Protocol of the Session on September 20, 2012

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße auch die Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Für die heutige Plenarsitzung hat Abgeordnete Kanis als Schriftführerin neben mir Platz genommen. Die Rednerliste führt Frau Abgeordnete König.

Es haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Günther, Herr Abgeordneter Krauße, Herr Abgeordneter von der Krone, Herr Abgeordneter Kuschel, Herr Abgeordneter Recknagel, Herr Minister Reinholz, Frau Ministerin Walsmann und Herr Minister Matschie zeitweise.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, gestatten Sie mir folgende allgemeine Hinweise: Mit der Aufführung des auf der diesjährigen Berlinale vorgestellten Films „Blut muss fließen Undercover unter Nazis“ von dem Regisseur Peter Ohlendorf wendet sich der Landtag gegen den heutigen NPD-Aufmarsch vor dem Thüringer Parlament. Die Vorführung des Films beginnt im Anschluss an die Plenarsitzung um 19.30 Uhr. Daran schließt sich eine Podiumsdiskussion mit dem Regisseur und dem Leiter der Landeszentrale für politische Bildung an, die von Herrn Kendzia vom MDR moderiert wird.

Außerdem ist heute zu Beginn der Mittagspause eine Aktion vor dem Schriftzug „Thüringer Landtag“ in der Jürgen-Fuchs-Straße geplant. Symbolisch wollen wir gemeinsam mit vielen bunten Schirmen unseren Landtag vor Rechtsextremisten abschirmen. Ich hoffe auf eine rege Beteiligung.

(Beifall im Hause)

Nun folgende Hinweise zur Tagesordnung: Wir sind gestern bei der Feststellung der Tagesordnung folgendermaßen übereingekommen: Tagesordnungspunkt 6 wird gemeinsam mit dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/5003 und dem Tagesordnungspunkt 19 beraten.

Zu den Tagesordnungspunkten 7 und 8 findet jeweils die zweite Beratung unmittelbar nach der ersten Beratung statt.

Der Tagesordnungspunkt 13 wird am Freitag als erster Punkt aufgerufen und die Tagesordnungspunkte 26 und 31 werden gemeinsam aufgerufen.

Zu Tagesordnungspunkt 2 wird ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/5006 verteilt. Zu Tagesordnungspunkt 9 wurde ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache

5/5005 verteilt. Zu den Tagesordnungspunkten 26 und 31 wurde ein Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drucksache 5/5004 verteilt.

Gibt es weitere Hinweise zur Tagesordnung? Ich sehe, das ist nicht der Fall, dann treten wir in die Beratung der Tagesordnung ein und ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2

Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drucksache 5/4668 dazu: Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/5006

ZWEITE BERATUNG

Ich eröffne die Aussprache und als Erster hat sich der Abgeordnete Kemmerich von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht um Ladenöffnung, scheinbar eine hoch emotionale, hoch wichtige Frage, aber in negativer Hinsicht, weil die Politik, zumindest Teile derer, sich einmischen will in vielmals doch sehr freie Entscheidungen von verschiedenen Interessengruppen der Bevölkerung. Uwe Barth, unser Fraktionsvorsitzender, hat in diesem Sommer - er war nicht der Einzige, viele haben Sommerreisen gemacht, aber er ist ein Stück schneller als manch anderer, dieses Jahr ging es ihm um den Einzelhandel, um diejenigen, die in Thüringen arbeiten, in Thüringen Dienste zur Verfügung stellen, die Service leisten auch für andere - den Einzelhandel besucht.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Der hat eingekauft?)

Ich weiß nicht, Herr Ramelow, wie Sie das machen, wahrscheinlich gehen Sie auch schon im Internet einkaufen. Das ist ganz interessant. Genau darauf komme ich noch zu sprechen.

(Beifall FDP)

Jedenfalls sagte zum Beispiel die Leiterin eines Einkaufscenters, der Politik stände es auch einmal gut zu Gesicht, Fehler einzugestehen. Ein Fehler ist sicherlich die Formulierung in der sehr kurzfristig eingereichten Änderung zum Ladenöffnungsgesetz aus dem Dezember letzten Jahres, die ein Arbeitsverbot an mindestens zwei Samstagen des Monats vorsieht und viele Leute davon abhält, ihrer Profession nachzugehen.

Quintessenz des Besuchs war es zumindest, dass der Einzelhandel diese Gesetzesänderung ablehnt, die Formulierung dieser Gesetzesänderung ablehnt

(Beifall FDP)

wie übrigens auch andere gesetzestechnische Initiativen - ich sage nur Mindestlohn. Wir haben kaum jemanden getroffen, der die Ladenöffnungsregeln in Thüringen begrüßt. Klar, vielleicht können größere Einzelhandelsgeschäfte, größere Einkaufsmärkte aufgrund ihrer Personalvielfalt diesen Regelungen entgegentreten, sind flexibler, aber ob sie damit die Wünsche der Arbeitnehmer, und das scheint ja bei Ihnen besonders im Fokus zu stehen, treffen, das bleibt die Frage.

(Beifall FDP)

Der beratungsintensive Einzelhandel - Möbelhändler, Zoohändler, viele andere - sind hier sehr betroffen. Denn hier geht es eben nicht, dass diejenigen, die erstens samstags arbeiten wollen, dieses aus gutem Kalkül machen, weil sie sagen, am Samstag ist der beste Einzelhandelstag, ich denke, so weit sind auch alle hier informiert. Das ist auch nicht weiter schwer. Mit wenigen Klicks im Internet erfährt man das. Der beste Einzelhandelstag wird dann bedient von Aushilfen, was ja die Landesregierung eigentlich gar nicht will - sie ist gerade wenig vertreten, insbesondere das Wirtschaftsministerium.

Dr. Senft, Präsident des Einzelhandels, formulierte: In den letzten Jahren haben wir es geschafft, prekäre Arbeitsverhältnisse, Minijobs aus dem Handel zu verdrängen, abzubauen; jetzt sind wir wieder gezwungen, aufgrund der Samstagsarbeitsverbotsregelung 400-€-Minijobs einzurichten, weil sie zur Aushilfe dienen müssen.

(Beifall FDP)

Ich habe danebengestanden, als Kunden samstags den Wunsch nach Service hatten, nach Bedienung, die Schlangen häuften sich. Es waren halt zu wenig Leute da, die Service leisten konnten. Kunden waren verprellt, die Mitarbeiter waren verprellt, keiner ist so richtig zufrieden mit der Regelung. Aber die Regierung ist der festen Überzeugung, was sie getan haben, hilft. Die Frage ist halt: Wem?

Inzwischen ist es so weit, dass wir mal wieder negative Blaupause in Thüringen geworden sind. Die Republik schaut auf uns, die Arbeitnehmerschaft, die Arbeitgeberschaft. Inzwischen hat zum Beispiel der Möbeleinzelhändler Höffner Verfassungsklage gegen die Regelung aus unserem Freistaat erhoben. Ich denke, das sollte Mahnung sein, uns hier doch zu bewegen.

(Beifall FDP)

Lassen Sie uns das mal segmentieren: Was haben wir denn erreicht? Betrachten wir mal die Arbeit

nehmer. Es gibt genug Arbeitnehmer, die aufgrund ihres Lebensentwurfs oder ihrer Lebenssituation zu diesem Zeitpunkt sagen, ich kann nur am Samstag arbeiten, Schüler, Studenten, Mütter, die sagen, ich will mich unter der Woche darum kümmern, dass meine Kinder vernünftig in die Schule kommen und wieder nach Hause; Väter, die sagen, ich habe andere Lebensaufgaben, aber ich will am Samstag mir entsprechend etwas hinzuverdienen. Diesen Menschen verwehren wir mit diesen Regelungen den Zugang zum Arbeitsmarkt, den Zugang zu ihrem persönlichen Verdienst am Samstag.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, der eben etwas aufbrausende junge Herr, ich denke, auch er war schon mal samstags einkaufen. Ich weiß nicht, ob er durchgezählt hat, ob es nun der dritte oder vierte Samstag war. Es gibt Samstage, wo man sagt, okay, ich gehe jetzt einkaufen, weil ich abends eingeladen bin und ein Geschenk brauche, mit meiner Familie frühstücken möchte. Vielerlei Motivation gibt es auch, den Samstag als normalen Werktag, wie es übrigens im Gesetz steht, auch auszunutzen.

(Beifall FDP)

Wenn wir diesen Leuten jetzt die Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt verwehren an einem Samstag, dann drängen wir sie dazu, notfalls vom Staat aufzustocken, eben nicht Geld zu verdienen, anderen Tätigkeiten nachzugehen oder einfach zu Hause zu bleiben.

Arbeitgebersicht: Gerade die Kleinunternehmen, die ein, zwei Mitarbeiter haben, die das wohl organisiert haben, die jetzt unter das Arbeitsverbot geraten, was passiert am Ende? Der Unternehmer selber, die Unternehmerin selber, die ohnehin schon kaum mit 60 Stunden die Woche auskommt, wird aufgrund mangelnder finanzieller Möglichkeiten an diesen Samstagen darauf zurückgreifen müssen, selber im Laden zu stehen. Auch da leidet deren Familienleben,

(Beifall FDP)

deren Arbeitskraft, deren Substanz, das Unternehmen zu führen. Denn oftmals - so ist die Realität ist es so, dass sie am Samstag unsere bürokratischen Hürden zu überwinden versuchen, Buchhaltung und Ähnliches machen. Auch da werden wir oftmals miterleben können, dass Läden geschlossen sind, kein Personal da ist oder der kleine stationäre Einzelhandel tatsächlich ganz auf den Märkten verschwinden muss. Gerade in den Städten Erfurt, Jena, Weimar, Nordhausen freuen wir uns über die Entwicklung der letzten 20 Jahre, dass wir es geschafft haben, attraktive Innenstädte zu entwickeln, dass die Leute in die Städte strömen, gerade wenn sie Zeit haben und sagen, okay, ich gehe bummeln, ich gehe nach Erfurt. Ich freue mich hier über die

Situation und gerade die großen Städte Thüringens haben eine wunderbare Einkaufssituation.

(Beifall FDP)

Wenn wir aber jetzt mit diesen Regelungen fortschreiten, treiben wir die Leute ins Internet. Gerade das ist die Stärke der Unique Point of Sale, zu sagen, wir sind beratungsintensiv, wir können mehr als das Internet, hier gibt es nicht nur drei Klicks und das Produkt kommt, Zalando schreit vor Glück, mag alles sein, nein, hier kann ich hingehen, mich beraten lassen und bekomme die Leistung, das Produkt, was denn auf mich zugeschnitten ist.

(Beifall FDP)

Aber auch das wollen und werden wir mit diesen Regelungen unterbinden und irgendwann sitzen wir dann wahrscheinlich in einem ähnlich Hohen Haus und beklagen das Sterben der Innenstädte. Aber, meine Damen und Herren, heute schon an morgen denken, mit diesen kleinen Wirkungen, mit diesem kleinen Effekt, den Sie unter das Mäntelchen des Arbeitnehmerschutzes stellen - wobei die Arbeitnehmer hier gar nicht geschützt werden wollen -, hat langfristige, auch heute schon nachvollziehbare Folgen. Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir unseren Antrag gestellt, dieses Arbeitsverbot aus § 12 Abs. 3 zu streichen.

(Beifall FDP)

Wenn wir nicht aufpassen, wir haben heute schon bleiben wir beim Beispiel Erfurt - 30.000 Gäste pro Tag auf dem Anger, 86.000 Gäste im Leipziger Bahnhof. Wir kennen alle die Situation am 3. Adventsonntag. Das ist auch ein Antrag der GRÜNEN, ein Änderungsantrag, die verkaufsoffenen Sonntage auf zwei zusammenzustreichen. Wir haben heute schon das Phänomen, am 3. Adventsonntag hat Thüringen Schließzeit, Sachsen mit einer Willkommenskultur lädt die Leute ein, gebt Geld aus, Karawanen von Thüringern fahren nach Leipzig, geben dort ihr Geld aus und der Thüringer Einzelhandel steht staunend daneben und sagt, das Geld hätte ich auch gerne verdient. Aber das Geld bleibt in Sachsen,

(Beifall FDP)

die Beschäftigung wandert nach Sachsen und die Kaufkraft wandert nach Sachsen. Das kann nicht das sein, was wir wollen.

Noch ein paar Sätze zu dem Antrag der GRÜNEN. Fangen wir an mit der Subsidiarität. Sie wollen die Entscheidungskraft, wo, wann, wie geöffnet wird, verlagern auf die Landesregierung oder in Vollmacht gesetzte Körperschaften. Ich denke, gerade die Landratsämter, gerade die kreisfreien Städte können viel besser entscheiden, wann es Sinn macht und sinnvoll ist, diese Läden zu öffnen. Aber es zeigt Ihren politischen Ansatz zu sagen,

(Beifall FDP)

es muss alles nach oben verlagert werden. Wir sprachen gestern über Europa, am besten entscheidet die Europäische Kommission, wann wir sonntags Ladenöffnungszeiten haben. Nein, bleiben Sie bei den kleinen Strukturen, bleiben Sie bei der Subsidiarität und verlagern Sie das nicht weg. Insofern ist der Ansatz in Ihrem Änderungsantrag sehr ideologisch und Sie schränken Sortimente ein. In vielen Punkten gehen Sie auf Tatbestände zurück, die wir längst überkommen haben. Ich will jetzt hier nicht wieder mit Freiheit für alles kommen, aber es sollte doch jedem überlassen sein, gerade demjenigen, der Einzelhandel betreibt, wann und wie er sein Geschäft öffnet, wann er selber die Möglichkeit sieht, damit Umsatz zu machen. Er sollte entscheiden können, wann er sein Personal einsetzt, seine übrigens für 7 Tage, 24 Stunden, angemieteten Flächen öffnet und wann er die Gäste dazu einlädt, seine Kunden zu sein. Wir alle können das im Internet. Damit diese Konkurrenz nicht unsere Städte leer fegt, unseren Einzelhandel an den Rand der Existenzbedrohung drängt, sind wir mit diesem Antrag ins Plenum gekommen.