Protocol of the Session on February 26, 2010

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne.

Ich begrüße unsere Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Als Schriftführer hat neben mit Platz genommen der Abgeordnete Dr. Mario Voigt. Die Rednerliste führt der Abgeordnete Dr. Hartung.

Für die heutige Sitzung hat sich entschuldigt die Frau Abgeordnete Tasch.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7

a) Verhinderung der 380-kV-Hoch- spannungstrasse durch den Thü- ringer Wald Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/125 - dazu: Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Wirtschaft, Tech- nologie und Arbeit - Drucksache 5/336 -

b) Durchführung einer öffentlichen Anhörung zur 380-kV-Hochspan- nungstrasse durch den Thüringer Wald Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/242 - dazu: Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Wirtschaft, Tech- nologie und Arbeit - Drucksache 5/337 -

Das Wort hat Herr Abgeordneter Weber aus dem Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit zur Berichterstattung über diese beiden Tagesordnungspunkte.

Einen wunderschönen guten Morgen, Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen. In der 6. Sitzung des Thüringer Landtags in der aktuellen Legislaturperiode brachte die Fraktion DIE LINKE den Antrag „Verhinderung einer 380-kVHochspannungstrasse durch den Thüringer Wald“ - Drucksache 5/125 - ein. Ebenfalls in der 6. Sitzung

wurde zu eben genanntem Antrag der Entschließungsantrag „Durchführung einer öffentlichen Anhörung zur 380-kV-Hochspannungstrasse durch den Thüringer Wald“ - Drucksache 5/242 - durch die Fraktion DIE LINKE eingebracht. Beide Anträge wurden sodann jeweils ohne Gegenstimme und Enthaltungen an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überwiesen. Der Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit hat die Anträge in seiner 3. Sitzung am 19. Januar 2010 beraten.

Die Ausschussberatung erbrachte folgendes Ergebnis: Der Ausschuss beschloss jeweils mehrheitlich, die Ablehnung des Antrags der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/125 und auch des Entschließungsantrags der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/242 zu empfehlen.

Die Beratung im Ausschuss erbrachte daneben weitere bemerkenswerte Ergebnisse: Der Ausschuss hat, obwohl beide Anträge der Fraktion DIE LINKE abgelehnt wurden, oder besser gesagt, weil sie die Intention des Antragstellers eigentlich nicht verfolgt haben, abgelehnt werden mussten, auf Antrag meiner Fraktion einstimmig beschlossen, den Beratungsgegenstand mittels Selbstverfassungsantrag weiterzubehandeln. Dies ist mittlerweile in der 4. Sitzung des Ausschusses am 16. Februar 2010 geschehen. Wir haben eine Anhörung beschlossen, die, so es die anzuhörenden Experten zeitlich ermöglichen können, am 20. April dieses Jahres stattfinden soll. Meines Wissens hat der Ältestenrat dieser Anhörung auch bereits zugestimmt. Wir haben das Thema also mitnichten mit der Regierungsmehrheit abgelegt, sondern werden es noch einmal allumfassend beleuchten, auch weil die Landesregierung den Mitgliedern des Ausschusses hier sehr entgegengekommen ist und der Ausschuss in seiner Gesamtheit die Bedenken und Einwände der Menschen vor Ort sehr ernst nimmt. Deshalb halte ich eine umfassende Aussprache an dieser Stelle für mehr als entbehrlich. Ich ersuche Sie, verehrte Abgeordnete, also um Zustimmung zur Beschlussempfehlung in den Drucksachen 5/336 und 5/337 und zur Ablehnung der beiden Anträge der Fraktion DIE LINKE. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Weber. Ich eröffne die Aussprache. Mir liegt die Wortmeldung für die Fraktion DIE LINKE von Frau Petra Enders vor.

Werte Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir halten

die Aussprache für wichtig, deshalb stehe ich jetzt auch hier am Rednerpult.

(Beifall DIE LINKE)

Sicher, es ist nicht das erste Mal, dass unsere Fraktion diesen Punkt auf die Tagesordnung setzt. Das tut sie seit 2006 kontinuierlich, seitdem die Pläne von Vattenfall bekannt geworden sind, diese 380-kVLeitung durch Thüringen zu bauen. Wir tun es in der Überzeugung und in der Gewissheit, dass diese Leitung unnötig ist,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

unnötig für die Versorgungssicherheit mit Elektrizität und unnötig vor allem für die Durchleitung von Windstrom von Nord nach Süd. Wir tun es im Einklang mit den Menschen der betroffenen Regionen, die ihre Heimat den Profitinteressen eines Stromkonzerns nicht opfern wollen.

Wir sind auf der Seite der Gegner dieser Stromleitung. Gegner, meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind in diesem Falle vor allem die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, Bürgerinnen und Bürger, die in Solidarität mit ihren bayerischen Nachbarn sich um ihre Heimat, um ihre Lebensqualität und die ihrer Kinder und Kindeskinder sorgen und die die Entwertung ihrer Grundstücke befürchten. Gegner, das sind Städte und Gemeinden und Landkreise, die von dieser Stromtrasse tangiert werden. Keine der betroffenen Kommunen, kein Landkreis in Thüringen und auch nicht in Bayern hat sich bislang für diese Leitung ausgesprochen. Gegner, das ist die Tourismusbranche, die Angst hat, dass eines ihrer Markenzeichen, der unverbaute Blick vom Kamm des Thüringer Waldes, vom Rennsteig, verloren gehen könnte und damit eine ihrer wichtigsten Geschäftsgrundlagen in ihrem Wirtschaftszweig. Gegner, meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind die Landräte, das sind die Oberbürgermeister, das sind Bürgermeister aller Parteien der CDU, der CSU und der LINKEN, die im fast immer einstimmigen Schulterschluss mit kommunalen Parlamenten und mit Kreistagen diese Leitung verhindern wollen. Gegner, das sind natürlich auch die Bürgerinitiativen und ihr Dachverband, die Interessengemeinschaft „Achtung Hochspannung“.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, da ist keiner dabei, der irgendeine extreme Forderung hat. Es sind alles normale Leute, mündige Bürger, die mit ihren Sorgen ernst genommen werden wollen, die auch ein Recht darauf haben, dass der sie repräsentierende Landtag sich ihrer Sorgen annimmt. Der Landtag kann sich in solch einer wichtigen Frage, die Thüringen tangiert, nicht heraushalten, wie er es

in der Vergangenheit hier immer gern getan hat. Er muss sich positionieren. Er muss sich so positionieren, wie er es jüngst bei der Unterstützung der Thüringer Solarindustrie gemacht hat, als es um die Verhinderung der zusätzlichen Senkung der Einspeisevergütung ging.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Werte Kolleginnen und Kollegen, das wird auch bei der 380-kV-Leitung erwartet, eine klare Entscheidung, eine klare Position: keine Starkstromtrasse durch Thüringen!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht auch noch eines: Ich habe mich letzten Dienstag mit meinen Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen in Eisfeld getroffen. Thema war hier die Abstimmung zum Raumordnungsverfahren. Das hat ja nun bereits begonnen für den Abschnitt AltenfeldRedwitz. Ich sage Ihnen unverblümt, der Widerstand ist ungebrochen. Es wird zum Raumordnungsverfahren glasklare Positionen aus den einzelnen Kommunen geben.

(Beifall DIE LINKE)

Ich sage Ihnen auch, die betroffenen Kommunen, sei es nun in Mittelthüringen, Südthüringen oder in Bayern, werden ihre Proteste aufrechterhalten und werden alles tun, um diese 380-kV-Leitung zu verhindern.

(Beifall DIE LINKE)

Ich sage Ihnen auch, spätestens seit Oktober 2007 haben die Bürgermeister die Argumente auf ihrer Seite. Seit die Professoren Jarass und Obermair ihr Gutachten vorstellten, ist klar, diese Trasse ist kein Beitrag zum Klimawandel in Deutschland, ganz im Gegenteil, und sie ist auch überhaupt kein Beitrag für die Durchleitung von Windstrom von Nord nach Süd; denn dafür reicht das vorhandene engmaschige Stromübertragungsnetz nach Modernisierungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen mittelfristig für die nächsten 10 bis 15 Jahre und auch in der Zukunft aus. Auch in der Zukunft - es wird ja immer wieder thematisiert und das falsche Argument vorgebracht, dass diese Leitung für den Windstrom von Nord nach Süd gebraucht werde - besteht keine Notwendigkeit. Diese Argumentation, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist schlichtweg falsch. Der Nachweis ist eindeutig geführt und ich werde nachher in meinen Ausführungen auch noch mal dazu kommen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist Ihnen bekannt, wir als Fraktion DIE LINKE wollen diese 380-kV-Leitung verhindern. Wir fordern den Thüringer Landtag auf, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die juristischen Handlungsmöglichkeiten dafür auszuschöpfen. Ein entscheidender Punkt bei diesem Vorhaben ist die Verhinderung der Umsetzung des am 21. August 2009 im Bundestag beschlossenen Gesetzes zum beschleunigten Ausbau von Energieleitungen. Wir sagen auch weiterhin - auch wenn ich mich hier in diesem Landtag wiederhole -, dieses Gesetz ist ein fundamentaler Eingriff in das bundesdeutsche Rechtssystem. Die Bevormundung der Länder sowie die Einschränkung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger sind nicht hinzunehmen. Dieses Gesetz ist ein unzulässiger Eingriff in die Länderhoheit und es ist ein unzulässiger Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Rechtsweg wird in nicht hinzunehmender Art und Weise verkürzt. Und einmalig auch in der bundesdeutschen Gesetzgebung wird zum ersten Mal einem privaten Vorhabensträger das Recht eingeräumt, ob er sein Vorhaben nach der alten oder nach der neuen Rechtslage beurteilt haben will.

Meine Damen und Herren, währenddessen die Bürgerbeteiligungsrechte massiv eingeschränkt werden, werden den großen Energiekonzernen alle Rechte eingeräumt, ihre ausschließlich auf Profit ausgerichtete Konzernpolitik durchzudrücken. Ich bleibe dabei, das EnLAG ist ein Bürgerbeteiligungsverhinderungsgesetz.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ein reines Lobbygesetz, ausschließlich ausgerichtet auf die Interessen der vier großen Energiekonzerne. Wir haben hier mit unserem Antrag, der im Ausschuss abgelehnt worden ist, den Anstoss geben wollen, die Landesregierung zu beauftragen, dieses Gesetz auf Verfassungskonformität zu überprüfen im Rahmen einer Normenkontrolle. Ich will auch hier nicht noch einmal auf die ganzen juristischen Betrachtungen eingehen. Ich glaube, das habe ich umfassend in der letzten Landtagssitzung getan. Diese liegen Ihnen ja auch in unserem Antrag entsprechend vor. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich überhaupt jemand die Mühe gemacht hat, weder von der Landesregierung noch von den regierungstragenden Fraktionen, sich mit dieser juristischen Frage überhaupt einmal auseinanderzusetzen. Übrigens hat sich auch die FDP die Mühe nicht gemacht. Ich sage Ihnen hier an dieser Stelle noch ein

mal, dieses Gesetz ist verfassungswidrig. Meine Damen und Herren, das sage nicht nur ich Ihnen, das sagt mittlerweile auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Hört, hört.)

Das Gutachten bezweifelt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes und kommt zu dem Ergebnis, dass EnLAG greift klar in die geregelte Länderhoheit ein. Das ist auch in einer Veröffentlichung im Handelsblatt nachzulesen, das EnLAG ist möglicherweise rechtsunwirksam.

Meine Damen und Herren, hier ist ganz einfach die Landesregierung gefragt, hier sind auch wir als Landesparlament gefragt, diesem Anliegen nachzugehen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mal ganz ehrlich, so erreichen wir die Klimaschutzziele nicht, mit diesem Gesetz sowieso nicht. Das notwendige Tempo für die Umsetzung der Ziele des Klimawandels erreichen wir nicht mit Druck, das erreichen wir nur durch Überzeugung. Das erreichen wir, wenn wir die Menschen, die davon betroffen sind, nicht abschrecken, sondern mitnehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das erreichen wir auch nicht, wenn das Thüringer Landesverwaltungsamt im stillen Kämmerlein einen Erörterungstermin oder Erörterungstermine zu einzelnen Einwendungen vor der Entscheidung im Planfeststellungsverfahren mit Betroffenen diskutiert. Die Forderung nach einer öffentlichen Anhörung im Verfahren, meine sehr verehrten Damen und Herren - da spreche ich im Namen der Bürgerinitiativen -, ist ein wesentlicher Teil ihres Protestes. Von Anfang an wurde immer wieder gesagt: Es geht um ein faires Verfahren; es geht um Öffentlichkeit. Es liegen mittlerweile über 1.000 Einwendungen von Betroffenen vor, von Städten, Gemeinden, Landkreisen, Bürgerinnen und Bürgern. Ich denke, dass ein großes öffentliches Interesse vorliegt und dass es dazu im Verfahren, im Planfeststellungsverfahren auch eine öffentliche Anhörung geben muss und man sich dort auch mit den vorgebrachten Argumenten auseinandersetzen muss.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb auch unser Antrag. Und das kann der Thüringer Landtag sehr wohl tun, auch einer Genehmigungsbehörde eine Empfehlung auszusprechen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist Einflussnahme.)

Das ist keine Einflussnahme, Herr Fiedler, das ist ganz einfach ein Wunsch, den der Thüringer Landtag äußern kann. Ich sage mal, wenn man es ernst meint, sich mit den Argumenten der Bürgerinnen und Bürger auch auseinanderzusetzen, dann sollte man das, dann kann man das auch in einer öffentlichen Anhörung tun, so wie das zum Beispiel auch bei Müllverbrennungsanlagen oder bei anderen großen, massiv in die Natur und Landschaft eingreifende Infrastrukturmaßnahmen getan worden ist.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, längst überfällig ist aber auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung, ein wissenschaftlicher Disput zur Notwendigkeit der 380 kV-Leitung und eben auch zu Alternativen. Ich begrüße sehr, das hat der Herr Kollege Weber hier dargestellt, dass sich der Wirtschaftsausschuss dazu verständigt hat, eine Anhörung zu diesem Thema durchzuführen.

(Beifall SPD)

Ich sage aber auch, es gab schon mal eine Anhörung. Die hat hier in diesem Hause stattgefunden im Mai 2008 hier in diesem Saal. Der Saal war komplett belegt durch Bürgerinnen und Bürger, die dieser Anhörung beigewohnt haben. Und ich denke, das war eine positive Sache, die wir hier getan haben. Aber was gefehlt hat, war eine nachvollziehbare Entscheidung des Thüringer Landtags. Statt dieser Entscheidung gab es ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten der Professoren Säcker und Bellmann. Was gefehlt hat, immer wieder gefehlt hat trotz der wiederholten Aufforderung der LINKEN, war eine Abwägung der Argumente der beiden Gutachten und vor allen Dingen die Entscheidung, eine Positionierung des Landtags.