Protocol of the Session on October 1, 2009

Die 52. Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag) ist eröffnet.

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse.

Gemäß Paragraf 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgende Eingänge bekannt: Nachträglich hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen noch um einige Wahlen gebeten.

1. Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses.

2. Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Ausschusses für Angelegenheiten der Häfen im Land Bremen.

3. Wahl eines Mitglieds der staatlichen Deputation für Wirtschaft und Häfen.

Ich schlage Ihnen vor, diese Wahlen am Schluss der Tagesordnung aufzurufen. – Ich höre keinen Widerspruch, dann können wir so verfahren.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen mitteilen, dass inzwischen interfraktionell vereinbart wurde, bei dem Punkt außerhalb der Tagesordnung betreffend das Bremisches Wahlgesetz nur die erste Lesung durchzuführen.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich die Gelegenheit nutzen, dem Fraktionsvorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion hier in der Bremischen Bürgerschaft meine herzlichen Glückwünsche für das errungene Mandat im Deutschen Bundestag auszusprechen. Herr Kollege Dr. Sieling, herzlichen Glückwunsch!

(Beifall)

Sie werden ja dieses Parlament verlassen, das ist Ihre letzte Sitzung heute. Sie waren 14 Jahre lang Mitglied in der Bremischen Bürgerschaft, Sie waren Landesvorsitzender, Sie waren viele Jahre im Landesvorstand der Sozialdemokratischen Partei. Sie waren immer ein fairer Streiter und Argumentierer, fundiert, jedenfalls immer an der Sache orientiert, und natürlich immer sehr zielorientiert, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen.

Sie gehen nach 14 Jahren parlamentarischer Arbeit im Land Bremen, in der Bremischen Bürgerschaft, in den Deutschen Bundestag nach Berlin. Das ist ein großer Schritt, und ich möchte Sie bitten – ich glaube, das kann ich im Namen aller Abgeordneten hier in der Bremischen Bürgerschaft sagen –, dass Sie mit den Kollegen, die aus dem Land Bremen nun in den Deutschen Bundestag gehen, gemeinsam für das Land Bremen streiten, für das Land Bremen das herausholen, was wir brauchen. Ich glaube, da sind Sie am richtigen Platz, an einer guten Stelle, damit das Bundesland Bremen weiterhin seine Chance bekommt, im Kanon der anderen 15 Bundesländer zu bestehen.

Ich gratuliere Ihnen noch einmal und wünsche Ihnen von Herzen alles erdenklich Gute!

(Beifall)

Gesetz zur Änderung des Bremischen Wahlgesetzes

Wiedereinführung der Fünfprozentklausel bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bremerhaven

Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 28. Mai 2008 (Drucksache 17/426) 2. Lesung

Wir verbinden hiermit:

Gesetz zur Änderung des Bremischen Wahlgesetzes

Bericht und Antrag des nichtständigen Ausschusses „Erleichterung der Volksgesetzgebung und Weiterentwicklung des Wahlrechts“ vom 23. September 2009 (Drucksache 17/934) 1. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Die Bürgerschaft (Landtag) hat den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in ihrer 23. Sitzung am 4. Juni 2008 in erster Lesung beschlossen und zur Beratung und Berichterstattung an den nichtständigen Ausschuss „Erleichterung der Volksgesetzgebung und Weiterentwicklung des Wahlrechts“ überwiesen. Dieser Ausschuss legt seinen Bericht und Antrag mit der Drucksachen-Nummer 17/934 dazu vor.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Bremischen Wahlgesetzes – Wiedereinführung der Fünfprozentklausel bei der Wahl der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bremerhaven –, Drucksache 17/426, ist durch das Urteil des Staatsgerichtshofs vom 14. Mai 2009, Aktenzeichen 2/08, als erledigt anzusehen.

Wir kommen daher zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs des nichtständigen Ausschusses „Erleichterung der Volksgesetzgebung und Weiterentwicklung des Wahlrechts“, Drucksache 17/934.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort als Berichterstatter der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute geht weitestgehend eine Phase der Arbeit zu Ende, die elf Kolleginnen und Kollegen dieses Parlaments zuverlässig jeden ersten Dienstag im Monat in der Mittagspause begleitet hat. Dieser Ausschuss hat mittlerweile fast zwei

Jahre getagt. Im ersten Abschnitt hat er sich der Volksgesetzgebung gewidmet, der Bericht hierzu ist Ihnen am 28. November 2008 zugegangen. Wir haben es in der letzten Sitzung entsprechend der Empfehlung des Ausschusses beschlossen.

Nunmehr legt der Ausschuss seinen zweiten und voraussichtlich letzten Bericht zum Teilbereich Wahlrecht vor. Dieser zweite Bericht widmet sich gemäß dem Einsetzungsbeschluss den Fragen Wahlalterabsenkung, Wahlrecht für EU-Ausländer, Wahlrecht für Drittstaatler und Nachsteuerungsbedarf beim bisher geltenden Wahlrecht. Der Ausschuss hat den vorliegenden Bericht in neun Sitzungen erarbeitet, er hat zur Frage der Wahlalterabsenkung einen und zur Frage der Verfassungskonformität der bisher geltenden Regelungen des Mandatsverteilungsverfahrens zwei externe Gutachter angehört.

Zur letzen Problematik wurden neben den beiden externen Gutachtern gutachterliche Stellungnahmen des Senators für Inneres, des Senators für Justiz und des Wissenschaftlichen Dienstes der Bürgerschaft eingeholt. Alle Stellungnehmenden haben dem Ausschuss ihre Ergebnisse mündlich vorgestellt und standen im Ausschuss Rede und Antwort. Der Ausschuss hat weiterhin die Ergebnisse einer Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags zum Ausländerwahlrecht, eine Sachverständigenanhörung des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses der Bremischen Bürgerschaft in der 15. Legislaturperiode zur Wahlalterabsenkung und einen schriftlichen Erfahrungsbericht des Hamburger Landeswahlleiters zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2007 einbezogen.

Zu einer Vielzahl von Detailfragen sind Stellungnahmen des Landeswahlleiters, des Senators für Inneres, des Senators für Justiz, des Wissenschaftlichen Dienstes und des European Centre for Parliamentary Research and Documentation eingeholt worden. Der Landesbehindertenbeauftragte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und hat seine Anliegen auch im Ausschuss persönlich vorgetragen. Unter Einbeziehung all dieser Informationen hat die Ausschussassistentin Frau Witt laufend abgeschichtete Teilberichtsentwürfe erstellt, welche es erlaubten, zügig einen Gesamtbericht zu entwickeln. Ihr gebührt für die geleistete Arbeit ein besonderer Dank des Ausschusses. (Beifall)

Der Ausschuss hat dann auch den vorliegenden Bericht infolge dieser Vorarbeiten einstimmig verabschiedet. Im Antragsteil zu diesem Bericht sind neben der Kenntnisnahme vier Beschlussvorschläge aufgeführt. Unter zwei finden Sie einen Gesetzentwurf, den wir heute in erster Lesung behandeln, unter drei einen Vorlagebeschlussentwurf für den Staatsgerichtshof, unter vier die Aufforderung zu einer Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes im Hinblick auf die Einführung eines staatlichen Wahl

rechts für EU-Ausländer und unter fünf eine entsprechende Initiative zur Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Ausländer.

Der Gesetzentwurf unter zwei hat im Ausschuss mit Ausnahme der darin enthaltenen Wahlalterabsenkung die Zustimmung aller Fraktionen erhalten. Die dort vorgeschlagene Wahlalterabsenkung wird von den Fraktionen der FDP und der CDU abgelehnt. Die jeweiligen Begründungen der Fraktionen sind in abweichenden Voten im Ausschussbericht enthalten. Der Vorlagebeschluss für den Staatsgerichtshof unter drei hat im Ausschuss die Zustimmung aller Fraktionen erhalten. Die Forderung nach einer Bundesratsinitiative zur Ermöglichung eines staatlichen Wahlrechts für EU-Ausländer unter vier hat im Ausschuss die Zustimmung der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der LINKEN und der FDP erhalten; die CDU lehnte diese Initiative ab. Die Bundesratsinitiative in Bezug auf das kommunale Wahlrecht für Ausländer unter fünf wurde im Ausschuss mit einem gleichlautenden Votum der Fraktionen versehen.

Gestatten Sie mir als Ausschussvorsitzenden, die inhaltlich einstimmigen Entscheidungen kurz darzustellen! Die Fraktionen können danach ihre jeweils streitigen Positionen selbst vortragen. Der vorliegende Gesetzentwurf, den wir heute in erster Lesung verabschieden wollen, folgt mit Ausnahme der Absenkung des Wahlalters im Wesentlichen den Vorschlägen der Verwaltung, um das hier bestehende Wahlrecht modernen Erfordernissen anzupassen. Über den Charakter von Detailregelungen hinaus geht die neue Konzeption, eigene zentrale Auszählwahlvorstände zu bilden. Hiermit wird der zu erwartenden längeren Auszähldauer in Folge des Mehrstimmenwahlrechts Rechnung getragen. Dieser Vorschlag der Verwaltung baut auf den Hamburger Erfahrungen mit einem Mehrstimmenwahlrecht auf.

Der einvernehmlich vorgeschlagene Vorlagebeschluss zum Staatsgerichtshof hat folgenden Hintergrund: Sowohl der Senator für Inneres als auch der Senator für Justiz haben in Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass das derzeitige Mandatsverteilungsverfahren verfassungsrechtlich problematisch sei. Das hierauf eingeholte Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes bestätigte diese Bedenken. Um klären zu können, ob eine Änderung der Bestimmungen zum Mandatsverteilungsverfahren rechtlich erforderlich wäre, beauftragte der Ausschuss zwei externe Gutachter. Leider kamen beide Gutachter zu entgegengesetzten Ergebnissen. Ich zitiere den Gutachter Meyer: „Das geltende Wahlrecht ist in den strittigen Punkten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.“ Ich zitiere den Gutachter Morlock: „Das gegenwärtig geltende Wahlsystem ist mit der Verfassung nicht zu vereinbaren.“

In dieser Situation hat der Ausschuss vereinbart, diese Frage dem Staatsgerichtshof vorzulegen, weil er sich nicht in der Lage sah, diese beiden Positionen aufzulösen, und sich deshalb auch nicht in der

Lage sah festzustellen, ob die bisher geltenden Regelungen gegen die Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen verstoßen. Zu den Ausführungen der Gutachter wird auf den vorliegenden Bericht verwiesen, sie sind alle darin enthalten, und man kann sie da nachlesen. Auf die Klärung dieser verfassungsrechtlichen Frage kam es aber nach der einvernehmlichen Ansicht im Ausschuss an. Diese Klärung ist erforderlich, da die Gefahr besteht, dass bei kommenden Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft aufgrund der bestehenden gutachterlich belegten Zweifel einer Verfassungsmäßigkeit, diese Wahlrechtsregelungen erfolgreich gerichtlich angefochten werden können. Zum Abschluss möchte ich neben der bereits schon erwähnten Frau Witt auch allen anderen Mitwirkenden danken, die zu der schnellen Bewältigung der komplizierten Materie beigetragen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Hervorheben möchte ich an dieser Stelle besonders Herrn Dr. Wrobel vom Senator für Justiz und Herrn Klünder vom Senator für Inneres, beide haben es vorgezogen, da der Ausschuss zwei Jahre getagt hat, sich nach sehr aktiver Mitarbeit im Ausschuss in den wohlverdienten Ruhestand zu verabschieden. Der Ausschuss wollte sie daran nicht hindern, wir haben mit ihren Nachfolgern auch gute Erfahrungen gemacht. Man kann aber sagen, dass wesentliche Teile dieses Gesetzes das Alterswerk von Herrn Dr. Wrobel und Herrn Klünder gewesen sind. Ich finde, das muss man besonders würdigen, deshalb danke ich ihnen!

(Beifall)

In Anbetracht der vielen weiteren Beteiligten verzichte ich allerdings darauf, diese einzeln zu benennen, weil ich dann ungefähr 25 Namen neben den Kollegen im Ausschuss vorlesen müsste. Ich glaube, jeder, der an diesem Ausschuss beteiligt war, weiß, was die Zuarbeiter geleistet haben, dafür gebührt ihnen herzlicher Dank!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Ausschuss, wir haben es gehört, legt Ihnen heute den zweiten und den abschließenden Teil seiner Arbeit vor. Ich möchte mich natürlich dem Dank des Vorsitzenden an die Verwaltung anschließen, an die beiden Ausschussassistentinnen, die wir benötigt haben. Ich möchte aber ihm auch als Vorsitzenden des Ausschusses für seine umsichtige und zielstrebige Arbeit danken.

(Beifall)

Wir haben ein gutes Ergebnis erzielt. Nicht jeder wird damit zufrieden sein, das werden wir hören, aber die Bilanz kann sich insgesamt sehen lassen, wenn man beide Teile zusammen nimmt.

Wir haben hier vor einem Monat den ersten Teil unserer Arbeit erfolgreich abgeschlossen, die Erleichterung von direkter Demokratie in Bremen und die Erleichterung von Volksbegehren und Volksentscheiden, die wir als rot-grüne Koalition angestoßen haben. Sie werden sich erinnern, das war eine Zitterpartie. Das war richtig spannend. Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bedanken und Respekt denjenigen zollen, denen es wichtiger war, das Erreichte und das Erreichbare festzuhalten und auch wirklich umzusetzen. Andere hatten nur im Kopf, dass sie sich durchsetzen, was immer das dann heißen würde. Am Ende war klar: Die CDU hat mit der Volksgesetzgebung nur ein politisches Spiel getrieben und jede Verbesserung mit ihrem Nein aufs Spiel gesetzt!

(Widerspruch bei der CDU)

Das ist die Wahrheit, verehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Nur weil Sie sich nicht durchsetzen konn- ten! Sie sind umgefallen!)