Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, bitte ich Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.
Vor 33 Jahren rüttelte der Vierteiler „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“ die Fernsehzuschauer auf, zuerst in den Vereinigten Staaten und dann in Deutschland. Der Historiker Saul Friedländer hat die Produktion als Kitsch bezeichnet und sie gleichwohl verteidigt. Was zuvor Dokumentationen und Sachbücher nicht wirklich erreicht hatten, schaffte eine fiktive Familienserie auf Anhieb: Millionen von Menschen fühlten sich von den Schicksalen aus der Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten betroffen, von denen sie bis dahin angeblich nichts wussten. Heute beschäftigt sich bereits die vierte Generation mit dem Dritten Reich und dem Holocaust.
Es ist nicht mehr zu leugnen, dass die wesentlichen Teile der Gesellschaft in Deutschland damals die Führungsrolle der Nationalsozialisten weitgehend akzeptierten, wenn nicht sogar unterstützten. Zuletzt ist uns die bräunlich gefleckte Vergangenheit des Auswärtigen Amts eindringlich vor Augen geführt worden. Im Bewusstsein unserer Schuld ist es deshalb unerlässlich, die Aufklärungs- und Erinnerungskultur aufrechtzuerhalten und aktiv zu pflegen, auch als Mahnung, menschenverachtende und rassistische Bestrebungen in unserem Land nachdrücklich zu bekämpfen. Gerade junge Menschen sind aufgerufen, die Begegnungen mit Zeitzeugen und Überlebenden des Holocaust zu suchen, um das Schreckliche zu erfahren, das so schwer zu verstehen ist.
Heute, am 27. Januar 2011, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, gedenken wir aller Opfer des Nationalsozialismus. Wir erinnern an die verfolgten und ermordeten Juden, an Sinti und Roma, an Kranke und Behinderte, an Homosexuelle und politisch Andersdenkende, an verfolgte Christen, und wir erinnern an die Opfer einer willkürlichen Wehrmachtsjustiz, einer dem Unrecht verschriebenen Gerichtsbarkeit. Auschwitz-Birkenau ist ein Ort des Verbrechens, dessen Ausmaß unsere Vorstellungskraft nach wie vor überfordert.
Auch die Opfer mögen das Grauen anfangs nicht glauben, sind naiv. „Keine Sorge, ich komme bald wieder“, versprechen viele. „Ich ging auf die Straße, und da kam die Polizei, und sie haben zwei Jüdinnen auf der Straße erschossen. Ich bin sehr traurig.“, schreibt ein Zwölfjähriger auf seinen Zettel. Jeden Tag rollen Viehwaggons an, in denen überwiegend jüdische Gefangene in das Konzentrationslager gebracht werden. Aus den Krematorien riecht man verbranntes Fleisch. SS-Leute misshandeln die Insassen, die nach kurzer Zeit bis auf die Knochen abgemagert
sind. Der furchtbare Komplex Auschwitz bestand aus dem Stammlager Auschwitz I, in dem mehr als 70 000 Menschen ermordet wurden. In Auschwitz II, dem Konzentrationslager, starben mindestens eine Million Männer, Frauen und Kinder. In Auschwitz III, dem Konzentrationslager Buna/Monowitz, waren Gaskammern und Massenerschießungen nicht vorgesehen. Auf diesem Gelände plante der Chemiekonzern IG Farben, eine riesige Fabrik zu bauen. Die Menschen erwartete Schwerstarbeit, Mangelernährung und unhygienische Verhältnisse. 25 000 Gefangene wurden darüber zu Tode gequält.
Meine Damen und Herren, im Vernichtungslager Auschwitz wurde 1942 auch der Vater unseres Gastes ermordet, den ich auf der Besuchertribüne ganz herzlich begrüßen möchte. 1937 in Bremen geboren, deportierten die Nazis den damals Siebenjährigen mutterseelenallein nach Theresienstadt. Er überlebte und ist heute in der Nähe von Frankfurt zu Hause. Mir sind noch seine, und ich glaube, Ihnen auch, beeindruckenden Worte im Ohr, die er am 9. November zum Jahrestag der Reichspogromnacht am Mahnmal in der Dechanatstraße sprach, Hass sei kein guter Wegbegleiter für die Menschen. Er verstelle den Blick für die wahren Dinge. Sein Plädoyer: „Toleranz tut not und Empathie für Leute, die vielleicht nicht so sind wie wir.“ Das kann ich nur ausdrücklich unterstreichen, und ich begrüße sehr herzlich Herrn Propper. Seien Sie herzlich willkommen!
Herr Propper ist heute Abend um 20 Uhr Ehrengast in der zentralen Gedenkfeier in der Oberen Rathaushalle.
Das Gebot der Toleranz und Offenheit sollten gerade wir Deutschen uns zu Herzen nehmen. Darüber hinaus muss uns der systematische Völkermord, insbesondere an jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, Verpflichtung zu Wachsamkeit und Handeln sein. Nach wie vor grassiert Fremdenfeindlichkeit in vielen Köpfen der Bevölkerung, und immer noch existieren unverantwortlich viele Vorurteile gegenüber Migranten und Minderheiten. Hier tut nicht nur Toleranz, hier tun Bildung und Erziehung not.
Aber, meine Damen und Herren, an einer Stelle verbietet sich freilich Toleranz, und ich möchte gerade heute, am 27. Januar 2011, dies deutlich formulieren, und ich appelliere an alle anständigen und demokratischen Kräfte, aufzubegehren und sich zu wehren, wenn die NPD, wie angekündigt, unsere Stadt mit Kundgebungen beschmutzen sollte. Schließlich werden wir es nicht zulassen, dass Rechtsradikale unsere Schulhöfe für Propaganda und Agitation missbrauchen. Wir müssen gemeinsam verhindern, dass mit den Bremer Wahlen am 22. Mai 2011 braunes Gedankengut in unsere Parlamente gelangt. Ein entschlossenes Vorgehen sind wir in Anbetracht der Geschichte – unserer Geschichte, an die wir heute
erinnern – schuldig, um unserer gemeinsamen und friedfertigen Zukunft willen. – Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 17. September 2010 (Neufassung der Drucksache 17/1436 vom 15. September 2010) (Drucksache 17/1438)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Umstellung in einigen Bereichen der Wirtschaftsförderung von Zuschüssen auf Darlehen hat sich bewährt.
Schaut man in die Leistungsbilanzen von Wirtschaftsförderung Bremen, der Bremer Aufbau-Bank, der Kammern und insbesondere auch vieler Unternehmen, so ist festzustellen, dass sich die Darlehensförderung inzwischen als stärkstes Instrument der Wirtschaftsförderung erwiesen hat und auf positive Resonanz stößt. Das war, als wir das erste Mal darüber debattiert haben, von vielen kritisiert und angezweifelt worden, insbesondere von der CDU, die damals reine Katastrophenszenarien entworfen hat, was passieren könnte, wenn man auf Darlehen umstellt. Ein wenig haben wir gestern bei der Rede von Herrn Kastendiek davon schon gespürt.
Damals war die Rede davon, wenn es Darlehen gäbe und keine nicht rückzahlbaren Zuschüsse mehr, würden die Unternehmen nichts mehr nachfragen. Die Firmen selbst und Arbeitsplätze gerieten in Gefahr. Die SPD-Fraktion hat sich davon nicht beirren lassen und hat dann zu Beginn dieser Legislaturperiode gemeinsam mit dem neuen Koalitionspartner neue Wege gesucht, um den Firmen nach wie vor eine Sicherheit zu geben, sodass sie die erforderliche Unterstützung bekommen, damit weiterhin Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden und vor dem Hin––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
tergrund der Haushaltsnotlage Wirtschaftsförderungsmittel so eingesetzt werden, dass ein optimaler Einsatz von Haushaltsmitteln in einem revolvierenden Fonds gewährleistet ist.
Dies möchte ich in Anbetracht der gestrigen Debatte zu Leistungskennzahlen vielleicht Herrn Müller noch einmal erklären, der meinte, Darlehen seien ein Grund des Übels. Vielleicht erkläre ich ihm einmal, dass Darlehen dazu da sind, Geld nicht nur auszugeben, sondern auch wieder zurückzubekommen.
Nein, ich habe sehr genau zugehört, und vielleicht haben Sie das noch nicht ganz begriffen! Wenn wir einen revolvierenden Fonds haben, können wir sehr gut ausgegebene Mittel zum Teil zurückbekommen und für die nächsten Unternehmen wieder verwenden.
Andere haben das so verstanden, und darum sind die Darlehen auch gut nachgefragt! Das macht sich an weiteren Kennzahlen deutlich. Der Anteil der bewilligten möglichen Darlehen an der Gesamtförderung lag zum Beispiel im Bereich der Investitionen bei 88,6 Prozent und bei den Innovationen bei 84 Prozent. Diese Bereiche deswegen, weil genau in den Bereichen die Umstellung erfolgt ist, nämlich im Landesinvestitionsprogramm seit 2008 und bei Forschung, Entwicklung und Innovation seit 2009! Sie war gut, und sie war richtig und ermöglicht mit der Neuorganisation der Wirtschaftsförderung Bremen und der Bremer Aufbau-Bank, über die wir noch reden werden, dass die jeweiligen Förderinstrumente nicht nur aus einer Hand, sondern maßgeschneidert für die Kunden, sprich: die Unternehmen, angeboten werden können. Dies, meine Damen und Herren, wollen wir ausbauen, und etwas, das gut läuft, kann man auch ausdehnen.
Daher stellen wir den Antrag, dass der Senat prüfen möge, genau dies zu tun, nämlich das Instrument der Darlehen auf weitere Programme anzuwenden. Mir schwebt zum Beispiel als Erstes das Programm PFAU, Pilotprojekt zur Förderung der Anwendung von Umwelttechnologien, vor. Dieses Programm hat natürlich ein Problem, da es hauptsächlich durch EFRE-Mittel finanziert wird. Daher auch der zweite Teil unseres Antrags: Der Senat möge prüfen, ob künftig auch Mittel der Europäischen Union oder andere Mittel des Bundes, die als Grundfinanzierung dienen, über Darlehen zu finanzieren sind. Ich fin
de, dass es ein guter Ansatz ist, weiterhin mit unseren Mitteln gut umzugehen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Schönen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der Ihnen heute vorliegt, schließt sich an die Debatte an, die wir gestern geführt haben und auch an die Debatte zur Bremer Aufbau-Bank, die wir vielleicht noch heute führen wollen. Ich will deshalb auch gar nicht viel dazu sagen. Entscheidend ist, das haben wir an dieser Stelle schon öfter gesagt, dass die Umstellung der Wirtschaftsförderung auf Darlehensmittel bei den Unternehmen sehr gut ankommt. Was wir Ihnen jetzt hier vorgelegt haben und wozu wir um Zustimmung bitten, bezieht sich in erster Linie auf die Darlehen, die bisher noch nicht umgestellt werden konnten, weil sie aus Mitteln der Europäischen Union gespeist werden beziehungsweise längerfristig geplant waren. Die meisten Programme laufen 2014 aus und müssen jetzt nachverhandelt werden, und wir fordern den Senat auf, dies unter der Prämisse zu tun und zu prüfen, dass diese Mittel auch auf Darlehensbasis umgestellt werden.
Wem kommen diese Mittel in erster Linie zugute? Das zeigt die Erfahrung, es sind eher die kleinen und mittleren Unternehmen, vielfach auch die Kleinstunternehmen, die Beträge gefördert haben wollen, die in der Regel 100 000 Euro nicht überschreiten. Wir haben bis zum 30. September in diesem Bereich Anträge vorliegen gehabt, die zu 62 Prozent ein Volumen abrufen, das maximal 100 000 Euro umfasste. Im Vorjahr waren es, 2008, 58 Prozent, wir liegen also leicht über dem Vorjahresniveau, das Volumen ist jedoch leicht geringer gewesen. Wir haben gestern versucht, den einen oder anderen Grund dafür zu benennen.
Ich bitte Sie, diesen Antrag zu unterstützen, weil hier vor allem Unternehmen und Unternehmungen gefördert werden können, die am normalen Kapitalmarkt aufgrund des nicht vorhandenen Eigenkapitalanteils nicht von den Hausbanken sofort gefördert werden können. Diese Mittel, diese Darlehensmittel, das habe ich an dieser Stelle schon häufiger gesagt, wirken auch eigenkapitalbildend gegenüber den Hausbanken, und zusammen mit der BAB, über die wir zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher reden werden, sind sie geeignet dazu, gerade den Unternehmungen aus dem Bereich Forschung und Entwicklung, Ausgründungen, Patentumsetzungen oder Inno––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
vationen am Markt zu ermöglichen, trotz Basel III und Basel II. Ich bitte Sie daher, diesem Antrag zuzustimmen. – Vielen herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich in meinen Redebeitrag einsteige, noch einmal an Frau Kollegin Busch! Frau Kollegin Busch, wenn Sie meinen gestrigen Redebeitrag genau verfolgt hätten, dann hätten Sie genau herausgehört, dass ich mich nicht gegen die Darlehensförderung ausgesprochen habe. DIE LINKE hat an mehreren Stellen immer wieder öffentlich gemacht, dass sie in der Darlehensförderung das richtige Förderinstrument sieht. Ich übersende Ihnen auch gern einen Protokollauszug meiner Rede, damit Sie sich vergewissern können.
Lassen Sie mich jetzt zurück zum Antrag kommen! Der Sinn des Antrags der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen ist eigentlich schwer zu erkennen. So fordern Sie im Unterpunkt 1 Ihres Antrags den Senat dazu auf zu prüfen, welche zusätzlichen Förderbereiche von der Zuschuss- auf die Darlehensförderung umgestellt werden könnten. In einer Mitteilung des Senats von August 2010 zur Verfehlung der Leistungsziele in der Arbeitsplatzbeschaffung und -sicherung erklärte der Senat, der übrigens von den Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen getragen wird, dass die Förderung ohnehin grundsätzlich auf Darlehensförderung umgestellt wird. Wenn dem so ist, meine Damen und Herren von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, warum dann dieser eingereichte Antrag?
Im Unterpunkt 2 fordern Sie den Senat weiterhin dazu auf, ich zitiere, „auch bei der Planung und Konzeption der mit EU-Mitteln der nächsten Förderperiode finanzierten Förderprogramme alle Möglichkeiten von Darlehensförderung und anderen innovativen Finanzierungsinstrumenten zu nutzen“. Dazu kann ich nur Folgendes feststellen: Entweder der Senat hat ein Förderkonzept, das nach seiner eigenen Aussage bereits auf Darlehensbasis arbeitet, dann gilt das auch für die Kofinanzierung der EU-Förde
(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Nein, eben nicht! Da haben Sie wieder etwas missver- standen! – Zuruf des Abg. W i l l m a n n [Bündnis 90/Die Grünen])
Wenn der Senat aber auf Zuruf fördert, dann sollte umgehend ein Förderkonzept entwickelt werden, aber, wie gesagt, ich glaube nicht an eine solche Förderung.