Protocol of the Session on March 26, 2010

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße auch unsere Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen Frau Abgeordnete Holzapfel. Die Rednerliste führt Herr Abgeordneter Recknagel.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt Herr Minister Machnig, Herr Minister Dr. Poppenhäger, Herr Minister Reinholz bis 12.00 Uhr, Herr Minister Dr. Schöning und Frau Abgeordnete Marx.

Gestatten Sie mir folgende Hinweise zur Tagesordnung: Zu Tagesordnungspunkt 15 wurde ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/680 verteilt. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung ihre Zustimmung zu diesem Änderungsantrag erteilt.

Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? Bitte schön, Herr Blechschmidt.

Danke, Frau Präsidentin. Ich würde darum bitten, dass wir in Absprache mit den Parlamentarischen Geschäftsführern um 14.00 Uhr die Abarbeitung der restlichen drei oder vier Mündlichen Anfragen in die Tagesordnung einbauen.

Dann stellen wir das so fest, dass wir ab 14.00 Uhr - ich sehe überall das Kopfnicken - das einarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich habe auf Ihren Stühlen an den Sitzlehnen nonverbale Äußerungen gesehen für ein Thema, für das wir uns sicherlich vielfältig begeistern können. Ich mache Sie trotzdem darauf aufmerksam, dass es ein Haus der Debatte ist und nicht ein Haus der nonverbalen Äußerungen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Ich kann überhaupt nichts sehen.)

Wir kommen damit zur Tagesordnung.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11

Ankündigungen der Landesre- gierung zu einer möglichen Ge- bietsreform der Thüringer Ge- meinden, Städte und Landkreise Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/633 -

Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht. Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Prof. Huber das Wort.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Wir hätten es gern eingebracht, Frau Präsidentin.)

Wenn Sie gern begründen wollen, bitte sehr.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wir wurden doch gebeten, Frau Präsi- dentin. Wir halten uns daran.)

Erst die Begründung der Fraktion DIE LINKE und sie hat recht, ich hatte den Antrag vergessen, Sie zu bitten, Ihren Antrag zu begründen.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, vor fast genau fünf Jahren stellte die damalige Oppositionspartei SPD einen mutigen Antrag hier im Landtag. Inhalt dieses Antrags war es, eine Enquetekommission zum Thema „Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform in Thüringen“ zu installieren. Die SPD wollte damit dokumentieren, wie wichtig sie selbst und natürlich das Thema für das Land Thüringen sei. Doch bereits in den Gesprächen im nicht öffentlichen Innenausschuss wurde deutlich, wie wichtig die SPD dieses Thema nimmt und wie wichtig ihr die inhaltliche Auseinandersetzung tatsächlich ist. Obwohl im SPD-Antrag eine zeitnahe Terminleiste für die Vorlage des Kommissionsberichts vorgeschlagen war, stimmte die SPD-Fraktion alsbald dem Ansinnen der CDU, den Zeitpunkt offenzulassen, willfährig zu. Für uns, DIE LINKE, war ab diesem Zeitpunkt klar, dass die SPD nicht wirklich an dem Thema interessiert ist.

(Beifall DIE LINKE)

Unsere Befürchtungen, meine Damen und Herren, haben sich bestätigt. Inhaltlich beteiligte sich die SPD kaum noch an den Debatten und hat deshalb dann auch folgerichtig später ihre Arbeit in der Kommission eingestellt. Dies findet auch im Abschlussbericht der Kommission Erwähnung. Dort wird die inhaltliche Leere der SPD zu diesem wichtigen Po

litikfeld dokumentiert. Heute stehen wir immer noch an derselben Stelle wie vor fünf Jahren. Im Lande bewegt sich hinsichtlich der Funktional- und Gebietsreform nichts und die Landesregierung verharrt im Stillstand. Der Vorsitzende des Innenausschusses offenbarte in der Aktuellen Stunde am Mittwoch erneut eine erschreckende Inhaltsleere für die SPD. Nur der landespolitisch noch nicht ganz so erfahrene Innenminister hatte sich mal aus dem Schneckenhaus herausgewagt und sich zum Thema Gebietsreform geäußert. Aber seine Aussage, es gebe hinsichtlich der Strukturen in der Wartburgregion schon Gespräche der Landesregierung mit allen Beteiligten, wurde von den Kommunalpolitikern in der Region postwendend dementiert. Immerhin kam es dann zu Gesprächen im Innenministerium. Das Ergebnis dieser Gespräche ist, dass es keine Gespräche gibt - toll, oder besser Tollhaus.

Wir halten fest, meine Damen und Herren, dass die Landesregierung offensichtlich weder ein schlüssiges Konzept noch überhaupt vage Vorstellungen darüber hat, in welche Richtung sich das Land und die Kommunen entwickeln sollen. Das genau ist der Grund für unseren Antrag.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Berninger. Es spricht zu uns der Innenminister.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nach der Thüringer Verfassung und der Thüringer Kommunalordnung bedürfen alle Änderungen der bestehenden kommunalen Strukturen bis auf bloße Gebietsänderungen einer gesetzlichen Regelung. Der Thüringer Landtag hat in dieser Hinsicht mit dem Gesetz vom 9. Oktober 2008, mit dem er auch die Landgemeinde eingeführt hat, seinen Verantwortungsbereich erweitert. Seitdem muss auch die Bildung, Änderung, Erweiterung oder Auflösung von Verwaltungsgemeinschaften und erfüllenden Gemeinden, die bis dahin unter bestimmten Voraussetzungen durch Rechtsverordnungen des Innenministeriums vorgenommen wurden, durch Gesetz erfolgen.

Der Weg der freiwilligen Zusammenschlüsse in Thüringen ist bisher durchaus erfolgreich beschritten worden. Der 4. Thüringer Landtag hat dazu viele Gesetze zur freiwilligen Neugliederung beschlossen. Die Ergebnisse der Enquetekommission 4/1 des Thüringer Landtags „Zukunftsfähige Verwaltungs-, Gemeindegebiets- und Kreisstrukturen in Thüringen und Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen Land

und Kommunen“ haben diese Herangehensweise bestätigt. Bei der Bildung der Regierungskoalition wurde vereinbart, dass angesichts der veränderten Rahmenbedingungen, insbesondere der demographischen Entwicklung und der Zwänge des Landeshaushalts sowie des Auslaufens der Solidarpaktmittel, eine gutachterliche Überprüfung dazu durchgeführt wird, ob, in welchem Umfang und in welchem Zeitraum eine Funktional- und Gebietsreform zu Einsparungen und Effizienzgewinnen auf kommunaler Ebene und im Landeshaushalt führen kann. Im Herbst dieses Jahres soll das Gutachten in Auftrag gegeben werden.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE bezieht sich im Wesentlichen auf die möglichen Ergebnisse eines solchen Gutachtens. Diese Ergebnisse kann und will ich hier nicht vorwegnehmen. Ich betone aber noch einmal, was ich gestern mit Blick auf die Kreisstrukturen schon gesagt habe, mit einer vorschnellen Diskussion über die generellen Änderungen ist niemandem geholfen. Zunächst sind die relevanten Tatsachen zu ermitteln, um zu sachlichen Entscheidungen zu kommen und Zielkonflikte vernünftig aufzulösen.

Lassen Sie mich aber noch folgende Bemerkung machen: Vom 1. Januar 2004 bis heute wurden insgesamt 62 Gemeinden aufgelöst, 23 Gemeinden durch Eingliederung vergrößert und 7 Gemeinden neu gebildet. Darüber hinaus sind seit dem 1. Januar sechs Rechtsverordnungen des Innenministeriums zur Änderung bestehender kommunaler Verwaltungsstrukturen in Kraft getreten, die auf der Grundlage freiwilliger Gemeinderatsbeschlüsse und entsprechender Anträge der beteiligten Gemeinden basieren und zu einem Zusammenschluss geführt haben. Weiterhin wurde eine Verwaltungsgemeinschaft durch Auflösung und Zusammenschluss von zwei kleineren Verwaltungsgemeinschaften neu gebildet. Und schließlich sind für den betreffenden Zeitraum zwei Vereinbarungen zur erfüllenden Gemeinde nach § 51 Thüringer Kommunalordnung aufzuführen. Diese Fälle sind Beleg für die Funktionstüchtigkeit des bestehenden Instrumentariums.

Wenn dennoch eine von Städten und Gemeinden beantragte Strukturänderung im Einzelfall keinen Erfolg hatte, so hatte dies vor allem drei Gründe. Zum Teil haben nicht alle beteiligten Gemeinden übereinstimmende Beschlüsse gefasst. In diese Kategorie fällt auch, dass die nach § 46 Thüringer Kommunalordnung erforderliche sogenannte doppelte Mehrheit zur Auflösung, Neu- und Umbildung von Verwaltungsgemeinschaften nicht erreicht wurde.

Zweitens scheiterten Neugliederungsbestrebungen, wenn die Antragsunterlagen nicht vollständig waren und trotz der von uns gegebenen Hinweise nicht ver

vollständigt wurden.

Drittens unterblieb eine Neugliederung vorübergehend, wenn der Thüringer Landtag den Regierungsentwurf änderte. Das war seit 2004 allerdings nur einmal der Fall.

Die Landesregierung fördert nach wie vor freiwillige Neugliederungen durch Beratung und Begleitung der betreffenden Kommunen. Somit werden Lösungen ermöglicht, bei denen die regionalen Besonderheiten und Interessen der Beteiligten miteinander ausgeglichen werden können. Im aktuellen Entwurf des Finanzausgleichsgesetzes hat die Landesregierung außerdem vorgeschlagen, die bislang geltende Befristung der Möglichkeit zur Gewährung von Zuschüssen für freiwillige Gemeindezusammenschlüsse zu streichen. Im Übrigen muss, wie ich bereits sagte, das Ergebnis der gutachterlichen Prüfung abgewartet werden. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Innenminister. Als Erster hat sich Herr Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, eigentlich könnte ich es auch ganz kurz machen, indem ich Herrn Machnig zitiere -

(Zwischenruf Carius, Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr: Das würde uns freuen.)

ich werde Sie erfreuen, auch wenn ich das gar nicht will - und sage, wie er auf die Diskussion der Energieagenturen geantwortet hat. Ich könnte es kurz machen bei der Mündlichen Anfrage und verweisen auf den Tagesordnungspunkt, den wir schon hatten. Hier könnte man schon auf den Tagesordnungspunkt der Aktuellen Stunde verweisen. Da haben wir unsere wichtigsten Eckpfeiler schon genannt, aber dann wäre ich natürlich genauso lückenhaft wie Herr Machnig, weil es natürlich speziell hier zu dieser Anfrage und auch zu Ihnen, Herr Minister Huber, noch Spezielles zu sagen gibt.

Sie haben nämlich gerade eben ausgeführt, dass Sie ein Gutachten in Auftrag geben wollen. Ich frage jetzt einfach noch mal nach. Es gab in der letzten Legislatur einen dicken Bericht einer Enquetekommission. Ist der so lückenhaft, dass man nicht

mit diesem Bericht sofort hineingehen könnte, um eine Strategie zu entwickeln? Das ist ja der Punkt, der auch, glaube ich, den Menschen im Land fehlt. In der letzten Legislatur hieß es, wir machen eine Enquetekommission. Nach vielen Jahren kommt heraus, eigentlich sollte man nichts ändern. Jetzt sagen wir, wir schicken Gutachter los. Ich mutmaße mal, dass da nicht unbedingt rauskommen wird, wir werden drastische Änderungen durchführen. Die große Frage ist doch aber, die sich die Menschen im Land stellen: Welche Strategie hat das Land?

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Keine.)

Es ist ja auch so - das ist Ihnen sicherlich noch viel besser bekannt als mir -, dass gerade bei der Gebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern der Landesverfassungsgerichtshof Vorgaben gemacht hat. Eine der wichtigsten Vorgaben ist, ein Land muss Prämissen bilden. Man kann nicht sagen, hier mischen wir jetzt was, da fassen wir zusammen und dann sind wir fertig, sondern es muss Prämissen geben, auf deren Grundlage der neue Zuschnitt der Länder und Kreise nachvollziehbar gestaltet wird. Genau das vermisse ich. Bisher höre ich nur von der Landesregierung immer: Wir schauen mal nach, wir suchen mal. Es fehlt mir einfach das klare Bekenntnis dazu, wir wollen dem demographischen Wandel entgegentreten, das heißt, wir wollen eine gewisse Größe der Landkreise von der Fläche her nicht überschreiten, aber von der Einwohnerzahl erhalten. Das wäre doch zum Beispiel eine Prämisse. Man könnte auch die Prämisse formulieren: Grafschaften, wie sie in Thüringen gefunden wurden. Das finde ich gar nicht so schlecht, will ich mal sagen. Das ist ja zumindest mal eine Handlungsanleitung, um zu sagen, so wollen wir das machen. Dann können sich die Menschen damit auseinandersetzen und sagen, nein, wir wollen aber nicht zu Gotha-Coburg, sondern wir wollen lieber zum preußischen Erfurt. Das kann man machen. Aber was man nicht machen kann, denke ich, in der Diskussion, ist zu sagen, wir wollen jetzt noch nicht darüber diskutieren und Gutachter sollen ab Herbst sich damit befassen und selbst dann an die Presse gehen und sagen, Suhl und Eisenach, die werden es nicht überleben. Damit schafft man im Prinzip sehr viele Fragen im Land, schafft keine Antworten. Das ist, glaube ich, nicht gut. Dazu rufe ich Sie noch mal auf, hier Antworten zu geben und nicht mehr Fragen zu stellen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Adams. Noch mal für das Protokoll: Uns liegen von allen Fraktionen

schriftliche Redeanmeldungen vor, so dass ich annehme, dass Sie alle die Aussprache zum Sofortbericht gewünscht haben.

Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Hey von der SPD-Fraktion.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, DIE LINKE nimmt in ihrem Antrag Bezug auf die beiden Kommunen Suhl und Eisenach und die generelle Diskussion um die Kreisfreiheit. Aber es wird auch gefordert, dass hierzu Stellung bezogen wird generell zum Thema Gebietsreform. Frau Berninger hat sich vorhin beschwert, dass mein Beitrag sehr inhaltsleer gewesen sei am Mittwoch.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Ich habe mich nicht beschwert, ich habe nur festgestellt.)

(Beifall FDP)

Sie haben es nur festgestellt. Ich habe am Mittwoch sogar gesagt, dass ich lieber zum Tagesordnungspunkt 11 - also zu Ihrem Antrag - Stellung nehmen möchte. Ich dachte, das freut Sie, weil ich nicht wollte, dass so ein wichtiges Thema innerhalb von fünf Minuten durchgehechelt werden muss.