Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich begrüße Sie recht herzlich zur heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße recht herzlich die Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.
Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen der Abgeordnete Meyer, die Rednerliste führt die Frau Abgeordnete Holzapfel.
Es haben sich entschuldigt der Abgeordnete von der Krone, Abgeordneter Recknagel, Abgeordneter Wucherpfennig, die Ministerpräsidentin Lieberknecht, der Minister Carius zeitweise und der Minister Machnig.
Gestatten Sie mir folgenden Hinweis zur Tagesordnung: Zu Tagesordnungspunkt 9 wird ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/2934 verteilt.
Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? Ich sehe, nicht. Dann verfahren wir nach Tagesordnung und Vereinbarung.
Arbeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2010 dazu: Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/2822
Ich erteile das Wort dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Herrn Abgeordneten Schröter, für den Bericht des Petitionsausschusses.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich, Ihnen heute gemäß § 103 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags über die Arbeit des Petitionsausschusses im Jahr 2010 berichten zu können.
Der schriftliche Arbeitsbericht, der mit der Unterrichtung der Landtagspräsidentin am 31. Mai 2011 in der Drucksache 5/2822 als Broschüre verteilt wurde, dokumentiert die umfangreiche Tätigkeit des Ausschusses. Er gibt Auskunft über die Zahl und den Inhalt der bearbeiteten Petitionen sowie die Entscheidungen des Ausschusses und er beleuchtet die Arbeit der Strafvollzugskommission.
Artikel 14 der Thüringer Verfassung ermöglicht jedermann, sich mit Bitten oder Beschwerden an die Volksvertretung zu wenden. Die Landtagspräsidentin hat anlässlich der Übergabe des Berichts am 31. Mai 2011 die an den Ausschuss gerichteten
Bevor ich gleich zu konkreten Fakten und Zahlen komme, möchte ich diesen Vergleich aufgreifen und auch an dieser Stelle in Erinnerung rufen, dass hinter jedem der im Ausschuss anonymisiert vorgestellten Fälle Einzelschicksale stehen, Menschen mit Problemen beim Umgang mit Behörden, die sich letztlich nicht anders zu helfen wussten, als sich an den Petitionsausschuss zu wenden. Der Ausschuss handelt im Rahmen der gesetzlichen Regelungen. Er wirkt im Zusammenspiel zwischen Verwaltungen und den Bürgern. Er ist nicht in der Lage, zivilrechtliche Angelegenheiten und Probleme zu lösen.
Der Ausschuss konnte vielen der an ihn gerichteten und herangetragenen Anliegen abhelfen. Aber auch dort, wo dies nicht gelungen ist, konnte er Bürgerinnen und Bürgern helfen, Verwaltungsentscheidungen besser zu verstehen und dadurch möglicherweise auch erst zu akzeptieren.
Die Probleme, die die Bürgerinnen und Bürger beschäftigen, sind vielfältig. Da geht es ebenso um Baugenehmigungen, den Denkmalschutz, um Kindertagesstättenkosten wie um Lärmschutz, aufenthaltsrechtliche Fragen und steuerrechtliche Belange. Ich glaube, dass es dem Petitionsausschuss gelungen ist, in all diesen Bereichen Entscheidungen und Maßnahmen der Verwaltungen transparenter zu machen und vielen Menschen, die schlechte Erfahrungen im Umgang mit den Behörden gemacht haben, wieder Vertrauen in den Rechtsstaat zu geben.
Die große Zahl der neu eingereichten Petitionen beweist das Vertrauen, das die Menschen in den Petitionsausschuss setzen. Mein Kollege vom bayerischen Landtag bezeichnete das Petitionsrecht einmal als - ich zitiere - „der Seismograph, der aufzeigt, wie die Gesetze funktionieren und ob und wie die Bevölkerung mit der Politik und mit der Verwaltung zurechtkommt.“
Die große Zahl der neu eingereichten Petitionen zeigt also auch, dass hier offensichtlich doch vieles im Argen liegt. Wie der Petitionsausschuss selbst feststellen konnte, fehlt es den Behörden vielfach einfach an der Bereitschaft, mit den Bürgern zu kommunizieren. Anstatt zunächst nach vernünftigen Lösungen zu suchen, wird der Bürger auf den Rechtsweg verwiesen, was oft sehr teuer ist und im Instanzenzug Jahre dauern kann. Als Beispiel für ein solches Behördenverhalten möchte ich Ihnen den Fall eines Bürgers schildern, der zur Zahlung einer Gebühr für eine straßenbauliche Maßnahme herangezogen wurde, letztlich seinen gegenüber der zuständigen Stadtverwaltung eingelegten Widerspruch per Einschreiben aber zurückzog. Nach fünf Jahren erhielt er dann vom Landesverwaltungsamt einen Widerspruchsbescheid, in dem ihm
die Zahlung einer Gebühr von 95 € auferlegt wurde. Dass er den Widerspruch vor Jahren bereits zurückgezogen hatte, sah das Landesverwaltungsamt als nicht erwiesen an, da das Schreiben selbst nicht bei der Stadtverwaltung eingegangen sei und eine Nachforschung durch die Post, eine sogenannte Statusabfrage, aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr möglich war. Sehr unerfreulich für den Petenten war im Weiteren die Tatsache, dass das Landesverwaltungsamt die Anregung des Petitionsausschusses, die Forderung bis zu deren Entscheidung zu stunden, zunächst nicht aufgreifen wollte. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle die vielen Details dieses Falles ersparen. Für das weitere Verständnis sollte man allerdings wissen, dass das Landesverwaltungsamt erst nach mehreren Telefonaten und weiterem Schriftwechsel dem Petenten mitteilte, dass man mit einer Stundung einverstanden sei. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Petent den geforderten Betrag aber bereits überwiesen, da er Vollstreckungsmaßnahmen befürchtete, nachdem das Landesverwaltungsamt dem Petitionsausschuss gegenüber mehrfach zu erkennen gegeben hatte, dass eine Stundung nicht in Betracht käme. Die Landesregierung geht bislang davon aus, dass die Dauer der fünfjährigen Bearbeitung des Widerspruchs bei ca. 1.800 seit dem Jahr 2004 zu bearbeitenden Widerspruchsverfahren nicht zu beanstanden sei. Dass der Petent den Zugang der Rücknahme des Widerspruchs nicht nachweisen könne, gehe zu seinen Lasten. Der Petitionsausschuss hätte sich hier ein bürgerfreundlicheres Verhalten der beteiligten Behörden gewünscht, dies umso mehr, als die Bearbeitungsdauer von fünf Jahren nach der Ansicht des Ausschusses durchaus als nicht üblich anzusehen ist, weil es dem Petenten gerade wegen dieser langen Verfahrensdauer letztlich nicht mehr möglich war, den Zugang der Rücknahme seines Widerspruchs zu beweisen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es bleibt zu hoffen, dass die beteiligten Behörden sich nicht nur auf rein formale Aspekte zurückziehen, sondern nach einer konstruktiven Lösung suchen, die auch die berechtigten Bürgerinteressen nicht gänzlich außer Acht lassen.
Wenn der Petitionsausschuss in solchen Fällen angerufen und um Unterstützung gebeten wird, so nimmt er der Justiz nicht etwa unzulässigerweise die Arbeit ab, wie ich kürzlich einmal gefragt wurde. Der Ausschuss versucht vielmehr, im Dialog mit der Verwaltung und mit den Bürgern einen Konsens zu finden. Dies ist für die betreffenden Petenten nicht nur kostensparender, sondern auch zeitsparender. Ein weiterer wesentlicher Vorteil des Petitionsrechts liegt darin, dass der Petitionsausschuss nicht auf eine Prüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt ist, sondern auch die Zweckmäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen beleuchten kann.
Nun aber zu den Zahlen: Im Berichtszeitraum hat der Petitionsausschuss insgesamt 1.707 Petitionen bearbeitet, darunter 917 neu eingereichte Petitionen. In 790 Fällen musste sich der Ausschuss mit Anliegen aus den Vorjahren beschäftigen. Hinsichtlich der Eingangszahlen bedeutet dies einen Anstieg um ca. 8 Prozent. Die Zahl der neu eingereichten Petitionen bewegt sich damit schon seit Langem auf einem konstant hohen Niveau. Erfreulicherweise konnte den Petitionen in 105 Fällen abgeholfen werden. In fünf Fällen konnte dem Anliegen der Petenten teilweise entsprochen werden. Dies macht zusammen 15 Prozent der abschließenden Entscheidungen aus. 581 Petitionen konnte der Ausschuss durch Aufklärung der Sach- und Rechtslage erledigen, das heißt, er konnte den Petenten die Entscheidungen der Verwaltungen letztlich in verständlicher Form aufarbeiten und die Grundlagen der Entscheidungen nachvollziehbar veranschaulichen.
Sehr geehrte Damen und Herren, überhaupt geht es im Petitionsverfahren wesentlich darum, Informationen und Argumente auszutauschen. Mit seinen Befugnissen gegenüber der Landesregierung und den nachgeordneten Behörden bietet der Petitionsausschuss für die Petenten eine Plattform zum Austausch solcher Informationen und Argumente mit der Verwaltung. Nach Kenntnis aller Gründe, die zu einer Verwaltungsentscheidung geführt haben, sind die Petenten in der Regel in der Lage zu entscheiden, ob sie diesen Entscheidungen zustimmen, diese akzeptieren oder mit den zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln angreifen wollen. Die Durchführung von Ortsterminen kann es erleichtern, durch Gespräche mit Petenten und Vertretern der beteiligten Behörden Kompromisse zu finden und die Erledigung einer Petition vorzubereiten.
Wie wichtig es sein kann, dass sich der Petitionsausschuss in manchen Fällen zunächst ein Bild von den örtlichen Gegebenheiten macht, um sich dann erfolgreich für Bürgerinnen und Bürger einzusetzen, zeigt ein Fall, in dem Petenten, die aus denkmalschutzrechtlichen Gründen zunächst abgelehnte Genehmigung zur Installation einer Photovoltaikanlage auf dem Dach einer Scheune ihres Anwesens begehrten. Die zuständige Denkmalschutzbehörde hatte den Antrag abschlägig beschieden. Sie ging davon aus, dass die Solaranlage den Gesamteindruck des sogenannten Rundlingsdorfes, in dem das Anwesen liegt, als geschütztes Denkmalensemble beeinträchtigte. Nach § 13 Thüringer Denkmalschutzgesetz bedarf einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis, wer ein Kulturdenkmal oder Teile davon so umgestaltet, instand setzen oder im äußeren Erscheinungsbild verändern will. Bei jeder einzelnen baulichen Maßnahme an oder in Kulturdenkmalen muss geprüft werden, ob diese denkmalverträglich ist. Ein wichtiges Kriterium für die Denkmalverträglichkeit von Solaranlagen ist die
Einsehbarkeit und die Wirkung auf den öffentlichen Raum. Der Petitionsausschuss führte eine Ortsbesichtigung durch und erörterte das Anliegen der Petenten mit Vertretern des Landesverwaltungsamtes und der unteren Denkmalschutzbehörde. Auch Vertreter des Landratsamtes für Denkmalpflege und Archäologie als Denkmalfachbehörde waren bei dem Termin zugegen. Im Ergebnis der Inaugenscheinnahme und der Erörterung der Angelegenheit war für den Ausschuss die Versagung der Genehmigung zur Errichtung der Photovoltaikanlage nicht nachzuvollziehen. Insbesondere schien ihm unverständlich, dass das öffentliche Interesse an der authentischen Bewahrung des Charakters des denkmalgeschützten Rundlingsdorfes deutlich höher bewertet wurde, als die berechtigten Interessen des Bauherren an der Nutzung der Anlage. Der Ausschuss empfahl daher, die beantragte Genehmigung zu erteilen. Nach erneuter Prüfung des Antrages genehmigte die untere Denkmalschutzbehörde daraufhin die Installation der Solaranlage. Ich hoffe, dass diese auf Intervention des Petitionsausschusses getroffene Entscheidung in Ansehung des Interesses der Allgemeinheit, die Energieversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen, richtungweisend sein wird.
Bildeten in den vergangen Jahren Petitionen aus dem Bereich Arbeit, Soziales und Gesundheit den Schwerpunkt, so musste sich der Petitionsausschuss im Jahr 2010 mehrheitlich mit Petitionen aus dem Bereich Rechtspflege beschäftigen. Dies liegt daran, dass den Petitionsausschuss gegenüber dem Vorjahr mehr Petitionen aus dem Strafvollzug und dem Maßregelvollzug erreicht haben. Kommunale Angelegenheiten nehmen in der Reihe der Eingangszahlen nach wie vor den dritten Platz ein.
Zunächst aber einige Ausführungen zum Strafvollzug und zum Maßregelvollzug. Die vom Petitionsausschuss gemäß § 13 Abs. 1 Thüringer Petitionsgesetz als ständiger Unterausschuss gebildete Strafvollzugskommission macht sich im Rahmen auswärtiger Sitzungen regelmäßig ein Bild über den Vollzug von Untersuchungshaft, Jugendstrafen und Freiheitsstrafen sowie freiheitsentziehenden Maßregeln, der Sicherung und Besserung. Im Berichtszeitraum besuchte die Strafvollzugskommission das Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Hildburghausen sowie das Ökumenische HainichKlinikum Mühlhausen, die Jugendstrafanstalt Ichtershausen und die Justizvollzugsanstalt Untermaßfeld.
Es ist bereits langjährige Praxis der Strafvollzugskommission, das Anliegen der Inhaftierten vor Ort unmittelbar in den Vollzugseinrichtungen zu besprechen. Oft kann schon in der Anstalt das jeweilige Problem gelöst werden. Anderenfalls werden Bitten oder Beschwerden als Petitionen weiter bearbeitet. Für den Petitionsausschuss stellt sich da
bei später die Aufgabe, die Interessen der Gefangenen mit den Sicherheitsbelangen der Bevölkerung in Einklang zu bringen. Auch die Anstaltsleitung sowie der Personalrat der Bediensteten der Justizvollzugsanstalten nutzten die Besuche der Strafvollzugskommission oftmals, um die Abgeordneten auf die teilweise schwierigen Arbeitsbedingungen des Vollzugspersonals hinzuweisen. Die Petitionen, die den Petitionsausschuss aus den Justizvollzugsanstalten erreichten, zielten überwiegend auf die Verbesserung der Haftbedingungen ab. Problematisch ist nach wie vor der bauliche Zustand einiger Haftanstalten. Dieser lässt in vielen Fällen eine angestrebte Einzelunterbringung von Häftlingen überhaupt nicht zu. Gerade viele jugendliche Häftlinge hatten zumeist schon früh Suchtmittelerfahrung und bedürfen einer besonderen Betreuung. Eine Verbesserung der Haftbedingungen ist daher unerlässlich. Der Blick richtet sich daher auf die für das Jahr 2013 beabsichtigte Fertigstellung der Jugendstrafanstalt Arnstadt. Die Anstalt wird über eine ausreichende Zahl von Haftplätzen und vor allem ausreichende Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung der jugendlichen Gefangenen verfügen. Nicht zuletzt sollte daran gedacht werden, dem sogenannten offenen Vollzug aufgeschlossener gegenüberzustehen. Es gibt Beispiele in anderen Bundesländern, wo Hunderte von Gefangenen im offenen Vollzug einer Arbeit nachgehen und so erfolgreich auf die Zeit „nach dem Knast“ vorbereitet werden.
Auch eine von einer großen Zahl von Häftlingen unterzeichnete Sammelpetition, die die Haftbedingungen einer Justizvollzugsanstalt zum Gegenstand hatte, hat den Petitionsausschuss erreicht. Eine Sammelpetition ist eine Petition, bei der sich mindestens 50 Personen mit einem gleichen Anliegen an den Petitionsausschuss wenden und eine Person als Initiator in Erscheinung tritt. Die Landesregierung, genauer das Thüringer Justizministerium, hat auf diese Petition erfreulicherweise sehr schnell reagiert und Gespräche mit dem Initiator der Petition geführt. In deren Ergebnis erklärte das Ministerium seine Bereitschaft, die Kritik an den Haftbedingungen ernst zu nehmen und in Abhängigkeit von der Haushaltssituation baldmöglichst Abhilfe zu schaffen. Insbesondere wurde ein Konzept für den Einbau von Stationsküchen in der betreffenden JVA erstellt. Damit kann den Gefangenen die Zubereitung gesonderter Mahlzeiten ermöglicht werden. Ähnlich wie bei Petitionen aus dem Bereich des Strafvollzugs hatten diese Anliegen aus dem Bereich des Maßregelvollzugs überwiegend die Vollzugsbedingungen zum Gegenstand, beispielsweise die Untersagung des Besitzes persönlicher Gegenstände, wie eines Fernsehers oder Ähnliches, die Enttäuschung über nicht gewährte Vollzugslockerungen oder auch Beschwerden über das Pflegepersonal. Der Ausschuss wurde auch um eine Überprüfung des Abbruchs eines Maßregelvollzugs
mit der Konsequenz der nachfolgenden Verlegung in den Strafvollzug gebeten. Hier musste der Ausschuss besonders sensibel vorgehen, da solche Maßnahmen für die Betroffenen naturgemäß einen gravierenden Einschnitt bedeuten. Zu einem Abbruch des Maßregelvollzugs kann es kommen, wenn aufgrund einer festgestellten Behandlungsunwilligkeit oder Behandlungsunfähigkeit aufseiten des Patienten von der Klinik keine realistische Chance auf das Erreichen des Maßregelzwecks mehr gesehen wird. Eine solche Feststellung bedeutet für die behandelnden Ärzte eine große Verantwortung, da eine angebliche Behandlungsunwilligkeit auch durchaus der Ausdruck eines Krankheitsbildes sein kann und somit anstatt des Abbruchs der Maßregel vielmehr eine weitere Therapie erfordern kann. In dem der Petition zugrundeliegenden Fall hatte die Klinik allerdings alles versucht, um den Petenten zur Fortsetzung der Maßregel zu bewegen. Dieser widersetzte sich aber allen Bemühungen der behandelnden Ärzte, so dass der Petitionsausschuss den Petenten letztlich nur nochmals die Gründe für den Abbruch erläutern konnte.
Rechtsgrundlage für den Maßregelvollzug ist das Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen vom 5. Februar 2009. Das Gesetz bietet für das Pflegepersonal meines Erachtens eine verlässliche Grundlage, um die mit der Behandlung psychisch kranker Menschen verbundenen Herausforderungen bewältigen zu können.
In der Rangfolge der Petitionen, um darauf zurückzukommen, rangiert der Bereich Arbeit, Soziales und Gesundheit diesmal auf dem zweiten Platz. 114 Petitionen zeigen aber dennoch, dass dieser Bereich nach wie vor einen Schwerpunkt der Arbeit des Ausschusses bildet. Dabei werden vielfältige Anliegen an den Petitionsausschuss herangetragen. Dies können ebenso Probleme Schwerbehinderter sowie Fragen von Rehabilitierung des Kindesunterhalts sowie auch Fragen der medizinischen Versorgung der Bevölkerung oder der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sein. Überwiegend aber hatte sich der Ausschuss mit der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zu beschäftigen. Insbesondere die Leistungen für Unterkunft und Heizung fallen in die Zuständigkeit des Landes und damit des Petitionsausschusses. Hierbei kann es etwa um die Höhe der Heizkosten und die Bewilligung von Umzugskosten sowie um Fragen zur Angemessenheit von Wohnungskosten gehen. In einem Fall wurden dem Petenten nur noch gekürzte Leistungen für die Heizung und Unterkunft bewilligt, da die Wohnkosten nach der Unterkunftsrichtlinie der Stadt nicht angemessen waren. Ohne Nachweis über hinreichende Kostensenkungsbemühungen sollten nun Wohn
kosten im Rahmen der Angemessenheit gewährt werden. Gemäß § 22 SGB II sind die Aufwendungen für die Unterkunft, die den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, nur so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, zum Beispiel durch einen Wohnungswechsel, die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Der Petent führte unter anderem an, dass ihm aus gesundheitlichen Gründen ein Umzug in eine andere Wohnung nicht zuzumuten sei. Im Ergebnis wurde aufgrund der Petition die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens veranlasst, bei dem festgestellt wurde, dass das bei dem Petenten vorliegende komplexe Krankheitsbild nach Einschätzung des Amtsarztes tatsächlich keinen Umzug zuließ. Die damals noch als solche bezeichnete ARGE SGB II, jetzt Jobcenter, berechnete daher die Leistung für Unterkunft und Heizung rückwirkend neu. Die Aufwendungen für den derzeitig unangemessenen Wohnraum wurden in voller Höhe in die Leistungsberechnung einbezogen. Der Gesundheitszustand des Petenten wird allerdings zu gegebener Zeit zu beurteilen sein.
Einen weiteren Schwerpunkt im Berichtszeitraum stellten die Petitionen zu Kommunalabgaben insbesondere zu Abwasser- und Straßenausbaubeiträgen dar. Dazu möchte ich eine Petition anführen, mit der gefordert wurde, dass die Vorauszahlungen, die die Petenten im Hinblick auf einen späteren Abwasserbeitrag leisteten und vom Zweckverband mangels entsprechender Investitionen wiedererstattet werden mussten, mit 8 Prozent verzinst werden. Der Petitionsausschuss hat nach der Prüfung der Petition die Auffassung vertreten, dass ein Verzinsungsanspruch nach § 7 Abs. 8 Satz 4 Thüringer Kommunalabgabengesetz gegeben ist. Dieser Auffassung ist die Landesregierung leider nicht gefolgt. Deshalb wird es nun darauf ankommen, wie die Verwaltungsgerichte über die Klage der Petenten entscheiden. Durch eine einvernehmliche Lösung im Rahmen des Petitionsverfahrens hätte eine solche gerichtliche Auseinandersetzung vermieden werden können.
Auf das Thüringer Kommunalabgabengesetz bezog sich auch die Sammelpetition einer Bürgerinitiative, die eine ersatzlose Streichung der Regelung der §§ 7, 7 a und 7 b des Gesetzes anstrebte. Nach Auffassung der Petenten stellt die mögliche Nutzung öffentlicher Straßen und leitungsgebundener Einrichtungen keinen besonderen Vorteil für die Grundstückseigentümer dar. Die Finanzierung solcher Einrichtungen sei deshalb nicht aus Beiträgen, sondern ausschließlich aus Steuermitteln zu bestreiten. Der Petitionsausschuss entscheidet die Petitionen, die sich auf in der Beratung befindliche Vorlagen bezieht, nicht in der Sache. Der Ausschuss überwies die Petition gemäß § 9 Abs. 2 Thüringer Petitionsgesetz vielmehr als Material in
den Innenausschuss, der als federführender Ausschuss mit einem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE zu einem Thüringer Gesetz zur Abschaffung der Straßenausbau- und Abwasserbeiträge befasst war. Letztlich wurde der Anregung der Bürgerinitiative im Gesetzgebungsverfahren nicht gefolgt.
Im Berichtszeitraum hat den Ausschuss auch eine Zahl an Massenpetitionen erreicht. Dabei handelt es sich um Petitionen, bei denen sich mindestens 50 Petenten mit einem gleichen Anliegen an den Landtag wenden, ohne dass im Gegensatz zum bereits geschilderten Sammelpetitionsverfahren ein Initiator, also Ansprechpartner, ersichtlich ist. Als Beispiel einer Massenpetition möchte ich eine von über 1.200 Bürgerinnen und Bürgern eingebrachte Petition anführen, die die Umsetzung mehrerer Forderungen zu dem im Mai 2010 geänderten Thüringer Kita-Gesetz zum Inhalt hatte. Mit der Petition wurde neben der umgehenden Einstellung des erforderlichen Personals und der Umsetzung der im Gesetz vorgesehenen Mitwirkungsrechte der Eltern der sofortige Ausbau einer entsprechenden Fachberatung gefordert. Schließlich verbanden die Petenten mit ihrer Eingabe die Erwartung, dass es infolge der Umsetzung des Gesetzes nicht zur Erhöhung der Elterngebühren kommt. Seitens der Landesregierung wurde insoweit darauf verwiesen, dass das Thüringer Kita-Gesetz voll ausfinanziert sei und dass die Mehrkosten, die durch das KitaGesetz entstehen, den Kommunen über den Kommunalen Finanzausgleich vollständig erstattet werden. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Kindertagesbetreuung den Kommunen als Pflichtaufgabe zugewiesen ist, so dass die Entscheidung über eine mögliche Erhebung der Gebühren im Rahmen des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen liegt.
In weiteren diese Problematik betreffenden Petitionen, die mittlerweile beim Petitionsausschuss eingegangen sind, wird gefordert, dass die vom Land ausgereichten Mittel, die die mit dem Kita-Gesetz verbundenen Mehrkosten abdecken sollen, zweckgebunden für die Finanzierung der Kindertageseinrichtungen eingesetzt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass über den KFA ausgereichte Mittel nur zu einem gewissen Prozentsatz zweckgebunden sein dürfen. Aufgrund der Komplexität der Angelegenheit beschloss der Petitionsausschuss, die sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen dem Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur, dem Haushalts- und Finanzausschuss und dem Innenausschuss zuzuleiten, damit diese in den Ausschüssen die Fragen inhaltlich ebenfalls behandeln können.
Es ist inzwischen eine langjährige und bewährte Praxis, dass die Vorsitzenden der Petitionsausschüsse des Bundes und der Länder sowie die Bürgerbeauftragten der Bundesrepublik Deutschland
und des deutschsprachigen Raum Europas in zweijährigem Turnus zusammenkommen, um aktuelle Fragen zum Petitionsrecht zu erörtern. Im Jahr 2010 fand diese Tagung, an der übrigens auch Vertreter der Europäischen Bürgerbeauftragten teilnahmen, in Schwerin statt. Auf der Tagesordnung standen zahlreiche Themen, die die Bearbeitung von Petitionen zum Gegenstand hatten. Ein Schwerpunkt bildete dabei die technische Entwicklung auf dem Gebiet der Petitionsbearbeitung. Im Zusammenhang mit einzelnen Aspekten der Petitionsbearbeitung wurde unter anderem über den Umgang mit Petitionen von Ausländern bei drohender Abschiebung und über datenschutzrechtliche Aspekte gesprochen. Ich freue mich, dass es gelungen ist, die Bundestagsverwaltung dafür zu gewinnen, die Veranstaltung, die für die Teilnehmer die Möglichkeit eines ausführlichen Erfahrungsaustauschs bietet, im Jahr 2012 in Thüringen auszurichten. Im Ergebnis der Tagung in Schwerin konnte ich feststellen, dass wir mit dem Petitionsgesetz im Freistaat Thüringen gut aufgestellt sind. Dem Petitionsausschuss sind im Rahmen der Prüfung von Petitionen eine Reihe von gesetzlichen Befugnissen eröffnet. So kann der Ausschuss auch von der Landesregierung Auskunft und Akteneinsicht verlangen. Darüber hinaus kann er Beteiligte sowie Zeugen und Sachverständige anhören. Um möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit zu eröffnen, sich persönlich an die Mitglieder des Petitionsausschusses zu wenden, werden monatlich wechselnd in kreisfreien Städten oder Landratsämtern Bürgersprechstunden des Ausschusses durchgeführt. Mindestens zweimal jährlich werden entsprechende Bürgersprechstunden auch im Landtagsgebäude angeboten. Die Zahl der insgesamt in den 13 Bürgersprechstunden vorgetragenen Petitionen beträgt 82. Dabei ist die Zahl der Anliegen, die bereits vor Ort erledigt werden konnten, noch gar nicht eingerechnet. Das zeigt, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass sich die Hilfe suchenden Bürger unmittelbar an die Abgeordneten im Ausschuss wenden können. Angesichts der Vielzahl von Petenten, die sich mit ihren Sorgen und Nöten an den Petitionsausschuss gewandt haben, mutet es befremdlich an, dass das Landesverwaltungsamt vor dem Hintergrund einer von der Haushaltsstrukturkommission zu erstellenden Analyse zu möglichen Optimierungspotenzialen im Aufgabenbereich der staatlichen inneren allgemeinen Verwaltung unter anderem den Vorschlag gemacht hat, Petitionsverfahren bei laufenden Verwaltungsverfahren auszuschließen. Ich halte diesen Vorschlag für einen Eingriff in den Kernbereich des Petitionsrechts und einen gravierenden Verstoß gegen Artikel unserer Verfassung.
eines gerichtlichen Verfahrens und eines Verwaltungsverfahrens dem Petitionsadressaten, also dem Petitionsausschuss, sein Anliegen vorzutragen. Das Petitionsrecht eröffnet jedermann außerhalb des förmlichen Rechtsschutzes einen thematisch unbegrenzten Zugang zu Verwaltung und Volksvertretung.
In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes zu dieser Problematik heißt es weiter, ich zitiere: „Aus dem Schutzzweck des Petitionsrechts ergibt sich, dass menschliche Sorgen, Nöte und Anliegen vom Staat außerhalb formaler Rechtsmittel und Gerichtsverfahren zur Kenntnis genommen, geprüft und beschieden werden können. Gerade wenn die Durchführung formaler Verfahren nicht möglich ist oder eventuell auch nicht erwünscht ist, wie beispielsweise Fristen nicht eingehalten wurden oder der Petent durch die von ihm angegriffene Maßnahme oder Unterlassung nicht in seinem subjektiven Recht verletzt ist, soll Artikel 14 der Thüringer Verfassung ein eigenständiges Verfahren eröffnen, mit dem unter anderem Exekutivorgane gezwungen werden sollen, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob und wie dem Anliegen des Petenten Rechnung getragen werden kann.“
Das Petitionsrecht beinhaltet also, dass sich der Staat den Anliegen der Petenten nicht verschließt, auch wenn diese ihr Anliegen nicht auf dem eng kanalisierten Weg des Verwaltungsverfahrens vorbringen. Es darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Kenntnisse, die das Parlament durch die Petition erlangt, die parlamentarische Kontrolle der Exekutive intensivieren und flankieren. Das insoweit bestehende Recht, einen Sachverhalt selbstständig zu ermitteln, erstreckt sich, anders als die sonstige parlamentarische Kontrolltätigkeit, also auch noch auf Verfahren, die sich in der Schwebe befinden. Von elementarer Bedeutung für das Petitionsrecht ist insoweit, dass das Parlament dabei auch das Verwaltungsermessen, also die Zweckmäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen, überprüfen kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn der Vorschlag des Landesverwaltungsamts letztlich nicht weiterverfolgt wurde, hat ihn der Petitionsausschuss mit Befremden zur Kenntnis genommen. Aus dem Bereich der Exekutive sollte man einen solchen Vorschlag eigentlich nicht erwarten. Wir sollten also nicht darüber diskutieren, ob man das Petitionsrecht aus bestimmten Gründen einschränken kann. Wir sollten im Gegenteil vielmehr überlegen, wie mit dem Angebot des Petitionsausschusses noch mehr Menschen erreicht werden können.
Lassen Sie mich an dieser Stelle mit folgenden Worten noch einmal einen unserer Petenten zitieren: „Die Menschen müssten noch viel mehr über
das Petitionsrecht wissen.“ Gerade daran müssen und wollen wir arbeiten. Wir müssen das Bewusstsein der Menschen stärken, dass sie den Verwaltungsbehörden nicht hilflos ausgeliefert sind. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern vergegenwärtigen, dass sie Entscheidungen der Verwaltung durchaus kritisch überprüfen können und dass sie mit dem Petitionsausschuss ein Gremium haben, das ihnen bei schwierigen Entscheidungen und Fragen zur Seite steht.
Um in unseren internen Beratungen für die Petenten hilfreiche Lösungen entwickeln zu können, halte ich es im Übrigen nicht für sinnvoll, die Abwägungsvorgänge in der Öffentlichkeit vorzutragen. Ohne auf den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Änderung des Thüringer Petitionsgesetzes eingehen zu wollen, der unter anderem auch die öffentliche Durchführung von Ausschuss-Sitzungen zum Gegenstand hat, möchte ich nur darauf hinweisen, dass eine größtmögliche Transparenz und Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger am parlamentarischen Prozess nicht von der Öffentlichkeit der Sitzung des Ausschusses abhängt. Die öffentliche Durchführung von Sitzungen könnte meines Erachtens oft vielmehr einen sinnvollen Entscheidungsprozess sogar behindern.
Mit dem Hinweis möchte ich meine Ausführungen zur Arbeit des Petitionsausschusses im Jahr 2010 beschließen, nicht ohne mich zuvor bei allen zu bedanken, die zur erfolgreichen Arbeit des Ausschusses beigetragen haben. An erster Stelle bedanke ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen für die stets konstruktive und sachliche Zusammenarbeit im Interesse der Petenten. Wie Sie gesehen haben, konnte dadurch vielen Bürgern, die sich als letzten Ausweg an den Petitionsausschuss gewandt haben, geholfen werden. Bedanken möchte ich mich bei den Mitarbeitern der Thüringer Staatskanzlei und der Ministerien für die gute Zusammenarbeit. Mein Dank gilt schließlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsreferats der Landtagsverwaltung für ihre kompetente und engagierte Arbeit. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.