Ich eröffne die 56. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag). Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich zwei neunte Klassen des Förderzentrums an der Bardowickstraße. Seien Sie herzlich willkommen!
Gemäß Paragraf 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgende Eingänge bekannt: 1. Bologna-Prozess an bremischen Hochschulen im Interesse der Studierenden überprüfen und verändern, Dringlichkeitsantrag der Fraktion DIE LINKE vom 18. November 2009, Drucksache 17/1049. Gemäß Paragraf 21 Satz 2 unserer Geschäftsordnung muss das Plenum zunächst einen Beschluss über die Dringlichkeit des Antrags herbeiführen. Wer einer dringlichen Behandlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt einer dringlichen Behandlung zu.
Ich schlage Ihnen vor, diesen Antrag mit dem Tagesordnungspunkt 5, Entwicklung von Forschung und Lehre im Lande Bremen seit Bologna, zu verbinden. Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. 2. Keine Schließung der Bundesbank-Filiale in Bremen, Dringlichkeitsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP vom 18. November 2009, Drucksache 17/1050. Ich lasse auch hier über die dringliche Behandlung des Antrags abstimmen. Wer einer dringlichen Behandlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt einer dringlichen Behandlung zu.
Ich schlage Ihnen eine Verbindung mit dem Punkt außerhalb der Tagesordnung, Erhalt der BundesbankFiliale im Bundesland Bremen, Drucksache 17/1048, vor.
Auch dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann können wir so verfahren. 3. Nachträglich hat der Abgeordnete Möhle noch um zwei Wahlen gebeten. Ich schlage Ihnen vor, diese Wahlen zusammen mit den bereits vorhandenen Wahlen en bloc zur Abstimmung zu stellen. Auch dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Die übrigen Eingänge bitte ich dem heute verteilten Umdruck zu entnehmen.
Bremisches Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 27. November 2007 (Drucksache 17/156) 2. Lesung
Soziale und ökologische Reform des bremischen Vergaberechts Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 12. Mai 2009 (Drucksache 17/775)
Bremisches Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe Soziale und ökologische Reform des bremischen Vergaberechts Mitteilung des Senats vom 3. November 2009 (Drucksache 17/983) 2. Lesung
Die Bürgerschaft (Landtag) hat den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Bremisches Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe, Drucksache 17/156, in ihrer 12. Sitzung am 13. Dezember 2007 in erster Lesung beschlossen und zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Wirtschaft und Häfen, federführend, die staatliche Deputation für Arbeit und Gesundheit und die staatliche Deputation für Bau und Verkehr überwiesen. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE, Soziale und ökologische Reform des bremischen Vergaberechts, vom 12. Mai 2009, Drucksache 17/775, wurde von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 46. Sitzung am 28. Mai 2009 ebenfalls an die genannten Deputationen überwiesen. Diese Deputationen legen mit der Drucksachen-Nummer 17/983 ihren Bericht und Gesetzesantrag dazu vor.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte am Anfang damit beginnen, noch einmal eine kleine Rückschau zu halten! Sie wissen, dass wir die erste Lesung – der Präsident hat dies eben noch einmal vorgetragen – in dieser Legislaturperiode sehr frühzeitig durchgeführt haben und dass damals der Grundsatz galt, dass wir mit diesem neuen Tariftreue- und Vergabegesetz erreichen wollten, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort tatsächlich auch gezahlt werden kann und wir Mittel und Wege dafür finden wollten.
Das ist im Übrigen nicht nur etwas, was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrifft, sondern das betrifft in gleichem Umfang die Unternehmen. Auch für die Unternehmen ging es darum, dass sie unter solchen gleichen Bedingungen konkurrenzfähig sind, insbesondere auch zu Unternehmen aus dem europäischen Ausland, die sich hier bei uns um Aufträge bewerben.
Nun hat es dann ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegeben. Die Insider oder diejenigen, die sich mehr damit beschäftigt haben, kennen es unter dem Begriff „Rüffert-Urteil“. Dieses Urteil hat zunächst den allgemeinen Ansatz, der in dem ersten Entwurf der Koalitionsfraktionen verfolgt worden war, zunichte gemacht. Es war notwendig, dass mehrere Gutachten eingeholt werden mussten, es war notwendig, dass geprüft wird, wie man eigentlich das Ziel, Lohndumping zu verhindern, angesichts dieser Rechtsprechung ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
des Europäischen Gerichtshofs noch regeln kann. Wir haben deshalb – so muss man sagen – eine doch erhebliche Verzögerung gehabt, bis wir heute zur Verabschiedung des Gesetzes kommen können.
Im Übrigen erlaube ich mir zu sagen, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, glaube ich, sowohl für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch für die Unternehmen nicht sehr hilfreich gewesen ist.
Am Kern hat sich nichts geändert. Wir wollen Lohndumping im Interesse der Unternehmen und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verhindern. Wir wollen und werden die Tarifbindung festschreiben, dies können wir uneingeschränkt nur im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs. Ansonsten müssen wir uns der Mittel bedienen, die uns über das Entsendegesetz gegeben sind, das heißt, über die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen. Dies ist eine Krücke, die wir auch aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs gehen müssen. Wir werden mit diesem Gesetz erreichen, dass wir eine Tarifbindung haben, wir werden eine Bindung an das Entsendegesetz vorlegen können.
Wir werden zugleich auch etwas realisieren, was uns auch wichtig ist, nämlich einen Mindestlohn. Ich möchte bei dem Thema Mindestlohn noch einmal eines für die sozialdemokratische Bürgerschaftsfraktion deutlich betonen: Beim Mindestlohn geht es nicht darum, dass dies die Bezahlung sein soll, die vor Ort geleistet wird, sondern das ist die mindeste Bezahlung, die geleistet werden soll.
Wir streben nach wie vor an, dass wir Tarifverträge haben, die selbstverständlich mehr an Bezahlung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leisten. Das bedeutet, dass auch ihr Lebensstandard in einem höheren Maße gesichert ist. Mindestlohn ist der Versuch einer Existenzsicherung durch Arbeit, nicht mehr. Er ist nicht das Ziel dieses Gesetzes.
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass wir in dem Gesetz insgesamt auch weitere Kriterien aufgenommen haben, die im ersten Entwurf in dieser Ausführlichkeit und Form nicht vorhanden gewesen sind. Es handelt sich dabei insbesondere um die Aufnahme der Arbeitsnorm der internationalen Arbeitsorganisation. Da haben wir, wenn Sie sich erinnern, aufgrund eines Antrags, den DIE LINKE damals eingereicht hat, zwischen der ersten und der heutigen zweiten Lesung eine Debatte gehabt. Ich habe damals schon angekündigt, dass wir die internationale Arbeitsnorm in dieses Gesetz mit aufnehmen werden, weil es notwendig und wichtig ist, dass fairer Han
Zudem haben wir soziale Standards mit eingefügt. Wir setzen darauf, dass bei einem vergleichbaren Angebot diejenigen Unternehmen bevorzugt werden können, die sich an Ausbildung und Frauenförderung beteiligen, die die Förderung von Schwerbehinderten betreiben. Ich glaube, dies ist ein wesentlicher Punkt, dass wir nicht nur nach der Quantität des Angebots, sondern auch nach der Qualität des Unternehmens gehen. Das Ganze kann natürlich nur funktionieren, wenn man auch tatsächlich dafür sorgt, dass man es kontrolliert. Deswegen wird es eine Sonderkommission geben, die die Vergaben überprüft.
Ich kann mir vorstellen, dass sehr schnell der Vorwurf kommt, dass das Ganze zum bürokratischen Monster wird. Das genau wollen wir mit der Präqualifizierung vermeiden. Präqualifizierung bedeutet, dass Unternehmen unabhängig von einer Vergabe tatsächlich ihre notwendigen Unterlagen vorlegen müssen, dass sie berechtigt sind, ein Angebot auch abgeben zu können, dass sie den Kriterien genügen. Wir sind damit in der Lage, bei Angeboten ohne die Menge Papier, die heute vorgelegt werden muss, dies tun zu können. Insofern ist dies auch ein Stück Bürokratieabbau.
Ich glaube, wir legen Ihnen von daher jetzt nach einer Verzögerung ein Gesetz vor, das die Tariftreue festschreibt, das diese Tariftreue kontrolliert und qualitative Anforderungen an öffentliche Vergaben stellt. Ich nehme das Wort höchst selten in den Mund, aber ich darf mit einem gewissen Stolz sagen, dass wir in der Bundesrepublik auf diesen Gesetzentwurf bereits ein sehr positives Echo erfahren haben. Wir sind hier in einer Vorreiterrolle, wir sind hier, denke ich, ein Parlament – wenn wir es denn heute hier beschließen, und davon gehe ich aus –, das deutlich macht, dass öffentliche Vergaben auch damit zu tun haben, die Existenzsicherung von Menschen und auch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu garantieren.
Ich möchte mich zum Abschluss noch bei all denen bedanken, die sich in diesem langen Zeitraum manchmal ganz entnervt mit diesem Thema beschäftigt haben. Das betrifft sowohl die Vertreter des Ressorts als auch die Vertreter der Koalitionsfraktionen. Ich möchte mich im Übrigen auch bedanken, weil ich es – und das möchte ich auch ausdrücklich sagen – für einen guten Weg halte, dass die CDU in der Wirtschaftsdeputation diesem Gesetzentwurf zugestimmt hat. Wenn wir hier eine breite Mehrheit haben, glaube ich, dass wir zukünftig auf einer guten Grundlage
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Rot-Grün legt heute ein Gesetz in zweiter Lesung vor, das wir Ende 2007 hier eingebracht haben. Es sind zwei Jahre vergangen, wir haben in der Zeit eine breite öffentliche Anhörung gemacht, und die Ergebnisse wurden eingearbeitet. Danach – Herr Liess hat es erwähnt – gab es das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das sogenannte Rüffert-Urteil. Danach wurde das Vergabegesetz noch einmal grundlegend überarbeitet, und das Ergebnis liegt Ihnen jetzt vor. Das Ziel war und ist von Anfang an, fairen Wettbewerb bei öffentlichen Aufträgen zu garantieren, und dazu gehört für uns auch, dass ortsübliche Tariflöhne gezahlt werden, Jugendliche ausgebildet werden und dass Waren und Dienstleistungen fair beschafft werden.
Wir haben jetzt ein Gesetz bekommen, das die Einhaltung von Tarifverträgen stärkt, das den Mindestlohn, wo es möglich ist, festschreibt, und dort, wo Angebote gleichwertig sind, Unternehmen den Zuschlag bekommen können, die ausbilden, wo die Gleichstellung von Männern und Frauen Unternehmensziel ist und wo Schwerbehinderte beschäftigt werden. Außerdem werden wir bei der öffentlichen Beschaffung von Waren und Dienstleistungen soziale und ökologische Kriterien anlegen.
Wir haben jetzt ein Vergabegesetz, das vereinbar mit den europäischen Vorgaben und der Rechtsprechung ist. Bei Bauleistungen verlangt das hier vorgelegte Vergabegesetz, dass die im Arbeitnehmerentsendegesetz festgeschriebenen Tarifverträge beachtet werden, Herr Liess ist schon darauf eingegangen. Beim öffentlichen Personennahverkehr gelten die regionalen repräsentativen Tarifverträge, und bei allen anderen Dienstleistungen, die nicht europaweit ausgeschrieben werden, gilt der Mindestlohn; dies ist zum Beispiel beim Wach- und Reinigungspersonal der Fall. Ich finde, dass ein Mindestlohn ein Lohn ist, unter den man nicht gehen darf, darauf hat Herr Liess schon hingewiesen, er ist ein Meilenstein. Obwohl wir in Deutschland keinen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro haben, wollen wir ihn in unserem Verantwortungsbereich zur Grundlage nehmen. Das ist aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt gegen Lohndumping.