Protocol of the Session on September 11, 2008

Ich eröffne die 28. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse.

Ich müsste jetzt auf der Besuchertribüne eine Gruppe begrüßen, die aber noch nicht anwesend ist. Dann holen wir das nach, wenn die Gruppe hier eingetroffen ist.

Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein.

Zwischenbericht zum Stand der Umsetzung des Beschlusses der Bremischen Bürgerschaft „Gegen Ausbeutung und Menschenrechtsverletzung – für eine verantwortungsvolle öffentliche Beschaffung und Vergabe“

Mitteilung des Senats vom 27. Mai 2008 (Drucksache 17/416)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Bürgermeisterin Linnert, ihr beigeordnet Staatsrat Lühr und Staatsrat Mützelburg.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hiller.

Herr Präsident, meine lieben Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute über den Zwischenbericht zur Umsetzung für eine verantwortungsvolle öffentliche Beschaffung reden. Sie wissen, im Dezember letzten Jahres haben wir hier einen Antrag diskutiert und inhaltlich auch sehr ausführlich über das Thema verantwortungsvolle öffentliche Beschaffung, das heißt, ökologische und soziale Standards in der Beschaffung mitzubedenken, gesprochen.

Ich will das alles heute Morgen inhaltlich nicht noch einmal ausführlich wiederholen, sondern mich kurz auf den Bericht, der vom Senat vorgelegt worden ist, beziehen. Darin ist deutlich geworden: Die ersten Schritte sind gemacht worden. Es gab einen sehr erfolgreichen Fachtag mit 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, wirklich ein großer Erfolg, woran man auch gemerkt hat, wie hoch die Bereitschaft hier in unserem Land ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Es ist in dem Zwischenbericht auch formuliert worden, dass es ein Konzept geben soll, das von den unterschiedlichen Ressorts zusammengestellt werden soll, wie nun die öffentliche Beschaffung sich dieser Auseinandersetzung, diesen Themen stellen kann. Außerdem gibt es natürlich auch in Fragen des Ver

gaberechts gerade in Berlin jetzt eine Novellierung, in der auch noch einmal von Bremen aus deutlich gemacht werden soll, dass ökologische und soziale Standards eingebracht werden sollen.

Soweit mir bekannt ist, geht es jetzt darum, auch einen Beirat gerade mit der Zivilgesellschaft, mit den zuständigen Gruppen zu gründen, um auch dort die weiteren Themen und Umsetzungsschritte zu bereden. Ich denke, das alles ist auf dem sehr richtigen Weg, und es wird auch weitergehen. Ich sehe, dass es in den nächsten Schritten einmal um das zentrale Beschaffungswesen gehen wird, aber ich fordere auch hier auf, dass in den einzelnen Ressorts Pilotprojekte zu der Frage von fairer Beschaffung entwickelt werden,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

ob das im Baubereich ist mit den Steinen, das haben wir damals besprochen, oder auch in anderen Bereichen. Ich denke, es gibt viele Möglichkeiten, jetzt auch in die konkrete Umsetzung zu gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Fair Trade liegt in der Luft, würde ich sagen. Letzte Woche gab es ein Konzert „fairtragen festival“ in der Überseestadt, wo viele junge Menschen zu diesem Thema gefeiert und sich damit auch auseinandergesetzt haben. Ab 15. September beginnen bundesweit die fairen Wochen. In Bremen gibt es 25 Veranstaltungen ganz unterschiedlicher Art. Ich denke, das Programm ist Ihnen bekannt. Heute bekommen wir ein fair gehandeltes Lunchpaket, mit dem nicht nur Vitamine verteilt werden, sondern auch Einkaufslisten, in denen gerade deutlich gemacht wird, wie man dieses Thema positiv unterstützen kann, wo man genau eine faire Beschaffung oder einen fairen Einkauf auch organisieren kann.

Zudem, abschließend, ist geplant, so wird jedenfalls gemunkelt, dass sich Bremen als Hauptstadt des fairen Handels 2009 bewerben möchte. Ich begrüße das sehr, wir unterstützen das. Deswegen laden wir als SPDFraktion auch zu einer Veranstaltung ein. Wenn das stattfinden würde, wäre das wunderbar. Die letzte Hauptstadt des fairen Handels war Düsseldorf, oder ist es jetzt noch. Nächstes Jahr haben wir hier in der Stadt den Kirchentag, und ich glaube, das wäre eine gute Kombination.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Abschließend möchte ich nur noch darauf hinweisen, dass wir auch im Ausschuss sicherlich dieses Thema weiter regelmäßig begleiten werden. Ich bin sehr gespannt auch auf das, was jetzt aus dem Senat berichtet wird, ob es noch weitere Erkenntnisse gibt. Ich freue mich, wie weit wir schon mit die

sem Thema hier in der Stadt vorangekommen sind. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die FDP unterstützt natürlich selbstverständlich die Bestrebungen des Senats, auch soziale und umweltpolitische Aspekte als Kriterien bei der Entscheidung hinsichtlich Beschaffung und Vergabe von öffentlichen Aufträgen zu berücksichtigen. Insofern begrüßen wir auch, dass es hier zu Fortschritten gekommen ist, insbesondere lobend zu erwähnen ist die eben angesprochene Fachtagung.

Vielleicht aber am Anfang ein Wort zu dem Bericht, über den wir debattieren, auch für diejenigen, die uns vielleicht von außerhalb zuschauen und den Bericht selbst nicht gelesen haben. Es handelt sich dabei um ein Papier, das anderthalb Seiten umfasst, das sollte man an dieser Stelle vielleicht noch einmal sagen. Ich habe den Eindruck, dass der Zeitpunkt des Berichts sehr ehrgeizig gewählt worden ist, weil, auch das ist eben schon erwähnt worden, auf Bundesebene Veränderungen im Vergaberecht anstehen. Dort ist Bremen aufgerufen, sich auch zu beteiligen. Wir als Liberale haben dazu auch Vorstellungen geäußert, insbesondere ist in der Diskussion, dort die Möglichkeit der Einführung von Präqualifizierungssystemen stärker zu nutzen. Auch dies haben wir hier bereits einmal diskutiert.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal den Aspekt des Bürokratieabbaus stärker in den Mittelpunkt stellen, den wir als Liberale ja stark forcieren, darum muss es dabei auch gehen. Es muss einerseits sicherlich darum gehen, vernünftige Vergabeentscheidungen zu treffen, andererseits aber auch zu schauen, dass wir gerade mittelständische Unternehmen nicht über die Maßen mit zusätzlichen Vorgaben belasten. Beides geht, wenn man sich zum Beispiel für ein bundeseinheitliches Präqualifizierungssystem entscheidet. Dies hat die FDP im Deutschen Bundestag bereits eingebracht in einem Vorschlag. Ich glaube, das wäre etwas, was auch Bremen sehr nützen würde. Ziel kann es am Ende nicht sein, bei aller Hinwendung auch zum fairen Handel hier neue bürokratische Hürden auf Länderebene aufzuziehen, dann anschließend in jedem Bundesland völlig andere Vorgaben für private Unternehmen zu haben, die hier an der öffentlichen Auftragsvergabe teilnehmen wollen. Dies ist aus unserer Sicht ein sehr entscheidender Punkt.

(Beifall bei der FDP)

Überdies, liebe Frau Hiller, ist natürlich das Thema fairer Handel ein sehr komplexes und kann nicht nur auf lokaler Ebene allein bewältigt werden. Deshalb, glaube ich, wäre es sinnvoll, wenn auch die bremischen Abgeordneten im Deutschen Bundestag sich vielleicht noch stärker mit dem Thema Handelsbeschränkungen beschäftigen würden. Denn das ist eigentlich ja das Hauptproblem bei fairem Handel, dass sich der Wirtschaftsraum Europa meines Erachtens noch zu stark gegenüber der restlichen Welt abschottet. Das ist eigentlich genau das Problem, warum die Dritte Welt eben an vielen Stellen nicht so vorankommt, wie wir uns das eigentlich wünschen. Auch daran wäre eigentlich im Wesentlichen zu arbeiten. Das habe ich hier in Ihrer Rede vermisst.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der LINKEN: So ein Unsinn!)

Ich glaube, insgesamt bei allen Bestrebungen und positiven Symbolen, die wir setzen können, möglicherweise auch als Hauptstadt des fairen Handels in einem der nächsten Jahre, darf man diese ganz wesentlichen und fundamentalen politischen Entscheidungen, die zu verantworten sind auf der nationalen Ebene, auf der EU-Ebene, aber auch eben hier in Bremen, nicht verwässern, sondern das muss wirklich dann auch einmal in Fakten gegossen werden. Diese Debatte wollen wir gern mit Ihnen führen, gern anlässlich einer Hauptstadtbewerbung Bremens, gern aber auch im Rahmen der anstehenden bundespolitischen Debatten und der Folgeberichte zu diesem Bericht. Wir werden diesen Prozess als FDP weiterhin sehr gern kritisch mit unseren Vorschlägen auch begleiten.

Zunächst einmal danken wir dem Senat für den Bericht. Ich glaube, ein erster Schritt ist gemacht. Ich hoffe, dass weitere folgen werden, aber dann bitte auch über das Maß der Meinungsbildung hinaus wirklich in Sachentscheidungen und in konkreten Initiativen. Ich hoffe, dass man auch auf der Bundesebene das eine oder das andere voranbringen kann, um wirklich mehr in Richtung eines fairen Handels zu kommen, damit der nicht nur in der Luft liegt, sondern sich auch faktisch an Rechtsnormen vollziehen kann. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als Nächste erhält das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Sie vorhin schon gehört haben, haben wir letztes Jahr im Dezember dem Antrag hier in der Bürgerschaft über alle Fraktionen hinaus zugestimmt. Damit haben wir ein Zeichen ge

setzt, dass uns in Bremen unsere Menschenrechts-, aber auch die ökologische und die soziale Verantwortung im Rahmen der öffentlichen Beschaffung durchaus bewusst ist. Dieser Antrag richtete sich gegen die Ausbeutung von Menschen, ganz speziell von Kindern, und gegen die Verletzung von Menschenrechten. Das ist unsere Verantwortung hier!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir sprechen über die Anschaffung von qualitativ hochwertigen Waren, die ökologischen, aber auch Transfair- und Menschenrechtsstandards entsprechen. Diese Palette der Produkte ist weit gefächert für die öffentliche Vergabe. Sie reicht über die Ausschreibung von Vergaben von Dienstkleidung, Lederwaren, Stoffen, Sportartikeln, Sportkleidung, Nahrungsmitteln, aber auch bis zu den vorhin schon genannten Pflastersteinen. Wir haben hier, wenn Sie sich erinnern, vor den Sommerferien noch eine Debatte zu den Laogai, also zu den Zwangsarbeiterlagern in China geführt, die uns noch einmal aufgezeigt hat, wie schwierig es oft ist, diese Produkte auch zu erkennen, dass sie aus solchen Lagern kommen. Daher, denke ich, muss man auch in Zukunft bei der Vergabe und beim Einkauf darauf achten, dass nicht nur der Preis zählt, sondern auch die Qualität, und dazu gehören diese sozialen Standards.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Aus diesem Grund begrüße ich den Novellierungsvorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums zum Vergaberecht, der nämlich vorsieht, das wurde vorhin auch gesagt, dass soziale Aspekte, aber auch Umweltkriterien im Vergabeverfahren zu berücksichtigen sind. Diese Aspekte sollen zukünftig bei der Angebotswertung als Bedingung für die Ausführung des Auftrags berücksichtigt werden. Wie gesagt, bisher galt als ausschlaggebendes Vergabekriterium der Preis. Mit der Idee, öffentliche Beschaffung zukünftig zu zentralisieren, kann man aber auch bessere Preiskonditionen aushandeln, weil man natürlich höhere Bestellmengen erzielt, das heißt, man kann bei der öffentlichen Vergabe auch damit seine Marktmacht nutzen.

Es ist nicht so, Herr Dr. Möllenstädt, dass es immer nur zu mehr Bürokratie führen muss. Nein, eine solche zentrale Organisation kann durchaus zu Bürokratieabbau führen. Dann muss demnächst nicht jeder wie bisher seine Angebote alle einzeln screenen und schauen, was das Billigste ist oder woher man Fair Trade bekommt. Nein, das kann man zentralisieren. Das ist damit sozusagen nicht nur eine Erleichterung und eine Arbeitsersparnis, sondern, weil man dann damit höhere Bestellmengen berücksichtigen

kann, auch ein durchaus attraktiver wirtschaftlicher Faktor.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Durch diese Schaffung der neuen Organisationsstruktur sollen mehr transparente Informationen über Anbieter und Produkte, eine Bündelung der Nachfragestärke und eine aktive Steuerung des Einkaufs erzielt werden. Ich persönlich wünsche mir, dass in Zukunft in Bremen nur noch Waren mit den entsprechenden Gütesiegeln bei der öffentlichen Beschaffung bestellt werden. Gütesiegel garantieren, dass bei der Herstellung die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation eingehalten werden, sie garantieren, dass die Produkte nicht aus Kinderarbeit entstanden sind und dass faire Preise bezahlt wurden, nämlich faire Preise für den Hersteller, aber auch für die Bauern, damit das Auskommen der Bauern für sich und ihre Familien gesichert werden kann.

Der Hinweis auf die faire Woche wurde jetzt von meinen beiden Vorrednern schon gebracht. Die faire Woche ist eine bundesweite Aktionswoche rund um das Thema fairer Handel, und sie hat das Ziel, den fairen Handel in Deutschland uns Verbrauchern noch mehr in das Bewusstsein zu rücken. Werden die hohen Standards des fairen Handels auch noch mit biologischer Anbauweise der Produkte verbunden, bringt das zusätzliche Vorteile, nämlich für die Umwelt, aber auch für die Menschen vor Ort, die diese Waren produzieren, aber auch für uns Konsumenten, die biologische Produkte damit konsumieren können.

Fairer Handel ist ein Beitrag zur Armutsbekämpfung. Armutsbekämpfung bedeutet mehr Chancen der Menschen auf Bildung und Gesundheit, und das ist ein Beitrag zur Vermeidung von Krisen und Krieg, von Flüchtlingsströmen und Vertreibung. Somit, meine Damen und Herren, sind wir auch wieder bei der UNDekade zur nachhaltigen Entwicklung angelangt, über die wir hier auch gestern ausführlich diskutiert haben. Jeder kann hierbei durch sein Kaufverhalten einen eigenen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten.

Ich möchte diese Stelle einmal nutzen, den Unterstützern und Organisatoren der fairen Wochen gebührend unseren Dank auszusprechen. Ich möchte damit abschließend noch einmal sagen: Fairness gilt nicht nur im Sport, jeder von uns kann fair sein, jeder von uns kann fair kaufen, Fairpay ist Fairplay, und das für eine gerechte Welt. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als Nächste erhält das Wort die Abgeordnete Frau Troedel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir waren von dem Zwischenbericht, der drei Seiten umfasste, etwas enttäuscht. Wir haben aber gerade erfahren, dass das eine oder andere, was noch nicht im Bericht erfasst wurde, in der Zwischenzeit zum Laufen gebracht worden ist.

Eine verantwortungsvolle öffentliche Beschaffung und Vergabe muss berücksichtigen, dass es um Arbeitsbedingungen Tausender Menschen geht, um deren Einkommen, Gesundheit und Existenz. Ich weiß, dass eine verantwortungsvolle öffentliche Beschaffung in Bremen nicht das grundsätzliche Problem der Ausbeutung von Kindern und die Ausbeutung der Menschen in Not lösen kann. Aber wir müssen bei unseren Entscheidungen immer im Kopf haben: Am stärksten betroffen bei der Beschaffung billiger Ressourcen, Produkte und Dienstleistungen sind oft die Kinder. Sie werden in ihrer Entwicklung gehindert. Statt in einer Schule zu sein, arbeiten zahlreiche Kinder in Bergwerken. Sie schuften in sogenannten kindergerechten Stollen, kindergerecht deshalb, weil die Gänge so niedrig sind, dass sie für die Erwachsenen nur schwer begehbar sind. Andere knüpfen mit ihren kleinen Händen Teppiche, oder sie nähen Fußbälle, mit denen sie niemals in ihrem Leben spielen werden.

Es ist unfassbar, dass in denselben Regionen, in denen 250 Millionen Kinder arbeiten müssen, 950 Millionen Erwachsene unterbeschäftigt oder arbeitslos sind. Kinderarbeit behebt keinen Arbeitskräftemangel, sondern schafft Arbeitslosigkeit. Kinderarbeit ist keine Zwangsläufigkeit, sondern ein profitables Geschäft, profitabel aber nicht für die Kinder oder deren Familien, sondern für große multinationale Unternehmen, die diese Kinder und ihre Familien ausbeuten.