Protocol of the Session on May 20, 2010

Ich eröffne die 68. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).

Ich begrüße die anwesenden Damen und Herren, die Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe Schüler und Schülerinnen aus dem Schulzentrum Rockwinkel und eine neunte Klasse der St.-Johannis-Schule. Seien Sie alle ganz herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Zukunft des Stadtmarketings im Land Bremen

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 16. Februar 2010 (Drucksache 17/1163)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 27. April 2010

(Drucksache 17/1280)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Günthner.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Ich gehe davon aus, dass das nicht nötig ist.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass die zahlreiche Anwesenheit der Vertreter des Senats nicht Ausdruck der gegenüber diesem Thema zugestandenen Bedeutung ist.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Nach der Kritik waren sie ja einmal vollzählig da!)

Daher hoffen wir, dass der Senat beziehungsweise die, die sich um dieses Thema innerhalb der Regierungskoalition kümmern möchten, zumindest über den Verlauf der Debatte informiert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Stadtmarketing ist ein sehr wichtiges, übergeordnetes Thema in der bremischen Politik, ein Thema, das leider in der Öffentlichkeit und auch in den einzelnen Politikfeldern nicht immer die Bedeutung bekommt, die ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

es eigentlich haben müsste. Trotzdem war die Diskussion, die vor einigen Wochen in der Tagespresse geführt worden ist, Anlass für uns, sich diesem Thema noch einmal intensiv auch parlamentarisch zu widmen. Parlamentarisch hier in der Bürgerschaft deshalb, weil wir der Auffassung sind, dass es nicht allein ausreicht, in den Fachdeputationen die einzelnen Themenbereiche eines Stadtmarketings genauer unter die Lupe zu nehmen, wie wir das in der Wirtschaftsdeputation, Herr Liess, immer wieder machen, wenn es um das Thema Tourismus geht, zwei Städte, ein Land, wo wir schauen, wie wir dieses wichtige Themenfeld bearbeiten, sondern Stadtmarketing ist mehr!

Es geht sicherlich um Tourismus, es geht um Außenhandel, um die Ansiedlung von Unternehmen im Bereich des Stadtmarketings, aber es geht auch um Neubürger und den Erhalt von Einwohnerzahlen. Natürlich geht es auch um das, was die Menschen mit einer Stadt verbinden, das nach innen Prägende, meine Damen und Herren. Daher ist dieses Thema Stadtmarketing ein zentrales Anliegen für die CDUFraktion und auch ein wichtiges Arbeitsfeld!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Je erfolgreicher dieses Arbeitsfeld bearbeitet wird, je erfolgreicher es ist, desto größer sind natürlich auch die positiven Effekte in zahlreichen Politikfeldern. Auslöser der Diskussion in der Tagespresse war „Bremen erleben“. Früher hieß es „Bremen neu erleben“, jetzt „Bremen erleben“.

Meine Damen und Herren, ich möchte mir nicht die Mühe machen, mit Werbetextern in den Wettbewerb einzusteigen und darüber nachdenken, was mir das sagt, was es vor allen Dingen anderen sagt. Es ist ja ein nach außen gerichteter Slogan.

Jetzt kommt ein Vertreter des Senats, aber offensichtlich nicht der, der es hören soll. Dennoch herzlich willkommen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In diesen Wettbewerb möchte ich jetzt nicht einsteigen, ich finde, darüber kann man trefflich streiten. Manchmal hat man auch den Eindruck, es ist eher eine Frage des guten Geschmacks, und darüber lässt sich trefflich streiten.

Die Frage, die sich dahinter versteckt, ist: Was muss Stadtmarketing erfüllen? Was muss vor allem ein integriertes Stadtmarketing erfüllen? Es soll ein Image bilden, es muss glaubwürdig sein, es muss authentisch sein, und es soll die Attraktivität erhöhen. Es soll den Standort, eine Stadt, eine Region in ein günstiges Licht stellen und, was ich vorhin schon gesagt habe, bei Multiplikatoren, bei Entscheidern eine positive Grundlage erstellen, um Ansiedlungen positiv für Bremen zu entscheiden.

Tourismus und gewerbliche Dinge habe ich angesprochen. Daher muss es ein entscheidender Punkt sein, dass es interdisziplinär ressortüberübergreifend angelegt ist, aber natürlich auch mit einer eindeutigen Zuordnung und Verantwortung und vor allem mit einer hohen Effizienz.

Wir haben in der Großen Koalition auch – zumindest ich in den zwei Jahren, in denen ich Verantwortung tragen durfte – hier immer sehr kritisch begleitet, dass das Thema Stadtmarketing in Bezug auf Ressortverantwortung doch sehr aufgefächert war. Der Bürgermeister durfte, wollte, musste sich gezwungenermaßen ein bisschen darum kümmern. Der Wirtschaftssenator, der dann das Glück hatte, dass er an der Stelle den Kultursenator auch im Griff hatte, durfte sich auch ein bisschen darum kümmern. Letztendlich war es aber doch an vielen Stellen immer wieder das Problem, dass Schnittstellen nicht sauber gelöst waren und dann doch immer die Ressortegoismen durchklangen.

Meine Hoffnung für das Thema war, dass es sich mit der Bildung der neuen Koalition doch verändert, dass sich das, was man der Großen Koalition immer wieder vorgeworfen hat, man stehe da eher gegeneinander als miteinander, letztendlich auch für das Stadtmarketing positiv wandelt. Weit gefehlt! Wir haben weiterhin eine starke Zersplitterung in der Verantwortung, in den Themenzuordnungen für das Stadtmarketing.

Der Senator für Wirtschaft darf sich ein wenig um das Stadtmarketing kümmern und der Senator für Kultur, zufälligerweise gleichzeitig Bürgermeister. Dann haben wir den Senator für das Bauwesen, der gleich daran gegangen ist, ein eigenes Leitbild für sich zu entwickeln. Ist damit eine klare Zuordnung und eine klare Verantwortung geregelt? Ich glaube nicht!

Es gibt ein Tourismusmarketing, ein Citymarketing, ein Hafenmarketing, ein Statteilmarketing, und die WFB nimmt für sich in Anspruch, das geht auch aus den Antworten des Senats hervor, ein Standortmarketing zu führen. Hat das aber etwas miteinander zu tun, außer dass man sagt, man hat ein gemeinsames Logo, eine gemeinsame Markenarchitektur, in die sich die einzelnen Gesellschaften und Politikbereiche einordnen können? Ich glaube nicht!

Deswegen ist es wichtig, dass man an dieser Stelle noch einmal intensiv darüber nachdenkt. Ich glaube, dass insbesondere aus der Antwort auf unsere erste Anfrage sehr deutlich wird, dass dies nicht erfüllt ist. Kein integriertes Standortmarketing, kein integriertes Stadtmarketing, Sie können nicht einmal sagen, jawohl, wir haben ein gemeinsames Leitbild in der Stadt! Mit dem Leitbild, welches sich der Bausenator als Slogan entwickelt hat, „Bremen lebenswert, urban, vernetzt“, könnte ich an der Stelle doch in einen Wettbewerb mit den Webetextern einsteigen, weil dies natürlich nach außen überhaupt nichts

aussagt und vor allem auch kein Image herüberbringt. Meine Damen und Herren, wir von der CDU sind der Meinung, hier ist noch erheblich nachzuarbeiten!

(Beifall bei der CDU)

In meinen Augen kommt bei dieser mangelnden Zuständigkeit, vor allem wenn man einmal außerhalb der Stadt mit Menschen diskutiert, mit ihnen Überlegungen anstellt, was sie überhaupt mit Bremen verbinden, bis auf den Sportverein Werder nicht allzu viel heraus. Spricht man vor allem mit Multiplikatoren, ist das Image, wenn man ehrlich ist, nicht so, wie wir uns das eigentlich wünschten. Das muss besser sein, das könnte besser sein.

Dies wird auch deutlich aus den Antworten des Senats, in denen man nachlesen kann, wo Bremen positiv dargestellt wird. Dort werden gleich zehn Internetadressen angegeben. Auch das sorgt natürlich nicht dafür, dass man hier eine Konzentration auf die wesentlichen Themen hat. Wenn dann noch ausgeführt wird, dass zum Beispiel Unternehmen, die in Bremen angesiedelt sind, an einer positiven Standortvermarktung für Bremen teilhaben, und man auf den Internetseiten versucht herauszufinden, woher denn diese These des Senats genommen wird, dass zum Beispiel die deutsche REpower auf ihren Internetseiten positiv an der Standortwirkung, an dem Standortmarketing mitwirkt, dann kann man eigentlich nur feststellen, dass darin steht, wir haben Standorte in Bremen, Hamburg und Bremerhaven, und das war es. Also schmückt sich der Senat auch hier mit Federn, die letztendlich nicht seine sind. Auch hier muss nachgearbeitet werden!

Positiv, das habe ich am Anfang herausgehoben, hat sich der Bereich Tourismus entwickelt. Das wird auch in der Antwort des Senats sehr deutlich, aber auch aus den Zahlen, die wir immer wieder in den vergangenen Jahren in der Wirtschaftsdeputation zur Kenntnis nehmen konnten. Da haben sich die Investitionen, der rote Faden, der über Jahre gezogen worden ist, bezahlt gemacht. Wir haben investiert, nicht nur in die touristische Infrastruktur, sondern wir haben auch in ein konsequentes Marketing investiert. Ich sage jetzt einmal wir, weil das parteiübergreifend so gesehen worden ist.

Meine Befürchtung ist, dass diese positive Entwicklung des Tourismusmarketings nicht mehr allzu lang Bestand hat. Es wird in der Antwort des Senats klipp und klar gesagt, jawohl, wir haben investiert, auch in touristische Infrastruktur. Wenn man sich aber ansieht, was der Senat für die kommenden Jahre im Bereich der touristischen Infrastruktur an zukünftigen Investitionen vorhat – wir haben auch in einzelnen Fragestellungen nach der Zukunft gefragt, so ist die Große Anfrage auch unterschrieben –, dann stellt man nur fest, dass auf das Tourismuskonzept des Vorgängers im Wirtschaftsressort, Senator Nagel, verwiesen

wird, welches bis auf eine sehr umfangreiche Situationsbeschreibung hinsichtlich zukünftiger Projekte, hinsichtlich zukünftiger Maßnahmen nicht allzu viel zu bieten hat. Hier muss auch weiter erheblich nachgearbeitet werden, vor allem inhaltlich und programmatisch! Daher glaube ich, dass das Ziel von zwei Millionen Touristen im Jahr 2015 ein sehr ehrgeiziges ist, und hoffe für die Stadt und die Region, dass dieses erreicht wird. In der Tatenlosigkeit bei konkreten Maßnahmen aber, von denen man hier und da hört, wie das Thema Marketing auch in Haushaltsberatungen innerhalb der Koalition gesehen wird, dass es dann oft und gern als Sparbüchse angesehen wird oder für Einsparungen auch in Bremerhaven bei der BIS, wo Mittel gekürzt worden sind, herangezogen wird, sehe ich eine verkehrte Schwerpunktsetzung. Hier werden wir auch in den Diskussionen in den Haushaltsberatungen sicherlich noch einmal intensiv nachdenken müssen, ob das am Ende richtig ist. Wichtig ist, und damit möchte ich schließen, eine eindeutige Prioritäten- und Schwerpunktsetzung. Wichtig ist auch, dass integriert, ressortübergreifend ein Marketing, ein Stadtmarketing generiert, implementiert und auch umgesetzt wird. Wichtig ist, dass eine Konzentration in den Zuständigkeiten vorgenommen wird, sodass am Ende, was ich für optimal erachte, das Stadtmarketing zentral von einem Ressort gesteuert wird und dass die einzelnen Teilbereiche – egal ob es Stadtmarketing, Citymarketing, Stadtteilmarketing oder Tourismusmarketing ist – dann von diesem Ressort aus gesteuert werden. Dann kommen wir auch zu einer positiven Imagebildung für die Stadt und für die Region. In diesem Sinn hoffe ich, dass diese Große Anfrage der CDU-Fraktion hier ein entscheidenden Impuls gebe konnte. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Stadtmarketing oder auch Standortmarketing ist eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Förderinstrument zur Absicherung der in unserer Region angesiedelten Unternehmen und der darüber entstandenen Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Ein effektives Standortmarketing erfordert aber auch ein genaues Wissen über die eigenen Standortfaktoren und sollte möglichst alle positiven und auch negativen Einflüsse des Standortes einbinden, um überhaupt Möglichkeiten zur Attraktivitätssteigerung eröffnen zu können. Besonders heute, in Zeiten der immer noch andauernden Wirtschaftskrise, ist es unumgänglich, dass wir unsere Standortschwächen erkennen und diese abbauen und unsere Stärken weiter ausbauen. Dies wird immer wichtiger, da andere Städte und ganze

Regionen sich derzeit zusammenschließen, um sich dem immer stärker werdenden Wettbewerbsdruck gemeinsam entgegenstellen zu können. Somit müssten auch wir unsere beiden Städte noch näher zusammenführen und die ganze Region mit in unser Standortmarketing einbeziehen, denn eines ist sicher: Nur mit einem liebenswerten und lebenswerten und auch wirtschafts- und konkurrenzfähigen Land Bremen kann dem immer stärker werdenden Verdrängungswettbewerb und der Bevölkerungsabwanderung Paroli geboten werden. Das bisher angewandte Standortmarketing ist lediglich als eine Kernaufgabe der Wirtschaftsförderung angewendet worden und muss daher eingehend überarbeitet werden, da die sozialen Komponenten teilweise schlicht vernachlässigt wurden.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie uns ein gelungenes Beispiel der Wirtschaftsförderung ansehen, genauer gesagt die öffentliche Förderung von Stadtteilinitiativen! Die öffentliche Förderung von Stadtteilinitiativen ist eine der vielen Möglichkeiten des Stadtteilmarketings. Sie ist mit relativ geringen Mitteln zu bewältigen, die aber im Normalfall mit überproportionalen, positiven Ergebnisse für Stadtteile oder gar die ganze Stadt aufwarten kann. Dies ist darauf zurückzuführen, dass hier ausschließlich engagierte und interessierte Akteure eingebunden sind. Leider ist aber feststellbar, dass die Höhe der Fördergelder schrittweise abgesenkt wurde.

(Abg. W i l l m a n n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Weil es eine eigenständige Kommu- ne ist!)

So wurden noch vor dem Jahr 2000 13 Millionen Euro öffentliche und neun Millionen Euro private Mittel für die Stadtteilinitiativen zur Verfügung gestellt, derzeit werden lediglich 900 000 Euro an öffentlichen Fördermitteln bewilligt.

Meine Damen und Herren, ist dies noch, besonders in Zeiten der Wirtschaftskrise, als eine Möglichkeit zur Rettung unserer kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen und deren Ausbildungs- und Arbeitsplätze anzusehen? Laut der uns vorliegenden Senatsmitteilung wird die öffentliche Förderung von Stadtteilinitiativen aber lediglich in der Stadt Bremen vorgenommen, während sich Bremerhaven dieser Möglichkeit zur Steigerung der Standortfaktoren bisher nicht annähern konnte. Meine Damen und Herren, hier fehlt mir der Hinweis des Senats, warum sich Bremerhaven dieser Möglichkeit entgegengestellt hat und wie er sich im Interesse unseres Landes eine Lösung für Bremerhaven vorstellt, denn wir sprechen hier über die Zukunft des Stadtmarketings im Lande Bremen.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie uns nun die Aussage des Senats zur Bevölkerungsentwicklung unseres Landes betrachten! Wie Sie der Senatsmitteilung entnehmen können, ist eine unterschiedliche Abnahme der Bevölkerungszahlen feststellbar. So wurden 1992 in Bremen 553 000 Einwohnerinnen und Einwohner registriert, 2008 waren es nur noch 547 255, also ein Minus von 5 745 Einwohnerinnen und Einwohnern. Das ist bezogen auf 1992 eine Absenkung von circa einem Prozent der Bremer Bevölkerung. Dagegen wurden 1992 in Bremerhaven 131 099 Einwohnerinnen und Einwohner registriert, 2008 waren es nur noch 114 778, das ist ein Minus von 16 321 Einwohnerinnen und Einwohnern. Bezogen auf 1992 ist das eine Absenkung von 12,5 Prozent der Bremerhavener Bevölkerung.

Als wichtiges und erfolgreiches Instrument zur Werbung für unsere Städte und zur Ansprache der Bürgerinnen und Bürger und Neubürgerinnen und Neubürger unseres Landes sieht der Senat die Internetportale bremen.de und bremerhaven.de an. Dies kann als ein interessanter, aber wohl eher als ein wenig hilfreicher Ansatz bewertet werden. Meine Damen und Herren, hier fehlt es an Ansätzen, die den Bedürfnissen der Bevölkerung nachkommen, um so für unsere Städte wirksam werben zu können. Zur Attraktivitätssteigerung unseres Landes fehlt zum Beispiel der effektive Ansatz für die frühkindliche Bildung bis hin zur Erwachsenenbildungslandschaft.