslanges Lernen zu sehr verengen auf das, was der Wirtschaft und dem beruflichen Fortkommen nützt. Dabei sehen wir nicht,
dass es auch wichtig ist, Bürgerinnen und Bürger, Menschen zu haben, die sich insgesamt in lebenslangem Lernen entfalten können und die vor allen Dingen auch aktive Bürger, Teilnehmer am politischen Leben werden.
Ich möchte nur noch einen Aspekt ansprechen! Das eine ist das Gesetz, das, glaube ich, eine gute Grundlage bildet. Ich fand übrigens, dass auch schon das alte Weiterbildungsgesetz eine gute Grundlage war, so sehr revolutionär ist es ja nicht, was wir hier überarbeitet haben. Wichtiger ist aber, wie es mit Leben erfüllt wird. Das wird dann sehr davon abhängen, welche Angebote auch von den Weiterbildungsträgern gemacht werden und wie dies von den Menschen, die angesprochen werden wollen, angenommen wird.
Ich glaube, Frau Schön hat es schon angesprochen: Wir wollen insbesondere die Menschen erreichen, die sonst zu den sogenannten bildungsfernen Schichten gehören. Wir haben immer wieder das Problem, dass wir feststellen, dass wir Menschen, die schon in ihrem Schulleben und dann später und auch in ihrem Elternhaus ohnehin nicht so viel mit Bildung in Berührung gekommen sind, auch viel schlechter in der Weiterbildung erreichen. Insofern würde mir sehr viel daran liegen, dass hier die Anbieter von Weiterbildung attraktive Angebote machen und auch befähigt werden, die Menschen mit Bildungsangeboten zu erreichen, die sonst an so etwas nicht teilnehmen können. Wir wissen, die typischen Teilnehmer der Kurse in Volkshochschulen, in Sprachkursen und eben auch bei den Kammern kommen normalerweise aus der saturierten Mittelschicht, und wir sehen sehr wenige sogenannte Bildungsbenachteiligte. Daher finde ich es wichtig, dass in diesem Weiterbildungsgesetz weiterhin Wert darauf gelegt wird, dass hier insbesondere für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Bildungsangebote und Möglichkeiten lebenslangen Lernens geschaffen werden.
Zum Schluss noch zu Ihnen, Herr Dr. Buhlert! Daran, ein solches Gesetz dann auch mit Leben zu erfüllen, hängt natürlich auch ganz wesentlich die Finanzierung. Insofern finde ich es schon wichtig, dass dieses Gesetz und die dazugehörigen Verordnungen vorsehen, dass in der Finanzierung differenziert wird: Welches sind denn die Angebote, von denen wir meinen, dass sie in besonderer Weise gefördert und unterstützt werden müssen, auch finanziell und im Sinne der Ziele, die wir erreichen wollen? Welche Angebote sind diejenigen, die dann demjenigen, der sie wahrnimmt, in vielen Bereichen der beruflichen Bildung letztlich einen so großen materiellen Nutzen bringen, dass sie finanziert werden können, oder die vielleicht mehr in Richtung Wohlfühlkurse oder Ähnliches gehen?
Insofern finde ich es sehr richtig, dass diese Differenzierung im Gesetz gemacht wird. Es wird natürlich im Einzelfall immer wieder den Streit darum geben, was nun öffentliches Interesse ist. Es geht hier
aber wohlgemerkt nicht darum, inhaltlich zu definieren, was im öffentlichen Interesse ist, sondern zu sagen, was Angebote sind, die wir in besonderer Weise fördern müssen, weil sie sonst nicht in dem Maße vorkommen oder wahrgenommen werden können, wie wir uns das wünschen.
Alles in allem ist es schön, dass wir das mit dem Weiterbildungsgesetz jetzt in dieser Legislaturperiode noch geschafft haben. Es bietet eine gute Grundlage. Es muss gelebt werden, und dafür sind jetzt alle Möglichkeiten gegeben. Auch in diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetz. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Nitz, eine verringerte Ausgabe ist immer noch keine Einnahme und noch kein Gewinn, insofern finde ich Ihre Rechnung, dass Bremen einen Gewinn aus den Arbeitslosen zieht, etwas – gelinde oder vornehm gesagt – sehr gewagt, aber eigentlich ist es ein Taschenspielertrick. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Nun zu unserem Antrag! Sie haben zu Ihrer Großen Anfrage schon das Wesentliche gesagt. Ungeachtet dessen, dass die Arbeitslosenzahlen sich sehr erfreulich entwickeln, nämlich Arbeitslosigkeit auch in Bremen und Bremerhaven zurückgeht, und wir natürlich schwergewichtsmäßig unsere Arbeitsmarktpolitik darauf ausrichten, Arbeitslose auch durch Qualifizierung in den regulären Arbeitsmarkt zu bringen, sind wir uns darüber im Klaren, dass wir auf absehbare Zeit auch noch für diejenigen, die in den regulären Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sein werden, weil sie aufgrund persönlicher Einschränkungen nicht vermittelbar sind, sei es, dass sie für den Arbeitsmarkt als zu alt gelten, dass sie gesundheitliche Einschränkungen haben, dass sie auch den Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht gewachsen sind, die Möglichkeit geförderter gemeinnütziger Beschäftigung in gemeinnütziger Arbeit bieten.
Nun wird diese öffentlich geförderte Beschäftigung im Augenblick in zwei Formen durchgeführt, nämlich einmal in der Form der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, darauf haben Sie auch angespielt, Frau Nitz, zum größten Teil aber bisher eben immer noch in der Form der Beschäftigung in der Mehraufwandsvariante, von uns InJobs und im Volksmund auch Ein-Euro-Jobs genannt. Sie sind ja wieder in die Diskussion gekommen angesichts der Demonstration, auch der Debatten, die wir hier im letzten Herbst gehabt haben angesichts auch der Kürzungen durch die Bundesregierung. Ich darf daran erinnern, dass hier sogar für den Erhalt dieser Ein-EuroJobs gekämpft wurde, weil es natürlicherweise auch für die Betroffenen häufig die einzige Möglichkeit ist, überhaupt irgendwo in Arbeit und in soziale Zusammenhänge einbezogen zu werden.
Ich will aber noch einmal ganz deutlich sagen, dass diese InJobs aus unserer Sicht erhebliche und gravierende Nachteile haben, zum einen sind es keine richtigen Arbeitsverhältnisse, es sind Beschäftigungsmaßnahmen. Es gilt deswegen auch nicht das normale Arbeitsrecht, es gilt nicht das Betriebsverfassungsgesetz. Die Betroffenen kommen aus dem Hilfebezug nicht heraus, und sie haben auch das Gefühl, für einen Euro die Stunde arbeiten zu müssen, und empfinden dies als Ausbeutung, auch wenn das natürlich objektiv nicht stimmt, dass sie für einen Euro arbeiten.
Infolgedessen ist es auch unser erklärtes Ziel, diese Ein-Euro-Jobs, diese InJobs zugunsten von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsmaßnahmen abzubauen. Meiner Meinung nach wäre es sogar sinnvoll für die Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik in den nächsten vier Jahren, solche Ein-Euro-Jobs, InJobs nur noch zu beschränken auf solche Arbeitsgelegenheiten, bei denen der soziale Aspekt im Vordergrund steht, wo es in erster Linie durch die Beschäftigung um eine Qualifizierung von elementarem Arbeitsverhalten und von tagesstrukturierenden Maßnahmen und einer gewissen sozialen Einbindung geht,
und da, wo der Aspekt gemeinnützige Arbeit im Vordergrund steht, dies in Form von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu gestalten.
Dem steht im Augenblick noch die gegenwärtige Finanzierung entgegen, da diese sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse auf der einen Seite den aktiven Arbeitsmarkttitel belasten und auf der anderen Seite bei den InJobs die anfallenden Kosten für die Finanzierung des Lebensunterhaltes und der Kosten der Unterkunft nicht berücksichtigt werden. Insofern ist es sehr verdienstvoll, Frau Nitz, dass Sie nun mit Ihrer Großen Anfrage dies auch noch einmal haben vorrechnen lassen, dass eine solche Aktivierung der passiven Mittel beim Bund erhebliche Mittel freisetzt, aber das war eigentlich auch vorher schon klar. Da fällt der Löwenanteil dieser Spielräume an.
Allerdings gibt die Antwort auf die Große Anfrage auch Anlass zu der Vermutung, dass eben auch bei den Kosten der Unterkunft, die ja immer als Letztes noch bei den Kommunen hängen bleiben, solche Spielräume geschaffen werden können, hier kostenneutral InJobs umzuwidmen in sozialversicherungspflichtige und richtig entlohnte Beschäftigung. Es ist keineswegs unsere Absicht, jetzt da, wo diese Spielräume stehen, und deswegen sagen wir, der Senat soll das noch einmal überprüfen, dies auf die lange Bank zu schieben.
Wir haben gesagt, es soll uns ein Bericht gegeben werden bis zur nächsten Bürgerschaftswahl. Es ist durchaus unser Ziel, dass da, wo diese Spielräume entstehen, und Sie weisen ja zu Recht darauf hin, dass es sie schon bei Alleinstehenden, auch bei Alleinerziehenden mit einem Kind und möglicherweise darüber hinaus gibt, dies dann eben auch genutzt werden kann. Es wären aber natürlich noch viel größere Spielräume zu gewinnen, wenn auch die Bundesratsinitiative, die wir anregen, erfolgreich sein und dies auf der Bundesebene passieren könnte, deswegen unser Antrag.
Ich fasse noch einmal zusammen, eine solche Aktivierung der passiven Mittel, eine solche Umfinanzierung in der Arbeitsmarktpolitik kostet kein zusätzliches Geld, sie nützt aber dem Gemeinwesen durch die zusätzliche gemeinnützige Arbeit, die geleistet werden kann. Sie nützt den Arbeitslosen, weil diese mit ihrem eigenen Geld und ihrer eigenen Arbeit ihren Lebensunterhalt finanzieren können, und sie nützt letzten Endes auch dem Sozialsystem, weil auch richtige Beiträge in die Kassen fließen, deswegen unser Wunsch oder unsere Bitte, unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich ehrlich gesagt auch gewundert, dass Sie diesen Antrag nun auch noch mit dieser Überschrift aufrechterhalten, Frau Nitz, denn das, was Sie so im November an die Wand gemalt und dann auch in der Deputation vorausgesagt haben – Projektsterben, Zusammenbrüche und Ähnliches –, ist nun alles nicht eingetreten. Frau Schön hat soeben beschrieben, dass es gelungen ist,
in einem solidarischen Akt umzusteuern. Ich möchte nicht nur die Träger darin einbeziehen, die auch ein sehr lebhaftes Interesse haben, und das Ressort, sondern auch ausdrücklich die ARGE Jobcenter, weil die Bereitschaft des Regionalcenters hier in Bremen nämlich so groß war wie nirgends in der Regionaldirektion in ganz Niedersachsen-Bremen, hier weiter Mittel für öffentlich geförderte Beschäftigung zur Verfügung zu stellen, hier doch das, was Sie an die Wand gemalt haben, zu verhindern. Nicht zuletzt, weil wir selbst 1,9 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt haben – ich sage jetzt einmal – aus unseren Landesmitteln, denn die EU-Mittel, über die verfügen wir, und das sind unsere Landesmittel. Ich finde, dass es, nachdem wie es sich vorher dargestellt hat, gelungen ist.
Das ist ein großer Erfolg der gemeinsamen Arbeitsmarktpolitik. Jetzt kommen Sie noch einmal und malen wieder den großen Zusammenbruch an die Wand, dafür sehe ich im Augenblick überhaupt keine Grundlage. Mehr Geld wäre natürlich immer besser, aber in dem Zusammenhang möchte ich dann auch darauf eingehen, was Sie hier eigentlich erwarten: Sie erwarten von uns, dass wir für Zahlungsausfälle des Bundes, für Kürzungen des Bundes aus unseren Landesmitteln Gelder zur Verfügung stellen, für die wir nach den Hartz-Reformen eigentlich nicht zuständig sind, denn es liegt ausdrücklich in der durch die Hartz-Reform entstandenen Arbeitsteilung zwischen Kommunen, Land und Bund, dass die Kosten der Arbeitslosigkeit nicht mehr bei den Ländern und Kommunen anfallen, sondern dass sie beim Bund anfallen, wo sie nämlich auch hingehören. Deswegen – das habe ich aber im Dezember oder November 2010 zu den Haushaltsberatungen schon gesagt – bin ich strikt dagegen, jetzt für solche Ausfälle mit Landesmitteln zur Verfügung zu stehen.
Ich möchte aber gern einen anderen Aspekt in die Debatte einbringen. Der Bund und auch das Land beziehungsweise die Kommunen geben in hohem Maße Geld für die Kosten der Arbeitslosigkeit aus. Es fallen über 400 Millionen Euro in der Stadt Bremen und über 100 Millionen Euro in der Stadt Bremerhaven jährlich an, um die passiven Leistungen zu finanzieren, das heißt, die Kosten der Unterkunft und die Kosten für den Lebensunterhalt. Wir werden deswegen hier auch noch einmal einen Vorstoß in Richtung Bund unternehmen. Wenn es uns gelingt, statt Arbeitslosigkeit Arbeit zu finanzieren, und die Mittel, die für die Finanzierung der Arbeitslosigkeit ausgegeben werden, nämlich dafür dass Leute zu Hause sitzen und nichts zu tun haben, für aktive Mittel zu verwenden – ein Teil jedenfalls –, also für Beschäftigungspolitik, dann könnten wir hier eine ganze Menge Spielräume gewinnen, ohne zusätzliche Finanzmittel zu mobilisieren, um weiterhin und sogar mehr aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben.
Ich denke, in solchen Zeiten, in denen die Mittel beim Bund immer stärker gekürzt werden, kann der Bund sich nicht verschließen, wenigstens in solche Überlegungen noch einmal einzutreten.
Einen letzten Aspekt will ich auch noch anführen: Natürlich ist es so, dass mit diesen Arbeitsmarktmitteln viele Projekte in den Stadtteilen finanziert werden, die wichtig, nützlich und nötig sind. Da, denke ich, müssen sich die Betreiber und Nutznießer und auch die zuständigen Ressorts in Zukunft überlegen, wenn solche Dinge unverzichtbar sind, dass sie auch anders finanziert werden müssen, gegebenenfalls aus Landesmitteln. Denn es wird – und das sage ich sowieso voraus – in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels und verbesserter Arbeitsmarktlage natürlich notwendig sein, Mittel aus der Ein-Euro-Job-Förderung – wenn ich es jetzt einmal ganz hart sage – oder Förderung von Beschäftigungsmaßnahmen mehr in Qualifizierung zu geben und Menschen dafür zu qualifizieren, in den ersten Arbeitsmarkt zu gehen. Denn dafür betreiben wir schließlich Arbeitsmarktpolitik. Wir betreiben sie für die Arbeitslosen, wir betreiben sie dafür, dass Arbeitslose ihre Chancen auf Arbeit verbessern, dass sie in den ersten Arbeitsmarkt kommen, und nicht in erster Linie für Projekte oder für Träger, so nützlich sie für uns auch sein mögen. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Wahlkampf
rückt näher! Trotzdem unterstütze auch ich diesen Antrag. Es hat, ich kann mich da den Ausführungen von Frau Schön nur anschließen, zur Folge, dass durch die Neuordnung im Rahmen der Reform am Arbeitsmarkt immer mehr Menschen, die arbeiten, die auch sozialversicherungspflichtig arbeiten und die in die Sozialversicherung eingezahlt haben, wie das immer so schön heißt, völlig aus dem solidarischen Sicherungssystem herausfallen. Das ist eine Folge, die nicht hinnehmbar ist und eigentlich korrigiert werden muss. Daraufhin zielt unser Antrag, hier die schlimmsten Folgen zu korrigieren und eine Anpassung der Arbeitslosenversicherung wieder vorzunehmen.
Die Tatsache ist, und darüber haben wir gestern ausführlich gesprochen, dass mittlerweile immer mehr Menschen aus dieser kontinuierlichen Erwerbsbiografie herausfallen, prekär arbeiten, kürzere Zeiten arbeiten und gleichwohl sozialversicherungspflichtig sind, dass diese Menschen dann völlig aus dem Solidarsystem herausfallen und nur noch auf die Fürsorgeleistung Hartz IV angewiesen sind. Das ist eine Folge, die sozialpolitisch nicht hinnehmbar ist und, wie Frau Schön ausgeführt hat, sich dann natürlich auch wieder darin niederschlägt, dass wiederum immer mehr die Kommunen mit den Kosten für die Arbeitslosigkeit belastet werden, was eigentlich vermieden werden sollte.
Ich wollte aber noch einmal auf Folgendes hinweisen: Ich habe gesagt, das ist hier jetzt ein kleiner Ausschnitt, über den wir reden. Im Prinzip steht natürlich eine Reform unserer sozialen Sicherungssysteme in Bezug auf die Veränderung in der Arbeitswelt an. Wir haben bisher immer noch die Koppelung der sozialen Absicherung an eine kontinuierliche Vollerwerbsbiografie, und wir sehen mittlerweile auch schon an der Entwicklung der Rentenversicherung, dass immer mehr Menschen überhaupt nicht mehr zu einer existenzsichernden Rente kommen werden, obwohl sie ihr ganzes Leben lang mehr oder weniger Vollzeit gearbeitet haben, und dass immer mehr dieser sozialen Sicherungssysteme ihre Funktion einer Existenzsicherung, geschweige denn einer Lebensstandardsicherung verlieren. Insofern gibt es seit längerer Zeit Diskussionen, sowohl die Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung weiterzuentwickeln, als auch die Rentenversicherungssysteme weiterzuentwickeln, sodass sie den Veränderungen in unserer Arbeitswelt angemessen sind. Auf der anderen Seite brauchen wir auf dem Arbeitsmarkt natürlich auch wieder ein Minimum an Ordnung, was auch Frau Schön angesprochen hat, im Sinne von Mindestlöhnen und gesicherten Beschäftigungsverhältnissen.
Ich will jetzt kurz auf den Antrag der FDP eingehen. Ich denke, er verkennt in einem entscheidenden Punkt die Funktion unserer Solidarversicherung. Diese ist keine Risikoversicherung im Sinne der privaten Versicherung. Es ist eine Solidarversicherung,
die im Grunde genommen bestimmte Lebensumstände, die alle abhängig Beschäftigten betreffen sollen, in die solidarische Sicherung der Allgemeinheit hineinnimmt. Insofern geht es nicht darum, individuelle Risikoabsicherung zu betreiben, sondern ein solidarisches Sicherungssystem aufzubauen, das im Übrigen auch außer in der Rentenversicherung völlig unabhängig von den individuellen Beiträgen ist, die der Einzelne geleistet hat.
Ich will deutlich sagen, dass ich deshalb auch dagegen bin, die Dauer des Bezugs des Arbeitslosengelds von der Dauer der Versicherungszeit oder des Einzahlens abhängig zu machen, obwohl ich weiß, dass es dem Gerechtigkeitssinn vieler Menschen entspricht. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es – anders als in der Privatversicherung – nicht im Belieben des Einzelnen liegt, ob er nun die ganze Zeit in die Arbeitslosenversicherung als Pflichtversicherung eingezahlt hat, weil er kontinuierlich beschäftigt war, sondern, wenn er längere Zeit zwischendurch arbeitslos gewesen ist und dies so kontinuierlich nicht konnte oder herausgefallen ist, dann entspricht es nicht dem Solidarprinzip, entsprechende Bevorzugungen oder Benachteiligungen vorzunehmen.
In diesem Sinne ist auch mein Plädoyer zu verstehen, unseren Antrag anzunehmen. Ich denke aber, vor allen Dingen sollten wir auch in die Diskussion kommen, wie unsere sozialen Sicherungssysteme angesichts der Veränderung unserer Arbeitswelt künftig ausgestaltet sein müssen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben über dieses Thema hier in der Bürgerschaft auf Antrag der Grünen und der SPD bereits im Jahr 2008 schon einmal sehr ausführlich debattiert. Wir hatten die Senatorin wegen dieses Problems der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und der Schwierigkeiten dabei auch aufgefordert, einen Wegweiser zur Anerkennung zu erstellen. Die Senatorin hat dazu einen Zwischenbericht vorgelegt, und dieser Wegweiser ist erstellt worden und steht seit Dezember 2009 zur Verfügung.
Ich glaube, es ist außerdem von meiner Kollegin Frau Dr. Mohammadzadeh und auch von Frau Allers gesagt worden, dass das Problem gar nicht darin liegt, dass wir hier noch keine einheitliche Anlaufstelle haben, so wie Sie es sagen, Frau Nitz, sondern das Problem liegt darin, dass wir zum einen noch keine einheitliche Rechtsgrundlage dafür haben, aufgrund der wir dann überhaupt so etwas machen könnten. Insofern könnte solch eine Anlaufstelle, wenn sie da wäre, gar nichts anderes machen, als die Ratsuchenden wieder an die verschiedenen Stellen zu verweisen, wo sie dann ihre richtige Anerkennung bekommen. Es ist im Grunde genommen eine Stelle, die dasselbe macht wie das, was wir jetzt durch diesen Wegweiser haben. Der könnte überarbeitet werden, und es gibt auch viel Kritik daran, dass auch das Layout nicht das beste sei, aber ich sehe da auch keinen wirklichen Fortschritt.
Wie Frau Nitz und Frau Dr. Mohammadzadeh beschrieben haben, ist das Problem, das Ausländer haben, die jetzt hierher kommen, vor allem wenn sie nicht EU-Ausländer sind und somit keinen Rechtsanspruch auf die Anerkennung haben, dass es teilweise sehr langwierige Verfahren sind, an deren Ende dann doch nicht die erhoffte oder erwünschte Anerkennung steht. Das ist das Problem! Deswegen meine ich, wir müssten eigentlich mehr in die praktische Umsetzung dieser Anerkennung gehen, damit sich das dann auch wirklich in einer beruflichen Perspektive niederschlägt, und ich meine, dass da zum einen nach wie vor große Versäumnisse bei den Agenturen für Arbeit und bei den Jobcentern liegen, weil es da noch viel zu häufig passiert, dass ausländische Arbeitsuchende als Ungelernte eingestuft werden und gar nicht geschaut wird, welche Qualifikationen sie eigentlich aus ihrem Herkunftsland mitbringen. Dies könnte übrigens auch ein guter Wegweiser sein, hier eine Anlaufstelle einzurichten. Das läge für mich näher, Frau Allers, als diese Beratungsstelle in der Handelskammer, um vor allen Dingen auch denjenigen, die hierher kommen, zu helfen, ihre Qualifikationen dann sinnvoll und auch in dem Sinn, wie wir es bedürfen, zu verwerten. Schließlich ist es unsinnig, dass wir in andere Länder gehen, von da ausländische Arbeitskräfte anwerben und hier eine ganze Menge qualifizierte Menschen aus anderen Ländern haben, die diese Qualifikationen besitzen und sie dann bei Aldi an der Kasse oder hinter einem Taxisteuer „verwenden“.
Ich habe auch bereits 2008, das ist nun schon drei Jahre her, darauf hingewiesen, dass ich es auch für notwendig halte, dass die Agenturen für Arbeit gezielte Qualifikationen anbieten, die an die Fähigkeiten dieser Menschen anknüpfen und vielleicht eine Teilqualifikation zum Ausgangspunkt nehmen, um zusätzliche Kurse für eine volle Qualifikation und entsprechend berufsbezogene Sprachkurse anzubieten. Ich glaube, dass da vieles zu machen ist. Ich habe gestern übrigens auch in unserer Diskussion über Langzeitarbeitslosigkeit darauf hingewiesen, dass wir viel mehr schauen müssen, wie wir die Menschen, die hier Arbeit suchen und Arbeit wollen, unterstützen, qualifizierte Arbeit nachzufragen und dann auch in qualifizierte Beschäftigung zu kommen. Ich kann zum Schluss noch einmal sagen, die Anerkennung für sich ist zunächst einmal auch keine Garantie, in eine entsprechend qualifizierte Beschäftigung zu kommen, und ich glaube, das ist das, was im Augenblick nottut. Wenn ich darauf hingewiesen habe, dass wir 2008 schon darüber debattiert haben und heute eigentlich noch nicht sehr viel weitergekommen sind, obwohl ich darauf hinweisen möchte, dass wir entsprechende Programme in der Arbeitsmarktpolitik haben – –.
Ich komme gleich zum Schluss! Ich denke an das Bremer Netzwerk Nachqualifizierung oder an das Projekt Arbeit in Vielfalt in der Fachkräfteinitiative, das sind aber immer bloß Pilotprojekte, die natürlich nicht solch eine Breitenwirkung haben. Dass wir in stärkerem Maße unser Augenmerk darauf richten müssen, wie wir jetzt auch ganz praktisch das Problem voranbringen können hier in Bremen, dass die ausländischen Mitbürger, die hier ihre Qualifikation mitbringen, diese auch wirklich einbringen können, ich glaube, das ist wichtiger beziehungsweise das ist der einzig gangbare Weg. Daher lehnen wir Ihren Antrag ab, Frau Nitz, weil er versucht, ein richtiges Anliegen mit einem falschen oder unbrauchbaren Mittel zu erreichen. In der Sache sind wir uns aber alle einig, so wie ich das mitbekommen habe, dass wir hier vorankommen wollen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Prinzip ist meine Einschätzung der Bürgerarbeit so, dass wir ein zusätzliches Instrument öffentlich geförderter Beschäftigung wie die Bürgerarbeit nicht unbedingt brauchen würden, wir haben ja Instrumente in derselben Art. Frau Nitz hat das richtig gekennzeichnet, es sind natürlich Maßnahmen öffentlich geförderter Beschäftigung, die eben auch gering entlohnt werden, größtenteils nicht unbedingt aus der Hilfebedürftigkeit herausführen oder nicht existenzsichernd sind. Ich denke, dass wir mit den bisherigen Beschäftigungsmaßnahmen eigentlich genügend Mittel haben und es deswegen auch widersprüchlich ist, dass zu dem Zeitpunkt, da uns im Augenblick gerade die arbeitsmarktpolitischen Mittel vom Bund gekürzt werden, zu unseren normalen Instrumenten jetzt hier diese Bürgerarbeit zusätzlich nach Bremen kommt.
Nichtsdestoweniger, finde ich, ist das nun aber auch, so wie das zumindest in der Stadt Bremen ausgestaltet wird, kein Grund, jetzt hier ein solches Gemälde an die Wand zu malen, wie Sie das gemacht haben. In der Tat war ursprünglich die Hauptkritik an dem Instrument Bürgerarbeit, und das hat ja schon mit einigen Pilotprojekten einen längeren Vorlauf, dass es ein Repressionsinstrument ist, weil es am Anfang – und das ist ja hier bei der Bürgerarbeit auch so – mit einer sogenannten Profilingphase verbunden ist, in der Arbeitslose zunächst noch einmal in ganz besonderer Weise, man kann sagen, überprüft werden, in der auch noch einmal ihre Potenziale erkundet werden sollen, und die Frage ist, ob sie direkt oder mit einer Qualifizierung auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können.
Nun kann man behaupten, das ist ein Repressionsinstrument, weil es in der Tat bei diesen Pilotgemeinden so war, dass von, ich sage einmal, Tausend Hilfebeziehern am Schluss nur noch 400 übrig blieben, die dann Hilfe in Anspruch genommen haben, weil andere dann aus welchen Gründen auch immer ihre Anträge zurückgezogen haben. Ich sehe das aber nicht so, ich erwarte das hier in Bremen nicht so.
Ich will einmal von einem anderen Ansatzpunkt ausgehen. Für mich ist das nicht so besonders wesentlich, ich komme nachher auch noch darauf, mit den 200 Arbeitslosen, die am Schluss dann wirklich in diesem Instrument Bürgerarbeit in öffentlich geförderter Beschäftigung untergebracht werden
müssen, sondern ich sehe in der gegenwärtigen Phase, in der wir einerseits noch eine hohe Anzahl Langzeitarbeitsloser in Bremen und Bremerhaven haben und andererseits auch hier in Bremen schon Fachkräftemangel beklagt wird – und das ist auch von der Agentur für Arbeit auf ihrer Jahresauftaktpressekonferenz wieder einmal betont worden –, dass es sehr stark die Aufgabe sowohl der Agentur als auch der Jobcenter sein muss, in sehr viel stärkerem Maße zu schauen, wo bei den Arbeitslosen, auch bei den Langzeitarbeitslosen, Menschen sind, deren Qualifikationen, Potenziale und Fähigkeiten so sind, dass sie mit Qualifizierung, mit zusätzlichen Hilfen oder durch gezielte Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden müssen. Das, glaube ich, ist das Wichtigste, was im Augenblick gemacht werden muss, und darauf müssen die Arbeitsagenturen und die Jobcenter viel stärker ihre Aufmerksamkeit richten, eine gezielte Vermittlung der Arbeitslosen in Arbeit, um den Fachkräftemangel zu beheben, oder eine gezielte Förderung durch Qualifizierung, und nicht so, wie das bisher sehr häufig der Fall gewesen ist, dass dann einfach irgendwie vermittelt wurde.
Wenn ich mitbekomme, dass zum Beispiel Menschen, die eine gute Qualifikation haben, eine abgeschlossene Ausbildung, dann durch Erkrankung irgendwie eingeschränkt arbeitsfähig sind, umstandslos als Produktionshelfer in Leiharbeit für 800 Euro netto eingesetzt werden, und wenn sie dann da arbeitslos werden, gleich wieder in die nächste Leiharbeit vermittelt werden, ohne einmal zu schauen, wo für diese Menschen, die ja eine Ausbildung haben, vielleicht die Möglichkeit ist, den dringend benötigten Fachkräftebedarf zu decken, dann, finde ich, ist das etwas, das man nicht nur den Menschen nicht antun sollte, sondern auch das Potenzial verschenkt, das wir hier im Augenblick bei unseren Arbeitslosen haben.
Wir haben ja schon das Problem mit der Windkraft in Bremerhaven und in vielen anderen Fällen auch, und das ist es eigentlich, ich finde, darauf müssten wir im Augenblick schauen, auch bei diesem Instrument Bürgerarbeit: Was passiert denn mit diesen Tausend Leuten, die jetzt, wie es so schön heißt, profiled werden? Das Jobcenter in Bremen hat das an einen Dienstleister vergeben. Soweit ich gehört habe, waren die Ergebnisse zunächst sehr unbefriedigend, da ist nicht mehr passiert als in einem ganz normalen Bewerbungstraining. Ich finde, da müssen wir sehr genau hinschauen, und ich erwarte und hoffe auch, dass wir von der Senatorin in der Deputation einen sehr genauen Bericht darüber bekommen, was jetzt dieser Dienstleister macht, wie er mit diesen Arbeitslosen umgeht, wie die Rückmeldungen an die Agenturen und die Jobcenter sind und wie dann auch die Ergebnisse sind.
Ich komme jetzt zum Schluss, ich gehe dann noch einmal auf die Bürgerarbeitsplätze im Einzelnen ein, wie Sie das angesprochen haben, Frau Nitz. Ich will nur einmal eines sagen, es ist ja hier in Bremen nicht vorgesehen, die Leute für die 900 Euro 30 Stunden arbeiten zu lassen, sondern sie sollen in Betrieben oder in Unternehmen zu einer dort ganz normal üblichen Entlohnung eingesetzt werden. Das wird bei einer 30-Stunden-Woche auch nicht unbedingt existenzsichernd sein, aber es ist doch etwas anderes als das, was Sie uns hier berichtet haben. – Vielen Dank!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Noch einmal kurz zu Ihnen, Herr Nestler! Herr Dr. Möllenstädt hat nun schon darauf hingewiesen, dass ich hier schon ziemlich lange in der Arbeitsmarktpolitik tätig bin und viele Programme habe kommen und gehen sehen. Die meisten Beschäftigungsprogramme wurden mit denselben Worten angepriesen, die Sie jetzt auch wieder für die Bürgerarbeit genannt haben: Sie sollten auch immer Chancen bieten, den Arbeitslosen einen Sinn geben und ihren Tag strukturieren und was Sie da noch alles aufgezählt haben. Ich habe nicht gesagt, wir hätten uns darum nicht bewerben können oder sollen, im Gegenteil, das finde ich gut. Ich finde es aber ziemlich sinnlos, einerseits hier in der Arbeitsmarktpolitik drastisch zu kürzen, wie es die Bundesregierung getan hat, und uns andererseits dann wieder mit einem Modellprojekt zu beglücken, statt die Arbeitsmarktpolitik anständig auszustatten und eine größere Flexibilität der Instrumente für den Einsatz vor Ort sicherzustellen, je nachdem, wie es notwendig ist. Das ist das, was mir vorschwebt.
Jetzt zu den Bürgerarbeitsplätzen! Frau Nitz, Sie haben nun selbst auf Ihre Große Anfrage eigentlich die Antwort bekommen: dass hier im Gegensatz zu den Ein-Euro-Jobs reguläre Arbeitsplätze entstehen, die auch arbeitsrechtlichen Bestimmungen unterliegen und auch allen dazugehörigen Mitbestimmungsanforderungen, dass sie tariflich oder betriebsüblich bezahlt werden sollen. Da, finde ich, ist es richtig,
dass wir das hier in Bremen so machen, und jetzt nicht sagen, da soll jetzt wieder die öffentliche Hand einspringen, sondern wenn wir die Leute bei der BSAG einsetzen oder wenn sie in Krankenhäusern eingesetzt werden oder wo auch immer, dass dann auch die Betriebe, die etwas davon haben, das entsprechend aufstocken. Ich sehe überhaupt nicht ein, warum wir immer Steuergelder in die Hand nehmen müssen, wenn wir hier bei Unternehmen Arbeitskräfte einsetzen und diese Unternehmen dann schließlich auch ihren Beitrag leisten können.
Von daher finde ich es ein durchaus erst einmal ehrgeiziges Vorhaben, 200 Plätze bei öffentlichen Unternehmen zu akquirieren. Ich bin aber eigentlich auch noch ganz zuversichtlich, dass wir hier in Bremen dieses Potenzial haben und dass das auch gelingen wird. Ich finde es jedenfalls richtig, dass hier nicht voreilig auf öffentliche Träger zurückgegriffen wird.
Nun will ich noch einmal etwas zu Herrn Dr. Möllenstädt sagen! Wenn man sich die Arbeitslosen einmal anschaut, dann sind sie eben unterschiedlich, und sie müssen unterschiedlich eingesetzt werden. Ein-Euro-Jobs zum Beispiel sind vor allen Dingen für sehr benachteiligte Arbeitslose auf dem Arbeitsmarkt, für die wir häufig erst einmal „tagesstrukturierende“ Maßnahmen anbieten müssen. Es gibt Arbeitslose, die an sich leistungsfähig sind, im Prinzip auch eine Qualifikation haben, aber aufgrund verschiedener Merkmale – weil sie krank sind, weil sie ein bestimmtes Alter haben – im Augenblick einfach auf dem Arbeitsmarkt nicht unmittelbar zu vermitteln sind. Vornehmlich für diese Menschen ist gedacht, sie über dieses Instrument Bürgerarbeit über drei Jahre – was auch eine gewisse Anforderung bedeutet – an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen, auch dann mit der Aussicht, gerade hier in diesen Betrieben auch eine wirkliche Chance zu bekommen.
Ich finde es übrigens richtig – und das ist sowieso die Richtung, die die Beschäftigungspolitik in Bremen nehmen soll –, künftig in einem stärkeren Maß auch solche Beschäftigungsmaßnahmen an die „Echtbetriebe“ heranzuführen, sie wirtschaftsnäher zu gestalten und sie nicht immer in dem abgeschotteten Raum eines zweiten Arbeitsmarktes der Träger zu lassen.
Ich würde im Prinzip diesen Ausdruck „zweiter Arbeitsmarkt“ ehrlich gesagt gar nicht so gern nehmen, für mich gibt es einen Arbeitsmarkt. Ich bin im Übrigen auch der Meinung, es ist nicht so, dass wir einmal den richtigen Arbeitsmarkt haben und dann haben wir den zweiten, um den sich die öffentliche Hand kümmern muss und wohin die Unternehmen auf gut Deutsch gesagt diejenigen abschieben, die sie nicht mehr gebrauchen können. Ich denke, es ist eine Verantwortung der Wirtschaft und der Unternehmen, auch den Menschen, die zunächst einmal benachteiligt sind, nach Möglichkeit und natürlich auch mit entsprechender Unterstützung die Möglichkeit zum Arbeiten zu schaffen und zu geben.
Ich denke, in diese Richtung sollte auch unsere Beschäftigungspolitik künftig gehen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht das erste Mal, dass wir hier über Leiharbeit debattieren. Ich verweise darauf, dass wir bereits im Herbst 2009 hier in der Bürgerschaft einen Beschluss gefasst haben, der in die Richtung ging, dringend notwendige Regulierungen bei dem jetzigen Zustand der Regelung von Leiharbeit vorzunehmen, insbesondere gleiche Bezahlung und Einschränkung im Einsatz von Leiharbeit. Weswegen bringen wir dieses Thema heute noch einmal, nachdem es in vielen einzelnen Beispielen, ich erinnere an Schlecker, an die Häfen, an vieles andere, bereits thematisiert wurde, auf die Tagesordnung? Es ist in der Tat mittlerweile so, dass die Leiharbeit und die Zunahme prekärer Beschäftigung einen nicht für möglich gehaltenen Boom in Deutschland erleben. Wir haben nach der Wirtschaftskrise im Jahr 2010 ein Anwachsen der Leiharbeitsplätze um sage und schreibe 188 Prozent. Es sind mittlerweile fast eine Million Menschen in Deutschland in Leiharbeit tätig. Weil die Fluktuation bei Leiharbeit immer sehr groß ist zwischen Beschäftigungs- und Nicht-Beschäftigungszeiten oder Arbeitslosigkeit, kann man davon ausgehen, dass ein noch größerer Teil von Leiharbeit betroffen ist. Mittlerweile sind über 40 Prozent der jungen Menschen unter 30 Jahren noch nie in einem festen Arbeitsverhältnis gewesen, sind also immer befristet oder in Leiharbeit beschäftigt gewesen. Man kann sagen, dass insbesondere Leiharbeit längst ihre eigentliche Rolle, nämlich der Flexibilisierung und der Abarbeitung von Auftragsspitzen und unvorhergesehenen Ereignissen in Betrieben, verloren hat und zu einem gezielten Instrument der Unternehmer – das sage ich wirklich jetzt mit aller Klarheit, und das ist auch so – erstens zur Lohnsenkung und zweitens zur Abwälzung des Betriebsrisikos auf die Beschäftigten geworden ist. Bevor ich auf die materiellen Folgen komme, muss man sich einmal vor Augen führen, was das auch für unsere Gesellschaft bedeutet, was das vor allen Dingen für junge Menschen bedeutet, wenn sie die Erfahrung machen, dass ihr Arbeitsleben mit Leiharbeit beginnt, in der sie schlechter bezahlt und schlechter behandelt werden als normale Arbeitskräfte und in der sie häufig auch das Gefühl haben, sie wissen gar nicht, wann sie aus diesem Zustand der Leiharbeit wieder herauskommen in einen Status, in dem sie normal verdienen können und auch eine Existenz gründen können. Andere sind irgendwie in die Leiharbeit gekommen und sehen überhaupt nicht, dass sie da wieder herauskommen können. Im Gegensatz zu den Behauptungen, die es einmal gegeben hat, dass Leiharbeit der Einstieg in ein festes
Beschäftigungsverhältnis ist, ist es mittlerweile so, dass nach letzten und jüngsten Untersuchungen der Bundesregierung nur neun Prozent der Leiharbeiter es schaffen, in ein festes Beschäftigungsverhältnis zu kommen. Andere, die optimistischer sind, sind bei 17 Prozent, aber das, was wir vor ein paar Jahren noch hatten – Schätzungen bis 30 Prozent –, ist längst vorbei. Noch zwei Zahlen: Mehr als 50 Prozent der Leiharbeitnehmer sind unter drei Monate beschäftigt, und Leiharbeitnehmer haben ein mehr als dreimal höheres Risiko als andere nach einem Jahr arbeitslos zu sein.
Wir haben Unterbezahlung, das habe ich schon gesagt, der Leiharbeitnehmer. Nun wurde zwar in der letzten Zeit im Tarifvertrag der Stahlindustrie und auch in Betriebsvereinbarungen in großen Betrieben hier in Bremen der Grundsatz des Equal Pay durchgesetzt, also gleiche Bezahlung im Entleihbetrieb, das ist aber längst nicht in allen Branchen der Fall. Wir haben nicht überall so starke Gewerkschaften und Betriebsräte, um dies auch flächendeckend durchzusetzen, wie es nötig wäre. Deswegen machen wir noch einmal einen Vorstoß und sagen, es ist dringend erforderlich, dass hier auf gesetzlichem Wege Regulierungen vorgenommen werden. Übrigens sagt ja mittlerweile auch selbst eine Institution wie die Bertelsmann Stiftung, die sonst eher der Verbreitung neoliberaler Deregulierungsvorstellungen Vorschub geleistet hat, in ihrer Studie „Soziale Gerechtigkeit in der OECD: Wo steht Deutschland?“, dass es dringend erforderlich ist, die soziale Lage von Leiharbeitnehmern der normalen Lage in den Betrieben anzugleichen. Das heißt erstens Equal Pay und zweitens auch eine zunehmende Arbeitsplatzsicherheit mit längerer Betriebszugehörigkeit.
Deswegen unser Antrag, in dem wir noch einmal auffordern – nachdem ja der Beschluss der Bürgerschaft vom Jahr 2009, aufgrund dessen der Senat dann im Bundesrat tätig geworden ist, an der Mehrheit der durch die CDU-geführten Länder gescheitert ist –, erneut den Vorstoß zu unternehmen, eine bessere soziale Absicherung von Leiharbeitnehmern und prekär Beschäftigten insgesamt vorzunehmen, insbesondere durch erstens die gleiche Bezahlung beim Einsatz im Entleihbetrieb und zweitens bessere Qualifizierung und drittens insgesamt ein gesetzliches Eindämmen von prekärer Beschäftigung.
Darf ich noch ganz kurz auf die beiden anderen Anträge eingehen? Dann verkürzt es die Zeit insgesamt. Es liegen noch zwei Anträge vor. Einmal von der CDU, ich muss ehrlich sagen, wir werden dem CDU-Antrag jetzt zustimmen. Ich muss allerdings dazu sagen, Sie haben unseren Antrag, der dasselbe beinhaltete, 2009 zu einem Zeitpunkt abgelehnt, als Sie noch die Chance hatten, ihn in der Großen Koalition zu realisieren. Im Augenblick scheitern Sie
ja in der Realisierung dieses Antrags, was natürlich auch dringend erforderlich wäre im Hinblick auf die volle Dienstleistungsfreiheit und die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit am 1. Mai 2011, an Ihrem Koalitionspartner auf Bundesebene. Trotzdem ist er natürlich sinnvoll. Ich sage aber sehr deutlich, wir wollen den Mindestlohn nur für die Zeit der Beschäftigung im Verleihbetrieb, und wir fordern ungeachtet dessen selbstverständlich Equal Pay, nämlich gleiche Bezahlung, für den Einsatz im Entleihbetrieb.
Zum FDP-Antrag ist nur zu sagen, das ist eigentlich ein Antrag, der nur sagt, dass Sie alles ablehnen, was wir beantragt haben. Deswegen brauchen wir, glaube ich, darauf nicht einzugehen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dafür kann der Herr Staatsrat sich dann vielleicht entsprechend kürzer fassen! Nein, ich meine, es ist so viel Unsinn gesagt worden, die Gefahr, dass der Antrag von Herrn Dr. Möllenstädt angenommen wird, besteht nicht. Deswegen brauche ich darauf nicht einzugehen.
Dann möchte ich Sie nur einmal darauf hinweisen, Frau Nitz, wir haben einen noch gültigen Beschluss
der Bürgerschaft von 2009, der diese ganzen Präzisierungen beinhaltet, die Sie soeben angemahnt haben. Auch das nur ganz kurz, und ganz kurz zu Ihnen, Herr Nestler! Es geht hier nicht darum, Auswüchse oder schwarze Schafe oder Ähnliches zu begrenzen, sondern es geht darum, die Leiharbeit in der Form, in der sie sich inzwischen ausgebreitet hat, zu regulieren, sodass diese ganz „normale“ Form der Leiharbeit, die wir jetzt erleben, so nicht mehr stattfinden kann, genau darum geht es.
Dass Sie jetzt noch diese andere Sache mit dem Entsendegesetz ansprechen, darüber kann ich mich, wie gesagt, nicht einmal freuen. Ehrlich gesagt, ich teile da eigentlich die Meinung von Frau Nitz, die Aufnahme ins Entsendegesetz ist nur insoweit sinnvoll, dass es für die Zeit der Einstellung im Verleihbetrieb besteht, im Entleihbetrieb muss natürlich Equal Pay gelten, und zwar völlig egal, ob es Arbeitnehmer aus Polen, Bulgarien, Deutschland oder anderen Ländern sind. Es kann aber nur ein grenzenloses Europa geben, Herr Dr. Möllenstädt, wenn wir das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort durchsetzen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit der Erholung des Arbeitsmarkts häufen sich in den letzten Wochen verstärkt die Klagen aus der Wirtschaft über einen Fachkräftemangel, auch hier in Bremen: Obwohl wir eine sehr hohe Arbeitslosigkeit haben, berichten laut IABBetriebspanel über 20 Prozent der Betriebe über Engpässe bei der Stellenbesetzung. Ob es sich hierbei nun um einen gefühlten oder einen wirklichen Mangel handelt, ist unter Experten des Arbeitsmarkts höchst umstritten. Eine umfangreiche Studie der HansBöckler-Stiftung kommt aktuell allerdings zu dem Ergebnis, dass es weder gegenwärtig einen akuten noch auch auf längere Zukunft gesehen einen drohenden Fachkräftemangel an akademisch gebildeten Fachleuten gibt, im Gegenteil, im Augenblick werden so viele Akademiker ausgebildet, dass die Nachfrage auch noch auf längere Zeit befriedigt werden kann. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen auch das IAB der Bundesagentur für Arbeit sowie die Friedrich-Ebert-Stiftung.
Richtig ist allerdings auch – das haben wir ja hier auch teilweise schon diskutiert –, dass es in einigen Branchen Engpässe gibt, vor allen Dingen ragt hier der Gesundheits- und Pflegebereich hervor, wobei ich einmal zum Pflegebereich in der Altenpflege gerade sagen möchte, dass das auch sehr viel mit der Bezahlung der Pflegekräfte zu tun hat, denn es zeigt, für einen Mindestlohn von 8,50 Euro werden sich kaum junge Leute dazu bewegen lassen, in diesen wichtigen und qualifizierten Beruf zu gehen. Hier ist schon sehr deutlich, wo der Hebel zur Veränderung liegt.
Es gibt sicher auch in einigen anderen Branchen Engpässe, aktuell zum Beispiel in einigen Bereichen der Metallbranche oder auch in Bezug auf IT-Spezialisten.
Die Chancen für Ungelernte werden schlechter, und das ist auch das, worauf ich nachher den Schwerpunkt legen werde. Was allerdings auch richtig ist, und ich glaube, das sollte man in der gegenwärtigen Diskussion nicht vergessen: Natürlich wird es offensichtlich angesichts der verbesserten Arbeitsmarktlage für die Betriebe schwieriger – hier insbesondere auch für kleine und mittlere Unternehmen –, Fachkräfte zu halten und Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Wenn allerdings, wie jüngst zu lesen war, der Siemens-Konzern 300 Stellen für Ingenieure in Leiharbeit nicht besetzt bekommt, dann ist das in meinen Augen kein Zeichen für einen drohenden Fachkräftemangel, der staatliche Interven
tionen erfordert, sondern es ist eigentlich ein Zeichen für eine Normalisierung auf dem Arbeitsmarkt.
Ja, und nicht in Leiharbeit, Herr Jägers!
Insofern muss der Ruf der Wirtschaftsverbände, jetzt ganz schnell die Zuwanderung von ausländischen Fachkräften zu forcieren, indem vor allen Dingen die Einkommensgrenze herabgesetzt werden soll, die bisher Voraussetzung für ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht ist, misstrauisch stimmen. Ab dem 1. Mai 2011 gilt ohnehin die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU. Der deutsche Arbeitsmarkt für Akademiker auch außerhalb der EU ist ohnehin bereits offen.
Die Forderung der Wirtschaft nach Absenkung der Einkommensgrenze für Hoch- und Höchstqualifizierte, um die geht es ja, auf 40 000 Euro im Jahr nährt vielmehr den Verdacht, dass dahinter die Vorstellung steht, hier qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland zu billigen Preisen importieren zu können und damit Druck auf das hiesige Gehalts- und Lohnniveau auszuüben. Ich denke, das ist etwas, das wir nicht unterstützen können. Deshalb sagen wir ganz klar Ja zum erleichterten Zuzug ausländischer Fachkräfte nach Deutschland, zum Beispiel durch vereinfachte Aufenthaltsverfahren, aber dann auch für eine angemessene und faire Bezahlung.
Wer übrigens glaubt, wir könnten die demografische Herausforderung in erster Linie über den internationalen Arbeitsmarkt lösen, der springt auf Dauer zu kurz. Natürlich würde auch ich mich freuen, wenn Deutschland, wenn Bremen ein Anziehungspunkt – wie es so schön heißt – für die besten Köpfe und die besten Spezialisten aus aller Welt sein würde, das fände ich prima. Ich glaube aber, dass es sich kein Land und auch keine Region leisten kann – und am wenigsten unser Land, Deutschland, dessen Wirtschaft vor allem auf der Qualifikation und guten Arbeit der Beschäftigten beruht –, die Versäumnisse eigener Bildungs- und Qualifizierungsanstrengungen durch Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte aus dem Ausland zu kompensieren und dabei die Anstrengungen im eigenen Land zu vernachlässigen.
Wenn Betriebe Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Fachkräften haben, und damit kommen wir eigentlich zu den Ursachen, dann ist dies in erster Linie hausgemacht. Erstens, wer Fachkräfte haben will, bekommt sie am besten, indem er sie ausbildet. Bisher ist es aber immer noch so, dass nur 50 Prozent der Betriebe, die ausbilden könnten, wirklich ausbilden, und selbst hier in Bremen, wo wir eigentlich mit der Bremer Vereinbarung eine ganz gute Grundlage haben, ist das nicht besser. Wir haben 4 000 junge Menschen, sogenannte Altbewerber, ohne Ausbildung in
Warteschleifen, die als Fachkräfte natürlich auch dem deutschen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen.
Ich komme gleich noch einmal nach vorn!
Es gibt weitere Gründe, und ich werde dann in einem zweiten Teil darauf und auch auf unsere Vorschläge hier noch näher in meinen Ausführungen eingehen. – Zunächst einmal vielen Dank!
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Bei soviel Einigkeit will ich jetzt keinen Streit suchen, Herr Nestler.
Zwei Anmerkungen muss ich zu Ihnen doch machen. Ihr feuriges Plädoyer für die Qualifizierung wundert mich doch, nachdem Sie gestern in der Debatte über den Etat genauso feurig für Ihre Beschäftigungsträger ins Feld gezogen sind. Das ist das Erste, den Euro kann man leider nur einmal ausgeben, das ist leider so, und vor allen Dingen geht es Ihrer Fraktion immer ums Sparen. Das Zweite ist, was die Windkraft in Bremerhaven betrifft, das ist nun eine Branche, die in besonderer Weise ihre Ausbildungsverpflichtung nicht erfüllt. Das muss man nun wirklich einmal sehr deutlich sagen.
Frau Nitz, zu Ihnen muss ich sagen, es ist nicht so gedacht, dass jetzt unser Antrag das Patentrezept für die Behebung der Arbeitsmarktprobleme in Bremen ist. Ich glaube aber, es muss uns wirklich zu denken geben, dass wir nicht auf eine Situation zusteuern, wo wir in Bremen einerseits einen hohen Sockel an Langzeitarbeitslosen von 20 000 oder mehr haben und andererseits dann hier den Fachkräftebedarf nicht decken können. Da plädiere ich dafür und habe ja offensichtlich auch die Unterstützung hier, das Potenzial, das wir in Bremen haben, so weit es geht auszuschöpfen. Dazu gehören natürlich die Arbeitslosen, aber dazu gehören auch noch andere.
Als zweiter Punkt liegt mir, hier hatte ich die Ausbildung genannt, insbesondere noch die betriebliche Weiterbildung am Herzen, weil es in meinen Augen nicht nur um Arbeitsplatzschaffung geht, sondern auch um Sicherung von Arbeitsplätzen. Wir haben in den Betrieben An- und Ungelernte, für die es dringend erforderlich wäre, zur Sicherung ihrer Arbeitsplätze die Möglichkeit zur Weiterqualifizierung zu haben. Wir haben hier in Bremen – Frau Schön hat darauf hingewiesen – und in Deutschland eine un
terdurchschnittliche Weiterbildungsaktivität der Betriebe von nur gut 40 Prozent gegenüber 60 Prozent anderswo. Auch hier muss angesetzt werden.
Ja!
Ich will erst einmal gar nichts zusichern, weil ich den Senat auffordern will, das zu machen. Mir liegt, ehrlich gesagt, gerade daran, im Gegensatz zur Bremer Vereinbarung – nicht, wie Frau Schön sagt, und „immer fort“ –, dass immer mehr und Neue noch dazukommen, weil ich nicht den Eindruck habe, dass das die Bremer Vereinbarung in ihrer Arbeitsfähigkeit gestärkt hat, sondern dass die wesentliche Akteure dazukommen. Ich will aber nicht ausschließen, dass das auch die Arbeitslosenverbände sind.
Ich will aber noch auf zwei oder drei weitere Punkte hinweisen, die hier noch gar nicht erwähnt worden sind. Der eine Punkt ist, dass wir es uns leisten, dass gut qualifizierte Frauen berufsfremd arbeiten oder ihre Karrieremöglichkeiten nicht wahrnehmen können, weil die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer und Frauen noch immer nicht verwirklicht ist.
Ich finde es auch ganz wichtig, dass die Betriebe immer noch, trotz der Diskussion um die Rente mit 67, statt die Fähigkeiten Älterer zu nutzen, ältere Mitarbeiter auf das Abstellgleis schieben, dass Bewerbungen älterer Mitarbeiter im Papierkorb landen und dass altersgerechtes Arbeiten in den Betrieben immer noch ein Fremdwort ist. Schließlich und endlich die hohe Arbeitslosigkeit: Wenn zwei Drittel der Arbeitslosen Unqualifizierte sind, müssen wir stärker berufsbezogene und abschlussbezogene Qualifizierungen anbieten. Dies alles sind Ansatzpunkte für einen solchen runden Tisch, der gemacht werden müsste.
Ich will aber in besonderer Weise darauf hinweisen – und da war ja hier ein kleiner Unterschied zwischen Herrn Nestler und Frau Nitz –, ich sehe sehr wohl, dass die Betriebe, die Wirtschaft in erster Linie für die betriebliche Aus- und Weiterbildung in der Pflicht sind. Es ist die Aufgabe eines solchen run
den Tisches, die Betriebe in die Pflicht zu nehmen. Allerdings sehe ich sehr wohl, dass ein Umdenken nicht nur in den Unternehmensleitungen, sondern auch bei den Beschäftigten erfolgen muss. Schließlich und endlich will ich noch sagen, dass wir eine ganze Menge Geld, über 20 Millionen Euro, ausgeben für staatliche Qualifizierungsprogramme für Arbeitslose, aber auch für betriebliche Fortbildung. Ich sage einmal ganz deutlich, ich würde mir wünschen, dass diese Gelder auf stärkere Nachfrage in den Betrieben stoßen würden, denn während wir, wie die Debatte im Augenblick zeigt, die Mittel für öffentlich geförderte Beschäftigung gut dreimal ausgeben könnten, müssen wir häufig Mittel für betriebliche Qualifizierung anbieten wie sauer Bier, damit sich Betriebe überhaupt bereit erklären, sich mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einem solchen Programm zu beteiligen. Ein Beispiel ist das Programm Qualifizierung in Kurzarbeit, wo eine ganze Menge Mittel an den Bund zurückgegangen sind.
Zusammengefasst: Wir plädieren also für ein Bündnis für Qualifizierung und für Fachkräfte. Meiner Meinung nach müssten in erster Linie die Sozialpartner dabei sein und die Politik, dazu müssten Betroffene und auch Fachleute des Arbeitsmarkts dabei sein. Es wird aber vor allen Dingen jetzt erst einmal auch darum gehen, hier Denkanstöße zu geben, einen Bewusstseinswandel in den Betrieben herbeizuführen, gemeinsame Verabredungen zu treffen und schließlich auch alle Beteiligten dann gemeinsam in die Verantwortung zu nehmen. Nur so, glaube ich, kann es gelingen, dass wir an diesem Punkt in unserer Region in Bremen und Bremerhaven ein Stück weiter kommen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir wurden vor einigen Monaten durch die Meldungen verschiedener Krankenkassen aufgeschreckt, dass wir insgesamt zwar einen Krankenstand wie vor zehn Jahren haben, was die Fehlzeiten im Betrieb betrifft, dass wir aber 40 Prozent mehr psychische Störungen als Krankheitsursache aufzuweisen haben. Damit sind psychische Belastungen und psychische Störungen inzwischen zu den zweithäufigsten berufsbedingten Krankheiten „aufgestiegen“, nach den Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems, die die klassischen Berufskrankheiten sind. Besonders erschwerend kommt hinzu, dass diese steigende Anzahl von Krankheitsfällen auch immer mit einer außergewöhnlich langen Krankheitsdauer verbunden ist. Deswegen ist es bei allen Arbeitsschutzakteuren inzwischen klar, dass die Berücksichtigung psychischer Belastungsfaktoren im Arbeitsschutz gefordert ist.
Das würde auch bedeuten, dass zeitgerechte Arbeitsschutzkonzepte den Umgang mit solchen Belastungen einbeziehen müssen. Wenn man sich aber die Wirklichkeit in den Betrieben anschaut, sieht man, dass Anspruch und Wirklichkeit hier weit auseinan
derliegen. Während für andere arbeitsbedingte Gesundheitsgefährdungen zum Teil ausgefeilte Vorbeugungskonzepte existieren und auch die Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaften umfangreiche Prüfkataloge und Konzepte für Belastungen zum Beispiel durch Lärm oder schweres Heben und Tragen, durch einseitige Körperhaltung, durch Belastung der Haut in verschiedenen Berufen oder durch Reizstoffe und Chemikalien haben, gibt es für psychische Gefährdungen dies alles nicht.
Es ist auch noch keinesfalls selbstverständlich, dass die Aufsicht bei der Bewertung betrieblicher Gefährdungsbeurteilung – das macht ja die Gewerbeaufsicht – psychische Faktoren mit berücksichtigt oder verlangt, dass solche psychischen Gefährdungen mit in die Gefährdungsanalyse eingehen. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass es für das Gebiet der psychischen Belastungen als Teil der betrieblichen Gesundheitsgefährdung noch kein System von Normen und entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten gibt, wie für die sehr viel länger im Blickfeld des Arbeitsschutzes befindlichen eher handfesten Gefährdungstatbestände. Auch in den Betrieben selbst, zum Beispiel bei den betrieblichen Interessenvertretungen und den Arbeitnehmern, ist das Thema, wie auch meine eigenen Erfahrungen zeigen, noch nicht angekommen.
Betriebsräte tun sich erfahrungsgemäß schwer, psychische Belastungen dingfest zu machen. Das wird im Betrieb nicht gern angesprochen. Auch betroffene Beschäftigte scheuen sich davor, ihre Beschwerden in den – wie sie meinen – negativen Zusammenhang der psychischen Belastungen zu bringen, weil psychische Beeinträchtigungen in weiten Kreisen der Bevölkerung immer noch als persönliche Makel gelten, insofern dann lieber physische Krankheiten vorgeschoben werden, als auf den eigentlichen Kern, die psychischen Belastungen, zurückzukommen.
Nicht zuletzt haben im Übrigen die Arbeitgeber und ihre Verbandsvertreter starke Vorbehalte gegen die Aufnahme psychischer Belastungen in den Katalog der Gesundheitsgefährdung, weil dies eine grundlegende Überprüfung der betrieblichen Organisation, zum Beispiel der Arbeitszeit, der Gestaltung von Arbeitsaufgaben, der Arbeitsorganisation und der Arbeitsumgebung zur Voraussetzung hätte. Wenn man sich ansieht, was die Ursachen für psychische Belastungen sind, sind es zum Beispiel überlange Arbeitszeiten, schlechte Arbeitsorganisation, Arbeitsvorgaben, die zeitlich nicht einzuhalten sind, schlechtes Führungsverhalten, ein schlechtes Betriebsklima. Das sind alles Dinge, die ganz andere Anforderungen an die Betriebsleitung, an die Betriebsorganisation stellen, das abzustellen, als es bisher üblich ist, wo man das dann auf die Arbeitsschutzfachleute abschieben konnte.
Die Erfahrung zeigt, ein zeitgemäßer Arbeits- und Gesundheitsschutz, der vorbeugend wirkt und Gesundheitsgefährdungen der Beschäftigten möglichst
im Vorfeld weitgehend beseitigt, lohnt sich für die Beschäftigten selbst – für sie gilt, dass Arbeit nicht krank machen soll –, aber auch für die Betriebe und für die Gesellschaft insgesamt, nicht zuletzt weil nur so die Herausforderungen des demografischen Wandels im Hinblick auf alternsgerechtes Arbeiten zu bewältigen sind.
Wir bitten deshalb den Senat, stärker auf diesen Aspekt der betrieblichen Gesundheitsgefährdung zu achten. Wir bitten darum, dass die Gewerbeaufsicht des Landes in Zukunft bei der Erfüllung ihrer Aufgaben diesen Aspekt nicht nur in ihrer Aufsichtsfunktion stärker berücksichtigt, sondern auch in der Beratung der Betriebe, in der Schulung, auch in der Betriebsprüfung und in den Konferenzen und Zusammenkünften, die von der Gewerbeaufsicht gemacht werden.
Wir bitten auch darum, dass der Senat sich dafür einsetzt, dass psychische Belastungen in der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie, in der die Interessengruppen und Akteure des Arbeitsschutzes bundesweit zusammenkommen, zu einem der Hauptthemen, zu einem der Schwerpunkte gemacht werden, damit dann auch für diesen Bereich nicht nur eine größere Bekanntheit und größere Akzeptanz, sondern auch bessere Instrumente der Erkennung und der Vorbeugung entwickelt werden können.
Wir haben in Bremen mit dem Landesarbeitskreis für Arbeitsschutz bei der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales einen gut funktionierend arbeitenden Zusammenschluss der Akteure des Arbeitsschutzes, von den Gewerkschaften über Kammern und Arbeitgebern bis zu den Berufsgenossenschaften, der Gewerbeaufsicht und Arbeitsschutzexperten. Auch der Landesarbeitskreis hat sich dafür ausgesprochen, die psychischen Belastungen stärker mit in den Arbeitsschutz einzubeziehen. Ich glaube, dass wir hier ganz gute Voraussetzungen haben. Es wäre ganz schön, wenn wir in Bremen einmal Vorreiter in dieser Sache würden. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Über die Bedeutung des Sozialen in unserer Politik und damit auch in der Schwerpunktsetzung im Haushalt ist heute Nachmittag in der Generaldebatte schon einiges gesagt worden. Ich will nur noch einmal betonen, dass wir von Anfang dieser Legislaturperiode an einen deutlichen Schwerpunkt auf verbesserte Startchancen für Kinder und Jugendliche gesetzt haben, auf Chancenverbesserung für die Jüngsten und Schwächsten in unserer Gesellschaft, und diese Politik werden wir auch im kommenden Jahr fortsetzen.
Wir werden das Betreuungsangebot weiter ausbauen. Bereits Ende 2011 werden wir im Bereich der unter Dreijährigen über 2 900 Betreuungsplätze für die
Kleinsten haben, und wir werden gegenüber 2007 das Budget für die Kinderbetreuung – für alle Kinder von null bis sechs Jahren – bis 2011 um fast 50 Prozent erhöht haben. Dies zeigt sehr deutlich unsere Schwerpunktsetzung auch in Zeiten schwieriger Haushaltslage. Wir müssen allerdings auch sehen, dass in diesem Bereich das Nachfrageverhalten der Eltern und gleichzeitig auch die Anforderungen an die dort Beschäftigten durch Flexibilisierung und weitere Anforderungen sehr stark wachsen, sodass es weiterer großer Anstrengungen in diesem Bereich bedürfen wird.
Im Jugendbereich werden wir die Aufstockung im Bereich Kindeswohl beibehalten. Wir stehen zu dieser Schwerpunktsetzung, die wir in dieser Legislaturperiode begonnen haben, auch in Zeiten schwieriger Haushaltslage.
Ich möchte betonen, dass wir in der Arbeitsmarktpolitik unsere Förderung von Ausbildung und Qualifizierung und auch Beschäftigungsförderung auf unverändertem und hohem Niveau fortsetzen. Dazu noch einmal eine Bemerkung an die Partei DIE LINKE, Restmittel in diesem Bereich des Arbeitsressorts gibt es nicht, wir haben im Gegenteil alle Mittel, die uns zur Verfügung stehen, eingesetzt und werden diese planmäßig in den vorgesehenen Branchen dafür ausgeben, da ist keine versteckte Sparbüchse und auch kein Geldtopf, in den man noch hineingreifen könnte.
Wir werden mit der Neuausschreibung der Fachkräfteinitiative, die nächste Woche in der Deputation verabschiedet und auf den Weg gebracht wird, noch stärker auf berufsbezogene und abschlussorientierte Qualifizierungen für Arbeitslose, aber berufsbegleitend auch für Beschäftigte setzen, damit die wachsende Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften hier befriedigen und gleichzeitig Chancen für Arbeitslose, aber auch verbesserte Chancen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem ersten Arbeitsmarkt schaffen.
Wir werden angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Bremen und Bremerhaven auch weiterhin einen Sektor, eine öffentlich geförderte Beschäftigung brauchen und werden diesen auch zur Verfügung stellen, niedrigschwellige Angebote für Langzeitarbeitslose, die wir mit sozialpolitischen Projekten verknüpfen, die zum sozialen Zusammenhalt unserer Städte beitragen. Ich betone hier noch einmal – das habe ich auch schon letztes Mal gesagt –, die unverantwortliche Kürzung der Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik können wir nicht auffangen, aber wir werden durch eine kluge Steuerung gemeinsam mit den Beiräten, mit den Stadtteilen und mit den
Beschäftigungsträgern dafür sorgen, dass wichtige soziale und arbeitsmarktpolitische Projekte erhalten bleiben und ein Zusammenbruch der Trägerlandschaft, wie er an die Wand gemalt wurde, verhindert wird. Das können wir hier an dieser Stelle, glaube ich, zusagen.
Wir werden unsere landesfinanzierten Programme zur Beschäftigung im vollen Umfang umsetzen, das werden wir auch in der nächsten Deputationssitzung mit auf den Weg bringen, und – das betone ich – wir werden auch den Umfang der Förderung im Bereich der sozialversicherten Beschäftigung beibehalten. Deswegen komme ich jetzt hier noch zu dem Antrag der LINKEN, das fordern Sie ja. Dieses Antrags bedarf es nicht, wir werden dies tun, wir werden dies nächste Woche auch so beschließen, wir werden den Antrag der LINKEN deswegen ablehnen.
Insgesamt glaube ich, dass wir mit unseren Mitteln, mit unseren Haushaltsplanungen gewappnet sind, den schwierigen arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen, die auf uns zukommen, zu begegnen, die Anforderungen zu erfüllen. Allerdings sage ich auch, ich weiß nicht, welche weiteren Schwierigkeiten da von der Seite des Bundes noch auf uns zukommen. Da müssen wir gegebenenfalls dann auch so reagieren und eingreifen, wie wir es jetzt schon machen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist hier nun so viel Merkwürdiges gesagt worden, dass ich auch nicht ausschließen kann, noch ein zweites Mal hier nach vorn kommen zu müssen. Zunächst einmal zu Ihnen, Frau Nitz, wenn Sie gerade zuhören würden! Ich teile Ihre Auffassung, Erwartung oder Befürchtung nicht, dass die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt in Bremen denkbar schlecht sind. Wir haben es in der Krise erlebt, dass die Arbeitslosigkeit sich bei uns versetzt, also etwas langsamer ausgewirkt hat als im Bundesgebiet. Andere Gebiete sind da wesentlich schneller betroffen worden, und wir haben es in Krisen schon mehrfach erlebt, dass die Erholung dann auch etwas langsamer ging. Insofern denke ich, wenn wir uns das auch in den wesentlichen Sektoren – und wir haben bei der Frage der Industriepolitik heute Morgen schon darüber geredet – ansehen, dann gehe ich davon aus, dass wir sehr bald einen Gleichklang der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt haben werden. Dies bestätigt übrigens auch die langfristige Entwicklung. Damit komme ich zu Ihnen, Herr Nestler! In den Jahren von 2005 bis 2010 – wobei 2010 aufgrund der jetzt vorliegenden Entwicklung der drei ersten Quartale zusammengerechnet ist – ist die Arbeitslosenquote von 15,5 auf 11,2 Prozent zurückgegangen. Dies entspricht etwa im Gleichklang dem, was im Bundesdurchschnitt geschehen ist, von 11,7 auf 7,9 Prozent. Daher kann man feststellen, dass die Entwicklung in Bremen keineswegs hinter dem Bundesgebiet zurückbleibt, sondern in etwa im Gleichklang bleibt. Ich finde, das sollten wir jetzt auch einmal feststellen, und solche winzigen Ausschläge, an denen Sie sich jetzt festhalten, Herr Nestler, taugen zur wirklichen Beurteilung der Situation eigentlich nicht.
Der zweite Punkt ist, Sie kommen direkt auf den Benchmark-Bericht zu sprechen, wir haben ihn in der
Deputation gehabt. In der Deputation ist dieser Benchmark-Bericht ohne Debatte zur Kenntnis genommen worden. Die Einzige, die dazu etwas gesagt hat, war ich, und ich habe festgestellt, dass es keinen Zweck hat, einen Benchmark-Bericht zu erstellen, wenn die anderen Städte nicht bereit sind, ihre Zahlen zu liefern, da die Vergleichbarkeit dann nämlich nicht mehr gegeben ist. Das ist also ein Problem, das aber nicht von Bremen aus zu verantworten ist, sondern von den anderen Ländern. Daher haben wir auch die Initiative dazu ergriffen. Ich weiß jetzt nicht, das hätten Sie auch in der Deputation sagen müssen, da hätten Sie hier nicht solch ein Getöse deswegen machen müssen. Dann will ich noch einmal etwas zu Ihrem gezogenen Vergleich mit München sagen. Entschuldigung, das kann man einfach nicht so stehen lassen! Sie haben gesagt, weil es in München weniger Arbeitslose gibt, sind sie dort auch schwieriger zu integrieren als in Bremen, wo es mehr Arbeitslose gibt. Ich könnte natürlich umgekehrt sagen, in einer Stadt mit hoher Arbeitslosigkeit und hoher Langzeitarbeitslosigkeit ist es schwieriger, entsprechende prozentuale Integrationserfolge zu leisten als in einer Stadt mit geringer Arbeitslosigkeit. Ich glaube, ich hätte dabei die Logik auf meiner Seite, jedenfalls die objektive Logik.
Letzter Punkt, das muss ich dann doch noch einmal zu der Stimme, die Sie aus Moskau gehört haben, sagen: Ich habe nicht aus Moskau eine Stimme gehört, ich habe allerdings den Sachverständigenrat der Bundesregierung gehört, und der hat dieser Bundesregierung ein so schlechtes Zeugnis für ihre Politik ausgestellt wie vorher noch nie ein Sachverständigenrat einer Bundesregierung. Er hat festgestellt, dass von den Wirtschafts- und Arbeitsmarkterfolgen nichts auf das Konto dieser Bundesregierung zurückgeht, sondern alles auf das Konto der rot-grünen Bundesregierung und der Großen Koalition. Das wollen wir doch einmal festhalten!
Das hat der Sachverständigenrat festgestellt, Herr Dr. Möllenstädt, und das können Sie auch nachlesen. Das betrifft unter anderem eben auch die Einführung des Instruments Kurzarbeit. Noch ganz kurz: Was hat stattdessen die Bundesregierung gemacht? Die Bundesregierung hat es bisher fertiggebracht, die Hotelsteuern zu erhöhen.
Ja, das muss man leider noch einmal sagen – es tut mir leid, im Augenblick ist das ihre Leistung! –, sie hat es fertiggebracht, die Mittel für die aktive Ar
Natürlich werden wir dafür sorgen, dass nicht alle Strukturen zusammenbrechen, wie Sie es an die Wand malen, und ich glaube, das wird uns auch gelingen. Es wird aber eine schwierige Aufgabe sein, und dort ist immer die Gratwanderung, diese wirkliche Mittelkürzung zu verarbeiten und dann dafür zu sorgen, dass die Auswirkungen nicht allzu gravierend sind.
So viel jetzt dazu, und ich werde mich dann gleich noch einmal zu Wort melden! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Möllenstädt, eine kleine Bemerkung zu Ihnen: Vom Fach sind Sie offensichtlich nicht! Ob Sie Kraft haben, müssen Sie selbst entscheiden, und das ist eigentlich das, was ich dazu zu sagen habe.
Ja! Zu Herrn Nestler noch: Es ist gut, dass wir auch einmal hier dieses Forum nutzen, arbeitsmarktpolitische Fragen zu diskutieren, und insofern begrüße ich Ihre Große Anfrage und auch, dass wir den Bericht zum Arbeitsmarkt diskutieren. So wie Sie argumentiert haben, denke ich, ist es das gute Recht der Opposition. Es ist nur auch so, dass wir in der Deputation immer sehr detailliert und gründlich die Maßnahmen bereden, die wir jeweils durchführen. Ich kann mich erinnern, dass Sie auch sehr häufig den Programmen zugestimmt haben, auch den Programmen zur Beschäftigungsförderung. Es zeigt sich, dass es im konkreten Vollzug schwieriger ist, im Einzelnen über die Maßnahmen und die richtige Unterstützung von Arbeitslosen auch zum jeweiligen Zeitpunkt zu reden, als man das jetzt hier so schlank dahinsagen kann. Dies nur als Vorbemerkung!
Ich wollte aber mit dem fortfahren, was ich generell noch einmal zur Lage auf dem Arbeitsmarkt in Bremen sagen wollte. Ich habe vorhin gesagt, dass sich die Arbeitsmarktentwicklung in Bremen im Gleichklang mit dem Bundestrend entwickelt hat, auch was den Abbau der Arbeitslosigkeit betrifft. Nichtsdestoweniger, und da sind wir uns völlig einig, kann die absolute Höhe und auch die Höhe der Arbeitslosenquote in Bremen und Bremerhaven niemanden zufriedenstellen. Es stimmt zwar nicht, dass wir am Ende der Bundesländer stehen, und es ist auch richtig, dass wir im Vergleich mit anderen Großstädten zum Beispiel Hannover und Ähnlichen nicht am schlechtesten dastehen. Trotzdem sage auch ich, ich finde diese
Arbeitslosenquote absolut zu hoch, und sie ist insbesondere in Bremerhaven zu hoch. Wir tragen dem auch dadurch Rechnung, dass wir nach wie vor nahezu 30 Prozent der arbeitsmarktpolitischen Mittel, die wir haben, nach Bremerhaven geben, und das soll auch so bleiben, und das ist auch gut so. Wir wollen sie natürlich möglichst wirkungsorientiert einsetzen.
Auf einen anderen Punkt möchte ich auch noch hinweisen, nämlich dass die Arbeitsmarktregion Bremen im Großen und Ganzen keineswegs schlecht dasteht, sondern es ist so, dass zum Beispiel die umliegenden Landkreise sowohl um Bremerhaven herum als auch um Bremen herum zu denen mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit in Niedersachsen gehören, sodass man feststellen kann, dass die Beschäftigungspolitik, die Wirtschaftspolitik in Bremen eine sehr positive Ausstrahlung auf die gesamte Arbeitsmarktregion Bremen haben. Durch die Stadtstaatensituation allerdings profitieren wir nicht im gleichen Maße durch einen Abbau der Arbeitslosigkeit, wie das eigentlich normal wäre, wenn das politische Gebiet Bremens auch dem wirtschaftlichen Einzugsgebiet entsprechen würde. Ich denke, das muss man dabei immer mit berücksichtigen.
Nichtsdestoweniger, daran liegt mir auch, ist festzustellen, wenn wir uns die Arbeitslosenquoten bundesweit anschauen, dass wir nicht nur ein Ost-WestGefälle, sondern auch ein sehr deutliches Nord-SüdGefälle haben. Hier wäre es wünschenswert, wenn die Bundesregierung, die über die infrastrukturellen Mittel verfügt, in stärkerem Maße auch Infrastrukturvorhaben und Wirtschaftsförderungsvorhaben in Norddeutschland fördern würde, und ich denke da gerade an die Auseinandersetzung um die Unterstützung des maritimen Sektors und der maritimen Industrie. Ich kann feststellen, dass sich die Bundesregierung zum Beispiel, was Hilfen für die norddeutschen Werften betrifft, immer noch sehr schwer tut und dass auch andere Infrastrukturprojekte im Norden nur sehr schleppend vorangehen. Ich halte das für nicht gerechtfertigt angesichts der schwierigen Situation, in der sich der Norden insgesamt im Augenblick immer noch befindet.
Ein zweiter Aspekt, auf den ich noch hinweisen möchte, ist der, dass sich der Abbau der Arbeitslosigkeit gerade auch bei den Langzeitarbeitslosen in Bremen und Bremerhaven nicht in einem entsprechenden Abbau der Hilfebedürftigkeit niederschlägt. Im Gegenteil, wir haben zwar eine erhebliche Abnahme der Arbeitslosenzahlen in Bremen zu verzeichnen, wir haben aber kaum eine Abnahme der unterstützungsbedürftigen oder hilfebedürftigen Menschen hier in Bremen, die trotzdem noch Arbeitslosengeld II zu bekommen haben, zu verzeichnen. Das liegt einfach daran, dass sehr viele Arbeitsplätze, die neu entstanden sind, niedrig entlohnt sind. Deswegen würden wir gerade hier in Bremen, ich muss es noch einmal sagen, besonders auch in unserem Haushalt von
einem Mindestlohn und von einem insgesamt Ansteigen des Lohngefüges profitieren.
Zum Schluss, weil Sie gern wissen wollten, wie es mit der Arbeitsmarktpolitik weitergeht: Herr Nestler, nach wie vor ergeben sich aus der Situation, die wir vorfinden, nach meiner Auffassung zwei Aufgaben für die Arbeitsmarktpolitik. Das Erste ist – und da scheint es so zu sein, dass wir übereinstimmen –, wir müssen noch viel stärker sehen, dass wir qualifizieren und den zukünftigen Fachkräftebedarf decken, das werden wir nachher noch einmal diskutieren, und wo wir auch schauen müssen, ist, wo noch Potenziale hier im Land sind.
Das Zweite ist, und das sage ich auch ausdrücklich, wir brauchen trotzdem für Langzeitarbeitslose nach wie vor einen Sektor öffentlich geförderte Beschäftigung, nicht weil wir damit hoffen, die Menschen schnell in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, aber weil wir auch diesen Menschen die Möglichkeit geben müssen, ihre Fähigkeiten und ihre Beschäftigungsmöglichkeiten zu erproben und zu erhalten. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass – Frau Schön hat es schon dargestellt – die Grünen mit ihrer Initiative, die sie da ergriffen haben, ein sehr wichtiges und dringendes Thema aufgegriffen haben, dass nämlich die Menschen durch ihre Arbeit krank geworden sind, aber dass sie dann häufig, wenn sich die Folgen der Krankheiten zeigen, jahrelang darum kämpfen müssen, zu ihrem Recht zu kommen. Ich denke, wir sind verpflichtet, alles zu tun, damit diesem Übel abgeholfen werden kann. Frau Schön hat selbst allerdings schon gesagt, das ist ein mühseli
ger Prozess, der sehr stark verrechtlicht ist. Ich denke, da müsste man auch einmal zwischen dem unterscheiden, was man unmittelbar hier vor Ort tun kann, und dem, was auf der Bundesebene nötig, aber möglicherweise dann auch langwieriger ist.
Ich begrüße auch sehr herzlich die Kolleginnen und Kollegen! Wir kennen uns ja auch aus dem Arbeitsschutz. Ich möchte aber auch dem Ressort für seine sehr ausführliche und engagierte Antwort auf die Große Anfrage der Grünen danken. Ich glaube, wir können sagen, dass das Ressort und insbesondere auch der Landesgewerbearzt in dieser Frage seit Langem sehr engagiert und sehr aktiv sind.
Zu den Forderungen, die wir jetzt hier ganz konkret stellen, möchte ich zwei Dinge noch einmal hervorheben: Ich glaube, das Wichtigste wäre wirklich, diese Beweislastumkehr durchzusetzen. Frau Schön hat schon gesagt, dass der jetzige Zustand eigentlich fast unzumutbar ist. Das ist im Fall von Asbest besonders deutlich, weil diese Krankheit häufig dann erst bemerkt wird, wenn die Betroffenen schon älter und dann sehr schlecht in der Lage sind, noch ihre Ansprüche durchzusetzen. Wenn man sieht, dass es zwar eine gewisse Anerkennung bei den Berufskrankheiten gibt, dann ist es aber bitter für diejenigen, die nicht anerkannt werden. Bitter ist es auch für diejenigen, und das muss man ganz ehrlich sagen, die während des Wartens auf die Anerkennung ihrer Ansprüche versterben. Das kann auf die Dauer so nicht bleiben.
Das Ermutigende ist, dass die Fachleute des Arbeitsschutzes mittlerweile, egal ob sie mehr zur Gewerkschaftsseite oder zur Arbeitgeberseite neigen, mehr und mehr anerkennen, dass wir eine solche Umkehr der Beweislast brauchen. Insofern bin ich nicht ganz ohne Zuversicht – und das Ressort ist es ja auch nicht –, dass es zweckdienlich sein kann, hier noch einmal mit einer Initiative zur Änderung des SGB VII auf die Bundesebene zu gehen. Ich freue mich, dass wir das machen. Man muss aber dann ganz deutlich sagen, das wird etwas sein, das langwieriger ist. Deswegen möchte ich mein besonderes Gewicht auch auf die Beratungsstelle legen.
Frau Schön hat schon darauf hingewiesen, dass es im Grunde genommen, das zeigt auch der Bericht des Ressorts, eine ganze Menge Anlaufstellen oder Beratungsstellen hier in Bremen gibt. Das geht von der Rechtsberatung der Gewerkschaften für ihre Mitglieder über die Rechtsberatung der Kammer, der Sozialverbände bis hin zu den Beratungsstellen, die die Berufsgenossenschaften und auch die Krankenkassen haben. Da möchte ich übrigens einmal eine Lanze brechen, denn ich glaube, dass es mindestens einige Kassen gibt, bei denen auch sehr viele Menschen versichert sind, die betroffen sind, die ziemlich gut beraten und ihre Mitglieder auch auf die Berufsge
nossenschaft und die Ansprüche hin orientieren. Trotzdem fehlt aber bisher eine Beratung aus einer Hand, die nicht nur rechtliche und sonstige sachliche Voraussetzungen klärt, sondern, wenn man mit Herrn Spalek und mit seinen Kollegen spricht, menschliche Hilfe bieten und auf die Situation der Geschädigten eingehen, die auch Verständnis dafür haben und auch Kenntnis der ganzen Abläufe haben, wie man damit umgehen, zum Beispiel auch Unterlagen sichern kann und vieles mehr.
Es gibt bisher dafür nur die Beratungsstelle in Bremen-Nord. Ich will noch einmal sagen, es ist das große Verdienst von Herrn Spalek, dass er dies seit Jahren ehrenamtlich und dann auch noch mit minimalen materiellen Voraussetzungen macht. Deswegen ist es an der Zeit, dass wir endlich diese wichtige Arbeit auf eine breitere und festere Basis stellen. Dazu fordern wir den Senat in unserem Antrag auf.
Ich betone ausdrücklich, dass es ganz wichtig ist, diese ehrenamtliche Arbeit jetzt nicht zu verdrängen oder zu ersetzen, sondern einzubeziehen. Diese Beratungsstelle muss von den Institutionen getragen werden, die im Bereich des Arbeitsschutzes Verantwortung haben und Interessen vertreten. Ich sage ganz deutlich, ich erwarte zum Beispiel auch, dass sich Berufsgenossenschaften und Arbeitgeber nicht nur ideell, sondern auch materiell und finanziell an einer solchen Beratungsstelle beteiligen. Sie muss also breit getragen werden, aber sie muss natürlich trotzdem im Interesse der Betroffenen arbeiten und neutral beziehungsweise parteiisch im Interesse der Betroffenen sein. Ich denke, es ist auch wichtig – solange bis die Frage der Gutacherqualität dann auch geklärt ist –, Unterstützung beim Finden von Gutachtern und Ärzten zu geben, zu denen die Betroffenen auch Vertrauen haben können. Ich denke, ganz so ist es nicht, dass man sagen kann: Die sind nun alle nur im Dienst der Berufsgenossenschaften. Ich denke, da wäre aber gerade breite Unterstützung notwendig.
Ich muss auch sagen, ich bin im Vorfeld dieses Antrags in Gesprächen mit Menschen, die schon die Beratung leisten, doch auf sehr große Unterstützung gestoßen. Diese Bereitschaft, denke ich, gilt es jetzt zu nutzen. Ich hoffe, dass wir schnell zu einer Realisierung kommen. Ich glaube übrigens, dass wir in Bremen gute Voraussetzungen haben, denn wir haben ein breites politisches und gesellschaftliches Engagement für den Arbeitsschutz. Wir haben viel Kompetenz und Fachverstand, nicht zuletzt auch einen sehr rührigen – und das muss ich dann doch noch einmal in Richtung Ressort sagen –, leider überlasteten Landesgewerbearzt. Ich hoffe, wir werden mit dieser Initiative ein Stück dazu beitragen, und zwar möglichst schnell, die Lage der Menschen zu verbessern, die durch ihre Arbeit krank geworden sind. Ich glaube, wir sind es ihnen schuldig.
Lassen Sie mich noch etwas zum Antrag der FDP sagen! Beim Lesen dieses Antrags – an sich könnte sich die FDP ja von der Intention her unserem Antrag anschließen – habe ich den Eindruck, dass unbürokratisch hier letzten Endes doch eigentlich nur ein verschönerndes Wort für unverbindlich ist, und das wollen wir eigentlich nicht. – Vielen Dank!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Hat der Senat Kenntnisse darüber, dass und gegebenenfalls in welchem Umfang die Umsetzung des Sparpakets der Bundesregierung eine Kürzung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik bei der Bundesagentur für Arbeit beinhaltet?
Zweitens: Welche Auswirkungen hätte dies für Bremen und Bremerhaven?
Vorausgeschickt sei, dass wir alles unternehmen werden und müssen, hier in Bremen allzu katastrophale soziale Auswirkungen dieser Politik zu verhindern. Würden Sie mir aber auch darin zustimmen, dass eine Kürzung der Mittel um 20 beziehungsweise 40 Prozent – und gerade in einer Region wie der unseren, die in einem hohen Maß von Arbeitslosigkeit betroffen ist – trotzdem mehr als gravierende und einschneidende Folgen haben wird für die Arbeitsmarktpolitik, das heißt aber eben auch für die Betroffenen, die ja dann entsprechend weniger in den Genuss dieser Förderungen kommen werden?
Sehen Sie nicht auch einen, gelinde gesagt, Widerspruch darin, wenn man auf der einen Seite in Bezug auf die Höhe der HartzIV-Sätze sagt, man möchte nicht, dass Arbeitslose dauerhaft in diesem System verbleiben, auf der anderen Seite aber die Mittel für die Möglichkeit, Arbeitslose aus diesem System herauszuholen, derma
ßen gravierend streicht, dass die notwendige Folge sein wird, dass sehr viele Langzeitarbeitslose dann eben doch weiterhin in dieser Bedürftigkeit verharren müssen?
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie bewertet der Senat Bildungsschecks als zusätzliches Instrument zur gezielten Förderung der beruflichen Weiterbildung von Beschäftigten?
Zweitens: Auf welche Zielgruppen und Qualifizierungsfelder sollte diese Weiterbildungsförderung nach Einschätzung des Senats vorrangig ausgerichtet sein?
Drittens: Welche Umsetzungs- und Finanzierungsmöglichkeiten sieht der Senat im Land Bremen für eine Weiterbildungsförderung durch Bildungsschecks?
Ich finde es etwas erstaunlich, dass Sie jetzt gesagt haben, es würde vor allem in Flächenländern eingesetzt, um die Leute auf den Dörfern zu erreichen. Meines Wissens – ich weiß nicht, wie Sie das einschätzen – sind die erstaunlichen Erfolge dieser Weiterbildungsschecks in NordrheinWestfalen und Mecklenburg-Vorpommern gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen möglicherweise auch darauf zurückzuführen, dass Beschäftigte und auch Unternehmen motiviert werden, selbst ihre Bedarfe zu artikulieren, und solche Weiterbildung viel
stärker an dem Bedarf der Betriebe und der einzelnen Beteiligten orientiert ist als jetzt hier mit solch vorgefertigten Programmen. Sehen Sie darin nicht auch eine Chance von Weiterbildungsschecks?
Ich finde es gut, wenn es möglichst bald in die Wege geleitet wird. Sie können vielleicht gleich noch einmal sagen, wann genau das Programm beginnen soll, und – es ist auch darauf hingewiesen worden, dass es wichtig ist, eine Beratung durchzuführen – wann und wie solche eingeführt werden. Sehen Sie nicht auch eine gewisse Gefahr, dass, wenn jetzt erst wieder Bedarfe von Branchen erhoben werden, genau dies konterkariert wird, sodass betriebsnah Bedarfe artikuliert werden und damit das ganze System letztlich wieder konterkariert wird?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, wie wichtig es ist, dass Jugendliche eine gute Ausbildung hier im Land Bremen, in Deutschland und in der ganzen Welt bekommen. Ich möchte allerdings in notwendiger Ergänzung zu dem, was Sie gesagt haben, Herr Kastendiek, betonen, Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Betriebe genügend Ausbildungsplätze anbieten, und das ist die Voraussetzung dafür gewesen, dass Ausbildungsbündnisse entstanden und letzten Endes auch solche Ideen aufgekommen sind wie eine gesetzliche Ausbildungsabgabe. Die Wirtschaft hat dagegen diesen Pakt für Ausbildung gesetzt. Wir hier in Bremen haben die Bremer Vereinbarung abgeschlossen.
Für Bremen muss man sagen, dass wir hier recht erfolgreich gewesen sind in der Einwerbung von Ausbildungsplätzen. Trotzdem weise ich dann darauf hin, dass wir immerhin allein seit dem Jahr 2003/ 2004 hier im Land Bremen etwa 500 betriebliche Ausbildungsplätze verloren haben – da sind zwar sicher auch Auswirkungen der Krise im letzten Jahr mit dabei, wobei die Auswirkungen der Krise sind nicht so schlimm gewesen sind, wie wir es befürchtet haben –, nichtsdestoweniger müssen wir dies um der Wahrheit und Ehrlichkeit willen konstatieren. Ein weiteres Problem ist nach wie vor die hohe Zahl von Altbewerbern, die wir haben. Auch hier sagt aber die Antwort auf die Große Anfrage, dass diese Frage, wie man dort differenzierte Angebote unterbreiten will, sehr energisch angegangen wird, dies ist auch gut so.
Ich will nicht in die Vergangenheit gehen, sondern will meinen Blick auf die Herausforderungen der Zukunft richten! Stichwort demografischer Wandel! Da stellen wir fest, dass jetzt schon in diesem Ausbildungsjahr in Ostdeutschland die Auszubildenden knapp werden, nicht die Ausbildungsstellen. Der Geschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages hat schon die Jugendlichen auf
gefordert, sich auf Ausbildungsplätze im Osten zu bewerben, weil dort keine Auszubildenden mehr gefunden werden. In den kommenden Jahren werden trotz Rente mit 67 Jahren mehr Menschen aus dem Arbeitsleben ausscheiden als junge Menschen nachkommen, und dazu kommt, dass die nachwachsende Generation nicht so gut ausgebildet sein wird wie die bisherige. In besonders erschreckender Weise, finde ich jedenfalls, zeigt das der Berufsbildungsbericht, der in diesen Tagen herausgekommen ist, der sagt, dass noch nie ein so hoher Anteil an jungen Menschen ohne Berufsausbildung gewesen ist wie heute; bundesweit etwa 30 Prozent und somit mehr, als es bisher je der Fall gewesen ist.
In Bremen ist allerdings die Lage etwas besser, aber man kann auch nicht sagen, dass sie befriedigend ist. Hier sind 24 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten zwischen 20 und 30 Jahren ohne Berufsausbildung. Bei jungen türkischen Beschäftigten – und ich sage das jetzt hier nicht zur Diskriminierung, sondern um darauf hinzuweisen, dass wir hier bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund besondere Probleme haben, die wir auch angehen müssen – sind es sogar 28 Prozent, bundesweit sogar 33 Prozent.
Dass ohne Berufsausbildung die Chancen auf einen Arbeitsplatz immer schlechter werden, zeigen die Zahlen auch ganz deutlich. Im Land Bremen sind 59 Prozent der jungen Arbeitslosen ohne Berufsausbildung, in Bremerhaven übrigens sogar 62 Prozent. Diese ganzen Probleme sind in Bremerhaven noch etwas verschärfter als in Bremen. Dies belegt, dass wir uns noch viel weniger als in der Vergangenheit damit zufriedengeben können, wie es jetzt bei den Ausbildungsbilanzen der Fall gewesen ist, uns hinzustellen und zu sagen, dass rechnerisch die Zahl der Ausbildungsplätze und die Zahl der Ausbildungsplatzsuchenden einigermaßen statistisch in Übereinstimmung gebracht worden ist, sondern wir müssen viel mehr unser Augenmerk richten auf diejenigen Jugendlichen, die gar nicht erst einen Ausbildungsplatz nachgefragt haben oder die möglicherweise auch bereits sofort durch die Berufsreifetests der Arbeitsämter aussortiert worden sind. Da komme ich zu diesem ewigen Streit, Herr Kastendiek: Gibt es nicht genug Ausbildungsplätze, oder sind die Jugendlichen nicht gut genug? Wir stellen heute ja immer wieder fest, dass da, wo es viele Ausbildungsplätze gibt, auch viele Jugendliche „berufsreif“ sind und da, wo es weniger Ausbildungsplätze gibt, auch weniger Jugendliche berufsreif sind.
Ich will das Problem gar nicht herunterreden, und ich finde es auch richtig, dass in den Schulen sehr viel besser auf Berufswahl vorbereitet wird als früher. Das hängt sicher auch mit den Aktivitäten der Bremer Vereinbarung zusammen. Ich würde mir aber wünschen, dass zum Beispiel solche Dinge wie Schule mit besonderer Berufsorientierung vom Modellversuch zur Regel würden. Es wird deutlich, dass wir
in Zukunft sehr viel mehr tun müssen, um von uns aus an die Jugendlichen heranzukommen, die wir für die Ausbildung brauchen. Wir können es uns gar nicht leisten, Jugendliche in Zukunft am Rand zu lassen, und wir können es uns auch nicht leisten, Jugendliche in Sackgassenberufe oder in eine sehr eingeschränkte Berufswahl hineinlaufen zu lassen. Daran setzt unser Antrag an, den ich dann in der zweiten Runde gern noch näher begründen möchte. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Leider Gottes zeigt sich ja nun die Wertschätzung in unserer materialistisch ausgerichteten Welt auch an der Bezahlung, und insofern glaube ich, dass, wenn hier von schlecht bezahlten Arbeitsplätzen geredet und gesagt wird, dass sie sich möglicherweise auch nicht so sehr der genügenden Wertschätzung erfreuen, dann ist das gar nicht so verkehrt.
Ich wollte zu unserem Antrag sprechen. Ich darf meine Kollegin Frau Schön zitieren, sie hat hier vorhin
so schön von geschlechtsstereotypischen Lebensperspektiven –
Frau Böschen, Entschuldigung! – gesprochen in der Frage des Unterrichts, und das setzt sich noch in viel stärkerem Maße fort in der Frage des Berufswahlverhaltens. Wir stellen immer wieder mit Erstaunen fest, dass es immer noch dieselben Top Ten der gewählten Ausbildungsberufe gibt, und das Jahr für Jahr trotz aller Aufklärungen, Bemühungen und auch angesichts der Tatsache, dass Frauen für sich eigentlich auch in Anspruch nehmen, nicht nur dazuzuverdienen, sondern eine eigenständige Existenz aufzubauen.
Hartnäckig sind bestimmte Berufe wie Frisörin, Verkäuferin und Büroberufe weiterhin vorn als die am allermeisten gewünschten und gewählten Berufe bei den Mädchen. Bei den Jungen sind es etwas mehr, der Kfz-Mechaniker gehört natürlich dazu, es ist ein etwas breiteres Spektrum, aber da ist es immer noch eine große Aufgabe, nicht in diesem Bereich jetzt die Mädchen zwangsweise irgendwohin umzulenken. Man wird nicht ein Mädchen, das unbedingt Frisörin werden möchte, dazu zwingen können, Zerspanungsmechanikerin zu werden, aber es dahin aufzubrechen, dass es den Jugendlichen aufzeigt, den Jungen wie den Mädchen, welches sehr breite Spektrum an möglichen Berufen es gibt, um auch ihre Interessen und ihre Neigungen zu wecken, um dann hier einen Beruf zu finden, der den eigenen Eignungen und Neigungen besser entspricht als das, was man sich so generell vorgestellt hat, darum geht es.
Nun versuchen wir dies ja schon eine ganze Zeit mit dem Girls’ Day und Ähnlichem, mit mäßigem Erfolg, muss man ja sagen. Wir haben auch ein Chancengleichheitsprogramm aufgelegt, bei dem es darum geht, in stärkerem Maße insbesondere Frauen für naturwissenschaftliche und technische Berufe und auch für höhere Positionen zu gewinnen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen und gerade die hier in Bremen, die Frau Motschmann ja vorhin so wortreich beklagt hat, natürlich auch damit zusammenhängen, dass zu wenige Mädchen und Frauen hier in Bremen die Möglichkeiten und Chancen nutzen, die die immer noch gut bezahlten Industrieberufe in Bremen bieten, und sich stattdessen in großer Zahl in den schlecht bezahlten Dienstleistungsberufen wiederfinden. Es ist auch ein Beitrag zur Gleichheit der Verdienstchancen von Mädchen, Frauen, Jungen und Männern, Frauen mehr für gewerblich-technische Berufe zu interessieren.
Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass wir mehr Jungen als bisher gewinnen müssen für die wichti
gen Aufgaben von Pflege und Betreuung und auch von Erziehung von Kindern, da uns ansonsten möglicherweise ein Pflegenotstand droht und dies auch wichtig im Zusammenhang mit dem Unterricht für Jungen und Mädchen ist, wenn Jungen und Mädchen weibliche und männliche Lehrer, Sozialpädagogen und so weiter erleben. Ich sage noch einmal dazu – das habe ich auch schon in der Frage der Ausbildung bei den Altenpflegern gesagt –, es wird da auch die Voraussetzung sein oder dazugehören, dass diese Berufe besser bezahlt werden.
Ich gehe davon auch genauso wie Sie, Herr Kastendiek, aus, dass die Bremer Vereinbarung oder, wie Sie es nennen, der Ausbildungspakt fortgesetzt wird. Ich finde, dies ist eine lohnende und wichtige Aufgabe, auch deswegen, weil die Betriebe selbst ein hohes Interesse daran haben müssen, sich geeignete Fachkräfte zu sichern. Ich weiß, dass viele Betriebe sagen, wir würden gern Mädchen zum Beispiel als Zerspanungsmechanikerin oder Mechatronikerin oder so ausbilden. Wenn Mädchen in diese Ausbildungsberufe gehen, sind sie häufig auch sehr erfolgreich, und deshalb bitten wir um Zustimmung zu diesem Antrag. Dies wäre auch ein Betrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in der bremischen Wirtschaft. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will einmal anders anfangen und an das anknüpfen, was Herr Dr. Möllenstädt gesagt hat, da ich mich auch in Vielem mit meinen Vorrednerinnen völlig in Übereinstimmung weiß. Ich halte es gerade im Hinblick auf die künftige Entwicklung einer Versorgung mit ausreichend qualifizierten Pflegefachkräften für dringend erforderlich, dass wir dafür sorgen, dass der Pflegebereich nicht, wie er es jetzt vielfach ist, in den Niedriglohnbereich abdriftet.
Ich weiß nicht, warum wir, richtigerweise das Ressort, jetzt eine Imagekampagne für die Pflegeberu
fe konzipiert haben, damit wir nämlich in Zukunft genügend Bewerber als qualifizierte Pflegefachkräfte gewinnen können, die wir für den künftigen Bedarf brauchen, wenn wir in Aussicht stellen können, dass das ein Niedriglohnbereich für Menschen ist, die von ihrer Arbeit nicht leben können und im Übrigen dann auch das entsprechend geringe Ansehen haben. Im Gegenteil, ich stimme mit Frau Hoch vollkommen überein. Ich habe ihre Ausführungen so verstanden, dass das an sich auch ihr Anliegen ist. Wenn wir der künftigen Bedeutung des Pflegebereichs gerecht werden wollen, dann muss das gesellschaftliche Ansehen und die Bezahlung des Pflegebereichs auch entsprechend gestaltet werden. Ein Mindestlohn von 8,50 Euro im Westen und 7,50 im Osten ist nun weiß Gott nicht das,
was in den Bereich dessen geht, was alles Vorstellbare sprengt.
Damit kommen wir zum neuralgischen Punkt, vor dem wir uns auch nicht drücken können, wenn wir über künftige Pflegebedarfe reden wollen. Das setzt natürlich voraus, dass es finanzierbar ist, und das setzt auch voraus, dass unsere Pflegeversicherung in Zukunft auch so ausgestattet und auch entsprechend dynamisiert wird, dass diesem gewachsenen gesellschaftlichen Bedarf Rechnung getragen wird. Daran kommen wir nicht vorbei. Wir können den Älteren nicht allein aufbürden, dies zu finanzieren, sondern wir müssen dies als gesellschaftliche Aufgabe sehen, die dann auch entsprechend finanziert und ausgestattet sein muss. Ich will in diesem Zusammenhang auch gern noch einmal auf die Ausbildung in der Pflege kommen, das ist ja das eigentliche Thema, das wir haben.
Ich widerspreche Ihnen ganz entschieden, Herr Dr. Möllenstädt, wenn Sie den Eindruck zu erwecken versuchen, dass wir einen Notstand in der Altenpflege in Bremen haben. Es ist zwar so, das ist richtig, dass die Fachdienste Pflegekräfte suchen und Pflegekräfte vielfach schon von der Schule weg engagiert werden. Das ist auch schön so. Ich stimme da mit Ihnen überein, dass wir hier auch einen Arbeitsmarktsektor haben, der noch aufnahmefähig ist. Es ist aber so, dass im Augenblick – und die Ausbildungskapazitäten sind in den letzten Jahren beträchtlich erhöht worden – das Angebot noch als ausreichend betrachtet werden muss. Wir haben statt der 100, die einmal vereinbart worden sind, inzwischen an die 150 Ausbildungsplätze in diesem Bereich. Fakt ist aber auch, dass die Pflegeschulen darüber klagen, dass sie häufig
nicht geeignete Bewerber für diesen Bereich bekommen, und deswegen müssen wir uns überlegen, wie wir diesen Bereich in Zukunft attraktiver gestalten können.
Ich begrüße im Augenblick, dass das dritte Ausbildungsjahr der Umschülerinnen durch die Bundesagentur für Arbeit finanziert wird. Ich bin aber, auch wie Sie, Frau Hoch, durchaus dafür zu überlegen, dies wie in anderen Ausbildungsbereichen einheitlich zu regeln und wie zum Beispiel auch seit kurzem in Krankenhäusern die Arbeitgeber an der Finanzierung im dritten Ausbildungsjahr durch eine Umlage zu beteiligen. Die Finanzierung müsste dann nur bundesweit geregelt werden. Allerdings ist mir auch klar, dass das dann auch in die Finanzierung der Pflegesätze der Altenpflege eingehen muss, wie das in der Krankenpflege auch der Fall ist. Wir werden nicht daran vorbeikommen, wenn wir der künftigen wichtigen gesellschaftlichen Bedeutung des Pflegesektors gerecht werden wollen, dass wir dann auch eine bessere finanzielle Ausstattung gewährleisten.
Ich will noch ein Drittes sagen: Es ist keineswegs so, dass hier in Bremen nichts passiert ist. Es ist so, dass zum einen die Zahl der Pflegeplätze und der Ausbildungsplätze erhöht worden ist und sich Bremen zum anderen sehr intensiv auch an Überlegungen zu einer Neuordnung des Berufsbildes der Pflegeausbildung beteiligt. Dies bedeutet, dass zum einen der Kranken- und Altenpflegebereich breiter aufgestellt werden soll, als das bisher der Fall ist, zum anderen die Abschottung der einzelnen Bereiche vonund gegeneinander beseitigt werden muss. Insgesamt soll es eine große Durchlässigkeit sowohl innerhalb der inhaltlichen Bereiche, also zwischen der Kranken- und Altenpflege, als auch im vertikalen Bereich, also eine bessere Durchstiegsmöglichkeit nach oben, geben.
Herr Dr. Möllenstädt, ein Letztes – ich komme gleich zum Schluss –, weil Sie auf die Arbeitsmarktprogramme eingegangen sind: Wir haben im Bereich der künftigen Arbeitsmarkt- und Qualifizierungsprogramme sehr wohl daran gedacht, uns hier dieses Themas Pflegeassistenz- und Pflegehilfeberufe anzunehmen. Wir entwickeln ein Programm, in dem wir zum Beispiel für die Absolventinnen der Pflegeschule der Berufschule in Walle, die im Augenblick Altenpflegerhelferinnen mit dem erweiterten Hauptschulabschluss oder dem Realschulabschluss zusammen dual ausbildet, weitere Bausteine erarbeiten und hier eine qualifizierte Ausbildung als Pflegekraft auch für diese schwierigen Hauptschülerinnen – es sind ja meistens Frauen – herstellen, sodass wir auch von dieser Seite aus den Bedarf decken können.
Zusammengefasst: Wir werden dem Ziel der gesellschaftlichen Bedeutung des Pflegebereiches in Zukunft aber nur nachkommen, indem wir dahin kommen, dass dieser Bereich – in dem es zum größten Teil Frauen sind, die das machen – besser bezahlt wird. Kurz gesagt: Wenn die Pflege von Menschen
mindestens genauso gut angesehen ist und so gut bezahlt wird wie die Pflege und Wartung von Maschinen, dann werden wir sicher ein Stück weiter kommen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Einschätzung der Leiharbeit gibt es keinen Unterschied zwischen der Kollegin Schön und mir. Ich möchte zur Verdeutlichen allerdings gleich am Anfang sagen, dass der Skandal der Leiharbeit meiner Auffassung nach kein Problem der Datenlage, sondern ein Problem der Leiharbeit ist, so wie sie im Augenblick geregelt beziehungsweise nicht geregelt ist. Ich glaube, dass wir sehr deutlich sagen können, dass solche Fälle wie Schlecker oder jetzt in der jüngsten Zeit Rhenus Midgard, aber auch viele andere, nicht Ausdruck des Missbrauchs von Leiharbeit sind, sondern es werden die Möglichkeiten ausgenutzt, die die gegenwärtige Regelung der Leiharbeit den Firmen bietet.
Ich muss auch dem Eindruck widersprechen, dass das nun gerade in der letzten Zeit oder krisenbedingt zugenommen hat. Wir wissen, dass dies in den Jahren vorher gang und gäbe war, dass Gebäudereinigungsfirmen, aber eben auch Wohlfahrtsverbände eigene Leiharbeitsfirmen gegründet haben, um damit Tarifflucht zu betreiben und Dumpinglöhne durchzusetzen. Leiharbeit ist, das muss man einmal schlicht sagen, statt eines Instruments der Flexibilisierung des Arbeitseinsatzes, wie es häufig behauptet wird, zu einem Instrument der Lohndrückerei und der Prekarisierung von Arbeit geworden.
Deswegen nutzt es auch nichts, es immer wieder an der einen oder anderen Stelle zu skandalisieren, sondern wir müssen grundsätzliche gesetzliche Regelungen schaffen. Ich bedauere auch, dass, nachdem der Fall Schlecker breit bekannt wurde, überall das große Entsetzen ausbrach und Frau von der Leyen gesagt hat, das würde sie jetzt aber bitte sofort unterbinden – ich weiß noch, wir haben das hier im vorigen Jahr debattiert, und da war noch die Hoffnung, dass irgendetwas passiert –, bisher wirklich und wahrhaftig absolut nichts passiert ist. Ich halte es übrigens für richtig, solches Verhalten von Firmen immer wieder auch zu skandalisieren. Ich will einmal ganz deutlich sagen, das, was wir jetzt jüngst bei Rhenus Midgard in Bremerhaven mitbekommen haben, dass hier ein Unternehmen eine Teilstilllegung eines Betriebes vornimmt, die Leute auf die Straße setzt und dann einem Teil von ihnen anbietet, zum Leiharbeitstarif, der zehn Euro unter dem regulären Tarif liegt, wieder anzufangen, ist ein Skandal. Ich glaube, es ist richtig, dass wir dies in der Bürgerschaft immer wieder als solchen benennen.
Wir haben, Frau Schön hat darauf hingewiesen, vor zwei Jahren in der Bürgerschaft schon einen Beschluss gefasst. Der Senat hat daraufhin 2009 zur
dringend notwendigen Regulierung von Leiharbeit eine Bundesratsinitiative gestartet. Dies ist an der Blockade der Mehrheit der CDU-Länder gescheitert. Wenn wir heute wieder darüber debattieren und wenn nachher wieder Missbräuche oder Auswüchse bei Leiharbeit beklagt werden sollten, dann würde ich diejenigen, die das beklagen, darum bitten, mit uns gemeinsam hier eine weitere Initiative auf der Bundesebene zu starten, sodass hier endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden und entsprechende Regulierungen stattfinden.
Es ist ja häufig gesagt worden, Leiharbeit ist ein Jobmotor. Wir erleben jetzt gerade in der Krise, dass die Leiharbeit Vorreiter beim Personalabbau ist. Der überwiegende Teil derer, die ihre Arbeit ganz verloren haben, sind Leiharbeitskräfte gewesen. Wir stellen fest, dass Leiharbeit keine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt ist, sondern Leiharbeit ist ein Weg in prekäre Beschäftigung und in Armut.
Um nur einige Beispiele zu nennen: Es sind Beschäftigungsverhältnisse von hoher Unsicherheit, dazu muss man übrigens auch wissen, dass die Verleihfirmen überdurchschnittlich häufig Lohnkostenzuschüsse der Arbeitsagentur in Anspruch nehmen und dass sie im Übrigen auch die Möglichkeit haben, bei Einstellung von Langzeitarbeitslosen diese Menschen bis zu sechs Wochen in der Höhe des bisherigen Arbeitslosengeldes zu beschäftigen. Die Folge davon ist, dass sehr viele in der Probezeit schon wieder entlassen werden und dann nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden, damit solche Zuschüsse dauerhaft in Anspruch genommen werden können und dann der an sich schon niedrige Leiharbeitslohn noch weiter gedrückt werden kann.
Des Weiteren, das ist auch klar, sind Leiharbeiter diejenigen, die in den Betrieben keine Lohngleichheit haben, die schlechter gestellt werden, sowohl was den Arbeitsschutz als auch was die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes betrifft. Wir haben das schon häufiger gesagt, aber ich will noch einmal darauf hinweisen. Es ist auch keineswegs so, wie die Leiharbeitsfirmen ständig behaupten, dass sie durch ihre Tätigkeit besonders benachteiligten Arbeitnehmern nun die Möglichkeit des Einstiegs gäben. Im Gegenteil, der größte Teil derer, die in Leiharbeit eingestellt werden, sind nicht Langzeitarbeitslose, sondern Kurzzeitarbeitslose. Es sind auch keine ungelernten Kräfte, sondern es sind qualifizierte Kräfte, die aber meistens für einfache Tätigkeiten eingestellt werden und damit eigentlich auch den Weg in die dauerhafte Dequalifizierung gehen.
Deswegen fasse ich zusammen und komme zum Schluss: Es ist dringend notwendig, hier auf Bundesebene gesetzliche Regelungen zu treffen, die Leiharbeit in dem Sinn regulieren, dass es von Anfang an eine Gleichstellung der Leiharbeitnehmer mit den Kräften im Betrieb gibt, die sicherstellen, dass sie ein normales Arbeitsverhältnis erhalten – wir müssen das Synchronisationsverbot wieder einführen –, und die
die Gleichbehandlung der Leiharbeitnehmer mit den Beschäftigten im Betrieb garantieren. Dann kommen wir auch dazu, Leiharbeit wieder die Funktion zurückzugeben, die sie eigentlich haben sollte, nämlich für flexiblen Arbeitseinsatz in Spitzenzeiten zu sorgen. Das nützt im Übrigen nicht nur den Arbeitskräften und dem deutschen Arbeitsmarkt, das nützt auch den seriösen Unternehmen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist nun keineswegs so, dass wir gar nichts über Leiharbeit wissen oder erschreckend wenig bekannt ist. Ich muss auch sagen, die einzige Quelle seriöser Informationen über Leiharbeit in diesem Land ist ehrlich gesagt nicht nur die Senatsantwort, sondern man kann sich auch einmal aus anderen Quellen informieren, Herr Dr. Möllenstädt. So viel dazu! Ich glaube aber, das Problem ist nicht die statistische Erfassung von diesem und jenem, sondern das Problem ist wirklich das der Leiharbeit insgesamt.
Da ist erst einmal Fakt, dass Behauptungen, die hier auch wieder aufgestellt werden und womit die Leiharbeitsbranche natürlich überall hausieren geht – ich bin ja oft genug auf deren Kongressen –, dass nämlich Leiharbeit die Benachteiligten des Arbeitsmarkts wieder in Arbeit bringen, sich nicht halten lassen. Es ist keineswegs so, dass sie irgendwie besonders schlecht qualifizierte oder langzeitarbeitslose Menschen einstellen, sondern es ist so, dass viermal so viel Menschen aus Kurzzeitarbeitslosigkeit in die Leiharbeit eingestellt werden als Langzeitarbeitslose. Das ist das Erste.
Zweitens, ich habe schon gesagt, 60 Prozent der Leiharbeitnehmer, die dort eingestellt werden, haben eine Berufsausbildung, aber sie werden ganz überwiegend in sogenannten Helferberufen eingesetzt,
und in dem Bereich sind die Lohnunterschiede besonders groß zu den regulären Beschäftigten. Es stimmt auch nicht, dass Leiharbeit eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt ist. Das mag für einige zutreffen, aber für die überwiegende Mehrheit nicht. Es gibt auch eine Studie im Auftrag des Arbeitsministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen, die zu dem Ergebnis kommt, dass Leiharbeit eben gerade nicht in reguläre Beschäftigung mündet, sondern wer einmal in Leiharbeit landet, im allgemeinen auch in Leiharbeit bleibt oder in einer Arbeitskarriere landet, die zwischen Leiharbeitsverhältnis und Arbeitslosigkeit hinund herspringt und wobei im Übrigen wegen der Kürze der Beschäftigung oder auch wegen des geringen Lohnes noch nicht einmal Arbeitslosengeld gezahlt wird, sondern die Leute dann gleich in das Hartz-IV-System kommen. So viel eigentlich noch einmal zur Einschätzung von Leiharbeit!