Martina Renner
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Last Statements
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das heute zu verabschiedende Gesetz vom Inhalt her, aber auch das Verfahren im Innenausschuss ist dem Regelungsgegenstand nicht angemessen.
Ein anderes Verfahren und ein anderes Umgehen wären schon deswegen notwendig gewesen, weil wir hier heute über das Polizeiaufgabengesetz nicht aus Einsicht beraten, sondern weil Gerichte das Parlament zu einer Novellierung veranlasst haben. Und ich glaube, gerade wenn es um Grundrechtsschutz geht, müsste das Parlament von sich aus tätig werden
und nicht erst warten, bis Bundesverfassungsgericht oder der Thüringer Verfassungsgerichtshof uns diese Aufgabe aufgeben.
Der Koalitionsvertrag hat ja im Kern schon die Entscheidung vorausgesehen, gewusst, was auf uns zugeht, oder eingesehen, dass die bisherigen Regelungen verfassungsrechtlich bedenklich sind, denn im Koalitionsvertrag wurde ja schon formuliert, dass eine Novelle auf den Weg gebracht werden soll, mit der tatsächlich ein Kernbereichsschutz realisiert werden soll, und dass diese Novelle in enger Abstimmung mit den Betroffenen erarbeitet werden soll. Und all das ist nicht realisiert. Wir haben keinen umfassenden Kernbereichsschutz und die Einbeziehung der Betroffenen - na ja,
wir haben den Schweinsgalopp im Innenausschuss erlebt, Anhörung und Beratung, Beschlussfassung an einem Tag, das ist keine ernsthafte Debatte, wenn es um verfassungsrechtliche Bedenken geht und um Grundrechtsschutz.
Was war Ergebnis der Anhörung? Wir hatten verschiedene Experten geladen und überwiegend gab es zwei Befunde. Erstens, im Gesetz sind handwerkliche Fehler. Es ist auch davon gesprochen worden, einiges sei mit heißer Nadel gestrickt. Aber viel schwerwiegender war die Feststellung, dass immer noch Teile des Gesetzes verfassungswidrig sind und dass möglicherweise bei einer neuerlichen Überprüfung vor dem Verfassungsgericht diese Regelungen nicht zu halten sein werden. Allein diese Feststellung hätte dazu ausgereicht, innezuhalten
im Innenausschuss und tatsächlich eine, ich sage einmal, zeitlich angemessene und inhaltlich auch fundierte Beratung durch die Fraktionen durchzuführen. Das haben wir mit Mehrheit im Innenausschuss dann gesehen, wie dies verhindert wurde.
Wir haben gesehen, wie die Mehrheit dies verhindert hat, ja.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken beziehen sich auf die Bereiche Kernbereichsschutz, also den Bereich der unmittelbaren privaten Lebensgestaltung, auf den Schutz von Berufsgeheimnisträgern und Berufsgeheimnisträgerinnen und auf die Rechte von Betroffenen von Polizeimaßnahmen. Und das war auch Gegenstand der Anhörung - im Zentrum der Diskussionen und Erörterungen stand die Frage, ob die Befugnisse zur verdeckten Datenermittlung im Bereich des Gefahrenabwehrrechts überhaupt notwendig sind. Ich glaube, auch diese Fragestellung haben wir dann in der Beratung zur Anhörung nicht angemessen erörtert. Wir haben nachgefragt, und nicht nur wir, auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, die Vertreter der Berufsverbände, also die Praktiker, die geladenen Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen, welche praktischen Erfahrungen sie mit dem Polizeiaufgabengesetz haben, und sie sollten uns Beispiele bringen für die Anwendung von Befugnissen aus dem Bereich der langfristigen Datenerhebung. Das haben wir auch die Landesregierung gefragt. Wir haben an keiner Stelle ein tatsächlich formuliertes praktisches Beispiel gehört. Es ging dann um Szenarien, darauf gehe ich später noch ein, es sind Spekulationen, die dieses Gesetz vorantreiben, keine praktischen Erfahrungen.
Der angehörte Ermittlungsrichter widerlegte für uns jedenfalls auch sehr eindringlich, dass überhaupt eine Notwendigkeit für diese Befugnisse besteht. Ich zitiere Herrn Eugen Weber: „Es ist in Deutschland ausgesprochen schwierig, eine Gefahr zu sein, ohne einem konkreten Tatverdacht ausgesetzt zu sein.“ Und er fragt zu Recht: „Die vom PAG Betroffenen sind nicht ganz so böse wie die von der StPO Betroffenen. Warum aber soll dann das PAG die härteren Regelungen haben?“
Ich finde, auf diese Frage haben wir auch keine Antwort bekommen.
Für uns steht fest, der Verdacht, dass hier in Zukunft schwere Grundrechtseingriffe auf der Grundlage von Mutmaßungen oder Verdächtigungen ermöglicht werden sollen, wurde für uns erhärtet. Am Ende stehen dann möglicherweise solche Maßnah
men wie die Telekommunikationsüberwachung des Infotelefons ab 1. Mai 2010. Ich glaube, dieses Beispiel macht ganz deutlich, dass es am Schluss um Unterstellungen geht und nicht um fundierte Anhaltspunkte.
Dies hat ja auch der Vertreter des Grundrechtekomitees formuliert, Herr Heiner Busch, als er schlussfolgerte, dass hier Maßnahmen der Vorfelderkundung als Abwehrmaßnahmen konkreter Gefahren verkauft werden sollen. Es werden mehr und nicht weniger Befugnisse auf Vorrat geschaffen ohne Notwendigkeit und ohne Praxisbezug.
Was eigentlich notwendig wäre, ist nicht erreicht worden oder nur in Teilen gelungen. Auch das Verfassungsgerichtsurteil ist für uns nur in wenigen Bereichen überhaupt adäquat umgesetzt worden. Ich glaube, die Zuschriften und Wortmeldungen der letzten Tage haben uns auch noch einmal bestärkt, ich erinnere da auch noch einmal an die letzte Wortmeldung der katholischen Kirche mit Blick auf das Beichtgeheimnis. Für uns ist der Kernbereichsschutz im Bereich der verdeckten Datenerhebungen de facto nicht gegeben, da durch das Wort „alleine“ dann wieder eine Einschränkung vorgenommen wird. Eine Vielzahl von Befugnissen zu verdeckten Datenerhebungen werden im Gefahrenabwehrrecht - also dort, wo einer konkreten Gefahr begegnet werden soll - verankert, obwohl diese Befugnisse ja gerade darauf ausgerichtet sind, auf Grundlage ihrer Komplexität und ihrer langen Vorbereitungszeit alles andere als geeignet sind, einer konkreten, spontan auftretenden Gefahr zu begegnen. Das betrifft für uns insbesondere die Bereiche Telekommunikationsüberwachung, Wohnraumüberwachung, den Einsatz verdeckter Ermittler, die Quellen-TKÜ und den Einsatz von Staatstrojanern.
Zur Quellen-TKÜ gab es ja eine längere Debatte im Innenausschuss. Dazu muss man, glaube ich, dann auch noch mal sagen, absolut unverständlich ist, wieso hier eine Befugnis aufgenommen wird, obwohl eine verfassungsrechtlich zulässige Software überhaupt noch nicht entwickelt wurde. Das ist ja noch nicht mal eine Befugnis auf Vorrat, das ist eine Befugnis auf reine Fantasterei.
Fiktion, Befugnisse auf Fiktion, Herr Adams hat recht. Das ist unglaublich. Ich glaube, was die Debatte zu Staatstrojaner angeht, die Worte von Herrn Snowden und die Warnung, die er an uns alle gerichtet hat, sind hier in Thüringen nicht angekommen.
Wir schaffen jetzt in diesem Gesetz die Möglichkeit, einen Staatstrojaner in Thüringen einzusetzen. Auch hier sage ich, ist der Anspruch, wie er im Koalitionsvertrag formuliert wurde, tatsächlich ein verfassungskonformes grundrechtsorientierte PAG auf den Weg zu bringen, nicht erfüllt.
Ich will noch an ein paar Stellen sagen, wo wir weiterhin Kritik sehen. Wir sehen Kritik darin, dass grundrechtsbeschränkende Befugnisse im Gefahrenabwehrrecht durch Verlängerungsmöglichkeiten quasi unbefristet ermöglicht sind. Wir haben Kritik am Einsatz des sogenannten IMSI-Catchers, weil hiermit eine unbestimmte Anzahl sogenannter Nichtstörer, also Unbeteiligter, in Anspruch genommen wird, und diese Regelung wird ja nun auch im PAG eigenständig vorgesehen. Wir haben Bedenken daran, dass die beschränkende Maßnahme der Unterbrechung der Kommunikation ohne richterliche Kontrolle ermöglicht werden soll. Es wird keine Vorschrift zur Löschung rechtswidrig erworbener Daten im Gesetz verankert. Auch das kritisieren wir. Und wir sagen, die notwendige Benachrichtigung von Betroffenen verdeckter polizeilicher Maßnahmen ist umgehbar geregelt; hier auch dann entsprechend unser Änderungsantrag.
Eine weitere Kritik richtet sich für uns an die Rasterfahndung, weil hier in die Rechte von Unverdächtigten eingegriffen wird. Wir halten diese Befugnis an dieser Stelle im Gefahrenabwehrrecht für absolut entbehrlich. Wir haben unsere Änderungsanträge bereits im Mai eingereicht und ich sage auch, wir haben nach der Anhörung an der einen oder anderen Stelle unseren Änderungsantrag überarbeitet. Ich glaube, das ist auch ein angemessener Umgang mit den vorgelegten Stellungnahmen. Wir stärken mit unserem Änderungsantrag den Schutz des Kernbereichs und den Schutz der Berufsgeheimnisträger und Berufsgeheimnisträgerinnen, weil wir diesen Schutz eben am Anfang des Gesetzes verankern und nicht erst im Bereich der verdeckten Datenerhebung und damit diesen Kernbereichsschutz und den Schutz von Berufsgeheimnisträgern und Berufsgeheimnisträgerinnen für alle Maßnahmen der Polizei festschreiben, zum Beispiel auch bei Durchsuchungen von Personen und Sachen oder beim Betreten von Wohnungen. Wir streichen alle Befugnisse zur verdeckten Datenerhebung, die weder als Gefahrenabwehrmaßnahme geeignet sind, noch aufgrund der in jedem Fall vorliegenden Straftatsrelevanz notwendig sind, da für uns vergleichbare und verfassungsrechtlich saubere Regelungen in der StPO existieren.
Damit wollen wir ein klares Zeichen setzen, dass der nachrichtendienstliche Charakter der Polizei zu Recht gestutzt werden muss.
Das betrifft insbesondere den Bereich der TKÜWohnraumüberwachung, Bestands- und Verkehrs
datenauskunft, Quellen-TKÜ und den Einsatz verdeckter Ermittler.
Wir hatten in der ersten Überlegung auch eine Idee, die sich jetzt mit den Vorschlägen von Grünen und FDP trifft, dass man allein die Befugnisse bürgerrechtlich beschränken sollte. Aber gerade die Ergebnisse der Anhörung haben uns gezeigt, dass aufgrund der Grundrechtsrelevanz, aber auch der fehlenden Notwendigkeit ein Vorhalten von Maßnahmen zur verdeckten Datenerhebung im Polizeiaufgabengesetz auf Vorrat für uns weder inhaltlich noch faktisch begründet ist.
Wir hatten nach den konkreten Beispielen gefragt, die haben wir nicht bekommen. Dann gab es Spekulationen, Fiktionen und wir haben Bereitschaft gezeigt, die anderen Kolleginnen und Kollegen auch, dem Innenminister zu folgen und Geiselnahmen zu diskutieren, an deren Rande sich unbeteiligte Dritte über das Herannahen der SEK unterhalten. Wir haben uns mit Kofferbombenattrappen sowie vergessenen Reisekoffern auf Bahnhöfen beschäftigt, mit Bomben in Koffern, die mittels Handy gezündet werden und auf den Papst zutretende Personen. Das ganze Programm - es waren reine Fiktionen.
Wir kommen zu dem Ergebnis bei allen diesen Szenarien, dass weder Wohnraumüberwachung noch der Einsatz verdeckter Ermittler, noch eine Telekommunikationsüberwachung, erst recht kein Staatstrojaner geeignete Befugnisse zur Abwehr einer sich möglicherweise aus diesen Situationen ergebenden konkreten Gefahr darstellen,
sondern wir beschränken die Befugnisse im Gefahrenabwehrrecht in Zukunft auf drei Bereiche: erstens die Ortung, zweitens die Unterbrechung von Kommunikation und drittens der Einsatz nicht offen ermittelnder Polizeibeamter.
Unser Änderungsantrag sieht vor, dass die Ortung von gefährdeten und vermissten Personen unter Richtervorbehalt gestellt wird bzw. bei Gefahr im Verzug unter eine nachträgliche richterliche Kontrolle.
Zweitens: Wir stellen den Einsatz nicht offen ermittelnder Polizeibeamter und Polizeibeamtinnen ebenfalls unter den Richtervorbehalt und begrenzen diesen Einsatz.
Drittens: Die Unterbrechung laufender Kommunikation ist nur möglich bei einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand des Bundes oder des Landes bzw. für Leib, Leben und Freiheit, bei Drittbetroffenen im
mer unter Beteiligung eines Richters, so unser Vorschlag.
Viertens: Bestellung und Anhörung eines Verfahrensbevollmächtigten bei endgültiger Entscheidung über Nichtbenachrichtigung betroffener Personen durch das Beschwerdegericht ist für uns zwingend. Und - dazu nur ein Satz, aber klar - wir sagen, wir wollen keine Änderung des Ordnungsbehördengesetzes, da die bisherigen Ermächtigungen zum Erlass von Satzungen vollkommen ausreichend sind. Ich glaube, das war auch ein klares Ergebnis der Anhörung.
Doch, für uns ja. Dann haben wir weiteren Änderungsbedarf im PAG formuliert. Ich hatte es auch schon in der ersten Lesung gesagt. Das betrifft für uns Forderungen, die schon lange im Bereich des Grundrechtsschutzes, aber auch im Bereich des Schutzes der Bürgerrechte formuliert sind und von vielen, gerade sich mit dem Polizeirecht systematisch und fachlich beschäftigenden Personen und Institutionen geteilt werden, nämlich die Einführung einer Kennzeichnungspflicht, die Streichung der eine rassistische Kontrollpraxis befördernden Befugnis zur Identitätsfeststellung, die Stärkung des Versammlungsrechts durch Streichung der grundrechtseinschränkenden Eingriffsnorm zur verdachtsunabhängigen Kontrolle von Versammlungsteilnehmern und -teilnehmerinnen, die Stärkung der Rechte von Betroffenen von polizeilichen Maßnahmen und das Verbot von Distanzelektroimpulswaffen in Thüringen und die Einordnung von Reiz- und Betäubungsstoffen als Waffen und nicht mehr als Hilfsmittel. Ich glaube, ein zweiter Moment ist wichtig gerade auch in der Debatte um eine bürgernahe Polizei. Die Stärkung der Transparenz und der Kontrolle polizeilichen Handelns wollen wir durch eine Polizeibeschwerdestelle stärken
und - das ist für uns auch Ergebnis parlamentarischer Arbeit in den letzten Jahren - wir sagen, wir brauchen eine parlamentarische und damit öffentliche Kontrolle polizeilichen Handelns durch einen Polizeiausschuss im Landtag, insbesondere, was den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel durch die Polizei angeht.
Wir haben es jetzt als Parlament in der Hand, ob dies ein guter Tag für die Grund- und Bürgerrechte wird. Bleibt das Gesetz so, wie es vorliegt, ist der Weg nach Weimar, glaube ich, vorgezeichnet.
Ich fände es schade, wenn wir erneut in der Situation stehen müssten, dass die Gerichte uns aufzeigen, wo die rote Linie der Verfassung verläuft. Ich glaube, wir müssten eigentlich hier unsere Aufgabe darin verstehen, heute tatsächlich ein verfassungs
konformes Gesetz auf den Weg zu bringen. Ich hoffe, dass möglicherweise auch durch ein Einsehen der Regierungskoalition noch der Weg eröffnet wird, heute das Gesetz erneut an den Innenausschuss zurückzuüberweisen und uns dort die Möglichkeit zu eröffnen, dass wir hier tatsächlich zu einem PAG kommen werden, wo Verfassungsgerichte uns im Nachhinein nicht rüffeln, sondern loben. Danke.
Danke, Frau Präsidentin. Herr Gentzel, ich muss auf das von Ihnen Vorgetragene eingehen. Sie haben gesagt, wir hätten im Innenausschuss die Aufgabe gehabt, abzuwägen zwischen Kernbereichsschutz, also Grundrechtsschutz, und auf der anderen Seite Fragen der polizeilichen Praxis, also dem Vollzug von Gesetzen. Ich frage Sie ganz ernsthaft als Gesetzgeber: Sind diese beiden Rechtsgüter gleichgewichtig oder müssten wir uns als Gesetzgeber nicht zuerst die Frage beantworten, ob dieses Gesetz verfassungskonform ist,
und dann als Zweites die Frage stellen, ob die Regelungen vernünftig, handhabbar, verständlich für den Polizeibeamten und die Polizeibeamtin sind? Diese beiden Dinge auf eine Stufe zu stellen, zeigt, wie wenig Sie tatsächlich vom Gedanken geleitet sind, zuerst Verfassung und Grundrechtsschutz in den Blick zu nehmen.
Dann noch etwas. Wir haben in der Anhörung Herrn Dr. Dr. h.c. Hirsch gefragt: Was passiert denn
eigentlich, wenn wir im September im Plenum dieses Gesetz nicht verabschieden? Er sagte, natürlich ist das misslich und natürlich ist das nicht schön für den Gesetzgeber, aber wenn wir die Zeit brauchen, ein verfassungskonformes Gesetz zu finden, sollten wir uns die Zeit geben. Diese Zeit haben wir uns nicht genommen und das ist das Problem heute.
Herr Fiedler, ich sehe schon so ein gewisses Déjàvu vor mir: 2009 standen Sie hier und haben gesagt, ein so tolles PAG ist jetzt in Thüringen auf den Weg gebracht worden, die Fachwelt wird das noch loben. Wir haben gesehen, wie das Lob ausgefallen ist. Das war eine Klatsche und kein Lob.
Jetzt stehen Sie schon wieder hier und sind überzeugt, dass alles richtig ist und jeder Zweifel wird beiseite gewischt und es wird vorgetragen, dass zigfach geprüft und alles schon okay ist. Lassen Sie doch den Zweifel zu, lassen Sie uns doch dieses Gesetz erneut im Innenausschuss beraten, lassen Sie uns tatsächlich ein verfassungskonformes Gesetz auf den Weg bringen!
Das sollten wir uns mit Blick auf die Grundrechte als Aufgabe stellen.
Ja, ich möchte mein Abstimmungsverhalten zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN damit erläutern, dass wir natürlich bei aller inhaltlichen Differenz jetzt diesem Antrag zugestimmt haben, weil wir den Gedanken des Kollegen Adams teilen, dass jeder Änderungsantrag, der hier heute vorgelegt wurde, besser ist als das durch die Landesregierung vorgelegte Gesetz.
In dem Sinne werde ich auch dem Änderungsantrag der FDP meine Zustimmung geben.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ja, Herr Fiedler, Sie haben recht und ich finde dieses Thema tatsächlich auch ungeeignet für eine Aktuelle Stunde
und ich finde es auch unpassend - und ich will es auch gleich erklären -, unpassend für ein Parlament, das tatsächlich darum ringen müsste, welche Konsequenzen wir aus dem NSU-Skandal ziehen. Da müssten wir Fragen finden zur Ausbildung der Polizei, zur kriminalpolizeilichen Praxis, zum Landesprogramm und seiner Neujustierung.
Wir müssten uns positionieren gegen den Extremismusbegriff und wir müssten eine Gedenkkultur entwickeln, die alle Opfer von Nazigewalt nach 1989 einschließt.
Stattdessen wird hier um eine sogenannte Reform des Verfassungsschutzes gebettelt fast und diese Reform wird justiert aus Sicht der Regierung und aus Sicht der Sicherheitspolitik. Ich glaube, da gehen Sie fehl und vor allem hören und sehen Sie nicht das, was gesprochen wird. Gehen Sie raus auf die Straße. Der Inlandsgeheimdienst ist bis in die Basis delegitimiert,
und das nicht nur aus seiner Gründungsgeschichte heraus, sondern auch aus den Verbrechen, in die er verstrickt ist, und das schon lange vor NSU. Ich sage nur Celler Loch, Oktoberfest-Attentat oder Schmücker-Prozess. Und das, was die Untersuchungsausschüsse in Bund und in den Ländern zutage gefördert haben, hat im Grunde nur den Argumentationsrahmen erweitert, auf dessen Grundlage wir sagen können und deutlich sagen müssen, der Verfassungsschutz und alle Inlandsgeheimdienste gehören aufgelöst.
Ich will das noch einmal für Thüringen ganz kurz begründen. Unser Landesamt hat den Thüringer Heimatschutz, also die Neonazidachorganisation, in den 90er-Jahren gegründet, über seine Spitzel versucht, diesen zu steuern, Neonazis alimentiert, Verbrecher geschützt, die Polizei sabotiert und die Justiz manipuliert.
Zu seinen besten Zeiten haben sich die Adlaten von Roewer und die Nocken-Brigade gegenseitig operativ im Gehege gestanden und zur Krönung dann Spitzel an- und abgeschaltet, teilweise auch enttarnt, als wäre es deren privates Hobby gewesen. Wir glauben nicht, dass diese Behörde zur Katharsis fähig ist und ich will das auch begründen. Diejenigen, die Anfang der 2000er-Jahre gerufen wurden, in dem Laden aufzuräumen, Herr Sippel und Herr Gasser, was hat sich unter deren Egide dann verändert? Diejenigen haben später genauso weitergemacht, wie die Skandale in den 90er-Jahren begonnen haben.
Das können wir an der V-Mann-Führung des NPDFunktionärs Kai-Uwe Trinkaus deutlich erkennen. Ein Betrüger und Krimineller, der Demokraten infiltriert, mit Gewalttätern paktiert, wird verpflichtet und erhält zum Lohn dafür nicht nur Geld, sondern gleich noch eine Adressliste des politischen Gegners, damit er seine Neonazi-Hooligan-Freunde schicken kann, damit diese dann diese attackieren.
Nichts hat sich geändert und nichts wird sich ändern.
Man muss an den Grund des Übels gehen. Nur dann kann man tatsächlich über die Zukunft eines wirklichen Verfassungsschutzes einer echten Demokratiebehörde nachdenken. Ein Geheimdienst mit nachrichtendienstlichen Befugnissen ist ein Anachronismus in einer offenen Gesellschaft. Er gefährdet Demokratie und er ist nicht kontrollierbar.
Und zum Scheitern der Kontrolle habe ich hier wenig gehört, Herr Fiedler. Was ist eigentlich mit der Parlamentarischen Kontrollkommission? Von Anfang bis zum Ende hat man sich belügen lassen, man hat sich missbrauchen lassen oder man wollte es nicht besser wissen. Ich kann es nicht klären, es ist ja eine geheime Institution, deswegen kann ich nicht reingucken.
Wenigstens im Fall von Herrn Trinkaus wäre ein Eingeständnis der Akteure in der Parlamentarischen Kontrollkommission längst überfällig gewesen,
dass es auch das Versagen der Parlamentarischen Kontrollkommission war, dass dieser Fall überhaupt erst geschehen konnte.
Und jetzt wollen Sie auch noch einen zivilgesellschaftlichen Beirat gründen, der in Zukunft das Wesen des Geheimdienstes bemänteln soll. Ich bin so froh, dass sich die Bürgerbündnisse in Thüringen deutlich positioniert haben und gesagt haben, für so eine Alibiveranstaltung stehen sie nicht zur Verfügung.
Sie sehen dieser Tage unsere Wahlplakate und wir haben ja ein bisschen selbstironisch plakatiert: Revolution mit Fragezeichen und dann sagen wir Nein, wir machen Realpolitik, Mindestlohn, Abschaffung der Leiharbeit und so weiter. Aber ich sage Ihnen ganz klar: In der Frage der Geheimdienste wollen wir einen klaren Bruch, einen klaren Bruch mit der Logik dieses Geheimdienstes, mit den Befugnissen und der Praxis. Dieses Amt muss geschlossen werden. Es braucht keinen Umzug, es braucht auch keinen neuen Chef, es braucht auch keine neuen Mitarbeiter, es braucht keine neuen Vorschriften und Gesetze, die sowieso nicht eingehalten werden, das wissen wir dann auch. Wir wollen auch keine Offensive in der Öffentlichkeitsarbeit, um Gottes Willen das nicht, wir wollen tatsächlich eine Diskussion, eine Landesbehörde zu schaffen, die Demokratiezentrum ist, die öffentlich-wissenschaftlich arbeitet, transparent ist und die tatsächlich dann das leistet, was geleistet werden muss, die Verfassung schützen, die Demokratie stärken. Ich glaube, dann könnte sich Thüringen einen Namen machen als Reformland, das wäre zu wünschen. Danke schön.
Frau Präsidentin, liebe SPD-Fraktion, ich glaube, Sie können sich jetzt freuen, ich werde Sie jetzt mehrfach zitieren müssen. Zuerst einmal aus einer Pressemitteilung vom 20. März 2013: Die SPDLandtagsfraktion spricht sich für zeit- und inhaltsgleiche Anpassung der Beamtenbesoldung an das Tarifergebnis aus. Die SPD-Fraktion im Thüringer Landtag hat das Ergebnis der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder als gutes Ergebnis gewürdigt. Ja, ganz richtig, es geht hier um Inflationsausgleich. Der muss allen Beschäftigten, auch den Beamtinnen und Beamten zustehen. Und wenn Sie dann damals weiter formulierten: Auch wenn es ein erheblicher finanzieller Kraftakt für das Land ist, sollten wir die Beamtenbezüge zeitnah angleichen, um die Vergütung von Angestellten und Beamten nicht auseinanderdriften zu lassen. Ja, dann ist das auch richtig, weil Geld da ist, wenn man will, das haben wir ja auch an vielen Stellen klargemacht. Und es gibt den Gleichbehandlungsgrundsatz, auf den Sie hier abstellen. Und dann gehen Sie in der Pressemitteilung auch noch darauf ein, dass angesichts der Herausforderungen, die im Land anstehen oder schon vollzogen wurden, nämlich die Strukturveränderungen, ich verweise nur auf die Polizeistrukturreform oder die notwendige Debatte zur Gemeinde-, Funktional- und Verwaltungsreform, natürlich auch auf die Beamten und Beamtinnen eine besondere Verantwortung zukommt und man natürlich auch in diesen anstehenden Reformprozessen deren Arbeit würdigen sollte, auch durch eine entsprechende zeit- und inhaltsgleiche Übernahme des Tarifabschlusses. Wir haben dann auch im Plenum nichts anderes von Ihnen gehört. Herr Kollege Pidde hat am 11.07. hier im Thüringer Landtag gesagt, als wir die erste Beratung durchgeführt haben, ich zitiere: „Der Finanzminister hat seine Arbeit gemacht und er hat hier einen ordentlichen Gesetzentwurf vorgelegt. Jetzt sind wir an der Reihe und bisher haben die wenigsten Gesetze ohne Veränderung den Landtag wieder verlassen. Jetzt sind wir an der Reihe, das, was der Finanzminister uns vorgelegt hat, zu beraten und zu bewerten.“ Und weiter: „Wir haben hier im Hohen Haus schon mehrfach darüber diskutiert, auch in der Aktuellen Stunde, und ich habe mich
auch dafür ausgesprochen, dass nicht nur die inhaltsgleiche Übertragung erfolgen soll, sondern dass die Beamten gleichgestellt werden sollen, also auch zeitgleich. Das ist mit diesem Gesetzentwurf nicht gelungen. Deshalb sehe ich jetzt den Landtag am Zug.“ Also gleich an drei Stellen wurde auf den Landtag verwiesen und die Chancen hätten bestanden, zum Beispiel entsprechende Änderungsanträge in den Ausschussberatungen vorzunehmen. Ich wüsste nicht, dass das geschehen ist, außer von unserer Seite. Aber die Versprechen waren da und das Primat des Landtags wurde nicht eingehalten. Ich würde gerne dann nachher auch in dem Redebeitrag der Kolleginnen und Kollegen aus der Sozialdemokratie einmal etwas hören,
was mit den Äußerungen in dieser Pressemitteilung und mit diesen Äußerungen in der ersten Beratung ist und wie man in den Ausschüssen gekämpft hat und warum man dann schließlich umgefallen ist. Wir geben noch mal eine Chance, wir haben heute noch mal einen Änderungsantrag vorgestellt. Mit unserem Änderungsantrag entsprechen wir ganz genau den Forderungen der SPD, wie sie von Ihnen in den vorangegangenen Debatten formuliert wurden. Wir fordern die zeit- und inhaltsgleiche Übernahme des Tarifabschlusses für die Beamtinnen und Beamten des Landes, nicht mehr und nicht weniger. In Punkt 1 soll die Besoldungserhöhung zum gleichen Zeitpunkt gelten wie für die Angestellten, das ist einfach gerecht, das muss nicht weiter erklärt werden. In den Punkten 2 bis 4 ist geregelt, dass die Anwärter in Thüringen, genau wie die Azubis, im Jahr 2013 eine Erhöhung von 50 € bekommen und nicht, wie die Landesregierung das vorsieht, nur ca. 20 bis 30 € je nach Eingangsamt. Warum ausgerechnet bei den Anwärtern gespart werden soll und nicht etwa bei den Staatssekretären oder Präsidenten mit einer B-Besoldung, ist für uns absolut nicht nachvollziehbar. Wir wollen, das ist der Kern unseres Änderungsantrags, die tatsächliche Gleichbehandlung von Beamtinnen und Beamten und Beschäftigten und das heißt nicht, dass wir unsere grundlegende Kritik am Beamtentum nun hinten anstellen oder vergessen haben. Aber dieses Gesetz, wo es um die Besoldung geht, ist unserer Meinung nach nicht geeignet, die notwendige Debatte um die Zukunft des Beamtenrechts und die Zukunft des Beamtentums zu führen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich kann Sie nur auffordern, unserem Änderungsantrag heute nachzukommen. Damit stimmen Sie einer SPDForderung zu. Dies können sie einmal ausnahmsweise damit tun, indem Sie einem LINKEN-Antrag zustimmen. Aber vielleicht folgen dann den vielen Worten in Pressemitteilungen, Reden und Erklärungen tatsächlich auch Taten, das wäre im Interesse der Beamtinnen und Beamten. Und ich weiß, die schauen heute in diesen Plenarsaal und hoffen auf
eine Entscheidung von Ihnen in ihrem Sinne. Danke.
Danke, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Voß, ich habe Ihrer Rede intensiv zugehört, aber ein Eindruck ist geblieben, der Eindruck, mein Sparkassenberater hat sich heute hier hineinverirrt und hätte hier vorne Daten, Zahlen, Prozente vorgetragen,
aber kein Politiker hat gesprochen. Vor allem hat kein Politiker eine Antwort auf das gegeben, was gestern die Beamten und Beamtinnen, der DGB, die Einzelgewerkschaften, GEW und GdP, aber auch Beschäftigte der Berufsfeuerwehr, auch der Forstverwaltung hier vor dem Landtag angemahnt haben, gefordert haben, dazu kein Wort. Das ist bedauerlich und ich glaube, das ist auch ein falsches Signal an die Beschäftigten. Ein Zweites muss man an dem Tag sagen: Auch beim Besoldungsgesetz gilt das, was wir heute schon erleben mussten auch zum Beispiel bei dem Tagesordnungspunkt Kommunalordnung. Sie können natürlich über die Mehrheiten hier das durchsetzen, was Sie wollen, das ist Ihr gutes Recht, aber …
Nein, was Sie wollen. In dem Falle den berechtigten Forderungen nach Besoldungsgerechtigkeit widersprechen. Aber Sie müssen dann wenigstens denen, die zum Beispiel gestern hier vor dem Haus Postkarten übergeben haben, die uns Stellungnahmen geschickt haben, die uns Zuschriften zugeleitet haben, doch auch wirklich Ihre Gründe offenlegen für diesen Schritt und sich nicht hinter einem Rechenschieber verstecken. Das wäre angemessen und auch ehrlich.
Noch etwas, was auch das Thema Unehrlichkeit betrifft. Wie ist es denn, wenn man die betroffenen Berufsgruppen ansieht, die Lehrerinnen und Lehrer, die Polizistinnen und Polizisten? Überall wo Innenpolitik ist, wo Bildungspolitik ist, da gilt natürlich immer zuerst der Dank an die Beschäftigten, auch an die Beamtinnen und Beamten. Wenn man zum Sommerfest des LKA und der Bereitschaftspolizei geht, da lässt es sich Herr Fiedler nicht nehmen, auf die Bühne zu springen und den herzlichen Dank für die geleistete Arbeit und den Einsatz der Polizei zu verkünden. Ja, aber das ist ein ziemlich leerer Dank. Ein ehrlicher Dank des Parlaments wäre es gewesen, eine inhalts- und zeitgleiche Übernahme des Tarifabschlusses, eine verbindliche Regelung zu einem Beförderungskorridor verlässlich über die nächsten Jahre und vor allem, und das muss es endlich in diesem Haus auch geben, ein Bekenntnis gegen die unsachlichen Stellenabbaupläne, die alle Monate, alle Wochen hier durch die Medien gejagt werden.
Wir haben den ersten Punkt von diesen drei von mir genannten wichtigen Kernpunkten, wenn man ernsthaft den öffentlichen Dienst, die Beschäftigten, die Beamtinnen und Beamten, ihre Motivation im Blick haben würde, wir haben den ersten Punkt, also die inhalts- und zeitgleiche Übernahme des Tarifabschlusses für die Angestellten des öffentlichen Dienstes der Länder auf die Besoldung der Beamten und Richter hier mit einem Antrag im Mai zum Thema gemacht. Wir konnten uns mit unseren Argumenten nicht durchsetzen. Und zeitgleich lag damals schon der Entwurf für das heute zur Beratung vorliegende Gesetz dem Landtag vor. Grundlage für die Entscheidung ist der Beschluss des Thüringer Kabinetts vom 16. April, den Tarifabschluss vom 9. März weder zeit- noch inhaltsgleich, sondern zeitlich stark verschoben und lediglich inhaltsähnlich, weil abzüglich von 0,2 Prozentpunkten für den Pensionsfonds zu übernehmen.
Die Landesregierung schlägt dem Landtag ausgehend vom Tarifabschluss vor, Beamten im Jahr 2013 fast 24 Prozent eines Monats gegenüber den Angestellten und im Jahr 2014 noch mal etwa 20 Prozent zu kürzen oder - um es fassbarer zu machen - was das für die Lebensrealität von Beamtinnen und Beamten heißt: Eine Beamtin in der Besoldungsgruppe A 7, dem Eingangsamt, also des mittleren Dienstes zum Beispiel bei der Polizei, in dem etwa ein Drittel der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten über 10 Jahre verharren müssen in Thüringen - das ist ein eigener Skandal, der auch noch thematisiert werden müsste - verliert in den Jahren 2013 und 2014 etwa 1.200 € gegenüber einer Angestellten, die eine gleiche Tätigkeit verrich
ten würde. Das ist die Realität und das müssen Sie den Beamtinnen und Beamten, die hier draußen vor der Tür standen, die uns geschrieben haben, erklären, wie diese Ungerechtigkeit zustande kommt. Es ist daher auch folgerichtig, dass neben dem DGB und den Einzelgewerkschaften sich auch der Thüringer Beamtenbund an uns gewandt hat und uns seine Auffassung zu dem Gesetzentwurf mitgeteilt hat. Er sagt: „Eine Anpassung an den Kaufkraftverlust ebenso wenig wie eine Anpassung an die allgemeine Einkommensentwicklung ist mit diesem Gesetzentwurf gegeben.“ Das ist die Stellungnahme vom 7. Juni 2013, Sie haben sie alle bekommen.
In der Beratung zu dem Antrag meiner Fraktion im Mai dieses Jahres hat meine Kollegin Sabine Berninger die Gründe genannt und vorgetragen, die für eine inhalts- und zeitgleiche Übertragung des Tarifabschlusses sprechen. Ich möchte die noch mal in fünf Punkten wiederholen:
1. Bei der Tariferhöhung handelt es sich allenfalls um einen Ausgleich der Teuerungsrate, nicht aber um tatsächliche Lohnerhöhung.
2. Eine Anpassung an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse ist gesetzlich vorgeschrieben.
3. Ein Auseinanderdriften - auch kein zeitweiliges der Vergütung von Angestellten und Beamten darf nicht zugelassen werden.
4. Faire Bezahlung für geleistete Arbeit, auch als Anerkennung und Motivation bevorstehender Umbruchprozesse im öffentlichen Dienst, zum Beispiel im Rahmen einer funktionalen Verwaltungsreform, und wir betonen auch den Zusammenhang zwischen Nettolohnerhöhung und Stärkung der Binnennachfrage als volkswirtschaftliche Größe.
Einzig als Argument in der Debatte zu unserem Antrag wurden uns die haushalterischen Belange entgegengehalten. Das ist das, was wir heute Morgen eingangs auch bei der Begründung des Gesetzentwurfs gehört haben. Und das vermag uns, das vermag aber vor allem nicht die Betroffenen zu überzeugen.
Und wir wollen - wenn Sie es gerne wollen - auch noch mal auf die Zahlen eingehen. Da wäre zum einen die eingestellte Personalkostenreserve von 3 Prozent in 2013 und im Jahr 2014 von weiteren 3,3 Prozent; zum anderen geht es auf Grundlage der vom Finanzminister vorgetragenen Zahlen für die Jahre 2013 und 2014 einmalig um die Summe von 45 Mio. €. Eine Summe, die durch die Neuberechnung des jährlichen Länderfinanzausgleichs ohne Weiteres gedeckt wäre.
Umso wichtiger ist es - er wird ja sicherlich auch jetzt gleich noch sprechen - dass der Thüringer Landtag das ernsthaft umsetzt, was Kollege Pidde
in der Beratung im Mai hier gesagt und angekündigt hat und an dem wir dann auch den weiteren Fortgang der Gesetzesberatung messen werden. Er hat gesagt: 1. Die Landesregierung unterbreitet lediglich einen Vorschlag. Entscheiden wird das Parlament.
Daran haben wir Zweifel. Da gibt es den einen oder anderen kleinen Dämpfer in der Vergangenheit, wo wir das Gefühl haben, dass das Parlament nicht souverän ist und vor allem auch dann nicht souverän, wenn entsprechende Fachberatungen in den Innenausschüssen durch entsprechende Stellungnahmen eigentlich eine Novellierung des Gesetzentwurfs vorsehen müssten.
Zweitens hat er gesagt: Im Haushalts- und Finanzausschuss werden die Kosten des Regierungsvorschlages unter die Lupe genommen, ebenso die Kosten eines zeitlichen Vorziehens der Besoldungserhöhung, und mit den finanziellen Möglichkeiten des Freistaats abgewogen. Das hoffe ich tatsächlich, dass das im HuFA dann auch passiert. Denn eines vermögen wir als Prinzip der Politik im Gegensatz zu Herrn Piddes SPD nicht anerkennen, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung bereits jetzt schon kein schlechter Kompromiss ist, weil der Finanzminister am Ende einverstanden war. Das ist zu wenig als Argument. Wir sind wie der DGB davon überzeugt, dass die zum Teil unwürdige Diskussion über die Arbeit von Beamtinnen und Beamten in Thüringen beendet werden muss und eine Garantieerklärung abgegeben wird, das jeweilige Tarifergebnis für die Angestellten zeit- und inhaltsgleich auf Beamtinnen und Beamte sowie die Versorgungsempfängerinnen und -empfänger zu übertragen. Mittelfristig - und das sagen wir auch immer wieder, weil wir auch da an der Stelle nicht missverstanden werden wollen - brauchen wir natürlich davon unabhängig eine Diskussion über Angemessenheit und Zeitgemäßheit eines Beamtentums und wir müssen uns der Frage nach einem sozialen Ausgleich zwischen niedrigen und höheren Lohn- und Besoldungsgruppen öffnen. Nur dieser Gesetzentwurf ist der falsche Anlass für diese beiden notwendigen Diskussionen.
Wir werden nach der Anhörung der Gewerkschaften, Berufsvertretungen und des Beamtenbundes im Haushalts- und Finanzausschuss die Gelegenheit haben, als Parlament souverän zu entscheiden, ich hoffe für die Beschäftigten, für die Beamtinnen und Beamten und gegen eine falsche, weil inhaltsleere Politik, die mit dem Rechenschieber entscheidet. Danke.
Ja.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Zuerst einmal, ich habe wenig Verständnis, Herr Rieder, dass sich der Innenminister heute hat entschuldigen lassen.
Ich denke, mit der Debatte um das Polizeiaufgabengesetz diskutieren wir heute ein Kerngesetz der Innenpolitik in Thüringen und da wäre meine Erwartung schon gewesen, dass der Innenminister hier auch uns zu diesem Gesetz informiert.
Aber ich muss noch auf weitere Wortmeldungen zur heutigen Debatte aus den letzten Tagen eingehen. Ja, Herr Adams, Sie haben vollkommen recht, es ist eine Zumutung, dass die Landesregierung die Aufforderung des Verfassungsgerichtshofs zur notwendigen Neufassung des PAG erst auf den letzten Drücker umsetzt.
Ja, und es ist auch absolut unverständlich, warum zwischen Referentenentwurf und dem nun vorgesetzten Gesetzentwurf im Plenum noch mal so viel Zeit unnötig vergangen ist. Aber, Herr Adams, in einem Punkt muss ich Ihnen widersprechen. Durch eine Verschiebung der ersten Beratung in den Juni hätten wir nicht der Landesregierung ihre Grenzen aufgezeigt, sondern uns als Parlament in erster Linie die Möglichkeit zur umfassenden und detaillierten Beratung im Ausschuss genommen mit Blick auf die Sommerpause, die ja für uns als Parlament auch bevorsteht.
Ich glaube, wir brauchen die fundierte Debatte im Innenausschuss. Wir brauchen die mündliche und öffentliche Anhörung mit Sachverständigen und Experten, um am Ende ein Polizeiaufgabengesetz zu haben, das dann tatsächlich auch den Anforderungen des Verfassungsgerichtshofs vollumfänglich gerecht wird, und nicht wieder in der Situation zu
stehen, dass dem Murks der Landesregierung das Hauruck des Parlaments folgt.
Vorweg muss noch eines gesagt werden: Dass der Thüringer Landtag heute über die Novelle des Polizeiaufgabengesetzes berät, ist nicht der Einsicht der Regierungskoalition zu verdanken. Es ist vielmehr der Tatsache geschuldet, dass das Verfassungsgericht im November des vergangenen Jahres geurteilt hat, dass wesentliche Regelungen, die die CDU-Alleinregierung im Jahr 2008 entgegen aller Einwände in das Polizeiaufgabengesetz aufgenommen hatte, in wichtigen Punkten mit der Thüringer Verfassung unvereinbar sind. Warum die Thüringer Landesregierung und die sie tragende Koalition erst auf dieses Urteil gewartet hat und noch sogar vor Gericht das PAG verteidigte, erschließt sich für uns überhaupt nicht, auch nicht mit Blick in den Koalitionsvertrag dieser Regierung. Dort heißt es nämlich, Zitat: „Das Polizeiaufgabengesetz wird novelliert, dabei wird insbesondere auf den unantastbaren Schutz des Kernbereichs geachtet. Gemeinsam mit Betroffenen sollen die Möglichkeiten eines besseren Schutzes von Berufsgeheimnisträgern besprochen und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung überarbeitet werden.“ Was „gemeinsam mit den Betroffenen“ heißt, bleibt für uns fraglich. Zufrieden sind die Betroffenen, insbesondere die Berufsgeheimnisträger und -trägerinnen und ihre Verbände, mit den jetzt vorgelegten Vorschlägen ganz und gar nicht. Für die heutige Gesetzesvorlage verdient die Landesregierung nun auch wirklich keine lobende Anerkennung. Die Novelle ist eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit, die kurioserweise der Überheblichkeit des Kollegen Wolfgang Fiedler folgt, der 2008 hier in der Debatte zum PAG noch sagte, Zitat: „Sie werden noch in Kürze merken, wie die Fachwelt das Ganze loben wird.“ Wir haben es gesehen.
Wir hatten bereits im März Gelegenheit, über das Verfassungsgerichtsurteil im Landtag zu debattieren. Ich wiederhole, was uns in diesem Zusammenhang parlamentspolitisch von erheblicher Bedeutung ist. Es ist für uns ein unhaltbarer Zustand, dass sich seit der Debatte um die Terroranschläge vom 11. September ein Usus eingeschlichen hat, dass ein Verfassungsorgan, nämlich das Parlament, aufgrund postulierter sicherheitspolitischer Szenarien sich von verfassungsmäßigen Grenzen nicht mehr aufhalten lässt und erst in erheblich zeitlichem Nachgang ein weiteres Verfassungsorgan, das Parlament, wiederum an seine verfassungsrechtlichen Pflichten und Schranken erinnern muss. Die Leichtfertigkeit, mit der Parlamente nicht in ihrer Gesamtheit, aber sehr wohl in ihren regierungstra
genden Mehrheiten meinen, man könne ja erst einmal Verfassungsgesetze mit verfassungsrechtlichen Einwänden beschließen, der Rechtsstaat wird es dann schon richten, sofern sich ein Kläger findet, dokumentiert für uns ein sehr zweifelhaftes Verständnis von Verfassungstreue.
Angesichts der Vielzahl der Fälle im Bund und in den Ländern kann in keinem Fall von verfassungsrechtlicher Unklarheit oder gar von Kollektivirrtum gesprochen werden. Für das Thüringer Polizeiaufgabengesetz hieß das im Klartext: „Der Gesetzgeber hat den Grundsatz der Normenklarheit hinsichtlich der Voraussetzungen und der Reichweite der jeweiligen Grundrechtseingriffe nicht hinreichend beachtet. Unzureichend sind die Befugnisse zur heimlichen Datenerhebung geregelt. Unklar ist, wie Berufsgeheimnisträger und -trägerinnen von polizeilichen Maßnahmen ausgenommen bleiben sollen. Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ist lückenhaft. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der nachträglichen Benachrichtigung über heimliche Bewachung ist nicht entsprochen worden.“ Die Landesregierung hat dieses Urteil sowie mindestens ein weiteres Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anlass nehmen müssen, den zweiten Unterabschnitt des ersten Abschnittes „Datenerhebung und -verarbeitung“ neu zu gestalten.
In der für eine erste Lesung gebotenen Kürze will ich auf mehreres hinweisen: Durch die Streichung des Beweisverbotes in § 5 werden zunächst alle Maßnahmen der Polizei auch auf den Personenkreis anwendbar, für die nach § 53 und § 53 a Strafprozessordnung ein Zeugnisverweigerungsrecht gilt. Dies sehen wir als sehr kritisch. Im Abschnitt zur Datenerhebung und -verarbeitung finden sich dann in den einzelnen Befugnisnormen zur verdeckten Datenerhebung mal ausreichende, mal weniger ausreichende Schutzgrenzen für den nach § 53 und § 53 a Strafprozessordnung besonders geschützten Personenkreis. Die Einschränkung der Verwertbarkeit von einer durch eine verdeckte Datenerhebung erhobenen Information von und über Berufsgeheimnisträger und -trägerinnen stellt nur einen unzureichenden Schutz dieser dar. Damit wird der zu garantierende Schutz von Berufsgeheimnisträgern und -trägerinnen nicht gewährt, denn auch in den §§ 12 bis 30 sind eine Reihe von polizeilichen Befugnissen auch gegen Nichtstörer beinhaltet, die geeignet sind, unzulässigerweise in diesen Schutzbereich einzudringen.
Durch die Neuregelung des § 34 sollen besondere Mittel der Datenerhebung nur dann von vornherein unzulässig sein, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass durch die Maßnahme allein Kenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden. Dass ein Eingriff in den Kern
bereich zulässig bleiben soll, wenn dieser nur überwiegend berührt ist, dokumentiert für uns, wie unzureichend der Schutz des Kernbereichs durch den Gesetzentwurf angelegt ist. In § 34 a wollen Sie die Telekommunikationsüberwachung über die Überwachung der laufenden Kommunikation auf abgespeicherte Kommunikationsinhalte ausweiten und umgehen damit letztlich die verfassungsrechtlichen Schranken der sogenannten Quellen-TKÜ, die es den Sicherheitsbehörden untersagen, abgespeicherte Kommunikationsinhalte abzugreifen. Es macht auch keinen Unterschied, ob die Festplatten im heimischen Rechner liegen oder in einer sogenannten Cloud. Völlig unklar ist die Aufnahme der Befugnis, sogenannte Trojaner aufspielen zu dürfen. Sie ist deshalb vor allem vollkommen unverständlich, weil die Landesregierung ausweislich der Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Bergner zur Quellen-TKÜ sich nicht sicher ist, ob eine verfassungskonforme Software überhaupt möglich ist und wenn überhaupt erst 2014. Warum aber - fragen wir - soll ein Gesetzgeber heute auf dieser Basis eine Befugnis zum Einsatz dieser möglicherweise im Jahr 2015 einsetzbaren und möglicherweise verfassungskonformen Software überhaupt verankern, wenn er das eingangs kritisierte Prinzip Parlament versus Verfassung überwinden will? Auch der nun eigenständig geregelte Einsatz sogenannter IMSI-Catcher in § 34 c findet aufgrund der Inanspruchnahme einer unbestimmten und unbestimmbaren Anzahl sogenannter Nichtstörer unsere Ablehnung. Auch der Hinweis der Rechtsanwaltskammer auf die doch erhebliche beschränkende Maßnahme der Unterbrechung der Kommunikation auch unbeteiligter Dritter über einen in der Konsequenz unbestimmten Zeitraum ohne richterliche Kontrolle ist zwingend zu berücksichtigen. Gesprochen werden muss auch über die Eingriffsschwelle bei Wohnraumüberwachung, die keineswegs ausreichende Hürden zum Schutz des Kernbereichs oder zum Schutz des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung beinhaltet. Das trifft für uns auch auf die Rasterfahndung zu, die Sie versucht haben, unter dem verfassungsrechtlichen Druck neu zu formulieren. Ich kann Ihnen sagen, wir haben dies auch wesentlich konsequenter versucht und kommen zu dem Ergebnis, wenn eine Rasterfahndung verfassungskonform und bürgerrechtsfreundlich ausgestaltet werden soll, dann bleibt eine gesetzliche Regelung zurück, die weder zweckmäßig noch geeignet ist. Dies führt letztlich dazu, die Rasterfahndung aus dem Katalog der gesetzlichen Befugnisse zur Gefahrenabwehr gänzlich zu streichen, denn sie ist nicht verhältnismäßig auszugestalten.
Meine Damen und Herren, so weit zu den Regelungen, die im Gesetzentwurf enthalten sind.
Nun zu den Regelungen im PAG, die unverändert fortbestehen sollen, denn auch hier sehen wir er
heblichen Novellierungsbedarf. Wir haben in dieser Woche den Medien gegenüber einen umfangreichen Änderungskatalog vorgestellt, den wir als Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Landesregierung noch heute als Vorlage einbringen werden, um damit auch sicherzustellen, dass dieser Bestandteil der Anhörung mit Sachverständigen sein wird.
Im Kern geht es um die Änderung zum Abschnitt Datenerhebung und -verarbeitung hinaus beispielhaft um folgende Punkte:
1. Einführung einer Kennzeichnungspflicht in § 6 im Falle des Einsatzes von geschlossenen Einheiten durch eine nachträgliche Identifizierung in geeigneter Weise zum Schutz der Polizeibeamten,
2. Streichung der eine rassistische Kontrollpraxis befördernde Befugnis zu Identitätsfeststellungen,
3. Stärkung des Versammlungsrechts durch Streichung der grundrechtseinschränkenden Eingriffsnorm zur verdachtsunabhängigen Kontrolle von Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmern,
4. Stärkung der Rechte der von polizeilichen Maßnahmen betroffenen Personen,
5. Streichung der Befugnis zum Führen von Vertrauenspersonen mit dem Hinweis darauf, dass die ablehnende Begründung für Spitzel beim Verfassungsschutz im Gefahrenabwehrrecht der Polizei nicht anders ausfallen kann.
Und zuletzt: Verbot von Distanzelektroimpulswaffen in Thüringen und Einordnung von Reiz- und Betäubungsstoffen als Waffen anstatt wie bisher als Hilfsmittel aufgrund der im Einzelfall nicht auszuschließenden letalen Wirkung.
Ein Schwerpunkt unserer Änderungsanträge wird die Stärkung der Transparenz und der Kontrolle polizeilichen Handelns sein.
Wir schlagen die gesetzliche Verankerung einer Polizeibeschwerdestelle vor, an die sich jede von einer polizeilichen Maßnahme betroffene Person mit dem Ziel wenden kann, außerhalb eines dienstrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Verfahrens sein Anliegen und seine Beschwerde überprüfen zu lassen. Diese niedrigschwellige Kontrollinstitution soll damit gewährleisten, dass einerseits ohne die üblicherweise vor Gericht oder im Rahmen eines dienstrechtlichen Verfahrens eintretende Situation der Abwehr der Kritik die Polizei sich selbst einer Kontrolle unterzieht und andererseits auch Missverständnisse ausgeräumt werden können. Das Er
gebnis ist für uns eine transparente und bürgerfreundliche Polizei.
Und wir stärken mit unserem Änderungsantrag die parlamentarische und damit auch öffentliche Kontrolle polizeilichen Handelns. Während beispielsweise die parlamentarische Kontrolle des Inlandsgeheimdienstes seit Jahren ein viel diskutiertes Thema ist, hat die Polizei in den vergangenen Jahren zunehmend selbst quasi geheimdienstliche Befugnisse bereits im Gefahrenabwehrrecht erhalten bzw. gestärkt bekommen, ohne dass sich das Maß an parlamentarischer Kontrolle in gleichem Umfang entwickelt hat. Innenausschuss, parlamentarische Anfragen und Berichtsersuchen in den Ausschüssen sind, das zeigen die Erfahrungen, kein geeignetes Instrument zur Kontrolle polizeilichen Handelns. Aus diesem Grund schlagen wir Ihnen die Bildung eines Polizeiausschusses vor, der über die entsprechende Kontrollbefugnis verfügt und dem gegenüber die Landesregierung auskunfts- und unterrichtungspflichtig ist. Der Polizeiausschuss soll gleichzeitig Ansprechpartner für Angehörige der Polizei sein. Wir sind der Überzeugung, dass diese Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle über die Polizei zwingend notwendig ist und polizeiliches Handeln nicht allein der exekutiven und judikativen Kontrolle unterliegen darf.
Wenn Sie diesen Ansatz teilen, sind wir gern bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren, ob der Polizeiausschuss der richtige Weg ist oder andere Alternativen denk- und vorstellbar sind.
Meine Damen und Herren, dass der Innenausschuss als Kontrollgremium nicht funktioniert, Herr Gentzel, hat sich in der Vergangenheit, denke ich, an vielen Stellen eindrücklich erwiesen.
Und dass die Informationen, die wir als Parlamentarier bekommen, z.B. zur Frage der Telekommunikationsüberwachung, möglicherweise fehlerhaft sind und
nach Jahren nachgebessert wurden, ist Fakt. Das haben wir alles erlebt. Und die Grenzen der parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten sind hier evident nachgewiesen.
Meine Damen und Herren, eine Bemerkung noch zu Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung des Ordnungsbehördengesetzes: Sie benutzen den Gesetzentwurf als Vehikel, um ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen durch Ermächtigung für Kom
munen in Thüringen zumindest zu ermöglichen, nämlich dann, wenn an diesen Orten vermehrt Straftaten im Zusammenhang mit Alkoholkonsum registriert werden. Wir wissen alle, wie unbestimmt und instrumentalisierbar diese Vorschrift in der Praxis angewendet werden kann. Nimmt man Erfurt, so kommen dann der Domplatz, der Anger, das Stadionumfeld, die Krämerbrücke, die Altstadt schnell in die engere Auswahl. Ihr Regelungsvorschlag ist in dieser Unbestimmtheit dazu geeignet, mit ordnungspolitischen Maßnahmen sozial nicht angepasste bzw. Ihren Vorstellungen nicht entsprechendes Verhalten zu sanktionieren und aus wie immer gekennzeichneten repräsentativen Räumen der Innenstädte herauszuhalten. Eine sicherheitspolitische Erwägung jedenfalls steckt nicht dahinter,
weil die geeigneten Instrumente zur Abwehr von Gefahren und zur Verfolgung von Straftaten unverändert bestehen und angewendet werden können. Deswegen ist für uns die vorgeschlagene Änderung keine rechtliche, auch keine ordnungsrechtliche oder sicherheitsrechtliche, sondern eine zutiefst politische, nämlich die nach der Nutzung des öffentlichen Raumes für alle. Über Ihren Vorschlag, im Umkreis von Einrichtungen für Kinder und Jugendliche ein Alkoholverbot gesetzlich zu ermöglichen, sollten wir diskutieren, weil wir die Idee des Schutzes von Heranwachsenden begrüßen, aber auch nachfragen wollen, ob die bisherigen Möglichkeiten durch kommunales Satzungsrecht, hier tätig zu werden, nicht vollkommen ausreichen.
Herr Fiedler, zuletzt zu Ihnen: Ich muss Sie enttäuschen. Ihre Worte aus 2008, wonach die Fachleute das PAG noch loben werden, waren damals falsch. Falls Sie heute die Hoffnung haben, mit dem neuen Gesetzentwurf erneut solch einer Erwartung Ausdruck verleihen zu wollen, sei Ihnen geraten, zu formulieren: Ich hoffe, die Kritik wird nicht allzu hart. Dieser Gesetzentwurf ist kein großer Wurf, aber ich habe Hoffnung. Das Parlament ist nun Herr des Verfahrens und vielleicht waltet im Innenausschuss Sachkunde und Selbstbewusstsein. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Ich hoffe, die anderen Fraktionen werden mit entsprechenden Änderungsanträgen das Ihrige dazu beitragen, dass wir am Schluss ein Polizeiaufgabengesetz bekommen, das bürgerrechtsorientiert ist und tatsächlich die verfassungsrechtlichen Schranken und Normen vollumfänglich beachtet. Danke schön.
Danke, Frau Präsidentin, und danke, Herr Gentzel. Herr Gentzel, können Sie mir erklären, wie statuarisch überhaupt strukturell es möglich ist, dass ein Gespräch unter x Augen im Nachgang einen Beschluss von einem Landesparteitag einholt und revidiert? Das wäre in meiner Partei so nicht möglich. Wie ist das in der SPD möglich?
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen hier häufig im Plenarsaal in Sorge über antidemokratische Einstellungen in der Bevölkerung im Zusammenhang mit dem Thüringen-Monitor, über zufriedene oder unzufriedene Demokraten und Demokratinnen, über Politikverdrossenheit oder selbstehrlich müsste es eigentlich heißen Politiker- und Politikerinnenverdruss.
Wir sind uns an vielen Stellen einig, der Weg aus der Krise der repräsentativen Demokratie, gemessen zum Beispiel an konstant hoher Wahlverweigerung, geht nur mit mehr Demokratie.
Der Weg dorthin führt auch über eine Debatte, inwieweit das Wahlrecht noch zeitgemäß und fortschrittlich ist. Der Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf enthält die Aufgabe, diese Prüfung anhand der Forderung nach einer Erweiterung des Wahlrechts für junge Menschen vorzunehmen und auch zu entscheiden. DIE LINKE beansprucht keineswegs, die Idee der Absenkung des aktiven Wahlalters allein zu vertreten. Wir wissen, dass viele Menschen,
auch Mitglieder, auch Parlamentarier und Parlamentarierinnen der GRÜNEN, der SPD, aber auch der FDP und der CDU, einen solchen Schritt heute aktiv teilen, fordern und unterstützen.
Die Diskussion um eine Absenkung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre wird schon seit den 1980er-Jahren geführt. Sie hat vor allem seit Ende der 1990er-Jahre auch schrittweise zu Veränderungen des Wahlrechts geführt. In vielen Bundesländern gilt heute bereits ein aktives Wahlrecht ab 16 Jahren.
Wir schlagen Ihnen mit unseren Gesetzentwürfen vor, diese Diskussion aufzunehmen und auch den jungen Menschen hier in Thüringen eher das Wahlrecht einzuräumen. Es geht uns um einen ganz konkreten Schritt, den wir, wenn er bei der Wahl im nächsten Jahr zur Anwendung kommen soll, jetzt gehen müssen.
Lassen Sie uns die Argumente hier im Haus und auch im Ausschuss noch einmal austauschen, aber unsere Bitte ist: Lassen Sie uns dann auch handeln. Lassen Sie uns bei der Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie nicht Schlusslicht sein. Lassen Sie uns auch ein deutliches Zeichen an die Jugendlichen senden, dass wir ihre Meinung, ihr Mitwirken in der Demokratie wollen und auch befördern durch unsere Abstimmung hier im Haus. Wir sollten einen solchen Schritt, den wir Ihnen heute vorschlagen, nicht als Lösung aller Probleme betrachten, die die Demokratie heute mit sich herumträgt. Er ist auch kein Heraustreten, keine Erweiterung der repräsentativen Demokratie. Diese Frage diskutieren wir zum Beispiel im Zusammenhang mit der Stärkung mehr direkter Demokratie, mehr direkter Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung.
Aber es ist ein wichtiger Schritt, ja sogar notwendiger Schritt, um zu mehr Identifikation, zu mehr Interesse, zu mehr Bedeutung des Politischen, gerade bei jungen Menschen zu kommen. Dass junge Menschen heute mit 16 Jahren durchaus in der Lage sind, eine Wahlentscheidung zu treffen, ist relativ unumstritten. Nicht nur Soziologen und Soziologinnen, Politologen und Politologinnen, auch führende Juristen und Juristinnen erkennen das an. Zitat: „Eine Wahlentscheidung kann man auch bereits mit 16 Jahren treffen.“, sagte etwa der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Andreas Voßkuhle dem „Hamburger Abendblatt“, das war 2009. Weitere Bundesländer haben seither gehandelt Bremen, Brandenburg, Hamburg und SchleswigHolstein - auch für die Landesebene. Lassen Sie uns nun handeln in Thüringen. Wir wünschen uns eine entsprechende Gesetzesänderung noch vor der Sommerpause und wir hoffen, dass wir im Aus
schuss gemeinsam die Sachargumente austauschen und dann hier zu einer Beschlussfassung im Sinne des Wählens mit 16 kommen werden. Danke.
Meine Damen und Herren, zunächst einmal werde ich auf einige in der ersten und in der heutigen Lesung zu unserem Gesetzentwurf vorgetragenen Argumente eingehen müssen. Einer sachlichen Debatte in dem zuständigen Fachausschuss hat sich die Mehrheit des Hauses verweigert. Somit muss die Debatte jetzt auch in der fachlichen Ausgestaltung hier stattfinden. Aber vorweg, ich bin schon ziemlich erschrocken, das war ich auch schon in der ersten Lesung, welche Argumente hier ins Feld geführt werden. Sowohl Herr Meyer als auch Herr Hey, und Herr Hey hat dies heute wiederholt, haben in der ersten Lesung von uns verlangt, wir sollten den Gesetzentwurf doch ggf. zurückziehen, weil er geringe Chancen zur Annahme hätte.
Was ist das für ein Verständnis von Parlament?
Was ist das für ein Verständnis von Parlamentariern und Parlamentarierinnen? Was ist das für ein nicht Ernstnehmen von parlamentarischen Initiativen aus diesem Haus? Ich will da auch differenzieren. Herr Meyer, aus der Sicht einer Oppositionsfraktion, die Sie ja vertreten, ist das für mich ganz und gar unverständlich zu sagen, was hier keine Aussicht auf Erfolg hat, bleibt besser in der Schublade. Denn so eine Haltung stärkt den Demokratieverdruss in der Bevölkerung und - das sage ich auch - es schwächt uns. Denn Parlamente sind gerade dazu da, inhaltliche Debatten zu führen und idealerweise darf gerade nicht unterstellt werden, dass sich durch eine Koalitionsvereinbarung zu Beginn der Legislatur jede inhaltliche Debatte jenseits der Regierungsfraktionen erübrigt hat.
Denkverbote durch Koalitionsvertrag mag es für die SPD geben, für uns nicht. Herr Hey, wir argumen
tieren auch noch nach 18.00 Uhr, weil wir überzeugen wollen und nicht nach Hause.
Sie hatten in der ersten Lesung gemutmaßt, wir werden bei dem Thema nicht lockerlassen, das kann ich Ihnen versprechen. Wir werden auch 2014 hier erneut für ein modernes Personalvertretungsrecht streiten, solange bis wir tatsächlich ein modernes und vollständig an den Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen orientiertes Personalvertretungsgesetz in Thüringen haben.
Das machen wir mit und ohne Unterschriften, weil wir wissen was passiert, wenn wir mit Unterschriften kommen. Dann sind Sie die Ersten, die uns Populismus vorwerfen. Sie drehen die Argumente so, wie es Ihnen beliebt.
Das ist ärgerlich.
Die eigentliche Frage, die durch unseren Gesetzentwurf aufgeworfen wurde, ist für uns keine demokratietheoretische, auch keine verfassungsrechtliche - auf diesen Aspekt komme ich noch einmal zu sprechen -, sondern eine politische Frage. Die CDU und FDP und leider auch im Jahr 2013 die SPD haben die Fragen nach einem tatsächlich vollständigen modernen Personalvertretungsrecht nicht beantwortet und verweigern sich dieser Diskussion. Sie stellen das in Thüringen bestehende Personalvertretungsrecht und die bestehende Verfassungsnorm in Artikel 37 Abs. 3 als ausreichend und modern dar. Wir als LINKE-Fraktion hingegen kommen hier zu einem anderen Ergebnis. Vorhin ist gefragt worden, mit welcher Legitimation, mit welchem Rückhalt wir dies tun. Sie haben alle das Eckpunktepapier des DGB bekommen. Sie hatten alle die Einladung des DGB, zu diesem Eckpunktepapier zu diskutieren, Positionen auszutauschen und auch darüber zu diskutieren mit dem DGB und den Einzelgewerkschaften, inwieweit hier parlamentarische Initiativen im Thüringer Landtag ergriffen werden sollten. Wir haben diese Gelegenheit genutzt.
Deswegen muss ich Sie an dieses Eckpunktepapier, an diesen Forderungskatalog zur Dienstrechtsreform erinnern in dieser Debatte hier, weil Sie scheinen ihn anscheinend nicht zu kennen, nicht zur Kenntnis genommen zu haben und auch das Gesprächsangebot nicht ernst genommen zu
haben. Darin erkennt der DGB zwar an, dass mit der Änderung des Personalvertretungsgesetzes im Jahr 2011 gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage, ich zitiere: „wichtige Verbesserungen der Arbeit für die Personalräte in Thüringen erreicht worden sind.“ Wer sich an den mitbestimmungsfeindlichen Zustand in Thüringen zwischen 2001 und 2011 erinnert, wird zu dem Ergebnis kommen, das ist auch unstrittig, dass es in der Tat zu Verbesserungen gekommen ist. Das heißt aber noch lange nicht, dass nicht noch weitere Verbesserungen nötig werden, vor allem mit Blick auf die Grundsätze, die Ausgangspunkte in Artikel 37 Abs. 3 der Thüringer Verfassung sind. Der DGB fordert von allen Fraktionen im Thüringer Landtag weitere Verbesserungen und benennt in seinem Papier für ein zukunftsorientiertes Personalvertretungsrecht notwendige Anforderungen. An erster Stelle fordert der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften die Einführung einer Allzuständigkeit bei der Mitbestimmung des Personalrates in allen innerdienstlichen Angelegenheiten nach dem Vorbild Schleswig-Holsteins unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995 - alles nachzulesen im Eckpunktepapier. Der DGB fordert eine Allzuständigkeit, die Herr Hey - und das finde ich schon interessant - in der ersten Lesung zurückweist. Hatten Sie zu dieser Frage mit dem DGB eine Diskussion? Wie kommen Sie zu dem Ergebnis, die Forderung des DGB zurückzuweisen? Dazu habe ich von Ihnen hier heute nichts gehört. Sie selbst, die SPD, hat hier als Oppositionsfraktion noch im Jahr 2009, vertreten durch den Abgeordneten Baumann, genau diese Allzuständigkeit gefordert.
Ich frage mich manchmal, ob Sie bei diesen ganzen Kapriolen nicht irgendwann auch mal Bauchgrimmen bekommen, ob Ihnen schwindelig wird, ob Sie noch wissen, wo oben und unten, rechts und links, Mitte und vorn ist, mir ist das vollkommen unklar, wie man bei diesen Kapriolen noch klar denken kann.
Es wäre konsequent, zu sagen, wir können nicht anders, der Koalitionsvertrag bindet uns. Okay, das wäre ein Argument. Da wüssten wir das einzuordnen, da hätten wir eine klare Aussage, aber hören Sie auf mit diesen Scheinargumenten, die Sie hier anbringen. Das hat mit inhaltlicher, sachlicher, tatsächlich auch argumentativer Auseinandersetzung nichts zu tun.
Herr Gumprecht, an Sie gilt das dann auch. Sie fragten vorhin, wo ist denn ihre Grundlage, dass sie erneut mit einer Gesetzesinitiative tätig werden wollen? Ja, haben Sie das Eckpunktepapier auch nicht gelesen?, frage ich mich. Jetzt habe ich schon die zweite Fraktion gefunden, die anscheinend nicht in den durch den DGB zugesandten Forderungskata
log gesehen hat. Der DGB - jetzt sage ich es Ihnen, weil Sie es anscheinend nicht gelesen haben - fordert in seinen Eckpunkten zum Dienstrecht, das, was die Fraktion DIE LINKE mit ihrem Gesetzentwurf zur Novellierung des Personalvertretungsrechts formuliert und nunmehr Ihnen als unterste verfassungsrechtliche Schranke in der Thüringer Verfassung zu verankern vorschlägt. Hier will ich zur verfassungsrechtlichen Komponente doch noch etwas sagen, die in der ersten Lesung eine große Rolle gespielt hat, wenngleich die Fraktionen dieses sehr unterschiedlich beurteilt haben. Zunächst ist als Ausgangspunkt festzustellen, Mitbestimmung hat in der Thüringer Verfassung in Artikel 37 Abs. 3 zumindest formell Verfassungsrang, ich zitiere: „Die Beschäftigten und ihre Verbände haben nach Maßgabe der Gesetze das Recht auf Mitbestimmung in Angelegenheiten ihrer Betriebe, Unternehmen und Dienststellen.“ heißt es da. Nimmt man den Wortlaut „nach Maßgabe der Gesetze“ zur Kenntnis, so wird deutlich, dass Mitbestimmung keine tatsächliche verfassungsrechtliche Normierung kennt. Danach kann - ich hatte bereits in der ersten Lesung darauf hingewiesen - allein durch einfachgesetzliche Ausgestaltung und damit durch einfache Mehrheit im Landtag faktisch Inhalt und Reichweite der Verfassungsgarantie bestimmt werden. Mit dieser Formulierung wird also das eigentlich im Rechtsstaat vorgesehene Rangverhältnis von Verfassung und einfachem Gesetz faktisch in sein Gegenteil verkehrt. Richtig ist vielmehr, die Verfassung muss die Inhalte für die einfachgesetzlichen Regelungen verbindlich vorgeben.
Wir machen mit unserer Verfassungsänderung auf diese verfassungsrechtlichen Probleme, die bisher zu einer faktischen Aushöhlung der Verfassungsgarantie geführt haben, aufmerksam. Zu diesem schwerwiegenden gesellschaftspolitischen und verfassungsrechtlichen Problempunkt hat sich in der ersten Lesung und auch heute niemand aus den anderen Fraktionen geäußert. Das ist aus unserer Sicht bedauerlich. Stattdessen haben Sie darauf verwiesen, dass man den von uns und vom DGB geforderten Regelungsinhalt auch durch einfachgesetzliche Regelungen, sofern gewollt, schaffen könnte. Das ist zunächst einmal richtig, aber dazu drei Anmerkungen, die für sich stehen und das Problem noch einmal darstellen sollen:
1. Aufgrund der bestehenden Verfassungsregelung war ein Absenken der Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte möglich, so dass zehn Jahre lang kaum noch von Mitbestimmung eigentlich die Rede sein konnte.
2. Eine Verfassung ist das zentrale Rechtsdokument, das den grundlegenden organisatorischen Staatsaufbau, das Verhältnis zu seinen Bürgerinnen und Bürgern und deren wichtigste Rechte und Pflichten festschreibt. Die Frage der demokratischen Verfasstheit des öffentlichen Dienstes ist für
uns eine grundlegende Frage genau dieses Staatsaufbaus.
3. - ebenso wichtig: Alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst bleiben trotz oder besser gesagt wegen ihrer öffentlichen Aufgaben als Arbeitsinhalte immer und überall auch Bürgerinnen und Bürger und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit allen Rechten und Pflichten und das natürlich auch mit umfassenden Mitbestimmungsrechten.
Die gesetzgeberische Verpflichtung nach erfolgter Festschreibung der Mitbestimmung im Verfassungsrang ist die konkrete Ausgestaltung im einfachen Personalvertretungsrecht, z.B. durch einen umfassenden Beispielkatalog ohne Ausnahmen und Sonderregelungen. Der Verfassungsentwurf der Fraktion DIE LINKE, das hat Herr Bergner, FDP, in der ersten Lesung zu Recht festgestellt, bindet den Gesetzgeber, bestimmte Standards der Mitbestimmung auf keinen Fall zu unterschreiten. Richtig, Herr Bergner,
das ist genau das Ziel mit dieser Gesetzesinitiative. Damit ist der Kerninhalt gut beschrieben. Diese notwendigen Mindeststandards für eine verfassungsrechtliche Mitbestimmungsgarantie, die ihren Namen wirklich verdient, sieht DIE LINKE auch mit Blick auf die Einschätzung und Forderung des DGB im derzeitigen Wortlaut des Artikels 37 Abs. 3 der Thüringer Verfassung und damit auch im geltenden Personalvertretungsgesetz nicht erfüllt.
Herr Hey will Satz 3 des im LINKEN-Entwurf neu gefassten Artikels 37 Abs. 3 als inhaltsgleich zum Wortlaut des § 68 Abs. 2 Personalvertretungsgesetz erkannt haben. Das ist falsch, denn § 68 als einfachgesetzliche Regelung formuliert die Frage von Dienstherren von der Dienststelle her als Vorgabe. Artikel 37 Abs. 3 schreibt zugunsten der Personalvertretung einen einklagbaren Rechtsanspruch mit Verfassungsrang fest als zugunsten der Beschäftigten einen Rechtsanspruch und dazu noch auf Verfassungsebene. Daher ist in diesem Zusammenhang auf den Kern der politischen Differenz hinzuweisen, der ja heute noch auch offen zutage getreten ist, nämlich der sich unterscheidende Blickwinkel zwischen der SPD-Position und unserem LINKEN-Gesetzentwurf. § 68 ist von der Arbeitgeberseite, dem Dienstherren, aus formuliert. Der Satz 3 im neuen Artikel 37 des Gesetzentwurfs meiner Fraktion ist von den Beschäftigten aus und deren Bedürfnissen und Interessen aus formuliert. Darin liegt der Unterschied.
Dazu habe ich heute in der Debatte leider auch nichts gehört. Genau bei dieser Frage, von welchem Blickwinkel gehe ich aus, von dem Blickwinkel der Beschäftigten oder von dem Blickwinkel der Dienstherren? Da kommen wir dann an die Kernfra
ge zum Mitbestimmungs- und Personalvertretungsrecht. Wollen wir ein Mitbestimmungsrecht, das modern und emanzipatorisch ist und wirklich das Mitgestalten ermöglicht oder eines, an dem auch weiterhin der antiquierte Geist des obrigkeitsstaatlichen Verwaltungsdenkens hängt. Daher kann ich nur noch einmal die Beratung unseres Gesetzentwurfs zur Änderung der Verfassung „Gesetz zur Stärkung der Personalvertretung im öffentlichen Dienst“ dringend bitten, an den Innen- und Justizausschuss zu überweisen, damit wir tatsächlich darüber diskutieren können, welche Antwort das gegenwärtig geltende Personalvertretungsrecht auf diese Frage gibt und ob sich, wie wir sagen, Änderungsbedarf auch für die Thüringer Verfassung ergeben wird. Es wäre einem Parlament angemessen, diese Frage auch zusammen mit Berufsverbänden, mit Personalvertretungen, mit den Beschäftigten im Rahmen einer Anhörung dann zu erörtern.
Für den Fall, dass Sie sich erneut einer weiteren Beratung verweigern, möchte ich, wovon ich leider ausgehen muss, zumindest abschließend noch einmal darauf verweisen, dass auch vor dem Hintergrund, das ist uns sehr wichtig, der anstehenden Verwaltungs- und Funktionalreform ein modernes Personalvertretungsrecht dringend notwendig ist.
Die von Innenstaatssekretär Rieder in der letzten Lesung genannten guten Beispiele Polizeistrukturreform und Organisationsüberprüfung beim Landeskriminalamt taugen eher als solche nicht, zumindest wenn wir die Rückmeldung der Berufsverbände zur Kenntnis nehmen. Herr Geibert ist ja heute hier. Wir haben insbesondere zu der Organisationsveränderung im LKA den klaren Hinweis, dass sich die Berufsverbände, die Gewerkschaften in diesem Prozess der Evaluierung und Neujustierung ausgeschlossen fühlen. Das zeigt deutlich an, dass wir gerade für diesen Bereich, nämlich die Mitsprache bei strukturellen Veränderungen in den Behörden, die Mitbestimmung der Beschäftigten deutlich anheben müssen. Wir sind nämlich der Überzeugung, dass die notwendigen anstehenden Reformen für den öffentlichen Dienst nur erfolgreich sein werden, wenn Dienststelle und Beschäftigte ihre Verantwortung gemeinsam wahrnehmen können, und wenn nicht Reformen top-down von oben administriert werden, den Beschäftigten aufgestülpt werden und diese dann mit den Konsequenzen leben müssen. Dass dies scheitern wird, sehen wir zurzeit auch an den Folgen der Polizeistrukturreform. Ich bitte noch einmal darum, unseren Gesetzentwurf an den Innen- und Justizausschuss zu überweisen. Wir möchten eine argumentative und inhaltliche Auseinandersetzung. Die Argumente, nur weil wir absehen können, hier keine Mehrheit zu erringen, auf Gesetzesinitiativen zu verzichten, zählen für uns nicht und entbehren für uns auch jeder demokratietheoretischen Grundlage. Überden
ken Sie Ihre Position und lassen Sie uns gemeinsam in den Fachausschüssen über ein modernes Personalvertretungsrecht in Thüringen diskutieren und streiten. Danke.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, während wir heute hier tagten, hat der Aufsichtsrat des Technikkonzerns Bosch das Aus für die Solarsparte beschlossen, das Aus für den Standort Bosch Solar in Arnstadt. 1.800 Beschäftigte in Thüringen, 3.000 Mitarbeiter insgesamt, sind aus dem
Nichts vor fundamentale und existenzielle Fragen an die Zukunft gestellt. Eine ganze Region ist in tiefer Sorge. Wenn ich hier in die Runde blicke, hier sind viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die auch als lokale Kommunalpolitiker und -politikerinnen gefordert sind. Wir sollten uns durch die Landesregierung heute noch zu den Schließungsplänen informieren lassen und wir sollten dann gemeinsam als Landtag und Landesregierung ein Zeichen setzen. Wenn es um die Zukunft von 1.800 Beschäftigten und deren Familien geht, dann müssen wir als Politik handeln. Seit mehreren Jahren wurde der Solarschwerpunkt am Erfurter Kreuz entwickelt. Es gab die Hoffnung, hier das Zentrum der Solarforschung und -produktion zu entwickeln. Es gab politische und es gab auch finanzielle Unterstützung und jetzt steht der Standort vor dem Aus.
Was heißt das für den nötigen sozialökologischen Umbau in Thüringen? Was heißt das für das Versprechen auf Energiewende, aber vor allem, und das ist die zentrale Frage, was heißt das für die Beschäftigten? Diesen müssen wir Antworten geben, für diese müssen Perspektiven entwickelt werden. Politik darf niemals Konzernentscheidungen achselzuckend zur Kenntnis nehmen.
Deshalb brauchen wir heute die Berichterstattung durch die Landesregierung und eine erste Verabredung für ein solidarisches Handeln von Politik im Interesse der Menschen und im Interesse der Region. Ich hoffe, wir können den Antrag heute noch behandeln, dann im Ausschuss weiterberaten und hier dann in einer weiteren Beratung gemeinsam ein Zeichen für die Beschäftigten und für die Interessen der Region setzen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nein, Herr Gumprecht, wir haben durch die Gesetzesnovelle 2011 nicht ein wirklich modernes und tatsächlich beschäftigtenfreundliches Gesetz bekommen,
sondern wir haben einen Kompromiss bekommen, das ist das Problem,
vor dessen Hintergrund auch weiterhin die Gewerkschaften und der DGB tatsächlich Nachbesserungsbedarf am Thüringer Personalvertretungsrecht sehen und unseren Vorschlag auf Verfassungsänderung auch einmütig unterstützen.
Herr Hey - und Herr Meyer hat das auch gesagt -, es geht uns tatsächlich darum, den Rahmen für die Gesetzgebung zum Personalvertretungsrecht in der Verfassung so regelungsklar und inhaltlich eindeutig wie auch weit zu fassen, dass ein modernes Personalvertretungsrecht in Thüringen möglich wird und wir in den Debatten dann nicht wieder das Argument gerade von Ihnen hören müssen, dass diese weitestgehenden Vorschläge durch die Verfassung verunmöglicht sind.
Das wollen wir gerade durch diese Verfassungsänderung erreichen, dass wir ein Personalvertretungsrecht bekommen, das tatsächlich den heutigen Anforderungen mit Blick auf die anstehenden Reformen in den Verwaltungen auch als modern bezeichnet werden kann.
Der Umstand, dass wir als LINKE immer wieder hier für ein novelliertes Personalvertretungsrecht stehen und auch gemeinsam dies mit den Beschäftigten, den Gewerkschaften und den Sozialverbänden besprechen und vorbereiten - darauf hat meine Kollegin Sabine Berninger hingewiesen -, hat eine verfassungsrechtliche oder besser verfassungsgerichtliche Geschichte in Thüringen. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995 zum Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein hatte das Gericht das Letztentscheidungsrecht einer unabhängigen Einigungsstelle unter gleichberechtigter Mitwirkung der Personalvertretung in bestimmten Fällen für verfassungswidrig erklärt. Das Problem bestehe, so das Gericht „bei Entscheidungen, die von Bedeutung für die Erfüllung des Amtsauftrags sind, das heißt auch zur zeitnahen und effizienten Aufgabenerledigung gegenüber den Bürgern dienen, …“ sprich, bei Stellenbesetzungen für Funktionen, in denen hoheitliches, staatliches Handeln verlangt wird. Das Urteil aus Karlsruhe bedeutet, dass in allen Personalvertretungsgesetzen in den Ländern die Regelungen zum Mitbestimmungskatalog, insbesondere den Fällen der vollen Mitbestimmung, mit Blick auf diese verfassungsrechtlichen Vorgaben dann auf den Prüfstand mussten.
Und was geschah in Thüringen? Die damalige Thüringer CDU-Alleinregierung missbrauchte im Jahr 2001 diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, um das bis dahin bestehende Personalvertretungsrecht in Thüringen zurechtzustutzen. Gewerkschaften und Personalräte protestierten, Verfahren der Personalvertretungen wurden diskreditiert, Personalräte verkleinert. Die Mitbestimmung wurde zusammengestrichen und eine sogenannte Mitwirkung eingeführt. Die damalige Fraktion der PDS klagte gegen die Novellierung des Thüringer Personalvertretungsgesetzes und konnte mit Urteil vom 20. April 2004 lediglich in einem der neun angegriffenen Punkte erfolgreich sein.
Aber die Verfassungsrichter wiesen - und jetzt bitte ich auch mal zuzuhören, denn das ist eine wesentliche Begründung auch für den heute vorgelegten Gesetzentwurf - in ihrer mündlichen Urteilsbegründung darauf hin, dass der Gesetzgeber natürlich das Niveau der Mitbestimmung zwischen der unteren Schranke aus Artikel 37 Abs. 3 der Thüringer Verfassung und der oberen Schranke nach dem Bundesverfassungsgerichtsentscheid durch Gesetze regeln könne.
Zudem wurde darauf aufmerksam gemacht, dass das Thüringer Personalvertretungsgesetz an der unteren Schranke der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit angesiedelt sei, nur eben diese noch
nicht unterschritten habe. Der Gesetzgeber hat auch mit der Novellierung im Jahr 2011 wiederum nicht alle nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil verfassungsrechtlich gegebenen Möglichkeiten ausgeschöpft.
Wen wundert es, die CDU sitzt ja weiterhin in den regierungstragenden Mehrheiten hier in diesem Haus
und steht einem tatsächlich modernen und den Anforderungen der Zeit entsprechenden Personalvertretungsrecht weiterhin im Wege.
Auch die Möglichkeiten, die die Thüringer Verfassung birgt, sind noch nicht voll ausgeschöpft. DIE LINKE-Fraktion sieht es daher als wichtige Aufgabe, mit einer Änderung des Artikel 37 Abs. 3 für mehr Regelungsklarheit einzutreten, aber vor allem den von der Verfassung zu beschreibenden Handlungs- und Gestaltungsspielraum für Beschäftigtenmitbestimmung so weit wie möglich auszudehnen. Warum ist das notwendig? Um es gleich vorwegzunehmen, und das haben Sie unserer Begründung schon entnommen, weil es uns darum geht, nachfolgend dann uns hier im Parlament das Personalvertretungsgesetz noch einmal vorzunehmen
und es dann an den durch Verfassungsänderung erweiterten Gestaltungsspielraum anzupassen, diesen dann auch tatsächlich voll auszuschöpfen. Weder Verfassungsänderung noch Neufassung des Personalvertretungsgesetzes erfolgen zum Selbstzweck, sind ein Ritual, was hier in irgendwelchen Zeitabständen im Parlament zu vollführen ist. Es ist ein Vorgehen, was für uns tatsächlich notwendig ist, um den Anforderungen in den Personalvertretungen tatsächlich gerecht zu werden. Dafür gibt es für uns drei Punkte.
1. Wir lassen uns in unserer Position von einem anderen Verständnis des öffentlichen Dienstes leiten und damit steht im Mittelpunkt die Vorstellung einer gemeinsamen Verantwortungswahrnahme zwischen Dienststelle und Beschäftigten, die effektiv im Sinne von Transparenz und Bürgernähe, aber auch motiviert, den einheitlichen Rechtsvollzug garantiert und dabei eigene Kreativität gegen das Vorurteil starrer und unbeweglicher Verwaltungsapparate setzt. Wir setzen darauf, dass die Beschäftigten selbst die besten Ratgeber für die Gestaltung der Organisationsabläufe in ihrer Verwaltung sind.
Nicht leiten lassen wollen wir uns von einem Bild der Angst vor mehr Mitbestimmung und von der ebenso falschen wie denunziatorischen Auffassung, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst seien egoistische Wesen, die alles Erdenkliche tun würden, um den Behördenablauf zu stören.
2. Die Thüringer Verwaltung steht vor großen Herausforderungen. Für den Herbst dieses Jahres hat der Thüringer Innenminister eine umfassende Reform des Dienstrechts angekündigt. Eine Funktional- und Verwaltungsreform ist unausweichlich und der Stellenabbau droht wie ein Damoklesschwert über den Beschäftigten und Bediensteten. Da wäre zum einen der Stellenabbaupfad der Landesregierung, der darüber noch hinausgehende Bericht der Expertenkommission Funktional- und Gebietsreform und die völlig überzogenen Äußerungen des Finanzministers zum Tarifabschluss im öffentlichen Dienst.
In dieser Debatte und in den bevorstehenden konkreten Umsetzungsschritten braucht es starke Personalvertretungen, deren Stärke und Gestaltungsmöglichkeiten durch das Personalvertretungsrecht entscheidend mitbestimmt wird.
Alle Macht den Menschen und Beschäftigten, ja, natürlich. Wer denn sonst soll über das, wie Verwaltung ausgestaltet wird, entscheiden, wenn nicht die, die dort arbeiten, die kompetent sind und tatsächlich dann auch die Weichen stellen müssen für die Entwicklung der nächsten Jahre.
Wie wollen Sie denn erfolgreich eine Verwaltungsund Funktionalreform zum Abschluss bringen, wenn diejenigen, die diese erst mit Leben erfüllen wollen, das sind nämlich nicht Maschinen, sondern Menschen, die Erfahrung machen müssen, dass sie in diesem Prozess, der sie gegebenenfalls auch sehr weitreichend in ihren Arbeits- und Lebensumständen betreffen wird, nicht aktiv mitgestalten können. Dass es dafür Anhaltspunkte gibt in Thüringen, dass diese Mitbestimmung in diesem Prozess nicht funktioniert, sehen wir zum Beispiel mit Blick auf die Polizeistrukturreform oder die derzeit tagenden Arbeitsgruppen zur Umstrukturierung des LKA. Da können Sie gern mal fragen, inwieweit dort die Personalvertretungen, die Berufsvertretungen in diesen Prozess einbezogen sind. Da werden Sie, wenn Sie sich mit diesen mal in Verbindung setzen, eine eindeutige Antwort bekommen: nicht in dem Maße, wie es sich die Berufsvertretungen und die Interessenvertretungen wünschen.
Wir schlagen Ihnen eine Neufassung des Absatzes 3 der Thüringer Verfassung vor, die angemessen, ausgewogen und verfassungskonform ist.
Sie steht in Übereinstimmung mit den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben zum Verhältnis der Funktion des Dienstherren - das ist sonst immer Ihre Sorge bei Personalentscheidungen - und den Mitbestimmungsbefugnissen der Personalvertretungen und Beschäftigten. Entscheidend ist aber, die vorgeschlagenen Änderungen schöpfen den vom Bundesverfassungsgericht und der Thüringer Verfassung selbst gegebenen Gestaltungsspielraum für den Artikel 37 Abs. 3 zugunsten der Ausweitung der Beschäftigtenmitbestimmung aus. Bisherige Defizite werden beseitigt. Die bisherige Fassung des Abs. 3 in Artikel 37 Thüringer Verfassung lautet, ich zitiere: „Die Beschäftigten und ihre Verbände haben nach Maßgabe der Gesetze das Recht auf Mitbestimmung in Angelegenheiten ihrer Betriebe, Unternehmen oder Dienststellen.“ In dem Ihnen allen bekannten Kommentar zur Thüringer Verfassung von Linck/Jutzi/ Hopfe heißt es hierzu, Zitat: „Die Bedeutung des Artikel 37, der primär Gesetzgebungsauftrag ist, ist jedoch nicht nur wegen seiner unpräzisen Fassung beschränkt, um dann auf bundesrechtliche Schranken zu verweisen.“ Besonders deutlich wird das an der Formulierung „nach Maßgabe des Gesetzes“. Damit kann bisher allein durch einfache gesetzliche Ausgestaltung faktisch Inhalt und Reichweite der Verfassungsgarantie bestimmt werden. Auf dieses Kernproblem verweist der Gesetzentwurf auch in seiner Begründung. Mit dieser Formulierung „nach Maßgabe der Gesetze“ wird also das eigentlich im Rechtsstaat vorgesehene Rangverhältnis von Verfassung und einfachem Gesetz, hier dem Thüringer Personalvertretungsgesetz, faktisch in sein Gegenteil verkehrt.
Sowohl das konkrete Personalvertretungsrecht als auch die damit von Personalvertretung und Beschäftigten gemachten praktischen Erfahrungen und darauf aufbauende Praxis bestätigen die Existenz eben gerade dieses Problems. Das ist, so meinen wir als Fraktion DIE LINKE, sowohl rechtlich als praktisch ein unhaltbarer Zustand, der dringend beseitigt werden muss. Um in Zukunft wieder sicherzustellen, dass die Verfassung tatsächlich den Handlungsrahmen für Gesetzgebung des Thüringer Personalvertretungsgesetzes bestimmt, heißt es nun in unserem Vorschlag: „Das Nähere regelt das Gesetz.“ Das heißt, diese Regelungen füllen dann den von der Verfassung gesetzten Rahmen mit inhaltlichen Details zur praktischen Umsetzung aus.
Ebenso wichtig für uns, Artikel 37 Abs. 3 wird auch in seiner inhaltlichen Ausgestaltung bestärkt. Zwei
wesentliche Punkte werden mit dem Vorschlag der Fraktion DIE LINKE in der Verfassung verankert: Erstens, die Personalvertretungen bestimmen bei allen Angelegenheiten und Maßnahmen mit, die die Belange der Beschäftigten betreffen, und zwar als einklagbarem Rechtsanspruch mit Verfassungsrang, und zweitens, die Personalvertretungen haben zur wirksamen Erfüllung ihrer Aufgaben das Recht, das heißt den einklagbaren Rechtsanspruch mit Verfassungsrang. Herr Hey, das ist genau das, worauf ich Sie aufmerksam machen wollte. Wo ist er? Ich sehe ihn gerade nicht.
Ach da, okay. Sie hatten danach gefragt, ob die Frage des Informationsanspruches nicht schon geregelt sei. Da führte ich gerade aus, nein, weil jetzt bekäme das einen Verfassungsrang und damit ein einklagbares Recht. Das ist für uns der Unterschied, weswegen wir tatsächlich diese Änderung auch vorsehen.
Aus dem Recht der Information ergibt sich zwangsläufig auch die Pflicht für die Dienststelle, die Personalvertretung rechtzeitig und umfassend zu informieren. Mit diesen zwei Punkten werden wesentliche Forderungen der Personalvertretungen und der Gewerkschaften, die im Übrigen den Vorschlag zur Änderung der Verfassung begrüßt haben, aufgegriffen und umgesetzt.
Diese Verfassungsvorgaben durch Änderung des Thüringer Personalvertretungsgesetzes noch konkreter für den Arbeitsalltag im öffentlichen Dienst wirksam werden zu lassen, ist dann eine weitere Aufgabe, die sich das Parlament stellen kann. Wichtig ist, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf dazu die Tür zu öffnen. In diesem Sinne wäre es also wünschenswert, dass der Landtag an der Veränderung des bisher so beschäftigtenunfreundlich gestalteten und angewendeten Artikels 37 Abs. 3 arbeitet, damit das noch offene Verfassungsversprechen der Beschäftigtenmitbestimmung auch wirklich eingelöst wird. Damit würde der Landtag ein modernes Verständnis des öffentlichen Dienstes beweisen und eine wichtige Voraussetzung für dessen auch zukünftige gute Arbeit trotz anstehender Herausforderungen und Reformen leisten.
Meine Kollegin Sabine Berninger hat beantragt, unseren Gesetzentwurf an den Innenausschuss zu überweisen. Wir bitten auch darum, vor dem Hintergrund des großen Interesses der Interessensvertretungen und Gewerkschaften dort eine Anhörung durchzuführen. Angesichts der Ankündigung, die eben durch die SPD hier am Rednerpult verkündet wurde, dass man gegebenenfalls der Ausschuss
überweisung nicht zustimmen wird, bitte ich darum, gelegentlich darüber nachzudenken, wie nah oder weit die SPD denn heute noch mit den Anliegen der Gewerkschaften und Personalvertretungen verbunden ist. Dieser Gesetzentwurf ist dort besprochen und wird unterstützt und ich würde es als falsches Signal bezeichnen, wenn die Sozialdemokratische Partei Deutschlands einer solchen Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss heute widersprechen würde.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, der Zwischenbericht zum Untersuchungsausschuss NSU und Behördenversagen und die heutige Aussprache darf sich nicht erschöpfen in dem, was war, sondern muss auch die Frage nach dem Warum stellen. Ein Jahr beschäftigte sich der Ausschuss mit dem Erstarken der Neonaziszene in den 90erJahren und den stümperhaften, fahrlässigen oder gar befördernden Reaktionen der Thüringer Politik und Behörden. Der Befund ist klar und im Bericht exakt beschrieben. Nach 1989 wuchsen aus den losen Gruppierungen der Skinheadszene der DDR schnell Kameradschaften, vernetzten sich, wurden durch Neonazikader aus dem Westen geschult in NS-Ideologie und an der Waffe. Die Militanz, die braune Schläger auf der Straße ausübten, führte zu
einer Bedrohungssituation für nicht rechte Jugendliche, Migranten und Migrantinnen und den politischen Gegner, die zu Recht als Errichtung von Nogo-Areas beschrieben wird. Politik und Behörden wiegelten ab. Mal wurde diese Entwicklung als Gewaltphänomen unter Jugendlichen, mal als reines Hirngespinst linker Miesmacher abgetan.
Ich will hier nicht den Zwischenbericht wiederholen. Die Fakten sind beschrieben. Aber es ist zu wenig, einfach zu sagen, es wurde bagatellisiert. Es wurde mit Verweis auf Rechts-Links-Auseinandersetzung verharmlost. Die Geringachtung der Gefahr, das fehlende Verständnis für die Wechselbeziehung zwischen neonazistischen und rassistischen Einstellungen und Handlungen fußt auf politischen Annahmen und fußt auf politischen Entscheidungen.
Daher geht es nicht nur um Fehler oder Versäumnisse, es muss um Schuld und Wiedergutmachung gehen. Das ist die Frage, die der Zwischenbericht aufwirft.
Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss hat sich intensiv mit dem gesellschaftlichen Klima in den 90er-Jahren beschäftigt. Wir haben die Berichte der Sachverständigen im Untersuchungsausschuss gehört. Die Opfer physischer Gewalt und braunen Verdrängungsdrucks kamen zu Wort. Die ehemals Ungehörten konnten deutlich machen, dass es etwa nicht an fehlender Analyse lag, sondern daran, dass man den warnenden Stimmen entweder nicht zuhörte oder nicht zuhören wollte. Unter denen, die mit richtigen Worten bei den falschen politischen Verantwortlichen scheiterten, gehörten auch Stiftungen der politischen Bildung und selbst Einrichtungen wie die Landeszentrale. Aber warum? Das ist die Frage.
Dafür gibt es für uns als Fraktion DIE LINKE drei Grundlagen: Zum einen führten kalte Krieger aus den alten Bundesländern in Thüringen an verantwortlicher Stelle den Stellungskampf aus den Zeiten der Blockkonfrontation einfach weiter. Mit diesen war über die Gefahr von Rechts einfach nicht zu reden. Denen war es wichtiger, die PDS und alles, was sie dazu zählten, bis zu Kleingärtnern und Garagenbesitzern zu diffamieren, anstatt den Blick nach Rechts zu richten. Hinzu kamen die, die aus biografischen Gründen und - ich sage ganz deutlich - auch aus verständlichen Gründen, eine politische Abscheu gegen sozialistische Ideen und Praktiken gewonnen hatten, und daher Rechtsaußen weder als tatsächliche Gefahr anerkannten, noch sich gemeinsam mit der gesellschaftlichen Linken in einem Bündnis gegen Rechts sehen wollten. Wer die alten Plenardebatten liest, weiß, was ich meine. Ich zitiere, hier gesprochen im Plenum: „Sie sind eine Partei mit einer extremistischen, terroristischen Vergangenheit und Sie sind auch eine Partei mit einer
extremistischen und terroristischen Gegenwart und Zukunft.“ Gemeint war hier die PDS in einer Aussprache anlässlich einer Anfrage meiner Fraktion damals zum Thema Rechtsextremismus am 21. Juni 1996. Das war das politische Klima. Aber auch die SPD tat ihres dazu, den Popanz einer Gefahr von links mit aufzubauen. Eine durch die Landesarbeitsgemeinschaft „Gewerkschafter gegen Rassismus und Faschismus“ in Saalfeld organisierte Demonstration mit dem Titel „Den rechten Konsens brechen“ wurde auch von der lokalen SPD wie durch den damaligen Innenminister verhindert. Man verwies darauf, die Demonstration würde dem Ansehen der Stadt schaden, und redete lieber von linken Chaoten als von rechten Schlägern. Diese nannte man „Jugendclique“. Man sprach nicht nur nicht über Neonazis, man sprach auch nicht über Rassismus. Dieser wurde in diesen Jahren praktiziert - von den Medien in kampagnenförmiger Hetze gegen Flüchtlinge, „Das Boot ist voll“, so etwa nicht die Parole der NPD, sondern das Cover des SPIEGEL am 9. September 1991. Dem Druck der Massenmedien willfährig folgend und diesen verstärkend, sekundierte die Politik mit Worten wie „Kinder statt Inder“ oder durch die Debatte um die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, genannt dort in den Anfangszeiten die Debatte um den Missbrauch des Grundrechts auf Asyl. Das endete dann in der faktischen Abschaffung dieses Grundrechts. Worte, die zu Brandsätzen wurden. Nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen kam es in der Bundesrepublik wochenlang zu flächendeckenden Gewaltorgien der Neonazis. Binnen sieben Tagen kam es in mindestens 40 Fällen zu Angriffen auf Ausländerwohnheime mit Brandsätzen und Steinen. Und in Thüringen? Zwischen 1990 und 1993 sterben in Thüringen vier Menschen durch Neonazi-Gewalt. In Jena kommt es 1995 zu einem Anschlag auf ein Haus, in dem Kriegsflüchtlinge aus Bosnien wohnen. Einer, der das Gebäude zuvor ausspionierte und sich die Gewohnheiten der Wachleute notierte, hieß Uwe Mundlos.