Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit dem 1. Juli gehören dem Thüringer Landtag sechs neue Abgeordnete an. Es sind dies für die CDU-Fraktion Evelin Groß und für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordneten Ralf Kalich, Maik Nothnagel, Dirk Möller, Frau Dr. Johanna Scheringer-Wright und Frau Diana Skibbe. Ich heiße Sie alle herzlich hier willkommen im Rund - für die meisten ist es ja kein neues Gefühl, im Landtag zu sitzen - und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit mit uns allen. Ihnen allen einen guten Start.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind eben im Ältestenrat übereingekommen, dass wir bei allen Punkten der Tagesordnung - außer dem Punkt 17 - in verkürzter Redezeit beraten werden. Wir sind auch übereingekommen, dass wir den TOP 8 ohne Aussprache beraten.
Ich möchte Ihnen noch folgende allgemeine Hinweise geben: Die Landespressekonferenz hat morgen zu einem parlamentarischen Abend eingeladen, der nach Beendigung der Plenarsitzung beginnen wird.
Aufgrund der Eilbedürftigkeit habe ich dem Fotografen Gordon Schmidt eine Sondergenehmigung für Bild- und Tonaufnahmen gemäß der Regelung für dringende Fälle nach § 17 Abs. 4 Satz 1 unserer Geschäftsordnung für die heutige Plenarsitzung erteilt.
Noch Hinweise für die Tagesordnung: Die Fraktionen sind im Ältestenrat übereingekommen, heute und morgen nach 19.00 Uhr und Freitag nach 18.00 Uhr keinen weiteren Tagesordnungspunkt mehr aufzurufen und am Donnerstag keine Mittagspause durchzuführen. Die Fragestunde soll morgen 13.00 Uhr aufgerufen werden und danach erfolgen die Wahlen in den Tagesordnungspunkten 29 bis 39. Der Tagesordnungspunkt 1 a und b wird am Freitag als zweiter Tagesordnungspunkt aufgerufen.
Darüber hinaus regt der Ältestenrat zum Tagesordnungspunkt 1 a, Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen, in Drucksache 5/4533 an, im Anschluss an die zweite Beratung, sofern keine Ausschussüberweisung beschlossen wird, gleich die dritte Beratung durchzuführen. Ich gehe davon aus, dass dem nicht widersprochen wird. Ich sehe keinen Widerspruch.
Die Beschlussempfehlung des Ausschusses zu Tagesordnungspunkt 2 a hat die Drucksachennummer 5/4719 erhalten. Hinweis dazu: Den Tagesordnungspunkt 2 b hat der mitberatende Justiz- und Verfassungsausschuss heute in seiner AusschussSitzung beraten. Die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses liegt Ihnen vor. Sie ist daher nicht in der nach § 58 Abs. 1 der Geschäftsordnung anzunehmenden Frist von zwei Werktagen vor Beginn der Beratung verteilt worden. Daher ist über die Fristverkürzung gemäß § 66 Abs. 1 zu beschließen. Dies kann mit einfacher Mehrheit geschehen. Widerspricht dem jemand? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann würden wir darüber entscheiden. Wer dafür ist, dass wir diese Fristverkürzung bestätigen, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke. Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das sehe ich nicht.
Der Ältestenrat ist übereingekommen, am Freitag folgende Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge aufzurufen: den Tagesordnungspunkt 6 als ersten Tagesordnungspunkt, den Tagesordnungspunkt 1 als zweiten Tagesordnungspunkt und den Tagesordnungspunkt 27 als dritten Tagesordnungspunkt.
Der in TOP 6 angekündigte Gesetzentwurf der Landesregierung hat die Drucksachennummer 5/4714. Die Drucksache wurde am Freitag, dem 13. Juli, verteilt und kann ohne Fristverkürzung erst am Freitag beraten werden. Daher ist über die Fristverkürzung gemäß § 66 Abs. 1 zu beschließen. Das kann in einfacher Mehrheit geschehen. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Widerspruch sehe ich keinen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Fristverkürzung entschieden.
Zu Tagesordnungspunkt 7: Der angekündigte Antrag wurde von allen Fraktionen eingereicht und hat die Drucksachennummer 5/4683.
Zu Tagesordnungspunkt 40 - Fragestunde - kommen die Mündlichen Anfragen in den Drucksachen 5/4665/4669/4681/4682/4689/4698/4699/4700/470 4/4705/4708/4709/4715/4717 und 5/4718 hinzu.
Die Landesregierung hat mitgeteilt, neben den bereits in den letzten Plenarsitzungen angekündigten Sofortberichten zu den Tagesordnungspunkten 11 und 13, auch zu den Tagesordnungspunkten 19, 23 und 25 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.
Die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die FDP, DIE LINKE und die CDU-Fraktion haben jeweils eine Aktuelle Stunde beantragt. Die Zeit für jedes Thema beträgt 30 Minuten, die Redezeit der Landesregierung bleibt unberücksichtigt. Die Redezeit für einen Beitrag eines Abgeordneten beträgt maximal 5 Minuten.
a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Bürgerinnen- und Bürgerrechte schützen - Meldegesetz im Bundesrat blockieren“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/4670
Als Erster zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Dirk Adams von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bitte schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema kann nicht ohne kritische Reflexion des Parlamentarismus und des Ablaufs der Debatte im Deutschen Bundestag beginnen. Auch wir GRÜNE haben an dieser Stelle nichts zu beschönigen. Bei YouTube machte ein Video die Runde, in dem ein verwaister Bundestag zu sehen ist, in dem wenige Abgeordnete noch anwesend sind, eine echte Debatte nicht einmal in Ansätzen stattfindet und dann ein Gesetz ganz falsch beschlossen wird.
nicht dass wir nicht alle wissen, dass der Deutsche Bundestag ein gutes Arbeitsparlament ist, das während der Plenartage auch Debatten in Ausschüssen führt und damit die Abgeordneten dort auch ihre Verantwortung wahrnehmen müssen, ist es doch an dieser Stelle allzu deutlich geworden, dass das Einfordern von Debatten, so unangenehm das nach 20.00 Uhr in manchen Situationen auch hier im Thüringer Landtag ist oder freitags nach 18.00 Uhr, eine wichtige Forderung sein muss.
Es ist gut, an dieser Stelle viel Beifall zu bekommen und wahrzunehmen, dass auch die Landesregierung offensichtlich von diesem Gesetz nicht überzeugt ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, grundsätzlich ist jedoch festzustellen, dass wir ein neues Meldegesetz auf der Bundesebene brauchen. Im Rahmen der Föderalismusstrukturdebatte und der Föderalismusreform hat man sich entschieden, hier neue Wege zu gehen und dieses Thema auf die Bundesebene zu legen. Aber richtig ist es natürlich, an dieser Stelle eine Debatte zu führen, welche die Bürgerrechte stärkt und nicht so, wie dieses Gesetz oder der eine Paragraf, der eine Absatz das macht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Paragraf, dieser Absatz ist es wert, einmal kurz vorgelesen zu werden. Es ist der § 44 Abs. 1 des in Rede stehenden Gesetzes. Ich zitiere: „Die betroffene Person hat das Recht, der Übermittlung ihrer Daten zu den in Satz 2 genannten Zwecken zu widersprechen; sie ist auf dieses Recht bei der Anmeldung nach § 17 Abs. 1 sowie einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung hinzuweisen.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese gesetzliche Regelung erleichtert es der Werbewirtschaft ganz enorm, ganz bürgerrechtsunfreundlich an die Daten aller unserer Bürger heranzukommen. Nicht umsonst demonstriert gerade der Städte- und Gemeindebund an dieser Stelle gegen dieses Gesetz und sagt, wir sind keine Datenverkäufer, wir wollen dieses Gesetz in dieser Form nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, erst versuchte man seitens der Bundesregierung durch einen Referentenentwurf, der lange im Internet zu lesen war, vorzuspielen, vorzutäuschen, dass man hier ein datenschutzfreundliches Gesetz im Schilde führt. Dann gibt es wenige Tage vor der zweiten und dritten Lesung im Bundestag einen Änderungsantrag von Abgeordneten der CSU, die zu dieser Verschärfung dieses Gesetzes beitragen. Der wesentliche Kritikpunkt ist, dass nicht mehr optional die Möglichkeit besteht, zu sagen, ja, ich bin bereit und ich möchte, dass meine Daten weitergegeben werden, also die Möglichkeit, ein Kreuz zu machen, ja, ich will das, sondern dass man jetzt die Option geschaffen hat, nur noch ausschließen zu können, ich möchte nicht. Das führt dazu, dass im Prinzip bei der melderechtlichen An-, Um- oder Weitermeldung bzw. Weiterleitung jeder Bürger darauf achten muss, im Prinzip eine Beratung braucht, wo er seine Kreuze setzt, um auch klarzustellen, falls er oder sie es nicht wünscht, durch die Werbewirtschaft be
lästigt zu werden. Das ist ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk an die Werbewirtschaft. Wir wollen dieses Gesetz so nicht. Wir finden es richtig, dass die Landesregierung Signale gesetzt hat, dieses Gesetz so nicht passieren zu lassen. Noch besser ist es, dass die Bundesregierung ihrer Koalition widerspricht und sagt, dieses Gesetz darf so nicht kommen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, wir leben vom Datenaustausch. Kommunikation ist alles. Das Internet ist inzwischen das Medium, in dem Daten in einem schier unüberschaubaren Maße ausgetauscht werden. Wir selber benötigen ja auch Daten und tauschen sie untereinander aus, wir rufen Datenbanken ab und verfügen damit auch über Daten von anderen. Der Datenzugriff ist unerlässlich, das Telefonbuch in Papier oder in elektronischer Form beispielsweise ist nicht wegzudenken.
Nun gab es in den letzten Tagen einen gewaltigen medialen Aufschrei. Was war geschehen? Der Bundestag hat ein bundeseinheitliches Meldegesetz beschlossen. Das ist an sich gut, denn es gibt auch zahlreiche Verbesserungen darin. In diesem Gesetz ist unter anderem die Frage geregelt, an wen, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen darf eine Meldebehörde Daten ihrer Bürger weitergeben. Die Bundesregierung hatte ursprünglich im neuen Meldegesetz die Weitergabe der Meldedaten im § 44 an die Zustimmung des Betroffenen geknüpft.
Wie war die Situation in den Bundesländern? Meine Damen und Herren, sie war unterschiedlich. Wir können in zahlreichen Gesetzen feststellen, dass die Datenweitergabe nicht nur an Behörden, sondern auch an Dritte zulässig ist. Die Meldegesetze der Länder ermöglichen das, auch das Thüringer. Seit Jahrzehnten gibt es die einfache Meldeauskunft in zahlreichen Landesmeldegesetzen. Die Melderegisterauskunft hat einen konkreten Hintergrund. Sie dient der Sicherung, dass ein Bürger unter einer Anschrift gemeldet ist. Das ist beispielsweise für Gläubiger relevant, die etwa eine Klage einreichen möchten oder zumindest sicherstellen wollen, dass der Schuldner „greifbar“ ist. Aus diesem Grund darf die Auskunft nämlich nach diesem § 44 des Meldegesetzes auch nicht ins Blaue hinein abgefordert werden, sondern muss sich auf konkrete bestimmte Personen beziehen. Nach der
Anhörung hatte dagegen nun der Innenausschuss des Bundestages vorgeschlagen - wir haben es eben gehört -, diesen § 44 zu ändern und somit aus der Einwilligungslösung für die Datenweitergabe eine eingeschränkte Widerspruchslösung zu machen mit der Begründung, von jedem Bürger eine Einwilligung zu erhalten, ist nicht praktikabel. Diese Einwilligung oder diese Einschränkung gilt nicht, wenn die Daten zur Berichtigung vorhandener Daten verwendet werden. Das ist noch eine Stufe mehr, denn hier hilft nicht mal mehr der Widerspruch. Genau das, diese veränderte Regelung, erregt die Gemüter. Die Öffentlichkeit ist empört, erstens über die gewählte Lösung, der Bürger will nämlich wissen, was mit seinen Daten geschieht. Ich bin auch der Meinung, der Bürger verschließt nicht die Augen nach dem Prinzip, was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Zweitens ist er empört über das Zustandekommen des Abschlusstextes; eine Zustimmung, bei der die übergroße Mehrheit der Abgeordneten fehlt, stößt auf Unverständnis.
Meine Damen und Herren, so überschlugen sich auch die Schlagzeilen in den Medien. „Daten im Sonderangebot“, „Daten verkauft“ oder „So machen Adresshändler Ihre Daten zu Geld“ - das waren die Schlagzeilen und ich könnte weitere noch aufzählen.
Als Vorsitzender der Thüringer Verbraucherzentrale ist meine Position klar und eindeutig. Jeder Bürger soll selbst entscheiden können, was mit seinen Daten geschieht. Ich plädiere für die informelle Selbstbestimmung.
Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Sie wollen nun das ganze Gesetz, wie es im Titel heißt, blockieren. Ich halte das in dieser Form, wie es formuliert ist, für falsch und ich denke auch, das wollen Sie auch nicht so in diesem Sinne, denn an sich hat das Gesetz viele vernünftige Passagen. Es muss lediglich dieser § 44 geändert werden. In dieser Weise haben sich auch bereits zwei Thüringer Minister, der Justizminister und der Innenminister, geäußert. Demnach wird die Landesregierung, denke ich, im Bundesrat auch diese Entscheidung nicht mittragen und eine Vermittlung im Innenausschuss herbeiführen. Was lehrt uns das? Erstens, meine Damen und Herren, der Datenschutz nimmt an Bedeutung zu. Ein bis vor Kurzem übliches Verfahren muss sich bereits heute mit anderen Maßstäben messen lassen. Zweitens, wir brauchen mehr Transparenz. Auch wir hier im Thüringer Landtag brauchen Transparenz für all unsere Entscheidungen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, „Deutscher Bundestag beschließt Melderechtsreform mit erheblichen Datenschutzmängeln“ - so, meine Damen und Herren, die Überschrift einer Presseerklärung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz vom 9. Juli 2012. Herr Schaar kritisiert, dass die beschlossene Melderechtsreform die im Regierungsentwurf enthaltenen Datenschutzbestimmungen erheblich verschlechtert und sogar hinter den bereits geltenden Bestimmungen zurückbleibt. Novellierungen von Gesetzen sollten aber, so die Meinung der Fraktion DIE LINKE, in Sachen Datenschutz zugunsten der Bevölkerung die Regelungen verbessern und nicht verschlechtern.