Matthias Bärwolff

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Panse, Familienhilfe und Familienbildung mit Mitteln, die auf dem Kapitalmarkt erzielt werden, zu finanzieren und gerade Familien, die von Kinderarmut betroffen sind, und Familien, die ohne Arbeit sind, Familien, die in Hartz IV leben, solche Familien über Mittel aus dem Kapitalmarkt zu finanzieren, das entbehrt nicht einer gewissen Komik, einer gewissen Schizophrenie. Denn gerade dieser Kapitalmarkt ist es, der Menschen rund um den Globus in Armut stürzt.
Meine Damen und Herren, „Thüringen gut gemacht!“, so präsentiert sich unser Ministerpräsident Dieter Althaus. Wenn man durch die Landschaft fährt, sieht man die Plakate, unser geliebter Führer Dieter Althaus, die Sonne, die sozusagen nach nordkoreanischer Tradition in die Ferne schaut und von den Leuten umjubelt wird - „Thüringen gut gemacht!“. Eine Frage habe ich: Die 60.000 Kinder, die in Armut leben, meinen Sie das etwa mit „gut gemacht“? Die 880 Sozialarbeiter, die es vor fünf Jahren gab, und die 430, die jetzt noch davon übrig geblieben sind, meinen Sie das etwa mit „gut gemacht“? Die 50 oder 20 Mio. €, die bei den Kindergärten gestrichen wurden, meinen Sie das etwa mit „gut gemacht“? Oder
die 1 Mio. €, die bei der Jugendförderung gestrichen worden sind, meinen Sie das etwa mit „gut gemacht“? Bitte schön, Herr Panse, was meinen Sie denn, was Sie gut gemacht haben?
Zum Thema Kinderarmut: Hier gab es im Hohen Haus viele Anträge. Die Linksfraktion hat im Herbst 2007 als erste Fraktion hier im Hohen Hause dieses Thema zum Thema gemacht. Wir haben uns damit befasst. Darüber hinaus haben wir auch im Landesjugendhilfeausschuss zum Thema Kinderarmut gesprochen, wir haben dort auf Drängen der Linksfraktion einen Thementag gehabt und so weiter und so fort. Einige Punkte hat Frau Ehrlich-Strathausen hier schon ausgeführt. Es ging um kostenloses Essen, es ging um die Erweiterung von Kitas zu Eltern-Kind-Zentren, es geht um die Frage von Schulsozialarbeitern an berufsbildenden und auch allgemeinbildenden Schulen. All diese Themen haben wir hier immer wieder diskutiert.
Das müssen Sie sich einfach gefallen lassen, Herr Panse, keinen einzigen Antrag hat die CDU-Fraktion hier zu diesem Thema eingebracht, keinen einzigen Antrag hat die CDU in irgendeiner Art und Weise aufgegriffen. Wenn Sie sagen, wir laden Sie alle gern zur Diskussion ein, dann mag das sein. Aber die Realität sieht doch anders aus, denn Ihre Diskussionskultur haben wir hier im Plenum schon öfter mitbekommen. Außer, dass Sie alles als Schall und Rauch verdammen und hier alles wegstimmen und ablehnen, kommt bei Ihrer Diskussionskultur allem Anschein nach nicht so viel raus.
Wir haben hier schon etliche Anträge eingebracht, ich kann das mal vorlesen: Kinderarmut bekämpfen, dann gab es den Antrag zum Thema Essensfonds, dann gab es den Antrag der SPD-Fraktion, Kinderarmut gemeinsam mit den Kommunen zu bekämpfen. Da gibt es einige Anträge, die wir gemacht haben, sehr konkrete Anträge, Herr Heym. Ihre Fraktion hat die allesamt abgelehnt. Für Sie ist allem Anschein nach das Thema Kinderarmut eines, was es im politischen Raum nicht so sehr zu diskutieren gilt.
Den Maßnahmenkatalog der Landesregierung, den Frau Lieberknecht vorgelegt hat, finde ich recht interessant. Aus der Präambel möchte ich gern einiges zitieren, mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin. Ich habe mir einige Sachen unterstrichen, gleich im ersten Satz steht: „Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt, deshalb ist Armut im Wohlstand ein gesellschaftliches Problem.“ Danke. Ich finde sehr schön, dass das auch bei Ihnen angekommen ist.
Das können wir durchaus unterstreichen. Der zweite Satz heißt: „Deshalb sind alle gesellschaftlichen Kräfte gefordert, diese Kinder zu unterstützen, insbesondere die Politik.“ Auch das finde ich sehr mutig von Ihnen. Dass Sie so etwas hier sagen, das freut mich. Und ein dritter Satz: „Wie die Bildungsforschung und die internationalen Vergleichsstudien PISA gezeigt haben, besteht ein Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen.“ Danke schön. Herr Panse hat das ja vorhin noch mal glorreich infrage gestellt, dass man das so gar nicht sagen kann, das funktioniert auch alles gar nicht, das sei Populismus. Wenn die Ministerin das so in ihrem eigenen Bericht schreibt, Herr Panse, ist entweder Frau Lieberknecht populistisch oder an diesen Studien scheint doch etwas dran zu sein. Aber, Frau Ministerin, und das ist der Satz, den ich Ihnen wirklich übel nehme, da zeigt sich, wie ernst Sie diese ganze Sache nehmen: „Übergänge im Bildungsweg müssen eine soziale Selektion nach Möglichkeit vermeiden.“ Oh, wir bekämpfen Kinderarmut also nach Möglichkeit. Wir können darauf keine Rücksicht nehmen, dass soziale Selektion passiert. Wir finden das schlecht, aber es ist schade, dass es so ist. Es ist nun mal so. Deshalb können wir daran nichts machen.
Also, Herr Panse, Frau Lieberknecht, ich finde, eine solche Aussage ist eigentlich ein Skandal. Kinderarmut gilt es nicht nach Möglichkeit zu bekämpfen, sondern diese Kinder haben ein Recht. Soziale Selektion im Bildungssystem ist wirklich ein Unding. Deshalb brauchen wir längeres gemeinsames Lernen, damit soziale Selektion im Bildungssystem nicht mehr stattfindet und nicht nur nach Möglichkeit nicht stattfindet, sondern überhaupt nicht mehr.
Wie gesagt, Frau Ehrlich-Strathausen hat zu Ihrem Maßnahmenkatalog schon viel gesagt. Die Kindercard ist in der Tat das prominenteste Beispiel. Da gab es in der Presse ein riesengroßes Getöse, wir machen das alles, kostenlose Einrichtungen, Theater, Kultur sollen dort eine Rolle spielen. Man möchte armen Kindern Möglichkeiten der Teilhabe organisieren. Daraus geworden ist eine Stempelkarte mit anschließender Überraschung. Frau Lieberknecht, mir brauchen Sie die Überraschung nicht zu verraten. Ich wette mal, es wird ein Malbuch sein von Paul und Paula, wo die Kinder wahrscheinlich wieder die Familienoffensive erklärt bekommen.
Dass die Landesregierung oder besser gesagt die Finanzministerin am Ende Ihres Maßnahmenkataloges einen großen roten Strich durch macht, zeigt sehr deutlich, wie sehr Sie sich in Ihrer eigenen Lan
desregierung durchsetzen können. Das zeigt, wie ernst die Landesregierung den Kampf gegen Kinderarmut nimmt. Wenn Frau Finanzministerin Diezel mit einem Federstrich sämtliche Maßnahmen, sämtliche guten Projekte, die Sie beschrieben haben - das ist gar keine Frage -, in den Wind streichen kann, dann ist das sehr grenzwertig. Dann zeigt das auch, dass Ihre soziale Ader nicht mehr so schlägt.
Des Weiteren möchte ich noch mal auf Herrn Panse zurückkommen. Sie haben hier gesagt, dass in den vielen Anträgen, die wir gestellt haben zum Thema Kinderarmut, zum Thema Kita-Gesetz, ganz viele Fehler passieren, dass da ganz viele lügen und so etwas. Aber da muss ich Sie doch einige Sachen fragen.
Sie sagen, Herr Merten hat sich mit den 2.000 Stellen auf den Stand des Kita-Gesetzes bezogen, 400 Stellen darüber hinaus werden schon finanziert, bleibt ein Saldo von 1.600 Stellen. Ja, Herr Panse, aber selbst wenn es diese 1.600 Stellen sind, die fehlen, dann ist es doch ein Skandal. Wenn diese 1.600 Stellen fehlen, dann ist es doch ein ganz eindeutiger Bedarf, den Sie in den Kitas realisieren müssen. Das ist ein ganz eindeutiger Bedarf, um den Bildungsplan für die Kinder bis zehn Jahre zu realisieren. Da verstehe ich nicht, wie Sie sich hier hinstellen und einen auf Moralapostel darstellen können. Nein, diese 1.600 Stellen mindestens fehlen, um den europäischen Durchschnitt zu bekommen.
Darüber hinaus die Diskussion, wie viel Millionen Euro nun den Kitas weggenommen wurden, ob nun 50 Mio. €, so wie es im Haushalt steht, oder ob man die Millionen für das Landeserziehungsgeld dagegenrechnet; selbst die 20 Mio. €, die dann effektiv den Kitas fehlen, die fehlen den Kitas eben. Das ist genau das Problem. Sie ignorieren dieses Problem und Sie reden sich hier schön. „Thüringen gut gemacht!“, kann ich da nur sagen.
Darüber hinaus ist es ja in der Tat zynisch, was Sie hier manchmal von sich geben, das muss man schon sagen. Da gibt es ein Problem mit armen Kindern, mit Kindern in Armut. Dann führen wir in der Stadt Erfurt ein kostenfreies Essen ein, das ist ein Kraftakt für uns als Stadt gewesen, aber ich glaube, das war sozialpolitisch notwendig. Ich finde auch, wir sollten das im ganzen Freistaat Thüringen so handhaben.
Da kommen Sie nun her und werfen denjenigen, die von Armut betroffen sind, denjenigen, die schon am unteren Rand der Gesellschaft leben, auch noch vor, dass sie genauso leben, wie sie es gewohnt sind und
wie sie durch die Armut, in der sie leben, Methoden und Mechanismen entdeckt haben, wie sie am besten über die Runden kommen. Das werfen Sie den Leuten auch noch vor, dass sie in Armut leben. Na, herzlichen Glückwunsch, das ist Zynismus. Das spricht wirklich auch der Würde der Leute hohn. Ich finde, Sie sollten sich bei diesen Leuten wirklich entschuldigen, dass Sie ihnen ihre eigene soziale Situation auch noch vorwerfen.
Darüber hinaus möchte ich noch mal zum Antrag der SPD kommen, weil der auch recht interessant ist. Sicherlich hat Herr Panse an der Stelle durchaus recht, drei Wochen vor der Landtagswahl mit so einem großen, bunten Blumenstrauß zu kommen, das hätte man auch schon eher machen können. Sehr interessant für mich, finde ich, dass viele der Punkte, die hier aufgezählt wurden, vorher schon auf Anträgen der Fraktion DIE LINKE erschienen sind, dass ich durchaus den Eindruck habe, dass die Fraktion DIE LINKE durchaus gedanklicher Vater der einen oder anderen Punkte ist.
In dem SPD-Antrag steht ja durchaus viel Sinnvolles, aber - auch das muss man sagen - wenig Konkretes. Beispielsweise gleich der erste Punkt: Land und Kommunen bewältigen diese Aufgabe, Mahlzeiten in Kindertageseinrichtungen und Schulen gemeinsam zu organisieren. Da möchte ich ganz gern die Frage stellen: Wie? In den Anträgen der Fraktion DIE LINKE, wenn Sie dort richtig abgeschrieben hätten, stand natürlich auch ganz konkret drin, wie wir das gern machen wollen. Das vermisse ich so ein bisschen bei Ihnen. So kann man das durchdeklarieren und so geht das auch immer weiter.
Wie gesagt, was mir ein bisschen fehlt - und das ist ja die allgemeine Diskussion hier im Hohen Hause schon seit Jahren gewesen zum Thema Kinderarmut, seitdem Fraktion DIE LINKE das hier zum Thema gemacht hat -, ist die Frage nach grundsätzlichen Veränderungen; denn man hat den Eindruck nach dem, was die Landesregierung in ihrem Papier geschrieben hat, nach dem, was die SPD auch immer wieder beantragt hat, dass Sie so eine Art Kinderarmut-Light-Version wollen, und wir wollen an der einen oder anderen Stelle ein bisschen was korrigieren und sozialpolitische Maßnahmen ergreifen. Allerdings greifen Ihre Maßnahmen immer dahin gehend zu kurz, dass Sie die Ursachen von Kinderarmut gar nicht berühren; denn Hartz IV beispielsweise, wo ja Tausende Kinder und Tausende Menschen davon betroffen sind, wird in den Anträgen der SPD nicht zum Thema gemacht. Beispielsweise wird auch die Frage Niedriglohn nicht zum Thema gemacht. Das sind aber genau die Punkte, die ursächlich sind für Kinderarmut, denn Kinderarmut ist immer auch El
ternarmut und dafür stehen sie einfach auch mit Hartz IV.
Deshalb geht die Fraktion DIE LINKE dieses Thema in aller Konsequenz an. Wenn man Kinderarmut bekämpfen möchte, dann heißt das eben auch, Hartz IV abzuschaffen, Mindestlöhne einzuführen und auch über eine Kindergrundsicherung nachzudenken. Diese Schritte gehen aber weder Sie, Herr Panse, noch Sie, Frau Ehrlich-Strathausen, mit Ihrem Antrag. Das ist sehr schade.
Wir als die LINKEN stimmen dem Antrag natürlich trotzdem zu, weil selbst das bisschen, selbst die ersten Schritte, die Sie vorschlagen, besser sind als das Nichtstun der Landesregierung. Um darauf noch mal zurückzukommen, „Thüringen gut gemacht!“, das ist ja die große Frage in diesem Wahlkampf. Ich glaube, die 60.000 Kinder, die von Armut betroffen sind, sehen das anders und wir als LINKE auch. Danke schön.
Herr Panse, sollte es bei Ihnen angekommen sein, auch generell bei Ihnen von der CDU-Fraktion, damit ist natürlich kein Hitlervergleich gemeint. Ich meine, das sollten Sie mir intellektuell schon zutrauen, dass ich das unterscheiden kann. Wenn man sich allerdings die Plakate von Dieter Althaus anschaut, wird man durchaus an Nordkorea erinnert und der dortige Vorsitzende lässt sich in der Tat auf ähnlichen Plakaten darstellen. Diesen Vergleich habe ich versucht zu bemühen.
Ja. Er ist ebenso realitätsfern und realitätsblind, wie man bei Dieter Althaus durchaus den Eindruck bekommen kann. In diesem Sinne ist ein derartiger Vergleich durchaus gerechtfertigt. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir beraten heute hier in zweiter Beratung das Gesetz zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe. Das Ansinnen des Gesetzes, denke ich, ist von allen Beteiligten durchaus zu begrüßen. Das Ansinnen dieses Gesetzes speist sich aus verschiedenen fachlichen, wissenschaftlichen Erkenntnissen, beispielsweise hat der 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung hier schon Zielvorgaben formuliert. Die gegenseitige Ergänzung und Kooperation von Schule und Jugendhilfe ist ein Kernelement, um Kindern und Jugendlichen gegenseitig zu helfen und die Instrumente der Jugendhilfe auch in die Schule einzuführen und so Schule besser zu gestalten. Der Landesbericht, der zum 12. Kinder- und Jugendbericht durch die Landesregierung vorgelegt wurde, hat hier auch Zielvorgaben formuliert und der Gesetzentwurf, den die Landesregierung jetzt vorgelegt hat, knüpft daran an. Die Schnittmengen zwischen Schule und Jugendhilfe sind ja durchaus deutlich. Zum einen geht es um die gleiche Zielgruppe - Schüler/Jugendliche - und auch der Auftrag ist ein ähnlicher, nämlich die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die Kompetenzvermittlung, aber auch die Förderung von benachteiligten Schülern. Hierzu haben wir im Sozialausschuss eine kleine Anhörung durchgeführt und auch DIE LINKE hat sich
daran beteiligt und hat - dazu kommen wir dann noch später - verschiedene Änderungsanträge vorgelegt.
Ich möchte mich erst einmal nur auf den Artikel 1 beziehen, nämlich die Änderung des Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes, weil das aus unserer Sicht ein ganz wichtiger Punkt ist. Die Kooperation von Schule und Jugendhilfe hat aus unserer Sicht eine enorme Bedeutung, produziert doch die Schule tagtäglich immense Probleme: Dort wird ausgegrenzt, dort findet Benachteiligung statt, dort wird eben nicht nur gebildet, sondern - und das macht auch die PISA-Studie deutlich - der soziale Hintergrund spielt eine ganz wesentliche Rolle für den Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern. Die Jugendhilfe mit ihren verschiedenen Instrumenten und Kompetenzen kann diese Benachteiligung revidieren, kann zur Integration in Klassenverbände und zur Integration auch in den Sozialraum beitragen. Diese Instrumente gilt es also auch an die Schule zu bringen und hier zu etablieren. Wir als LINKE haben dieses Ansinnen der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe immer schon für sehr wichtig erachtet und deshalb haben wir im Landtag den Antrag gestellt, sich zum Bericht der Landesregierung zum 12. Kinder- und Jugendbericht hier auseinanderzusetzen. Deshalb haben wir aber beispielsweise auch Anträge gestellt für ein flächendeckendes Netz an Schulsozialarbeitern in ganz Thüringen und deshalb haben wir hier auch darüber beraten, wie die Kürzungen in der Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“ verhindert werden können. Aus unserer Sicht ist die Frage der Schulsozialarbeit eine ganz zentrale, die in Ihrem Gesetz leider keine Rolle spielt, aber die für uns als LINKE ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt ist, wenn es um die Frage der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe geht. Die soziale Selektion, die in Schule stattfindet, die sozialen Probleme, die in Schule produziert werden, die sozialen Probleme, die die Kinder und Jugendlichen dort betreffen und erleben, sind es, die mit den Instrumenten, die die Schulsozialarbeit, die Sozialarbeit an der Schule, hat, bekämpft und behoben werden können. Mit der Schulsozialarbeit kann man aber auch die Schule ergänzen, kann man Angebote aus den Sozialräumen, Angebote aus der Jugendhilfe in die Schule holen und somit Schule weiter gestalten und somit Schule nicht nur als Bildungsort, sondern auch als sozialen Ort verorten in den Sozialräumen. Ich glaube, dieses Ansinnen sollte durchaus noch mal von der Landesregierung überdacht werden.
Wir als Linksfraktion sind im Lande ständig unterwegs. Beispielsweise bei Besuchen in Berufsschulen, in Schulen, aber auch bei Diskussionen mit Jugendamtsleitern und Sozialarbeitern stellt man im
mer wieder fest, dass die Schulsozialarbeit eigentlich als ganz wichtiger Aspekt durch die Sozialarbeiter, aber auch durch die Leute in den Jugendämtern wahrgenommen wird. Hierbei ist kritisch anzumerken, dass die Landesregierung mit der Zusammenlegung der verschiedenen Förderrichtlinien und der Schulsozialarbeit ganz massive Einschnitte zu verantworten hat. Sie haben ja die Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“ zusammengeführt aus den Punkten Schuljugendarbeit, Schulsozialarbeit und Jugendpauschale, haben zusätzlich noch den Kinderschutz und die ambulanten Maßnahmen für straffällige Jugendliche eingefügt, wobei man natürlich sagen muss, dass Sie auch noch ein Drittel der Mittel gekürzt haben. Das heißt natürlich: mehr Aufgaben und weniger Mittel. Das führt ganz einfach dazu, dass weniger Angebote in den Sozialräumen und in den Landkreisen stattfinden können. Ich glaube, dass dieser Schritt nicht unbedingt dazu beigetragen hat, die Kooperation und die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe in irgendeiner Art und Weise zu bestärken. Das grundsätzliche Problem zwischen Schule und Jugendhilfe ist aus unserer Sicht, dass die Schule quasi als preußische Zwangseinrichtung, die hoch herkommt, die in Landeshoheit steht, ganz anders mit Angeboten außerhalb der Schule umgeht als die Jugendhilfe, die bundesgesetzlich geregelt und kommunal ausgeführt wird. Hier haben wir also ein ganz großes Problem. Wenn wir die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe wirklich stärken wollen - das unterstelle ich Ihnen ja erst einmal, wenn Sie da ein entsprechendes Gesetz vorlegen -, dann braucht man natürlich auch die Kooperation von Schule und Jugendhilfe, und zwar auf Augenhöhe.
Zu Ihrem Gesetz allerdings, dazu werden wir noch kommen, wenn wir die Paragraphen noch mal bewerten, kann man grundsätzlich erst mal sagen, die Kooperation auf Augenhöhe ist weiterhin nur Wunsch. Denn alle Regelungen, die Sie hier getroffen haben, sind Kann-Regelungen, alles ist freiwillig, man soll darauf hinwirken, dass - vielleicht - etwa. Aber gerade unter solchen Bedingungen, wie wir sie in Thüringen haben - mehr Aufgaben, weniger Geld -, braucht man eine ganz klare Verpflichtung für die Schulen. Darüber hinaus will ich Ihnen noch mal kurz mit auf den Weg geben, wie es beispielsweise in den Sozialräumen aussieht, wenn Sie z.B. über Schulsozialarbeit oder über die Kooperation von Schule und Jugendhilfe sprechen. Da haben wir ganz oft das Problem, dass das, was an Angeboten stattfindet, was an Bedarfen da ist, im Regelfall gar nicht über die Mittel, die das Land in diesem Bereich zur Verfügung stellt, abgedeckt werden kann. In dem Bericht zum 12. Kinder- und Jugendbericht haben Sie eine ganz interessante Festlegung getroffen - Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung würde ich gern zitieren -, und zwar auf Seite 31: „Mit dieser Zusammenlegung der Förderrichtlinien wird auch die in
mehreren Empfehlungen des 12. Kinder- und Jugendberichts eingeforderte Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule weiter vorangebracht. Es werden bedarfsgerechte Angebote der schulbezogenen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit neu entwickelt, und zwar unter der Gesamtverantwortung des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.“ Das klingt erst einmal gut, aber die Realität in den Landkreisen sieht doch anders aus. Eine Neuausrichtung unter Gesamtverantwortung des Jugendamtes, das sind ja schöne Prosaworte, im Klartext heißt das, es wird gestrichen und gekürzt und die Kommunen müssen schauen, wie sie zurande kommen, die Kommunen müssen schauen, wie sie ihre Angebote aufrechterhalten. Wenn man Kooperation befördern möchte, sie auch von Schule einfordern möchte, geht das natürlich nicht, indem man die Mittel streicht, die Aufgaben erhöht und eine bessere Qualität einfordert, weil das dann nur Konkurrenzkampf bedeutet, weil das dann auch in den Sozialräumen in den Landkreisen Ängste schürt, nämlich Verlustängste. Schauen Sie es sich an, gehen Sie in die Schulen, wo Sozialarbeiter noch angegliedert sind, da gibt es durchaus die Befürchtung, ob der Sozialarbeiter im nächsten Jahr noch für die Schule zuständig ist oder nicht und ob man in den Landkreisen überhaupt noch einen hat. Frau Leukefeld aus Suhl kann ja ganz aktuell berichten, welche Verhandlungen es gibt und wie schwierig diese derzeit sind zwischen den Bereichen der Jugendhilfe und den Bereichen der Schule. Da wird ganz klar deutlich, dass mit einem Weniger an Geld und einem Mehr an Aufgaben eine Kooperation von Schule und Jugendhilfe auf Augenhöhe nicht zu machen ist.
Die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe ist auch uns wichtig und deshalb hat die Fraktion der LINKEN verschiedene Änderungsanträge gestellt und die möchte ich an dieser Stelle kurz erläutern. Aus unserer Sicht gibt es ganz wesentliche Punkte, zum einen die Änderung des § 9 im Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz, also die Frage der beratenden Mitgliedschaft im Landesjugendhilfeausschuss. Die Welt wird sich auch weiterdrehen, wenn dort mehr oder weniger beratende Mitglieder sind. Aber ich glaube, wenn man dort für eine Kooperation streiten möchte, kann man unserem Änderungsantrag durchaus zustimmen, Leute, also Vertreter vom Landeselternverband der Kindertagesstätten beispielsweise, mit beratender Stimme in den Jugendhilfeausschuss zu holen. Ein Mehr an fachlicher Kompetenz und ein Mehr an Sichtweisen auf die Probleme in der Jugendhilfe aus den Reihen der Schule ist durchaus angezeigt.
Darüber hinaus haben wir einen Änderungsantrag für den § 12 - also die Beteiligung an der Planung -
formuliert. Ich möchte den gern zitieren, Frau Präsidentin: „Die Jugendhilfe- und Schulnetzplanung muss zum Zwecke der Integration im Sozialraum und zur gegenseitigen Kooperation aufeinander abgestimmt und gemeinsam geplant werden.“ Dieser Änderungsantrag fordert die Kooperation auf Augenhöhe mit der Schule ein und fordert auch ein, dass Schulnetzplanung und Jugendhilfeplanung aufeinander abgestimmt werden, und zwar gemeinsam geplant werden. Aus unserer Sicht, wenn wir sozialräumlich denken - und die Jugendhilfe und viele Kommunen sind gerade dabei, sozialräumliche Planungen im Bereich der Schule und der Jugendhilfe zu befördern -, wenn wir die Angebote der Jugendhilfe in die Schule bringen wollen, wenn wir auch die Schule erweitern wollen und die Möglichkeiten, die Jugendhilfe hat, der Schule auch darlegen wollen, dann ist die gemeinsame Schulnetzplanung und Jugendhilfeplanung ein ganz wesentlicher Schritt, um hier voranzukommen. Bei der Formulierung, wie sie im Gesetzentwurf der Landesregierung steht, dass darauf hingewirkt werden soll, dass diese beiden Planungen aufeinander abgestimmt werden, kann man natürlich sagen, das ist gut, dass Sie das sozusagen im Blick haben, aber eine wirkliche Verpflichtung, eine wirkliche Kooperation auf Augenhöhe, wie sie gefordert wird, auch von den Fachleuten, gerade der Jugendhilfe, die findet damit nicht statt. Ich weiß aus Ihrem Hause, dass das schon sehr große Diskussionen zwischen dem Kultusministerium und dem Sozialministerium abgefordert hat, überhaupt zu solch einer schwammigen Lösung zu kommen, aber ich glaube, wenn wir diesem Anliegen der Kooperation von Jugendhilfe und Schule Rechnung tragen wollen, dann braucht man hier ganz konkrete und sehr verbindliche Absprachen. Selbst die Kooperationsvereinbarung, die zwischen den Häusern und dem Landkreistag und dem Gemeinde- und Städtebund abgeschlossen wurde, strotzt geradezu von Unkonkretheit. Ich glaube, wenn man diese Kooperation wirklich forcieren möchte, dann braucht man ganz knallharte Absprachen und ganz knallharte Forderungen und Formulierungen.
Darüber hinaus haben wir beispielsweise einen Änderungsvorschlag eingereicht für den § 14. Da geht es um die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe und verschiedene Aufgabenbestimmungen. Da möchten wir gern einfügen, dass, wenn Sie schon von den Kommunen höhere Standards erwarten, Sie dann natürlich auch die entsprechenden finanziellen Ressourcen zur Verfügung stellen, nicht nur was die gemeinsame Planung anbelangt, nein, auch was solche Angebote anbelangt wie beispielsweise Schulsozialarbeit. Kooperation herauszufordern, Kooperation einzufordern ist die eine Sache. Ich glaube, das geht nur, wenn entsprechende finanzielle Mittel auch ausgereicht werden, ansonsten wird das ein Hauen und Stechen zwischen den einzelnen Trägern, zwischen den einzelnen Angeboten. Das tut der Jugend
hilfe nicht unbedingt gut und auch nicht dem Anliegen, welches da vorangestellt werden soll.
Darüber hinaus möchten wir einen Änderungsantrag für das KJHG stellen, also für das Ausführungsgesetz zum KJHG in § 19. Die Landesregierung hat mit der Haushaltsdebatte 2005/2006 den § 19 verändert mit dem Haushaltsstrukturgesetz, und zwar ohne, dass darüber in irgendeiner Art und Weise inhaltlich beraten wurde. Dieser § 19 hat den Bestandteil der Jugendberufshilfe für die Kommunen verpflichtend geregelt. Wahrscheinlich gab es da auch wieder Druck vom Thüringischen Landkreistag bzw. vom Gemeinde- und Städtebund, diesen § 19 zu verändern. Wir als LINKE möchten ihn wieder in die ursprüngliche Form zurückholen, nämlich mit der Verpflichtung der Kreise, Jugendberufshilfemaßnahmen anzubinden oder auch anzubieten in den einzelnen Schulen. Das hat folgenden Hintergrund: Wir alle und auch Sie, Frau Lieberknecht - Sie waren ja neulich bei der großen Fachtagung zum Thema „Demographischer Wandel“ -, wissen, was diese Probleme für Thüringen bedeuten. Wir hatten das auch gerade in der PISA-Debatte gehört. Diejenigen, die kompetent sind, diejenigen mit Abitur, diejenigen mit einem ordentlichen Studienabschluss verlassen das Land. Immer mehr kehren Thüringen den Rücken. Das heißt, wir haben hier ein ganz großes Abwanderungsdefizit. Und diejenigen, die ohne Schulabschluss sind, diejenigen, die nur niedrig qualifiziert hier die Schulen und die Berufsschulen verlassen, bleiben hier. Ganz exemplarisch kann man das natürlich in den strukturschwachen Landkreisen nachvollziehen. Wenn wir also dem Fachkräftemangel begegnen wollen und wenn wir vor allem den niedrig qualifizierten Jugendlichen hier in Thüringen eine Perspektive jenseits von Hartz IV bieten wollen, dann müssen wir uns als Politik, dann müssen wir uns als Land auf den Weg machen und dafür Sorge tragen, dass diese jungen Menschen hier in Thüringen Perspektive haben. Diese Perspektive geht aus unserer Sicht nur über die Qualifikation. Ohne Qualifikation, ohne Bildung haben diese jungen Leute hier keine Perspektive.
Dass das Problem so ist, können Sie, glaube ich, nicht bestreiten. Man hat mittlerweile auch schon das Problem in den Betrieben, in den Landkreisen, wo die wirtschaftliche Situation ein wenig besser ist - beispielsweise gibt es im Saale-Orla-Kreis viele metallverarbeitende Betriebe -, qualifiziertes Nachwuchspersonal zu finden. Die haben jetzt Probleme, Facharbeiter zu finden, die sie einstellen können. Auf der anderen Seite gibt es über 30.000 Jugendliche ohne Schulabschluss, ohne Berufsausbildung. Diesen Jugendlichen eine Perspektive zu bieten, das sollte schon ein ganz, ganz wichtiger Ansatz für uns sein.
Das, was man Ihrem Gesetz entnehmen kann, ist so ein Stück weit: Ja, wir versuchen das. Man kann Ihnen schon den guten Willen unterstellen, aber wirklich konkret wird es leider nicht. Ich möchte die Ausführungen hier an dieser Stelle zu Artikel 1 Ihres Gesetzes beenden: Die Botschaft höre ich wohl, allein es fehlt der Glaube. Vielen Dank.
Danke, auch wenn ich nicht Geburtstag habe. Sie sagten, dass die Kooperation von Schule und Jugendhilfe mit Leben erfüllt werden soll. Ich würde gern von Ihnen wissen, wie dieses Leben zustande kommen soll, wenn doch permanent die finanziellen Ressourcen, die solch ein Leben ermöglichen, knapper und durch die Landesregierung ständig gekürzt werden?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ganz kurz, Frau Lieberknecht, Sie versuchen es ja schon so ein Stück weit, uns das jetzt hier als eine ganz, ganz fundamentale Regelung zu verkaufen; ich glaube eher, der Slogan, der über dem Gesetz stehen sollte ist: „Viel Lärm um nichts“.
Ich möchte noch einmal auf zwei Punkte aus unseren Änderungsanträgen zu sprechen kommen, zum einen, Frau Meißner, das Thema Jugendberufshilfe. Freilich, keiner der Anzuhörenden hat zu diesem Thema etwas verloren, aber dieses Thema steht ja auch nicht im Gesetz drin, aber wenn man die Kooperation von Schule und Jugendhilfe forcieren möchte, wenn man wirklich den Jugendlichen und gerade den Jugendlichen im Kyffhäuserkreis oder in anderen strukturschwachen Regionen, die noch jung sind, aber schon in Hartz IV leben, wirklich eine Perspektive geben möchte, dann muss man natürlich auch Politik in die Verpflichtung nehmen, in die Verantwortung nehmen, für sie hier auch Qualifizierungsangebote vorzulegen. Das zum Ersten.
Ich glaube, wir als Fraktion haben durchaus auch den Anspruch, eigene Vorschläge hier zur gesellschaftlichen Umgestaltung mit einzubringen, und besonders im Änderungsantrag haben wir das gemacht.
Der zweite Punkt, auf den ich noch einmal eingehen möchte, das ist unser Änderungsantrag zu § 14, denn ich glaube schon, wenn man Kooperation von Schule und Jugendhilfe forcieren möchte, dann braucht man dafür eine finanzielle Untersetzung. Ich kann Ihnen das vielleicht noch einmal erläutern, Sie waren ja in der Zeit nicht Sozialministerin, das war der Kollege
Zeh, aber Sie waren es in Ihrem Hohen Haus, die die Richtlinie zur Schuljugendarbeit, zur Schulsozialarbeit und zur Jugendpauschale zusammengelegt haben. Einst hat dieser Betrag 15 Mio. € ausgemacht, danach, da war die Landtagswahl gelaufen, die CDU hatte eine Stimme Mehrheit bekommen
und zack hat man diese 15 Mio. auf 9 Mio. € zusammengekürzt, um sich dann darüber zu wundern, warum die Kooperation gerade nicht gut funktioniert zwischen Schule und Jugendhilfe. Das ist schon ein bisschen traumtänzerisch. Wenn Sie jetzt den Kinderschutz und die ambulanten Maßnahmen für straffällige Jugendliche auch noch in die Richtlinie mit hineinschreiben, dann zeigt das nur, dass Sie nicht wirklich willens sind, hier im Sinne des Anliegens, also im Sinne der Sache, auch im Sinne der Kinder und Jugendlichen, hier Politik zu gestalten. Wenn Sie hier auch sprechen - und Herr Emde hat das ja ganz gut gemacht -, es geht darum, diese Kooperationsvereinbarung und die Kooperation von Schule und Jugendhilfe jetzt mit Leben zu erfüllen, und Sie sprechen ja auch von Kreativität, also nach meinem Empfinden ist das eher Euphemismus für die Verwaltung des Mangels. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die tragischen Fälle von Kindesvernachlässigung und Kindeswohlgefährdung haben in Politik und Gesellschaft die Diskussion um Verbesserungen im Bereich des Kinderschutzes angeregt und gefördert. Dabei kann es leider keinen 100-prozentigen Schutz aller Kinder in allen Situationen geben. Diese Tatsache aber sollte niemanden davon abhalten, seine Bemühungen um Verbesserung fortzuführen oder zu intensivieren. Wir tun gut daran, den Schutz von Kindern zu befördern und stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.
Mit den heute hier vorliegenden Gesetzentwürfen soll der Schutz ausgeweitet und gestärkt werden. Dem kann man an sich nichts entgegenstellen, ist doch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jugendämtern und Einrichtungen des Kinderschutzes für ihre so wertvolle und mitunter lebensrettende Arbeit zu danken. Die Verantwortung, die diese Menschen tragen, sollte aber für uns Verpflichtung sein, sie in ihrer Tätigkeit zu unterstützen. Das betrifft die Möglichkeit der Fortbildung, das betrifft aber auch klare Verfahrensweisen und personelle Entlastungen. Die personelle Entlastung scheint mir dabei eine Schlüsselfrage zu sein, denn was bringen die besten Gesetze, die besten Netzwerke und vielen, vielen Vorschriften zum Schutze der Kinder, wenn die Personalsituation in den Jugendämtern, den Kinderschutzdiensten oder Einrichtungen der Umsetzung dieser im Wege stehen.
Deshalb appellieren wir als Linksfraktion an Sie, Frau Ministerin: Sorgen Sie endlich dafür, dass die Personalsituation in den Jugendämtern und in Kinderschutzeinrichtungen verbessert wird. Lange Wartelisten, wie sie es bei den 15 Thüringer Kinderschutzdiensten gibt, zeigen deutlich auf, dass es hier noch einen gewaltigen Handlungsbedarf gibt.
Die Gesetzentwürfe von Landesregierung und SPD haben grundlegende Verbesserungen im Kinderschutz zum Ziel. Dieses Ziel kann man unterstützen, jedoch - und das fällt dem Leser dieser Werke sofort auf - erstrecken sich die Lösungsvorschläge nur auf einen Bruchteil dessen, was tagtäglich zu leisten ist.
Während sich der Gesetzentwurf der Landesregierung nur bei den verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen für Kinder aufhält und nicht darüber hinauskommt, betrachtet der Gesetzentwurf der SPD auch regionale Netzwerke, Familienhebammen und finanzielle Aspekte. Zumindest, was die Breite der Lösungsvorschläge angeht, ist uns der Gesetzentwurf der SPD am nächsten.
Thüringen ist nicht das einzige und nicht das erste Land, in dem ein Kinderschutzgesetz verabschiedet wird. In Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz gibt es bereits solche und auch in Berlin wird derzeit in den Ausschüssen darüber debattiert. Mit den Kinderschutzgesetzen wollen Landesregierung und SPD den Kinderschutz generell verbessern, allerdings - so nicht nur die Einschätzung der LINKEN - beziehen sich diese beiden Gesetzentwürfe nur auf den Schutz von Kleinkindern. Bei der Landesregierung ist dies explizit der Fall, weil sie sich nur auf die Vorsorgeuntersuchungen und mögliche Repressionen versteift. Bei der SPD ist dies implizit der Fall, weil all die Maßnahmen, die sie vorschlägt, auch nur bei Kleinkindern ankommen, sowohl was die Familienhebammen anbelangt als auch die lokalen Netzwerke haben Sie nur Kleinkinder im Blick. Nach Ansicht der LINKEN umfassen aber die Aufgaben des Kinderschutzes nicht nur Kleinkinder, sondern Kinder, die auch älter als drei oder vier Jahre sind. Hier ist einer der grundlegenden Makel, der beiden Gesetzen anhaftet. Kinderschutz ist aus Sicht der LINKEN mehr und Kinderschutz erstreckt sich nicht nur auf diese kleine Altersgruppe von Kindern.
Aus Sicht der LINKEN können wir dem Gesetz der Landesregierung nicht zustimmen, nicht nur, dass sich die Landesregierung ausschließlich auf Kleine konzentriert, nein, das macht die SPD leider genauso, aber im Gegensatz zur Landesregierung umfasst der Gesetzentwurf der SPD nicht nur Fragen der Vorsorgeuntersuchungen. Hier sind wir bei Ihnen, wenn Sie einfordern, dass diese Vorsorgeuntersuchungen verbindlich sein müssen. Jeder hat die Pflicht, mit seinen Kindern an den Vorsorgeuntersuchungen teilzunehmen, soweit sind wir einverstanden. Allerdings hat die LINKE auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir den vorgeschlagenen Sanktionen äußerst kritisch gegenüberstehen. Repressionen sind aus unserer Sicht kaum geeignet, gerade die Familien, die ihrer Teilnahmepflicht an den Vorsorgeuntersuchungen nicht nachkommen, genau dazu zu bewegen. Statt der angedrohten Streichung des Landeserziehungsgeldes brauchen wir niedrigschwellige und aufsuchende Hilfen in diesem Bereich.
Bei der Anhörung des Sozialausschusses am 7. November hat unter anderem Prof. Merten deutlich gemacht, dass Sanktionen bei diesen teils schwierigen und sensiblen Familien eher auf Widerstand stoßen, als dass sie zur Einsicht bewegen und die Vorsorgeuntersuchungen nachgeholt werden. Die Praxis im Saarland, wo die Vorsorgeuntersuchungen bereits verpflichtend sind, hat dies gezeigt. In den Zahlen
des Saarlandes ausgedrückt heißt das, 90 Prozent der Kinder besuchen ohne Aufforderung die Untersuchungen. So weit, so gut. Die verbleibenden 10 Prozent werden per Post benachrichtigt. Hier nehmen weitere 8 Prozent an den Vorsorgeuntersuchungen teil. Lediglich 2 Prozent der Eltern bleiben säumig. Um genau diese Truppe geht es uns aber. Wie bekommen wir diese 2 Prozent der Eltern zu den Vorsorgeuntersuchungen? Wir als LINKE sagen, dass wir diese Familien nur über niedrigschwellige und aufsuchende Hilfen erreichen können, entweder über das Jugendamt, beispielsweise über Mütterberatungsstellen, oder auch über Familienhebammen. Mit Sanktionen erreichen wir hier nichts.
Zudem steht ja grundsätzlich die Frage, wer von der Pflicht, an den Vorsorgeuntersuchungen teilzunehmen, betroffen ist. Oder anders ausgedrückt, wer von den Sanktionen überhaupt getroffen werden kann, denn im Gesetzentwurf der Landesregierung wird bei Nichtteilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen die Streichung des Landeserziehungsgeldes angedroht. Das Landeserziehungsgeld aber wird nur an Kinder im Alter von 2 bis 3 Jahren gezahlt. Diejenigen, die eine Kindertagesstätte besuchen, treten das Landeserziehungsgeld in Höhe von 150 € an die Kita ab. Die Streichung der 150 € fällt hier also weg. Ob man den Kindergartenbesuch an die Teilnahme an der Untersuchung knüpfen kann, darf auch bezweifelt werden, da zumindest der bundesweite Rechtsanspruch auf einen Kindergartenbesuch per SGB VIII verankert ist und hier keine Rückschlüsse zur Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen stattfinden. Den Familien, deren Kinder nicht in die Kita gehen, die 150 € zu streichen, darf unter Umständen auch als Kindeswohlgefährdung gewertet werden.
Na ja, darüber können wir noch einmal sprechen. Also, wir haben nicht für das Landeserziehungsgeld plädiert, Kollege Panse, wir waren das garantiert nicht. Wie allerdings die verpflichtende Teilnahme bei Familien mit jüngeren Kindern umgesetzt werden soll, nämlich dieser, die nicht das Landeserziehungsgeld in Anspruch nehmen, steht im Gesetzentwurf der Landesregierung leider nicht. Denen kann kein Landeserziehungsgeld gestrichen werden. Wo also, um in der Logik der Landesregierung zu bleiben, greifen die Sanktionen in solchen Fällen? Die im Gesetz formulierte verpflichtende Teilnahme ist also nur eine Pseudopflicht, wie der Präsident des Thüringischen Landkreistages, Herr Dohndorf, bei der Anhörung im Sozialausschuss gesagt hat. Wir als LINKE lehnen Sanktionen im Zusammenhang mit der Teil
nahme an den Vorsorgeuntersuchungen prinzipiell ab. Aus unserer Sicht sind sie nur bedingt geeignet, den Kinderschutz zu verbessern. Immerhin sind diese Vorsorgeuntersuchungen auch Instrumente des Kindergesundheitsschutzes und der Fokus liegt bei den Ärzten genau eben auf diesem. Zudem hat sich herausgestellt, dass die Kinder, die Opfer von Misshandlungen und Kindesvernachlässigung werden, meist an den Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen haben.
Für uns als LINKE ergeben sich daraus zwei wichtige Fragen: Kann die verpflichtende Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen den Kinderschutz tatsächlich verbessern? Wie können wir gewährleisten, dass die Kinder vorrangig von fachkundigen Ärzten, also Fachärzten für Kinderheilkunde, beurteilt und untersucht werden? Im Zusammenhang mit den Vorsorgeuntersuchungen hat die Landesregierung die Bildung eines Vorsorgezentrums angeregt, welches die Teilnahme kontrollieren soll. Dass es hier einer zentralen Stelle bedarf, die die Teilnahme überprüft und gegebenenfalls Einladungen an säumige Familien schickt, ist nachvollziehbar. Warum man dieses Vorsorgezentrum allerdings nicht bei den Krankenkassen ansiedelt, die die Abrechnungen der Vorsorgeuntersuchungen durch die Ärzte in jedem Falle erhalten, ist unklar. Mit den Krankenkassen muss die Landesregierung sowieso in Verhandlungen treten, wenn sie denn endlich eine Landesrahmenvereinbarung erreichen möchte. Die Teilnahme, auch die verpflichtende, an den Vorsorgeuntersuchungen ist für uns nur ein Baustein, um den Kinderschutz zu verbessern, aber auch andere Aspekte müssen aus unserer Sicht unbedingt berücksichtigt werden.
Einer dieser Bausteine ist für die LINKE die Frage der Familienhebammen. Familienhebammen können in der Familie wirksam arbeiten, da sie mit einer besonderen Vertrauensposition und nicht als Amtsperson in die Familie kommen. Darin scheint der Schlüssel zu liegen. Das staatliche Wächteramt, wie es die Jugendhilfe ausführt, ist teils ungeeignet, um in den schwierigen familiären Konstellationen Kontakt zu Eltern und Kindern zu knüpfen. Die Hebammen kommen hier leichter und über geringere Hürden an diese Familien heran. Während die Jugendhilfe mit den Hilfen zur Erziehung erst greift, wenn ein erzieherischer Hilfebedarf vorliegt und die Eltern dann nach der Hilfeplanung den Maßnahmen zustimmen, kann die Familienhebamme auch ohne Hilfeplanung in die Familien gehen, wobei hier eine Altersbeschränkung auf die nachgeburtliche Phase bis zum 1. Lebensjahr liegt. Für weiterführende Hilfen ist dann jedoch wiederum das Jugendamt zuständig. Der Freistaat hat ja auch die Ausbildung der Familienhebammen finanziell unterstützt. Das findet generell unsere Zustimmung, jedoch ist der weitere Umgang mit Einsatz der Familienhebammen ungeklärt. Wie sollen
die Jugendämter mit Familienhebammen, die normalerweise freiberuflich sind, umgehen? Welche Stundensätze sollen gezahlt werden? Wie bindet man die Familienhebamme zum Beispiel in Netzwerke des Kinderschutzes ein und welche rechtliche Einordnung zwischen SGB V - Krankenkassenleistungen - und SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe - schlägt die Landesregierung vor? Hierzu liefert auch wiederum der Gesetzentwurf der Landesregierung keinerlei Aussage, die aber dringend geboten wäre. Im Kinderschutzmaßnahmekatalog allerdings wurde der Einsatz der Familienhebammen groß gefeiert. Aus unserer Sicht brauchen wir eine gesetzliche Verankerung der Aufgaben und der Wirkungsbereiche der Familienhebamme. Das verschiedene Vorgehen, welches teilweise in den Kreisen herrscht, muss, denke ich, aufgehoben werden. Wie viele der kürzlich ausgebildeten Familienhebammen arbeiten eigentlich tatsächlich als Familienhebammen und in welchen Formen? Aus dem, was die Landesregierung hier in den Empfehlungen vorgelegt hat, kann man den Eindruck gewinnen, es ginge um einen wenig durchdachten Schnellschuss. Nicht nur, dass sich Kinderschutz bei der Landesregierung nur auf Kleinkinder beschränkt, sie vergisst auch völlig, Aussagen zu den Finanzen zu treffen. Auch die wenigen Vorschläge und Regelungen, die durch Ihr Gesetz formuliert werden, bedürfen einer gewissen finanziellen Unterstützung. Mag sein, dass der Kinderschutz sowieso eine Pflichtaufgabe der Kommunen ist, aber so ganz ohne Geld geht es eben doch nicht. Dabei ist es ein Skandal, dass Sie von der CDU erst die Personalstandards beispielsweise für die Kinderschutzdienste absenken und dann, wenn Not am Mann ist, blitzschnell die Kürzung wieder zurücknehmen. Und weil das alles noch nicht genug ist, haben Sie jetzt auch noch die Mittel für den Kinderschutz in die Richtlinie für örtliche Jugendförderung gesteckt. Zwar antwortet man im Ministerium auf entsprechende Anfragen immer, dass die Mittel in den Kommunalen Finanzausgleich geflossen sind, warum man dann aber die Richtlinie Jugendpauschale entsprechend ändern musste, das erschließt sich uns nicht. Wenn die Mittel für den Kinderschutz im Kommunalen Finanzausgleich sind, dann lassen Sie doch bitte schön die Jugendpauschale unangetastet für die freiwilligen Aufgaben. Für die Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Jugendverbandsarbeit fehlt das Geld doch sowieso an allen Ecken und Enden, warum dann noch zusätzliche Aufgaben hineinformulieren?
Wer ein dichtes Netz für den Kinderschutz weben will, Frau Ministerin, muss dafür auch Geld in die Hand nehmen. Umsonst ist der Schutz von Kindern nicht zu haben. Dazu gehören aber auch die Leitlinien für einen effektiven und effizienten Kinderschutz, die durch den Landesjugendhilfeausschuss verabschiedet wurden. Eine Rolle haben diese bisher leider kaum gespielt, obwohl sie doch gewichtige An
haltspunkte für einen effizienten Kinderschutz liefern.
Die Thüringer Kinderschutzdienste sollten teilweise auch in die Netzwerke eingebunden werden. Jedoch, wenn man sich an die Finanzierung erinnert, dann stellt man fest, dass sich hierbei seit den Ereignissen in Sömmerda 2006 nicht allzu viel zum Positiven geändert hat. Ich möchte Ihnen das an kurzen Beispielen deutlich machen: Die fachliche Richtlinie zu den Kinderschutzdiensten wurde außer Kraft gesetzt und die Finanzierung zulasten der Kommunen und der Kinderschutzdienste verändert. Wurden früher noch 525.000 € an die Kinderschutzdienste ausgereicht, geht das Land jetzt mit der Gießkanne her und fördert alles und jeden, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn da nicht mehr Kinderschutzdienste im Besonderen, sondern Jugendarbeit, ambulante Maßnahmen für straffällige Jugendliche, Jugendsozialarbeit, Schulsozialarbeit, Schuljugendarbeit im Allgemeinen gefördert werden, bekommen die Kinderschutzdienste auch nur noch anteilig Summen aus diesem Topf. Damit werden zum einen die Kommunen bestraft, die bisher Kinderschutzdienste unterhalten und finanziert haben, zum anderen wird aber auch der gesamte Bereich der freiwilligen Aufgaben der Jugendarbeit und der offenen Angebote bestraft, weil für diese Aufgaben insgesamt weniger Geld zur Verfügung steht. Es ist also eine Verschlechterung für alle Seiten und das muss man erst einmal hinbekommen.
Dieses Vorgehen und Handeln ist aus Sicht der LINKEN nicht nur unglücklich, Sie verhalten sich geradezu wie ein Elefant im Porzellanladen. Während Sie in der Öffentlichkeit große Worte über die Rolle der Bedeutung des Kinderschutzes halten, streichen Sie in aller Stille die Gelder zusammen. Statt den Kommunen mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, klammern Sie den öffentlichen Gesundheitsdienst beispielsweise völlig aus. Hier wäre das Land ja dann auch in der Pflicht, das Personal für die entsprechenden Aufgaben zu stellen. Stattdessen fokussieren Sie Ihre Aufgabe auf die Jugendämter, da hier die Personalkosten durch die Kreise zu tragen sind. Dass die Gelder in den Kreisen eh knapp sind, scheint Ihnen bislang entgangen zu sein.
Wie sieht denn die Situation des ASD in den Kreisen aus? Welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es denn in den Kreisen für den Bereich Kinder- und Jugendschutz? In Erfurt sind es ganze zwei VbE, und das ist mit Abstand der höchste Personalbestand. In den meisten Kreisen sind dies nur halbe oder anteilige Stellen für den Kinder- und Jugendschutz. Diese Situation gilt es zu beheben, wollte man dem Anspruch einer Verbesserung des Kinderschutzes wirklich gerecht werden.
Die Fraktion der LINKEN wird also das Gesetz der Landesregierung ablehnen. Aber auch mit dem Gesetz der SPD haben wir unsere Schwierigkeiten. Ich will versuchen, die Standpunkte unserer Fraktion zu diesem komplexen Thema kurz darzulegen.
Für die Fraktion der LINKEN ist Kinderschutz mehr als nur der Schutz von Kleinkindern. Dass Kleinkinder in besonderem Maße schützenswert sind, steht außer Zweifel, aber die Fallzahlen beispielsweise jener Kinderschutzdienste legen nahe, dass vor allem Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahre diese Einrichtungen aufsuchen bzw. von ihnen betreut werden. Wer also Kinderschutz umfassend denken will, muss eine weitaus größere Altersgruppe in den Blick nehmen, als die vorliegenden Gesetzentwürfe es tun.
Des Weiteren muss die Personalsituation im Sinne des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen und Diensten verbessert werden. Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jugendämtern und Einrichtungen immer mehr Aufgaben zu erfüllen haben, dann leidet unter Umständen die Qualität der Arbeit darunter. Mehr Aufgaben und höhere Anforderungen gehen bei gleichem Personalschlüssel ja wirklich zulasten der Qualität und das ignorieren Sie völlig. Dies gilt vor allem für die Erzieherinnen in den Kindergärten. Sie bekommen immer wieder neue Aufgaben ohne personelle Entlastungen. Da muss der Bildungsplan für Kinder bis 10 Jahre umgesetzt werden, dann sollen Elterngespräche geführt werden, da sollen Kinder individuell gefördert werden und auf den Schutz der Kinder vor Vernachlässigung und Missbrauch ist auch noch zu achten.
Hier zeigt sich, weshalb die LINKE dem Gesetz der Landesregierung nicht zustimmen kann. Das Thema Kinderschutz ist so komplex, dass eine grundsätzliche Debatte nötig ist und wir wesentliche gesetzliche Änderungen vornehmen müssten, als Sie dies mit dem vorgelegten Gesetz getan haben.
Gerade die Arbeit mit den Eltern wird vom Gesetzentwurf aus dem Sozialministerium völlig ausgeblendet. Die Eltern sind es aber meist, die das Wohl des Kindes gefährden. Ich möchte das nicht falsch verstanden wissen: Es geht nicht um einen Generalverdacht gegen alle Eltern, sondern in den Fällen, in denen es zu einer Kindeswohlgefährdung kommt, liegt die Ursache meist bei den Eltern, Eltern, die überfordert sind und in komplizierten und vielschichtigen Lebenslagen gefangen sind. Die Arbeit mit Eltern ist aber nach unserer Ansicht ein weiterer Baustein, um den Kinderschutz spürbar zu verbessern. Gerade Fragen der Erziehung, der Entwicklung des Kindes, müssen mit Eltern besprochen werden. Die soziale Arbeit hat schon lange festgestellt, dass die traditio
nelle Weitergabe von Erziehungswissen gerade in sogenannten bildungsfernen Schichten nicht mehr funktioniert. Hier wäre eine verstärkte Elternbildung eine wichtige Aufgabe. Dazu müssten Sie aber in der Tat auch die Betreuungsschlüssel für die Erzieherinnen in den Kindertagesstätten erhöhen, so dass auch Zeit bleibt, sich mit Eltern auseinanderzusetzen.
Auch die Vorbereitung auf die Elternschaft ist ein Aspekt, wenn wir Kinder künftig besser schützen wollen. Gute Kenntnisse der Eltern sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Erziehungsarbeit der Kinder. Hier sollten aus unserer Sicht Kompetenzen bereits an der Schule entwickelt werden. Dies bedeutet zwar ebenfalls keine 100-prozentige Garantie, stärkt aber die Handlungsmöglichkeiten gerade junger Eltern. DIE LINKE schlägt hier vor, Elternarbeit direkt an der Kindertagesstätte bzw. auch an den Schulen anzugliedern, zumal man damit auch nicht nur Eltern von Kleinkindern erreicht, sondern auch Eltern von Kindern im höheren Alter. Dazu braucht es freilich Geld, aber es geht ja eben nicht darum, das Machbare umzusetzen, sondern das Notwendige. Wir brauchen für eine aktive Elternarbeit keine abgehobene Elternakademie, wie die Landesregierung sie mit der Familienoffensive geschaffen hat, eine Elternakademie, die nur im kleinen Kreise arbeitet, ohne niedrigschwellig mit den Eltern direkt zu arbeiten. So eine Elternakademie verfehlt ihren Zweck. Stattdessen sollten wir die Kindertagesstätten zum ElternKind-Zentrum ausbauen, denn hier sind Kinder, Eltern und Pädagogen im vertrauensvollen Verhältnis beieinander. Hier gilt es, vorhandene Strukturen für die Belange des Kinderschutzes zu nutzen. Das aber versäumt das von der Landesregierung vorgelegte Gesetz.
Bevor ich zum Abschluss komme, möchte ich noch auf die Versorgung mit Kinderärzten aufmerksam machen. Hier stellt sich generell die Frage, wer überhaupt solche Vorsorgeuntersuchungen, wie sie im Gesetzentwurf der Landesregierung anvisiert sind, durchführen können soll: alle Ärzte, nur Fachärzte für Kinderheilkunde oder auch Hausärzte? Frau Dr. Heinig von der Thüringer Kinderschutzambulanz hat in der Anhörung des Sozialausschusses gemeint, eine Untersuchungspflicht für Kinder müsse auch mit der Pflicht einhergehen, Kinder auch bei den Kinderärzten vorzustellen. Wir als LINKE schlagen aus dem in der Anhörung Gehörten vor, Ärzten, die die Vorsorgeuntersuchungen durchführen wollen, eine entsprechende Zusatzqualifikation anzubieten. In der Anhörung des Sozialausschusses ist deutlich geworden, dass für die U-Untersuchungen in der Regel Kinderärzte aufgesucht werden sollen. Das Problem liegt hierbei freilich darin, dass gerade in ländlichen Räumen kein entsprechend dichtes Netz an Kinderärzten vorhanden ist. Dass hier auch Hausärzte die U-Untersuchungen durchführen können,
ist selbstverständlich.
Meine Damen und Herren, DIE LINKE begrüßt es ausdrücklich, dass der Kinderschutz verbessert werden soll. Nach unserer Auffassung ist die Gesetzesvorlage der Landesregierung aber nur gut gemeint und nicht gut gemacht. Wer Kinderschutz verbessern will, muss umfassend denken und muss vor allem Geld in die Hand nehmen. Wer es ernst mit dem Kinderschutz meint, schielt nicht nur auf die Vorsorgeuntersuchungen und darauf, welche Sanktionen greifen könnten. Es geht für uns als LINKE um Hilfe, um aufsuchende Angebote, um strukturelle Vernetzungen. Es geht darum, die bestehenden Einrichtungen in ihrer Existenz zu sichern und personell zu entlasten, und es geht um die Qualität in der Kinderschutzarbeit. Es geht um eine umfassende Neuausrichtung des Kinderschutzes. Vom 19-PunkteMaßnahmekatalog, den die Landesregierung mit großem medialen Tamtam vorgelegt hat, findet sich im Kinderschutzgesetz leider kaum etwas. DIE LINKE wird auch weiterhin dafür streiten, Kinderschutz umfassend zu denken; die heute hier vorliegenden Gesetzentwürfe sind dafür leider nur ein kleiner Baustein, der große Wurf sind sie aus unserer Sicht jedenfalls nicht. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Linksfraktion hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Demokratieverständnis der Landesregierung“ beantragt. Dieses Demokratieverständnis der Landesregierung gilt es in mehrfacher Hinsicht zu hinterfragen. Demokratie, meine Damen und Herren, lässt sich nicht nur hier im Parlament üben, nein, auch die Menschen, die nicht das Glück haben, hier im Landtag zu sitzen, dürfen, nein, sollten, nein, müssen sich daran beteiligen.
Demokratie heißt also Beteiligung und Demokratie heißt Mitbestimmung, und das auch bei kritischen Stimmen, und dies scheint allem Anschein nach bei der CDU-Landesregierung wohl unerwünscht zu sein.
Erstens, das Volksbegehren für mehr Demokratie. Hier hat sich die CDU nicht entblödet, den mit über einer Viertelmillion Stimmen zusammengekommenen Gesetzentwurf hier im Landtag ad absurdum zu führen. Statt mit den Betroffenen, mit den Initiatoren des Trägerkreises für ein besseres Volksbegehren, für mehr Demokratie in Thüringer Kommunen zu reden, hat man ein eigenes Gesetz durch den Landtag durchgepeitscht,
fernab jeglicher Diskussionsgrundlage. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt, der das Demokratieverständnis der Landesregierung durchaus deutlich erscheinen lässt, ist unter anderem eine Veranstaltung am 27. September 2008 gewesen. Die Bildungs- und Sozialpolitiker von Ihnen wissen, was dort los war. Dort war nämlich die große Jubelveranstaltung zum Thema „Thüringer Bildungsplan“. Es ist auch durch die Medien gegangen, dass diejenigen, die dort kritische Stimmen vorgetragen haben, eher unliebsam waren. Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich gern einen Vor-Ort-Bericht zitieren. Ich zitiere also Herrn Richard Schäfer von der GEW: „Während ich unsere Karten mit der Frage, darf ich Ihnen ein paar Materialien bzw. Anregungen für den Bildungsplan übergeben, verteilte, kam der Verantwortliche des Thüringer Instituts für Lehrplanentwicklung, Lehrerfortbildung und Medien auf mich zu und erklärte, dass ich hier nicht erwünscht sei, weil ich die Veranstaltung konterkariere und er mir ein Hausverbot erteile. Er habe sich bei der Polizei erkundigt, er sei zu dieser Maßnahme berechtigt.“ Herzlichen Glückwunsch! Da gibt es also einen Thüringer Bildungsplan für Kinder bis 10 Jahre, der groß hoch und runter im Land gefeiert wird, aber die Probleme, die damit zusammenhängen, möchte die Landesregierung möglichst tief und möglichst weit von sich und ihren Veranstaltungen verbannen. Herzlichen Glückwunsch! Wenn das die Demokratie ist, die Sie im Demokratiejahr 2009 so hochleben lassen wollen, dann, glaube ich, haben wir noch enormen Handlungsbedarf und dann hat vor allem die Landesregierung
ihre Legitimation, hier über Demokratie zu schwadronieren, wirklich verloren.
Ein weiteres Beispiel: Im November gab es den bundesweiten Schülerstreik. Weit über 150.000 Schülerinnen und Schüler haben in vielen, vielen Städten die Schule bestreikt - Streik also als Auseinandersetzung, Streik als ein Mittel der demokratischen Auseinandersetzung. Schülerinnen und Schüler, auch sie müssen das Recht und die Möglichkeit haben, sich politisch zu äußern. Wenn man das gegenüber der Landesregierung deutlich machen möchte, dann geht es natürlich nicht in den Ferien und auch nicht nach Schulschluss, weil das dann die Adressaten dieses Streiks gar nicht tangiert. Herr Müller, der Kultusminister, hat ja auch sein - wie soll ich sagen - Unbehagen darüber zum Ausdruck gebracht, dass der Schulstreik in der Schulzeit stattgefunden hat. Ein Streik am Wochenende ist eben kein Streik, wobei die Probleme, die die Schülerinnen und Schüler deutlich gemacht haben, durchaus nachvollziehbar sind, zu große Klassen, zu viel Unterrichtsausfall, zu
hohe Hürden, ein sozialselektives Bildungssystem, all dies hat ja seine Berechtigung, darüber täuscht auch nicht die aktuelle PISA-Studie, bei der Thüringen auf Platz 3 gelandet ist, hinweg. Diese sozialen Hintergründe sind da. Man sollte sie bedenken. Interessant in diesem Zusammenhang ist vor allem der Umstand, dass ein gewisser Felix Elslein, Kreisschülersprecher und ehemaliger Landesschülersprecher, dazu im Landkreis Gotha eine Presseerklärung verfasste, in der er den Schülerstreik a priori verurteilt hat. Es könne nicht sein, dass sich die Schüler in dieser Art und Weise auch noch gegen die Landesregierung äußern. Das Witzige dabei ist, dass Herr Elslein dies in einer Pressemitteilung in seiner Funktion als Kreisvorsitzender der Jungen Union getan hat und in dieser Pressemitteilung als Junge Union Gotha sich selber als Schülersprecher auch persönlich benannt hat. Das kann man schon, denke ich, eine populistische Instrumentalisierung der Landesschülervertretung im Sinne der CDU nennen.
Wenn das Ihr Demokratieverständnis ist, dann habe ich daran durchaus Zweifel. Dass die Landesregierung und die Staatsanwaltschaft eher mit Repressionen, also mit Anzeigen, statt mit Gesprächen reagieren, macht dies, denke ich, noch deutlich. Unliebsame Meinungen mit juristischen Tricks und Kniffen zu unterdrücken, trägt nicht dazu bei, Demokratie erlebbar zu machen. Demokratie, lebendige Demokratie, setzt aber Meinungsaustausch auch mit kritischen Meinungen voraus und nicht die Meinungsdiktatur der Landesregierung. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Meißner, ich weiß nicht so richtig, ob das jetzt eine Anekdote war oder Ausdruck Ihres Weltbildes. Frau Präsidentin, Deutschland ist, das zeigt der internationale Vergleich, im Umgang mit seinen Kindern leider oftmals nur das Mittelmaß - so jedenfalls die ehemalige UNICEF-Vorsitzende Heide Simonis beim parlamentarischen Abend zur Umsetzung der UNKinderrechtskonvention. Müssen die Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden? Wir, die Fraktion DIE LINKE, sind der Meinung, ja. Weil in diesem Bereich bislang so wenig passiert ist und die Anträge, die es beispielsweise im Bundesrat gab, abgelehnt wurden, stellen wir diesen Antrag wiederholt, denn aus unserer Sicht sind die Argumente dafür gewichtiger als die Argumente dagegen. Für uns ist es eine Verpflichtung, dieses Anliegen hier wieder auf die Tagesordnung zu setzen.
Am 19. September, wie Frau Kollegin Strathausen schon gesagt hat, also einen Tag vor dem UNOWeltkindertag, hat der Bundesrat die Anträge der Bundesländer Bremen und Rheinland-Pfalz, die genau dieses Ansinnen hatten, abgelehnt.
Frau Meißner, der Berliner Senat hat in dieser Bundesratsabstimmung ebenfalls für diesen Antrag von Bremen und Rheinland-Pfalz gesprochen, also hat sich auch dazu bekannt. Die Gründe der Ablehnung sind unterschiedlich. Es wird argumentiert, dass mit dem Schutz der Menschenwürde in Artikel 1 und mit dem Schutz der Ehe und Familie in Artikel 6 die Kinder bereits hinreichend geschützt seien. Außerdem sei der Artikel 6 ganz bewusst so und nicht anders formuliert worden, denn aus dem Umgang der Nationalsozialisten mit Familie und Kindern habe man eine Lehre gezogen - ich zitiere -, „dass Pflege und Erziehung der Kinder vornehmste Pflicht und das vornehmste Recht der Eltern ist und dass es keinen Anspruch des Staates auf die Lufthoheit über den Kinderbetten geben kann.“ So jedenfalls der Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller. Ich denke, dem kann man durchaus zustimmen.
Ein anderer Grund: Fast alle Länder hätten die Kinderrechte in ihrer Landesverfassung verankert, zum einen würde das ausreichen und zum anderen habe es nichts Wesentliches zu einem verstärkten Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch beigetragen. Gegen die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz spräche außerdem, dass es dann zu Rechtskonflikten zwischen Elternrechten und Kinderrechten käme.
Ich finde es aber auch nicht sehr zielführend, wenn dem Aktionsbündnis von UNICEF, dem Deutschen Kinderschutzbund und dem Deutschen Kinderhilfswerk, unterstützt von zahlreichen gesellschaftlichen Akteuren, quasi durch die Hintertür unterstellt wird, sie wollten die Rechte der Eltern aushöhlen, die Kinder wieder völlig dem Staat ausliefern. Lassen Sie uns also von dieser Ebene Abstand nehmen und überlegen, welche Gründe diejenigen haben, die eine Verfassungsänderung anstreben, und auf welche Erfahrungen diese Forderung aufbaut.
Einer der Gründe, der immer wieder gegen die Aufnahme der UN-Kinderrechtskonvention aufgeführt wird, ist der der entgegenstehenden Rechte von Eltern und Kindern. Ja, es wird unter Umständen zu Rechtskonflikten zwischen Elternrechten und Kinderrechten kommen, aber genau das wollen wir, denn nur wenn dieser Konflikt da ist, wird in der Gesellschaft auch über den Stellenwert von Kindern diskutiert. Dann, wenn Eltern die Rechte an ihren Kindern einklagen, diese Eltern aber dauerhaft die Rechte ihrer eigenen Kinder missachten, würde nicht mehr das eine Recht über dem anderen stehen, sondern sie wären gleichrangig und müssten auch dementsprechend verhandelt werden. Dann, wenn Gesetze daraufhin abgeklopft werden, ob sie auch mit dem Verfassungsrang der Kinderrechte übereinstimmen, können Verbesserungen für Kinder und Jugendliche erreicht werden.
Es ist richtig, wir haben bereits den § 8 a im SGB VIII, der Kindeswohlgefährdung in den Blick nimmt und ahndet. Aber warum greift er so häufig nicht? Unsere These ist, nach 60 Jahren bundesrepublikanischer und fast 20 Jahre gesamtdeutscher Wirklichkeit mit dem Artikel 6 ist in vielen, vielen Köpfen auch von Fachleuten das Vorrecht der Eltern fest zementiert. Zahlreiche Fälle in den letzten Jahren haben gezeigt, dass es quasi hilferessistente Erwachsene gibt und es keinen Sinn macht, deren Kinder Monat um Monat, Jahr um Jahr weiter in einer ihrerseits wieder traumatisierenden Situation zu belassen. Hier brauchen wir einen Mentalitätswechsel, der da heißt: Kinder zuerst.
Es darf in Situationen der Kindeswohlgefährdung nicht länger um die Rechte der Eltern an ihren Kindern gehen; entscheidend ist, was die Situation mit den Kindern macht. Das kann natürlich auch heißen, die Familien bekommen verstärkte Hilfe und die Kinder bleiben bei ihren Eltern. Viele Eltern, die in Überforderungssituationen kommen, sind nicht per se unfähig oder gar böswillig, ihnen ist durchaus zu helfen. Kinder aus Familien herauszunehmen, hat für diese Kinder selbst immer schwerwiegende Folgen. Aber es gibt nun mal Situationen, die für Kinder
keinen einzigen Tag länger beibehalten werden sollten. Darin sind wir uns, denke ich, im Grunde alle einig und die Diskussionen um den verbesserten Kinderschutz haben das auch immer wieder gezeigt.
Eine Stärkung der Kinderrechte durch eine Aufnahme ins Grundgesetz könnte aber genau diesen Mentalitätswechsel befördern und es könnte zudem dazu führen, dass die Kinder das eine oder andere Mal schneller geschützt werden. Interessant ist das bereits angesprochene Urteil des Bundesverfassungsgerichts - Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich: „Das Elternrecht dem Kind gegenüber findet seine Rechtfertigung darin, dass das Kind des Schutzes und der Hilfe bedarf, damit es sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln kann, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht. Dieses Recht ist deshalb untrennbar mit der Pflicht der Eltern verbunden, dem Kind diesen Schutz und diese Hilfe zu seinem Wohl angedeihen zu lassen. Dabei bezieht sich diese Pflicht nicht lediglich auf das Kind, sie besteht auch gegenüber dem Kind, denn das Kind ist nicht Gegenstand elterlicher Rechtsausübung, es ist Rechtssubjekt und Grundrechtsträger, dem die Eltern schulden, ihr Handeln an seinem Wohl auszurichten.“ Und es ist richtig. Dieses Urteil wurde auf Grundlage der jetzigen Gesetzgebung gefällt. Aber diese Klarstellung des Rechts der Kinder, diese Klarstellung des Kindes auch als Rechtssubjekt und als Grundrechtsträger ist nicht in allen Köpfen so stark verankert, dass es in der Praxis nicht allzu oft hinter dem Elternrecht zurückstünde. Ich stimme dem saarländischen Ministerpräsidenten zu, wenn er fordert, das Grundgesetz solle nur dann geändert werden, wenn sich damit auch substanzielle Veränderungen ergäben. Aber im Gegensatz zu ihm sind wir der vollen Überzeugung, dass es diese substanziellen Veränderungen mit den Kinderrechten im Grundgesetz geben wird. Denn zum einen werden die sich durch die Grundgesetzänderung ergebenden Diskussionen einen Mentalitätswechsel befördern, der sich, wenn vielleicht auch erst mittelfristig, dafür aber nachhaltig, auch auf den Schutz von Kindern auswirken wird. Zum anderen wird eine Handhabe gegeben, Gesetzgebungsverfahren ebenso wie politische Entscheidungen an den Grundrechten der Kinder zu messen.
Aus Sicht der LINKEN ist aber nicht nur der Gegensatz zwischen Eltern- und Kinderrechten mit der UN-Kinderrechtskonvention zu klären, auch die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer Umwelt ist ein gewichtiges Argument, weshalb die Kinderrechte ins Grundgesetz müssen. Dann käme es vielleicht auch weniger zu solch absurden Entscheidungen, dass ein Kindergarten wegen Lärmbelästigung geschlossen werden
muss, wie z.B., um das Beispiel von Frau Meißner noch zu illustrieren, als im Sommer 2005 der Kindergarten „Marienkäfer“ in Marienthal bei Hamburg wegen einer Klage von Nachbarn vor dem Hamburger Landgericht umziehen musste. Kinder wurden dort sicherlich als Lärmquelle angesehen. Dass Kinderlärm Zukunftsmusik ist, schien dort keinen zu interessieren.
Es reicht also offensichtlich nicht, dass wir in Artikel 1 des Grundgesetzes den allgemeinen Schutz der Menschenwürde haben, und auch nicht, dass die Länderverfassungen den besonderen Schutz der Kinder beinhalten. Im Zweifel ist dann das ausdrückliche Recht der Eltern mehr Wert, weil es ausformulierten Verfassungsrang hat.
Nun aber zur Thüringer Verfassung und zum Antrag der CDU: Aus Sicht der LINKEN ist der CDUAntrag eine Art Placebo-Antrag. Er dient lediglich dazu, der Landesregierung hier ein Podium zu bieten und sich über die bereits im Landtag diskutierten Maßnahmen zur Stärkung des Kinderschutzes zu verständigen. Jedoch der Antrag der Linksfraktion zur UN-Kinderrechtskonvention und zu den Kinderrechten im Allgemeinen besteht eben nicht nur aus dem Thema „Kinderschutz“, wenngleich unstrittig ist, dass das Thema „Kinderschutz“ eine ganz hohe Priorität haben muss. Aber hier geht es nicht nur um Kinderschutz, sondern hier geht es um mehr. Die CDU hat ja einen Alternativantrag zu unserem Antrag vorgelegt, der sich lediglich auf die Landesverfassung bezieht und der auch gar keine konkreten Maßnahmen zur Stärkung der Kinderrechte vorsieht, sondern lediglich ein Podium für einen Bericht liefern möchte. Eigentlich können wir gegen diesen Bericht auch gar nichts haben. Auch wir wüssten nämlich gern, was sich denn substanziell für die Thüringer Kinder verbessert hat, seitdem es durch die Regierung den Maßnahmekatalog gibt. Wo gibt es jetzt mehr Personal, um sich um die vernachlässigten Kinder zu kümmern? Wo sind denn die 40 Familienhebammen tätig und welche Anstrengungen werden seitens der Landesregierung unternommen, zu einer langfristigen und vor allem finanziell abgesicherten Verstetigung des Einsatzes dieser Familienhebammen zu kommen? Warum sieht die Landesregierung keinen Bedarf, die Jugendämter mit weiteren Stellen zu unterstützen, wenn sie auch noch jedem Verdacht nachgehen sollen, der aufgrund der Nichtteilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen auftaucht? All das können wir aber auch im Sozialausschuss weiter diskutieren und das hätte des Berichts der Landesregierung hier im Hohen Hause nicht unbedingt bedurft. All das hat meines Erachtens nur wenig mit unserem Antrag zu tun, denn wir wollen, dass die Landesregierung nicht nur berichtet, sondern tatsächlich etwas unternimmt. Wir wollen die nachhaltige Aufwertung der Rechte
von Kindern, indem sie in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen werden. Hierzu sagt der CDU-Antrag leider nichts. Es geht natürlich um den besseren Schutz von Kindern vor Vernachlässigung und Misshandlung, aber es geht auch um viel mehr. Es geht z.B. darum, dass Kinder tatsächlich als Rechtssubjekte wahrgenommen werden, dass sie erweiterte Mitbestimmungsrechte in unserer Gesellschaft haben. Wir wollen, dass Gesetze auf Kinderfreundlichkeit hin überprüft werden.
Es geht darum, unserer kinderentwöhnten Gesellschaft die Notwendigkeit vor Augen zu führen, dass Kinder nicht nur theoretische Rechte haben, sondern dass diese ihnen aktiv zugestanden werden müssen. Aber selbst wenn wir uns mit dem Antrag der CDUFraktion befassen, stellen wir als LINKE fest, dass den dort geregelten Verfassungsaufträgen nur teilweise entsprochen wird. Artikel 19 der Thüringer Verfassung definiert das Recht auf Entwicklung von Kindern und Jugendlichen als individuelles Grundrecht bzw. als dem gleiches Recht. Daraus kann also jedes Kind und jeder Jugendliche einen Anspruch auf Fördermaßnahmen mit den Zielen der Unterstützung seiner persönlichen Entwicklung ableiten, denn für die Erfüllung dieser Staatsaufgaben sind die angemessenen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen und konkrete gesetzgeberische und andere Maßnahmen durchzuführen. Kürzungen in diesem Bereich verstoßen also gegen diese Förderverbote, genauso wie Verschlechterungen durch die Maßnahmen der Verwaltung. Hier steht z.B. die Kürzung der Jugendpauschale zur Debatte, hier steht die Kürzung der Schulsozialarbeit zur Debatte und hier steht auch die unsägliche Kürzung damals der kommunal belastenden Standards zur Debatte, die dazu geführt hat, dass in den Kinderschutzdiensten weniger Personal finanziert wird.
Wir als LINKE sehen in der Aufnahme der UN-Kinderrechte in das Grundgesetz einen wesentlichen Schritt hin zu einer Politik, die das Kind im Zentrum sieht, hin zu einer Art Kinderpolitik, wie es sie heute leider noch nicht gibt. Solch ein Klimawandel im positiven Sinne, wie es Heide Simonis, damals Vorsitzende von UNICEF, benannt hat, ist aus unserer Sicht dringend notwendig. Gerade wenn es um Kinderarmut geht, ist ein anderes Klima vonnöten. Mit Kinderrechten im Grundgesetz können auch Politik und Gesellschaft anders an dieses Problem herangehen, denn die bisherigen Ergebnisse im Kampf gegen Kinderarmut sind kaum der Rede wert. Mir fiele auch nicht eine einzige Maßnahme der Landesregierung hierzu ein. Die entsprechenden Artikel im Grundgesetz, in der Verfassung können wir freilich zu diesem Thema ergänzen, aber selbst dazu gibt es von Ihnen keine Initiative.
Ich glaube, deswegen werden sowohl der Deutsche Kinderschutzbund als auch UNICEF, als auch das Kinderhilfswerk sich nicht, aber auch wir als LINKE uns nicht mit einer Nichtbefassung bzw. Ablehnung im Bundesrat zufriedengeben. Wenn der Schutz der Tiere im Grundgesetz sogar ein eigens festgeschriebenes Staatsgebot ist, dann sind die Rechte der Kinder aus unserer Sicht längst überfällig. Danke schön.
Frau Präsidentin, Herr Panse, noch einmal ganz kurz. Vielleicht ist das in den Anträgen nicht so richtig rübergekommen, aber unser Antrag bezieht sich darauf, dass wir die Landesregierung auffordern möchten als Landtag, die Kinderrechte in das Grundgesetz einzuführen. Ihr Antrag suggeriert, dass wir damit, mit den Kinderrechten im Grundgesetz, ausschließlich einen verstärkten Kinderschutz organisieren wollen. Das ist aber nicht richtig, sondern aus unserer Sicht gehen Kinderrechte wesentlich weiter als nur die Anliegen des Kinderschutzes. Es stellt gar keiner die Maßnahmen der Landesregierung infrage, die sie zum Thema „Kinderschutz“ macht. Auch wir haben uns an der Diskussion zum Kinderschutzgesetz beteiligt. Wir unterstützen das, wir begleiten das kritisch und wir haben zu verschiedenen Modellprojekten, zu verschiedenen Punkten aus dem Maßnahmeplan eine kritische Position. Aber wir haben auch nicht die Hoffnung, wenn wir die UNKinderrechtskonvention als Teil des Grundgesetzes aufnehmen, dass wir dann alle Kinder schützen können. Das ist gar nicht die Intention, sondern die Kinderrechte gehen viel weiter. Es geht dabei um einen Mentalitätswechsel im Umgang mit Kindern. Wenn Frau Meißner sagt, dass das nur ein symbolischer Akt wäre, die Kinderrechte ins Grundgesetz einzuführen, dann ist das so. Das ist zunächst erst einmal ein symbolischer Akt, aber dieser symbolische Akt hat eine normative Wirkung. Stellen Sie sich vor, die Gleichberechtigung der Frauen wäre immer noch nicht im Grundgesetz verankert, dann wären wir, denke ich, in dieser Frage noch lange nicht so weit. Ich denke, die Maßnahmen, die die Landesregierung durchführt oder auch unterstützt zum Thema „Kinderschutz“, die sind alle gut, die sind alle richtig.
Aber der Alternativantrag, den die CDU-Fraktion hier gestellt hat, hat mit dem, was wir in unserem Antrag regeln wollen, nichts gemein. Danke schön.
Schulstreik an Thüringer Schulen
Bildungsinitiativen, Schülervertretungen und Jugendverbände haben für den 12. November 2008 in der Zeit von 11.00 bis 12.00 Uhr zu einem bundesweiten Schulstreik aufgerufen. Hintergrund sind die Notstände im Bildungswesen: zu große Klassen, praxisferne Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern sowie die Privatisierung im Bildungsbereich. Zudem wird das gegliederte Schulsystem, welches den Ergebnissen der PISA-Studien zufolge hochgradig sozial selektiv wirkt, kritisiert. Das Staatliche Schulamt Bad Langensalza hat dazu an alle Schulen in dessen Verantwortungsbereich ein Fax geschickt, welches Schulleiter zu einem harten Durchgreifen anhält. Dieses Schreiben liegt der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag vor.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie bewertet die Landesregierung den Schulstreik, der von Schülerinnen und Schülern organisiert und vorbereitet wurde, gerade vor dem Hintergrund der Ausrufung des Jahres der Demokratie?
2. Wie bewertet die Landesregierung das Schreiben des Staatlichen Schulamts Bad Langensalza, diesen Schulstreik mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterdrücken (Entfernen von Plakaten und Flyern den Schulstreik betreffend; Ver
folgung von am Schulstreik teilnehmenden Schülerinnen und Schülern), gerade vor dem Hintergrund der Ausrufung des Jahres der Demokratie?
3. Gibt es Hinweise oder Anweisungen des Thüringer Kultusministeriums an die Staatlichen Schulämter oder Schulen, welche Aktivitäten im Rahmen des Jahres der Demokratie zu billigen sind und welche nicht?
4. Gibt es Überlegungen der Landesregierung und der Staatlichen Schulämter, die durch Schülerinnen und Schüler empfundenen Notstände im Bildungswesen zu beheben bzw. zumindest mit den Betroffenen über Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren oder Gesprächsangebote zu unterbreiten?
Ich würde gern vom Kultusministerium wissen, wie die Landesregierung dazu steht, dass der Herr Schenker, der ehemals Schulamtsleiter in Jena war, bzw. auch die Junge Union in Thüringen den Schulstreik ebenfalls unterstützt haben. In Interviews mit Thüringer Zeitungen ist durchaus nachzulesen, dass sich der JU-Vorsitzende Mario Voigt hier positiv geäußert hat. Ich würde gern wissen, wie die Landesregierung dies bewertet.
Herr Kultusminister, nun ist es ja so, dass regelmäßig in Tarifauseinandersetzungen, beispielsweise wo es ein verbrieftes Streikrecht gibt, die Arbeitnehmer nicht während ihrer Urlaubszeit streiken, sondern während ihrer Dienstzeit,
damit es eine gewisse Wirkung gegenüber dem zu bestreikenden Betrieb gibt. Nun möchte ich die Frage an Sie stellen: Welchen Termin schlägt denn die Landesregierung vor für einen Schulstreik, so dass er den Adressaten dieses Streikes, nämlich Sie als Kultusministerium und Sie als Verantwortliche über das Bildungsministerium, auch trifft?
Fachreferentenprogramm im Rahmen des Landesjugendförderplans beim Landesjugendring Thüringen e.V.
Gemäß Festlegung des gültigen Landesjugendförderplans hat die Finanzierung eines Fachreferentenprogramms Priorität vor der weiteren Finanzierung von Struktur stabilisierendem Personal für die Arbeit der Jugendverbände. Mit der Umsetzung des Fachreferentenprogramms wurde offensichtlich der Landesjugendring Thüringen beauftragt, denn dieser hat nun eine erste Stelle als Fachreferent für das Thema Rechtsextremismus ausgeschrieben.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele Mittel werden aus welchen Haushaltstiteln 2008 für die Umsetzung des Fachreferentenprogramms bereitgestellt?
2. Wie viele Stellen sind zunächst geplant und wann sollen diese bei welchen Jugendverbänden oder beim Landesjugendring zu welchen Themen wirksam werden?
3. Inwiefern sollen innerhalb des Fachreferentenprogramms finanzierte Stellen auch für die Bildungsarbeit anderer Verbände und Jugendgruppen außerhalb der Trägerverbände zur Verfügung stehen?
4. Seit wann gibt es eine Finanzierungszusage seitens des Thüringer Sozialministeriums gegenüber dem Landesjugendring Thüringen e.V. und welches Einsatzkonzept lag dieser Zusage zugrunde?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Günther, ich muss sagen, erstens Ihre Einlassung zu Frauen und Fußball spricht diesem Thema und dem Problem, was dahinter steht, das spricht Hohn, das spricht dem auch das Wort, wie die CDU zu diesem Problem steht.
Zweitens, Frauen sind benachteiligt, Frauen sind strukturell in diesem Land benachteiligt. Schauen Sie sich Kinderarmut an, schauen Sie sich Einkommen von Frauen an. Alleinerziehende sind diejenigen, die die Deppen in dieser Gesellschaft sind, die rackern sich den Arsch auf und Sie stellen sich hierhin …
Diese Frauen knien sich richtig rein, versuchen Ihre Familien zu ernähren und Sie haben nichts Besseres zu tun, als zu sagen, wenn Ihr wolltet, dann könntet Ihr doch. Der einzige Weg, den es gibt, hier für gleiche Bedingungen zu sorgen, ist ein gesetzlicher Mindestlohn. DIE LINKE steht dazu und macht sich weiterhin dafür stark. Wenn die Tarifparteien das nicht auf die Reihe bekommen, dann muss der Gesetzgeber hier handeln. Danke schön.
Dr. Peter Krause, Horst Krauße, Thomas Kretschmer, Klaus von der Krone, Jörg Kubitzki, Dagmar Künast, Tilo Kummer, Frank Kuschel, Annette Lehmann, Benno Lemke, Ina Leukefeld, Christine Lieberknecht, Christoph Matschie, Beate Meißner, Mike Mohring, Maik Nothnagel, Michael Panse, Birgit Pelke, Dr. Werner Pidde, Walter Pilger, Egon Primas, Jürgen Reinholz, Dr. Johanna Scheringer-Wright, Prof. Dr. Dagmar Schipanski, Fritz Schröter, Dr. Hartmut Schubert, Gottfried Schugens, Jörg Schwäblein, Heidrun Sedlacik, Reyk Seela, Diana Skibbe, Dr. Volker Sklenar, Michaele Sojka, Carola Stauche, Christina Tasch, Heike Taubert, Elisabeth Wackernagel, Marion Walsmann, Gabriela Weißbrodt, Wolfgang Wehner, Siegfried Wetzel, Katja Wolf, Henry Worm und Dr. Klaus Zeh.
Dr. Peter Krause, Horst Krauße, Thomas Kretschmer, Klaus von der Krone, Jörg Kubitzki, Dagmar Künast, Tilo Kummer, Frank Kuschel, Annette Lehmann,
Benno Lemke, Ina Leukefeld, Christine Lieberknecht, Christoph Matschie, Beate Meißner, Mike Mohring, Maik Nothnagel, Michael Panse, Dr. Werner Pidde, Walter Pilger, Egon Primas, Jürgen Reinholz, Dr. Johanna Scheringer-Wright, Prof. Dr. Dagmar Schipanski, Fritz Schröter, Dr. Hartmut Schubert, Gottfried Schugens, Jörg Schwäblein, Heidrun Sedlacik, Reyk Seela, Diana Skibbe, Dr. Volker Sklenar, Michaele Sojka, Carola Stauche, Christina Tasch, Heike Taubert, Elisabeth Wackernagel, Marion Walsmann, Wolfgang Wehner, Gabriela Weißbrodt, Siegfried Wetzel, Katja Wolf, Henry Worm, Dr. Klaus Zeh.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zu dieser späten Stunde ein ganz wichtiges Thema, und zwar der Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe. Frau Sozialministerin, lassen Sie mich mit einem Bild be
ginnen. Man hat ja den Eindruck, dass es sich bei der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe eher um einen Riesen handelt. Die gesellschaftliche Aufgabe ist ja nun auch riesengroß. Allerdings hat dieser Riese zwei ungleich lange Beine. Das Bein der Schule ist ungleich länger und stärker als das Bein der Jugendhilfe. Man hat den Eindruck, dieses Bein hinkt so ein bisschen wie ein Holzbein hinterher. Nicht umsonst hinkt ja die Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe auch in Thüringen hier. Aber wie ist die Ausgangssituation? Da gibt es zum einen die unterschiedlichen Blickweisen aus der Schule auf die Jugendhilfe und immer wieder bemerkt man, wie schwer es ist, mit außerschulischen Angeboten an die Schule zu kommen. Kooperation, und das haben Sie ganz richtig gesagt, fand bisher einfach nicht auf Augenhöhe statt. Als Problem erwies sich vor allem die unterschiedliche Erwartungshaltung. Da muss sich Schule einfach auch kritisch fragen lassen, was erwarten wir? Streetworker haben eben nichts mit Drogendealern zu tun und sie sind auch nicht Hilfspersonen zur Aufrechterhaltung von Disziplin und Ordnung im Unterricht. Konkret: Da gab es beispielsweise das Programm „Schulsozialarbeit“. Dies war im Rahmen des IZBB, des Investitionsprogramms Zukunft und Betreuung in Thüringen, gemeint ist also der Ausbau von Ganztagsschulen, seit 2003 in Thüringen umgesetzt. Inhaltlich ging es dabei um die Etablierung von außerschulischen Angeboten an der Schule. Dabei waren einst mehr als 2 Mio. € im Haushalt bereitgestellt. Hier wurden nachmittags in Schulen verschiedene AGs betrieben, meist von Fördervereinen, Trägern der freien Jugendhilfe und Lehrern. Die Landesregierung, nämlich Sie, haben, statt dieses Programm auszubauen, die Mittel dafür gestrichen und in der örtlichen Jugendförderung, in der Richtlinie örtliche Jugendförderung, zusammengefügt. Wie viele Angebote dadurch weggebrochen sind, allein weil die Gelder weniger wurden, das haben Sie leider nie gesagt.
Ein anderes Beispiel, wie die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe zerstört wurde, ist die Schulsozialarbeit. Da gab es also auch wieder ein Programm „Schulsozialarbeit an berufsbildenden Schulen“. Landesweit wurden über 50 Sozialarbeiter an berufsbildenden Schulen aktiv und sie haben die Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe ganz aktiv betrieben. Die Landesregierung wiederum hatte nichts besseres zu tun, als auch dieses Programm wieder abzuschaffen und den Kommunen im Rahmen der örtlichen Jugendförderung diesen schwarzen Peter zuzuschieben und die Kommunen, die Schulsozialarbeit haben möchten, die also ganz aktiv an der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe interessiert sind, die die Effekte, die die Synergien erst entdeckt haben, die müssen diese Schulsozialarbeit nun selbst finanzieren. Das ist aus der
Sicht der LINKEN weniger sinnvoll und trägt dem Anliegen der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe nicht Rechnung. Was soll aber mit dem Gesetz überhaupt erreicht werden? Mit dem Gesetzentwurf will die Landesregierung die unter anderem im 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung eingeforderte Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe umsetzen. Und gerade vor dem Hintergrund der Debatte um die massiv um sich greifende Kinderarmut ist die Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe dringender denn je vonnöten. Nun, es ist schon eine Weile her, dass der 12. Kinder- und Jugendbericht erschienen ist. Auch die Stellungnahme der Landesregierung ist schon eine Weile her. In der hieß es damals, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis: „Ziel ist es, die vorhandenen Angebote im Bereich der Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit innerhalb wie außerhalb der Schule so aufeinander abzustimmen, dass Doppelstrukturen zwischen Schule und Jugendhilfe vermieden werden. Dazu sind verbindliche Absprachen zur Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule vor Ort notwendig.“ Seit diesem Zeitpunkt, seitdem Sie das in den Landesbericht zum 12. Kinder- und Jugendbericht festgehalten haben, sitzen Sie ja mit den kommunalen Spitzenverbänden und haben verhandelt. Das Ergebnis Ihrer Verhandlung war nun doch endlich im vorletzten Staatsanzeiger nachlesbar, nämlich die Kooperationsvereinbarung zur Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe gemeinsam mit Thüringer Kultusministerium, Thüringer Sozialministerium, Gemeinde- und Städtebund und Thüringischer Landkreistag. In dieser Kooperation heißt es: „Die Kooperationsstrukturen sollen so gestaltet werden, dass eine sozialräumliche pädagogische Arbeit gefördert wird und die Beteiligung der in den Sozialräumen existierenden Schulen und freien Träger der Jugendhilfe gesichert ist.“ Dem können wir als LINKE nur zustimmen, aber solche Kooperationsstrukturen kosten Geld und solche Kooperationsstrukturen müssen auch mit Personal, mit Fachkräften untersetzt werden. Das ist für uns als LINKE eine ganz, ganz wichtige Forderung.
Darüber hinaus haben Sie auch angesprochen Fragen des Kinderschutzes. Aber genau wieder wird in Ihrem Gesetz deutlich, Kinderschutz muss verbessert werden, in den Schulen soll sich um Kinderschutz gekümmert werden, auch in der Kindertageseinrichtung soll sich mehr um Kinderschutz gekümmert werden, das finden wir als LINKE gut und richtig, aber wer gute Qualität haben möchte, braucht entsprechend Personal.
Das Gesetz, was Sie uns hier vorlegen, kann aus Sicht der LINKEN all diesen Ansprüchen leider nicht genügen. Man kann, man sollte, man dürfte, das steht
in Ihrem Gesetz. Das „muss“ vermissen wir. Ihr Gesetz ist viel zu unkonkret. Wo ist die Partnerschaft auf Augenhöhe? Wo sind die Gelder, die bei den Kommunen so dringend gebraucht werden, um die Jugendhilfe zu stärken? Wo sind die ganz konkreten Beteiligungen und Zusammenarbeit in Schulen? Bekommt die Jugendhilfe etwa eine gleichberechtigte Stimme in der Schulkonferenz? Nach Ihrem Gesetz leider nicht. Der Gesetzentwurf der Landesregierung greift die Formel vom Sender Jerewan auf. Im Prinzip sind wir ja dafür, ja, aber wir wollen das Geld dafür nicht bezahlen. Es geht also darum, die vielfältigen Benachteiligungen, die täglich in der Schule produziert werden, die Benachteiligungen, denen gerade Kinder aus Armutsverhältnissen ausgesetzt sind, diesen Kindern mit den Instrumenten und Methoden der sozialen Arbeit zu helfen und ihre Teilhabe und ihre Entwicklung zu garantieren. Wir als LINKE werden im Sozialausschuss Ihren Gesetzentwurf mit Änderungsanträgen dahin gehend versuchen zu verändern. Wir glauben, dass wir damit auch einiges erreichen können. Die Fraktion der LINKEN will, dass die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe auf gleicher Augenhöhe stattfindet, und zwar damit der von mir eingangs beschriebene Riese nicht weiterhin hinkt, sondern damit er auf zwei stabilen und gesunden Füßen steht. Danke.
Ferienjob bei von Hartz IV betroffenen Jugendlichen
Hartz-IV-Betroffene dürfen allgemein bis zu 100 € im Monat durch Nebentätigkeiten hinzuverdienen, ohne dass das auf das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft angerechnet wird. Presseberichten zufolge werden Ferienjobs von Schülern von den Grundsicherungsämtern allerdings auf das Familieneinkommen angerechnet.
Ich frage die Landesregierung:
1. Trifft es zu, dass Schülern, deren Eltern Hartz-IVBetroffene sind, ihr im Rahmen eines Ferienjobs verdientes Geld auf das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft angerechnet wird?
2. Sieht die Landesregierung hier eine Diskriminierung von Schülern, deren Eltern Hartz-IV-Empfänger sind, gegenüber Schülern, deren Eltern dies nicht sind und wenn nein, warum nicht?
3. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten, dass im Rahmen von Ferienjobs verdientes Geld nicht unter die Hinzuverdienstklausel fällt, und wenn ja, welche wären das?
4. Ist die Landesregierung gewillt, sich im Bund dafür einzusetzen, dass Schüler, deren Eltern Hartz-IV-Betroffene sind, bezüglich möglicher Ferieneinkünfte genauso behandelt werden wie Schüler, deren Eltern keine Hartz-IV-Betroffenen sind?
Unabhängig davon, dass die Feuerwehr auch ausrückt, wenn jemand im Eis ertrinkt, möchte ich Sie fragen, wie Sie zu Herrn Schäuble stehen, der ja nun regelmäßig vom Bundesverfassungsgericht zurückgepfiffen wird, weil die Bundesverfassungsrichter der Meinung sind, dass eben jener Innenminister, der ja scheinbar schon paranoid ist, nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes steht - Bundeswehreinsatz im Inneren, Bundestrojaner und präventive Folter sind nur wenige Punkte. Wie stehen Sie dazu?
Noch mal zurückzukommen zum CHE, das hat also nichts mit Che Guevara zu tun oder so, braucht man gar nicht denken, wer das noch nicht kennt. Sie wissen ja vielleicht - vielleicht wissen Sie es auch nicht - ich studiere natürlich nebenberuflich jeden Freitagnachmittag und samstags. Dort haben wir natürlich auch volkswirtschaftliche und andere wirtschaftliche Vorlesungen. Daraus geht hervor, dass - und Sie haben ja dargestellt, dass sich das CHE am freien Markt auch bewähren muss und das CHE auch am freien Markt ist - das CHE natürlich auch die Interessen derjenigen vertritt, die sie finanzieren. Das kann man schon bei Marx nachlesen, das ist allgemeines wirtschaftliches Wissen. Also wie neutral und unabhängig kann denn das CHE dann sein, wenn es nach denjenigen sich ausrichten muss, die es finanzieren?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir, die Fraktion DIE LINKE, begrüßen den Gesetzentwurf von der SPD durchaus, der unseres Erachtens eine bessere Grundlage für die Diskussion um den Kinderschutz darstellt als die Vorlage der Landesregierung. Dass Verbesserungen im Kinderschutz dringend geboten sind, darüber sind wir uns alle einig. Die Anhörung im Sozialausschuss hat dies durchaus auch gezeigt und im Gesetzentwurf ist es ja auch dargelegt. Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, werden es mir aber nicht verdenken können, wenn ich auf ein Dilemma hinweise, das Sie als Oppositionsfraktion im Landtag mit der Regierungspolitik Ihrer Partei im Bund haben. Wenn wir über den Kinderschutz reden, müssen wir auch immer über gesellschaftliche Rahmenbedingungen sprechen und die haben sich dank Hartz IV nun einmal eindeutig verschlechtert - nicht nur für Kinder, aber besonders für Kinder. 2,4 Mio. Kinder sind von Armut betroffen, 4,6 Prozent mehr als ein Jahrzehnt davor, als es noch kein Hartz IV gab. In der Begründung Ihres Gesetzes steht der schöne Satz - und jetzt zitiere ich mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: „Offenbar gibt es... Umstände, die es insbesondere jungen Eltern mit kleinen Kindern erschweren, die an sie gestellten Anforderungen im Erziehungs- und Familienalltag zu erfüllen.“ Das ist offenbar richtig. Ich kann Ihnen solche Umstände auch nennen: die Zunahme von Armut durch den Hartz-IV-Bezug, die Absenkung finanzieller Unterstützung für Kinder durch die Bedarfsorientierung im Regelsatz an einen alleinstehenden Erwachsenen und die Streichung der einmaligen Bedarfe, bspw. für Schulmaterial. Hinzu kommen auch solche Regelungen wie der Umzug in eine kleinere Wohnung - wie gesagt dank Hartz IV - und damit psychische Belastungen in beengten Wohnverhältnissen. Hinzu kommen aber auch die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse, hohe Arbeitslosenzahlen und fehlende Perspektiven für Alleinerziehende usw. Ich kann Ihnen nun meinerseits nicht verdenken,
dass Sie genau diese Umstände in Ihrem Gesetzentwurf nicht ausgeführt haben. Es sind, wie gesagt, Umstände, für die auch Sie als SPD Verantwortung tragen, und es sind Umstände, die das Leben vieler Kinder nachhaltig beeinträchtigen, nicht nur durch fehlende Perspektiven, wie wir sie im Rahmen der Bildungsdiskussion immer wieder anführen, sondern ganz konkret auch zunehmend durch die Überforderung ihrer Eltern, den ganz normalen Alltag zu bewältigen. Die Deutsche Liga für das Kind, deren Mitglieder u.a. der Kinderschutzbund, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der Bund Deutscher Hebammen sowie viele Kita- und Elternvertreter sind, sagt: Misshandlung und Vernachlässigung geschehen zumeist in Überforderungssituationen. Diese gilt es rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Das sehen auch wir so und es gibt zunehmend mehr Menschen, die mit ihrer Lebenssituation und der realen oder auch befürchteten Perspektivlosigkeit nicht mehr klarkommen. Dieser Umstand darf in der ganzen Diskussion um den Schutz der Kinder nicht untergehen. Den Eltern zu helfen, denen geholfen werden kann, ist die beste Prävention gegen Vernachlässigung und Misshandlung.
Meine Damen und Herren, deswegen möchte ich auch gleich zu Beginn auf den SPD-Vorschlag eingehen, mehr Familienhebammen zu beschäftigen und für die Finanzierung zu sorgen. Dies ist ein wichtiger Ansatzpunkt, Müttern und Vätern schon sehr frühzeitig Hilfe zukommen zu lassen und in kritischen Fällen auch institutionelle Hilfen einzubeziehen. Hier hat die SPD unsere volle Zustimmung. Auch wir haben eine Verstetigung der Familienhebammen stets gefordert und halten dies für ein wichtiges Instrument, mehr Menschen in Krisensituationen zu erreichen. Wir finden uns hierbei in guter Gesellschaft. Erst vor drei Tagen - also am 3. Juni - haben Experten die flächendeckende Einführung von Familienhebammen gefordert. Adolf Windorfer, Präsident der Stiftung „Eine Chance für Kinder“, sagte dazu auf dem Deutschen Präventionstag in Leipzig: „Wir brauchen kein Frühwarnsystem, um mit den Fingern auf die Bösen zu zeigen, sondern wir brauchen früh Hilfen.“ Ein Pilotprojekt in Niedersachsen habe gezeigt, dass Familienhebammen die Überforderung und Unsicherheit jeder zweiten Mutter lösen und jeder dritten Mutter verbessern könnte. Aus diesem Grund ist aus unserer Sicht der Ausbau der Netzwerke ganz essenziell. Ärzte, Hebammen, Sozialarbeiter, Erzieherinnen und all die anderen Beteiligten müssen aber immer mehr leisten. Diese Anforderungen müssen aber auch personell und finanziell untersetzt werden, so wie es der SPD-Entwurf macht. Der Entwurf der Landesregierung sagt dazu gar nichts. Überlastung der entsprechenden Personen allerdings, mehr Arbeit und höhere Anforderungen sind der Qualität des Kinderschutzes abträglich, deshalb braucht man hier konkrete personelle Untersetzung.
Jetzt möchte ich mir erlauben, den Gesetzentwurf an den Vorschlägen der Deutschen Liga für das Kind zu messen. Das macht vor allem dann Sinn, wenn man Kinderschutz nicht nur als Aufgabe für die ersten sechs Lebensjahre begreift, sondern alle Kinder damit erreichen will. Die Deutsche Liga schlägt Hausbesuche für alle Eltern nach der Geburt ihres Kindes vor. Hinzu kommen Trainingsangebote für Ersteltern bereitzustellen, Initiativen der Selbsthilfe und Hilfe zu fördern, auch die Teilnahmequoten an den Früherkennungsuntersuchungen zu steigern, das letzte Kita-Jahr gebührenfrei zu stellen, die Stärkung sozialer und emotionaler Kompetenzen der Kinder in den Kitas, die Konzepte des Kinderschutzes konsequent an den UN-Kinderrechten auszurichten, Bildungsprogramme in den Schulen zur Vorbereitung auf die Elternschaft mit aufzunehmen, Fachkräfte zu qualifizieren, einen Kriterienkatalog zur Risikoeinschätzung zu entwickeln und die Zuständigkeiten ganz konkret zu regeln und zu überprüfen. Ich habe diesen Maßnahmenkatalog zum Vergleich genommen, um deutlich zu machen, dass der vorgelegte Gesetzentwurf der SPD durchaus einen Teil dieses Weges zurücklegt, aber es weitere Schritte zu gehen gilt.
Eine gezielte Vorbereitung beispielsweise junger Menschen auf die Elternschaft sowie Trainingsangebote für Ersteltern sind sicherlich auch eine wichtige Maßnahme, junge Menschen nicht mit allzu großer Unbedachtheit in eine durchaus schwierige Familiensituation hineinstolpern zu lassen, der sie möglicherweise nicht gewachsen sind. Inititiativen vor Ort zu stärken, ermöglicht z.B. auch konkrete Nachbarschaftshilfe einzubinden und die Aufmerksamkeit auf das eigene Umfeld zu erhöhen. Es erhöht auch die Akzeptanz der Menschen, Beratungsangebote anzunehmen und dass sie sich rechtzeitig Hilfe suchen, nämlich dann, wenn sie gebraucht wird. Die Kinder in den Kitas zu stärken, Konzepte wie Maßnahmen an ihren Rechten auszurichten, nimmt sie auch als eigenständige Rechtspersönlichkeiten ernst und hilft ihnen, sich in Krisensituationen auch an Menschen außerhalb ihrer Familie zu wenden, die ihnen helfen können.
Gefordert wird von der „Deutschen Liga des Kindes“ aber auch die Entwicklung eines Kriterienkatalogs zu Risikoeinschätzungen, der in dem Gesetzentwurf fehlt. Es ist sicher nicht einfach, einen solchen Kriterienkatalog zu formulieren und damit auch noch sozial verantwortlich umzugehen. Sinn eines solchen Katalogs kann auch nicht sein, diejenigen zu stigmatisieren, auf die das eine oder andere Kriterium zutrifft. Alleinerziehend zu sein führt ja ebenso wenig zur direkten Vernachlässigung des Kindes, wie eine schwierige finanzielle Situation zu Gewaltausbrüchen führt. Dennoch ist aber unbestritten, dass diese Risikofaktoren wie Sucht, wie Drogen, wie psychische
Erkrankungen die Gefahr einer Überforderung der Eltern erhöhen. Ziel eines solchen Kriterienkatalogs muss es also sein, Schwangere, Mütter, Väter möglichst früh mit Hilfsangeboten zu erreichen und dadurch mögliche Überforderungssituationen rechtzeitig abzuwenden.
Wir sollten uns im Ausschuss genau darüber unterhalten, ob wir für Thüringen auch einen solchen Kriterienkatalog wollen und ob wir z.B. das Düsseldorfer Modell dafür als Vorbild nehmen könnten.
Nun möchte ich aber auch auf einen zentralen Punkt des Gesetzentwurfs eingehen, nämlich den der größeren Teilnahmequote an den Früherkennungsuntersuchungen: Es ist unbestritten, dass solche Untersuchungen ein Indikator für Vernachlässigung und Misshandlung sein können. Insofern ist es durchaus unterstützenswert, wenn möglichst viele Kinder daran teilnehmen.
Gleichzeitig haben wir in der Anhörung des Sozialausschusses aber auch erfahren, dass viele Ärztinnen und Ärzte gar nicht darin geschult sind, Misshandlungen als solche zu erkennen. Einige von den in Jena in einer Kinderambulanz untersuchten Kindern, die unter Misshandlungen ihrer Eltern gelitten hatten, hatten durchaus an den Früherkennungsuntersuchungen teilgenommen, ohne dass den untersuchenden Ärzten irgendetwas aufgefallen war. Wir wurden außerdem darauf hingewiesen, dass die Zeiten zwischen den Untersuchungen zum Teil zu lang sind. Wenn wir die Früherkennungsuntersuchungen verbessern wollen, sollten wir uns also auch darüber verständigen, ob diejenigen, die die Untersuchungen durchführen dürfen, dafür eine besondere Qualifikation brauchen. Und wir müssen darüber reden, wie wir die Intervalle zwischen den Vorsorgeuntersuchungen wählen. Es kann nicht sein, dass zwischen der U 6 und der U 7 - also zwischen dem 1. und dem 2. Lebensjahr - ein komplettes Jahr liegt und zwischen U 7 und U 8 ganze zwei Jahre.
Ebenfalls müssen wir uns über den Vorschlag unterhalten, wo Sie das Vorsorgezentrum angesiedelt haben möchten. Die SPD und die Landesregierung gehen davon aus, dass eine beim Ministerium eingerichtete Stelle dies übernehmen wird. Zu überlegen wäre aber auch, ob nicht, wie etwa im Saarland, diese Aufgabe an einer Universität anzusiedeln wäre, wo die Arbeit nicht durch politische Veränderungen in den Ministerien beeinträchtigt werden könnte. Wir sind auch noch nicht davon überzeugt, dass bei Nichtteilnahme an einer Früherkennungsuntersuchung das Gesundheitsamt oder das Jugendamt zu informieren ist. Hier wäre zur Vermeidung von Unklarheiten eine Regelung, eine klare rechtliche Einordnung sehr hilfreich. Zudem denken wir, dass wir eine stärkere Einbindung des Gesund
heitsdienstes und der Gesundheitsämter im Bereich des Kinderschutzes brauchen, denn wo, wenn nicht hier, liegt die fachliche Kompetenz.
Sie sehen also, in den Einzelheiten gibt es durchaus noch Beratungsbedarf. Dennoch begrüßen wir den Gesetzentwurf der SPD ausdrücklich, denn er ist um Längen fortschrittlicher, konkreter und besser als der der Landesregierung. Wir werden uns aber konstruktiv und kritisch an der Beratung beteiligen. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat diesen Antrag „Jugendlichen durch gesellschaftliche Teilhabe eine Zukunft geben“ hier in den Landtag zur Diskussion eingebracht in der Folge der Debatte um die Verschärfung des Jugendstrafrechts, welches ja nicht nur vom hessischen Ministerpräsidenten Koch, sondern, wie Frau Meißner eben ausgeführt hat, auch von der thüringischen CDU forciert wird. DIE LINKE ist der Meinung, dass ein einfaches Wegsperren jugendlicher Delinquenten ungeeignet ist, das Ziel der Erziehung junger Straftäter umzusetzen.
Wir sind dagegen der Meinung, dass eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe junger Menschen die beste Prävention ist. Aus den Debatten, die wir beispielsweise um den Landesjugendförderplan oder auch um den Landesbericht zum Zwölften Kinder-
und Jugendbericht der Bundesregierung geführt haben, wurde dies deutlich. Frau Meißner, ich möchte Sie auch noch darauf hinweisen, natürlich, wir haben auch den Kinder- und Jugendbericht gelesen und es war die Fraktion der LINKEN, die die Aussprache dazu hier im Plenum beantragt hat, und es war auch meine Wenigkeit, die diesen Part bestritten hat.
Für Jugendliche in Thüringen ist die Benachteiligung ein großes Hindernis in ihrer Entwicklung. Zwar steht in Artikel 19 der Thüringer Verfassung, dass die gesunde körperliche und geistige Entwicklung ein verbürgtes Recht aller jungen Thüringerinnen und Thüringer ist, jedoch ist die Umsetzung dieses Verfassungsrechts in Teilen recht fragwürdig.
Meine Damen und Herren, aus diesem Grund wollen wir uns im ersten Teil unseres Antrags einen Bericht von der Landesregierung zu verschiedenen Aspekten einholen. Wie ist die Lebenssituation sozial benachteiligter Familien und deren Kinder? Welchen Einfluss hat die strukturelle Benachteiligung auf die Bildungsmöglichkeiten junger Menschen? Wo liegen die Hürden im Bildungssystem, die der PISATest so eineindeutig ans Tageslicht gebracht hat? Wie ist die Lebenssituation junger Menschen mit Migrationshintergrund und wie geht man auch im Jugendstrafvollzug mit jungen Menschen um? Wie soll das soziale Netz künftig aussehen? Wie kann die Ausgrenzung großer Teile der jungen Menschen verhindert werden? All diese Fragen wollen wir in einem Bericht von der Landesregierung beantwortet haben, denn die Lebenslagen junger Menschen und ihre Probleme sind es, die dann zu konkreten politischen Entscheidungen führen.
Nun können Sie gern aufführen, das haben Sie auch getan, dass in der Folge zum Zwölften Kinder- und Jugendbericht das Sozialministerium einen umfangreichen Landesbericht erarbeitet hat. Ja, das stimmt, allerdings bezog sich dieser Bericht nur auf einige Handlungsfelder, die von der Landesregierung auf den Freistaat Thüringen reflektiert wurden. Aber selbst die dort im Jugendbericht aufgeführten Handlungsfelder, beispielsweise eine bessere Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund, haben Sie nicht für dringend erachtet, nach dem Motto: Wir haben in Thüringen ja kaum Migranten, also haben wir auch dieses Problem nicht. Weil es aber wichtig ist, die verschiedenen Aspekte der Lebenssituation junger Menschen in den Blick zu nehmen, unter anderem auch das ganz gewichtige Thema Kinderarmut, um dann mit konkreten Maßnahmen über diese Probleme zu sprechen, wollen wir einen Bericht von der Landesregierung erbitten.
Die zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft macht nämlich auch vor Kindern und Jugendlichen nicht Halt. Immer mehr Kinder und Jugendliche aus
sozial benachteiligten Familien haben kaum Zugänge zur sozialen oder zur gesellschaftlichen Teilhabe. Jugendliche dagegen aus gut situierten Familienhäusern haben beste Chancen auf Ausbildung, Studium und Beruf. Hier soll der Fokus auf all jene Bereiche des Lebens junger Menscher gelegt werden, die zwar von entscheidender Bedeutung sind, aber in der Jugendpolitik des Landes fast vollständig untergehen.
Die Politik hat die Aufgabe, die Teilhabe junger Menschen an der Gesellschaft sicherzustellen. Sie hat auch die Aufgabe, soziale Unterschiede auszugleichen und soziale Problemlagen im Vorfeld zu bekämpfen, und immer noch wandern viele junge Menschen aus Thüringen ab.
In einer Fachtagung der Linksfraktion zur Jugendhilfeplanung unter dem Vorzeichen des demographischen Wandels ist die Ankerwirkung der Jugendhilfe und ihrer vielfältigen Angebote für junge Menschen herausgearbeitet worden. Sie von der CDU und auch Sie, Frau Ehrlich-Strathausen, waren ja dabei und haben mit ihrer Anwesenheit das Bewusstsein für diese Probleme dokumentiert. Genau diesen jungen Menschen hier in Thüringen Perspektiven zu geben, Perspektiven zu erörtern, ist zentrales Anliegen unseres Antrags. Dazu gehört aber auch, dass in ausreichender Zahl Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen; dazu gehört, dass entsprechende Qualifikation den jungen Menschen mit auf den Weg gegeben wird, denn genau dieses verhindert die weitverbreitete Benachteiligung. Hier macht sich die soziale Spaltung auch besonders bemerkbar. Kinder und Jugendliche haben größte Probleme trotz ihres sozialen Hintergrundes entsprechend hoch qualifizierte Bildungsabschlüsse zu erreichen. Diesen jungen Menschen nehmen wir sehenden Auges ihr Recht auf Zukunft und ihr Recht auf die Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Wichtige Wegpunkte der Sozialisierung junger Menschen, an denen Werte und Normen vermittelt werden und die die Persönlichkeit junger Menschen prägen, stehen für sie nicht zur Verfügung. Wenn aber solche Wegmarken den jungen Menschen versperrt sind, führt dies zu großen Problemen. Jugendliche brauchen die Möglichkeit, sich selbst auszuprobieren, sich zu beweisen und die Möglichkeit einer Reflexion.
Die im Punkt II unseres Antrags vorgeschlagenen Maßnahmen sollen diesen Problembereich aufgreifen. Dass Jugendgewalt, Jugendkriminalität und Straffälligkeit von Jugendlichen vor allem ein soziales Problem ist und dass es ganz greifbare soziale Ursachen gibt, zeigen auch die Informationen von Praktikern aus dem Jugendstrafvollzug. Viele der Jugendlichen haben vor dem Haftantritt eine sehr problematische soziale Biografie. Genau deshalb fordern wir den Ausbau des sozialen Netzes. Sie kommen aus sozial schwachen Familien, sie sind mit Prob
lemen der Arbeitslosigkeit entweder in der Familie oder selbst konfrontiert, sie sind Außenseiter der Gesellschaft, können kaum teilhaben und haben oftmals Migrationshintergründe. Sie haben Probleme in der Schule und mit dem Bildungssystem und bekommen dort kaum und nur wenig Unterstützung. Dass Sie sagen, dass selbst in der Landesregierung die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe forciert wird, das ist gut. Aber haben Sie sich mal das Lehrerbildungsgesetz angeschaut? Dort wird in keinem einzigen Satz gefordert, dass Lehrer auch in Jugendhilfeeinrichtungen Praktika machen müssen. Dort wird in keinem einzigen Satz darauf eingegangen, wie ganz konkret auch seitens der Schule eine Zusammenarbeit mit Jugendhilfe stattfindet. Das wollen wir aber und wir denken, dass das sehr, sehr wichtig ist, und fordern es deshalb ja auch in unserem Antrag. Wenn junge Menschen immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass sie in der Gesellschaft keinen Platz haben, dann schaffen sie sich diesen Platz, und dass das auch im Konflikt mit dem Gesetz enden kann, liegt auf der Hand. Denn selten ist es ja der Wille zu stören, selten ist es der Wille mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen, sondern häufig sind es Umstände, die junge Menschen in solche Situationen treiben. Daher müssen aber auch Resozialisierungskonzepte im Jugendstrafvollzug immer öfter erst einmal eine verpasste Sozialisierung nachholen, bis hin zur Vermittlung von sozialen Kompetenzen und Kommunikations- und Konfliktlösungsfähigkeiten. Das stellt dieser Gesellschaft aber auch kein gutes Zeugnis aus. Doch die besten Resozialisierungsmaßnahmen während der Haft helfen nicht,
wenn es mit dem Übergang zu dem Leben in Freiheit nicht klappt und wenn die Betroffenen nicht dauerhaft - ja Leute, ich habe leider eine Erkältung und sehe auch nicht so gut, von daher ist es relativ schwierig hier zu sprechen; ich gebe mir hier sehr viel Mühe, aber gegen ihr Gebrabbel da hinten komme ich auch nicht so gut an -
in einem selbst bestimmten und selbst verantwortlichen Leben Fuß fassen können. Daher muss bei der Evaluation des nun geltenden Jugendstrafvollzugsgesetzes besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, Maßnahmen zur Absicherung der Startphase zu qualifizieren. Immerhin soll nun zwecks Qualitätssicherung mit wirksamer Unterstützung auch eine Rückfallstatistik geführt werden. Da kommt es einem mehr als verwunderlich vor, dass bisher eine solche Datenerhebung in Thüringen unterblieben ist. Wir als Fraktion DIE LINKE werden vor allem ein Augenmerk darauf haben, dass die Vorgaben
des von uns abgelehnten Jugendstrafvollzugsgesetzes auch in der tagtäglichen Praxis umgesetzt werden. Das Gesetz darf - auch wenn wir es abgelehnt haben - trotzdem kein Papiertiger bleiben, vor allem nicht, was die Maßnahmen wirksamer Resozialisation angeht. Dass wir als Fraktion DIE LINKE den Resozialisierungsgedanken in einem Jugendstrafvollzugsgesetz noch deutlicher zur Geltung bringen wollten, hatten wir ja in einem eigenen Gesetzentwurf dokumentiert. Vor allem sollte nach unserer Ansicht im Jugendstrafvollzug mehr Motivation und Bildung und vor allem weniger Repression stattfinden. Wir brauchen in den Jugendstrafvollzugsanstalten Bildungsmöglichkeiten, die angefangen beim Realschulabschluss bis hin zu verwertbaren Qualifikationen für die Berufsausbildung reichen. Derzeit kann man beispielsweise in der JVA Ichtershausen lediglich einen Qualifizierungsbaustein absolvieren, den die IHK nicht einmal für eine Berufsausbildung anrechnet. Mit solchen Bildungsabschlüssen kann ein Leben in Freiheit wohl kaum positiv starten. Dafür haben wir in der Landtagsanhörung genau zu diesem Jugendstrafvollzugsgesetz deutliche Unterstützung von Fachleuten aus der Wirtschaft und aus der Wissenschaft und Praxis bekommen. Denn nicht zuletzt kann man ja zugespitzt sagen, nicht Dressur durch Repression, sondern Motivation und Förderung von Eigeninitiative und Eigenverantwortung befähigen zu einem selbstbestimmten Leben, zu einem sozial verantwortlichen Leben. Mit Disziplinierung kann man das Erziehungsziel, wie es im Jugendstrafvollzugsgesetz formuliert wurde, kaum erreichen.
In einem weiteren Punkt fordert DIE LINKE, dass im Bildungs- und Ausbildungsbereich die Abhängigkeit vom sozialen Hintergrund der Eltern für den Bildungserfolg unbedingt reduziert werden muss. Und die Bildungsfrage ist auch gerade in Verbindung mit der Kinderarmut die zentrale Frage, wenn es um Teilhabe in der Gesellschaft geht. Aber auch Fragen der Demokratie und Beteiligung müssen in Thüringen endlich auf den Tisch kommen. Die Kleine Anfrage von Ihnen, Frau Meißner, legt ja doch durchaus nahe, dass die direkte Beteiligung junger Menschen kaum stattfindet. Hier gilt es anzusetzen, um jungen Menschen die Möglichkeiten direkter politischer Teilhabe und direkter Entscheidung zu geben. Denn für uns sind junge Menschen gleichberechtigte politische Partner und DIE LINKE streitet ja nun auch schon seit geraumer Zeit beispielsweise für ein Wahlrecht ab 16 bei kommunalen Wahlen. Unserer Ansicht nach dürfen wir die soziale Spaltung nicht weiter hinnehmen - weder bei Jugendlichen noch in arm und reich. Deshalb streiten wir dafür, jungen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu gewähren, und deshalb wollen wir auch den Antrag mit den ganz konkreten Maßnahmen, beispielsweise gegen die Verschärfung des Jugendstrafrechts, hier einbringen. Dan
ke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Antrag „Verpflichtende Früherkennungsuntersuchungen in Thüringen - Mütter- und Familienberatung stärken, Gesundheitsschutz ausbauen“ der Fraktion DIE LINKE versteht sich nicht als allein selig machender Antrag, sondern, wie Sie das auch schon erkannt haben, wir wollen in die Diskussion um den Kinderschutz eingreifen. Wir wollen die Diskussion um den Kinderschutz auch mit den Ergebnissen, die wir aus Gesprächen mit Fachexperten usw. gehabt haben, bereichern und auf ein paar Lücken aufmerksam machen, die wir durchaus in der Diskussion um den Kinderschutz gefunden haben. Die Kritik, beispielsweise der Landesärztekammer, dort stellvertretend auch Dr. Eulitz, der den Arbeitskreis „Gewalt gegen Kinder“ leitet, richtet sich dagegen, dass die Maßnahmen des 19-Punkte-Katalogs zwar gut und schön sind, auch sehr wichtig sind, dass aber eine strukturelle Vernetzung zwischen dem, was durch das Jugendamt stattfindet und dem, was im Gesundheitsamt und in anderen Ämtern stattfindet, weitgehend fehlt. Wir als LINKE sind überzeugt, dass verbindliche Regelungen zu den Vorsorgeuntersuchungen dringend geboten sind, auch wenn man sich trefflich über die Art und Weise streiten kann.
Und genau hier gilt es anzusetzen. Mit dem Antrag, den DIE LINKE vorlegt, wollen wir die Zusammenarbeit verfestigen und so versuchen, die durchaus vorhandenen Lücken im Kinderschutz zu schließen. Auch das von Ihnen vorgelegte Kinderschutzgesetz wird diesem Anspruch leider nicht gerecht, weshalb wir diesen Antrag hier aufrechterhalten. Ich erinnere daran, dass sich Ihr Gesetz ausschließlich auf das SGB VIII und SGB V konzentriert, die ÖGD-Verordnung allerdings Landesrecht ist, was uns eigentlich eigene Regelungskompetenzen ermöglicht. Als Anknüpfungspunkt nehmen wir - wie besprochen - hierbei den öffentlichen Gesundheitsdienst, an den eine Mütter- und Familienberatung angesiedelt wird oder, soweit sie vorhanden ist, ausgebaut werden soll. Dort soll niedrigschwellige Hilfe sowie aufsuchende Arbeit geleistet werden, die gemeinsam mit den Familienhebammen und in Kooperation mit dem Jugendamt den Kinderschutz auch gerade für die unter dreijährigen Kinder ausbauen sollen. Daneben wollen wir mit unserem Antrag erreichen, dass eine verbindliche Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Ämtern geregelt wird. Damit eine umfassende Kooperation gewährleistet werden kann, müssen
Kinderschützer und Ärzte auch wissen, um wen es sich handelt. Hier ist auch mit den vorhandenen datenrechtlichen Grundlagen ein Austausch der relevanten Daten möglich. Die Defizite, die wir im Kinderschutz bemerken, die wir mit unserem Antrag aufgreifen wollen, sind folgende:
Bei den Debatten um den Kinderschutz ging es ja vor allem immer um Geld, es ging um die Möglichkeit von Vorsorgeuntersuchungen und es ging um diverse Einzelaspekte, etwa um die Kinderschutzdienste. Diese Debatte war aus unserer Sicht richtig, notwendig und gut, jedoch wurden die Lücken zwischen diesen einzelnen Strukturen nicht geschlossen, sondern in den jeweiligen Strukturen werden neue Modelle aufgestellt, werden neue Modelle etabliert. Eine Vernetzung findet leider so nicht statt. Im Kinderschutz wurde also bislang kaum ein umfassender Ansatz verfolgt, der das Kind, seine Eltern, aber auch die öffentlichen Hilfestrukturen im Blick hatte. Mit unserem Antrag wollen wir diesen ganzheitlichen Ansatz jedoch zur Diskussion stellen und uns damit an einer Diskussion beteiligen. Hinzu kommt, wie von Frau Taubert bereits ausgeführt, dass sich gerade im Kinderschutz und in den betreffenden Richtlinien und Gesetzen in den letzten Jahren einiges geändert hat und nicht unbedingt zum Besseren, wie man aus den Landkreisen vernehmen kann. Statt beispielsweise im Rahmen des Ausbaus des Kinderschutzes die Kinderschutzdienste stärker zur fördern und sich für die Qualitätsstandards einzusetzen, hebt die Landesregierung lieber die entsprechende Richtlinie auf und überlässt diese heiklen Entscheidungen lieber den klammen Kommunen, die sowieso jeden Euro zweimal umdrehen müssen.
Damit hat die Landesregierung bewiesen, dass sie Konflikte mit den Kommunen scheut und deshalb nur zu halbstarken Regelungen bereit ist, die im Zweifelsfall mehr Schaden anrichten als sie dem Anliegen des Kindesschutzes Rechnung tragen.
Wie bereits angesprochen, streitet die LINKE für einen ganzheitlichen Ansatz beim Kinderschutz, und dieser beginnt mit Vorsorgeuntersuchungen. Das beginnt aber auch bei der medizinischen Betreuung werdender Mütter. Das geht über den öffentlichen Gesundheitsdienst und betrifft auch den Kampf gegen Kinderarmut. Vor allem aber müssen den Müttern niedrigschwellige Angebote unterbreitet werden. Am letzten Dienstag fand eine Fachtagung der Agentur für Gesundheitsförderung statt, bei der es genau um diese Frage ging. Was machen wir beispiels
weise mit Teenager-Schwangerschaften? Wie kann man die elterlichen Kompetenzen stärken? Hier muss auch ein Ansatz des Kinderschutzes liegen. Wie verhält man sich mit der Kindergesundheit und wie macht man Eltern auf diese Aspekte aufmerksam?
Ein wichtiger Ansatzpunkt unseres Antrags liegt nämlich darin, das Kind in seinem Umfeld zu betrachten. Mit einer verbindlichen Regelung zu den Vorsorgeuntersuchungen hat man hierfür einen Ausgangspunkt, um frühe Hilfen, aber auch medizinisches Fachpersonal der Mütter- und Familienberatungsstellen mit dem des Jugendamtes anbieten zu können. Es geht darum, dass möglichst alle Kinder an der U-Untersuchung teilnehmen, denn so haben Kinderärzte eine erste - wenn auch eingeschränkte - Möglichkeit, die Entwicklung von Kindern zu beobachten. Denjenigen, die nicht an den Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen, soll nicht mit Sanktionen beigekommen werden, sondern mit aufsuchenden Hilfen, mit Unterstützung und Beratung, wie es Fachleute seit Längerem fordern. Diese aufsuchende Arbeit soll auch nicht primär durch das Jugendamt geschehen, sondern durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mütter- und Familienberatungsstellen. Wir haben uns hier ganz bewusst entschieden, stärker auf den öffentlichen Gesundheitsdienst zu setzen, denn erstens ist hier die medizinische Fachkompetenz gerade für die Kleinkinder unter drei Jahren vorhanden. Zum anderen ist es etwas anderes, ob eine Hebamme in eine Familie kommt oder das Jugendamt. Mit dem ihm vorauseilenden Ruf stellt es eine zu hohe Hürde für gerade diejenigen Eltern auf, die die größten Probleme haben. In den Mütter- und Beratungsfamilienstellen sollen die notwendigen sozialen und elterlichen Kompetenzen erlernt werden können. Kinderärzte, Jugendschützer, Sozialarbeiter, aber auch Familienhebammen kommen regelmäßig zu dem Schluss, dass genau diese Kompetenzen unterdurchschnittlich vorhanden sind. Kinder zu schützen, bedeutet aber auch, Eltern zu bilden und Ihnen diese sozialen Kompetenzen zu vermitteln. Dies soll und dies kann auch eine Familienberatungsstelle leisten. Mütter, gerade im Teenageralter, oder auch Mütter untergewichtiger Babys müssen in den Fokus genommen werden. Dazu kann die Mütterberatung, angesiedelt beim ÖGD, beitragen. Das schließt das Jugendamt und dessen Auftrag als Wächteramt nicht aus, sondern ermöglicht hier niedrigschwellige Hilfen und Angebote.
Was mache ich mit einem Kind, wenn es krank ist? Wie koche ich gesunde Mahlzeiten für mein Kind? Was muss ich in welcher Situation tun? Mit wem kann ich reden? Diese Fragen sollten nicht durch eine Elternakademie, wie sie mit der Familienoffensive geschaffen wurde, geklärt werden, sondern mit Elternbildung. Wir brauchen direkte Angebote für Eltern.
Ein weiterer Aspekt: Damit Kinderärzte und Hebammen wissen, wohin sie gehen sollen, müssen sie bestimmte Informationen haben. Diese werden von der Geburt bei den Standes- oder Meldeämtern erhoben. Selbst mit den heutigen datenrechtlichen Regelungen wäre eine problemgerechte Übermittlung von Daten durchaus möglich, beispielsweise meint das der Datenschutzbeauftragte des Freistaats. DIE LINKE streitet also über einen ganzheitlichen Einsatz im Umgang mit dem Kinderschutz. Experten, beispielsweise die des Sozialpädiatrischen Zentrums Erfurt, beobachten zunehmend, dass sehr junge und früh gebärende Eltern nicht über die grundlegenden Kenntnisse verfügen und schon mit geringen Anforderungen überlastet sind. Aber genau hier liegt auch ein zentrales Problem des Kinderschutzes. Es müssen auch das elterliche Umfeld und die Bedingungen, unter denen Kinder aufwachsen, in Betracht gezogen werden.
Um dies leisten zu können, ist die verbindliche Vorsorgeuntersuchung ein wirklich wichtiger Schritt. Hinzu kommen aber auch klare Regelungen für die jeweiligen Ämter, die mit dem Schicksal der Kleinkinder betraut sind. Hierzu gab es zahlreiche Vorschläge, auch auf der bereits angesprochenen Fachtagung vom Sozialminister. Das von der Landesregierung vorgelegte Kinderschutzgesetz kommt diesen Anforderungen aber nur teilweise nach und greift zu kurz. Deshalb wollen wir eine umfassende Debatte im Sozialausschuss dazu führen. Das Kind, aber auch das Umfeld und die Umstände, unter denen es aufwächst, müssen Gegenstand von Politik sein. Dabei spielt auch die grassierende Kinderarmut eine wichtige Rolle, die bei Kindern zu Unter- und Mangelernährung führt. Die Eltern vor existenzielle Nöte stellende Kinderarmut kann so nicht hingenommen werden.
Um den Kinderschutz zu stärken, sind verbindliche Vorsorgeuntersuchungen und auch der 19-PunkteMaßnahmekatalog unerlässlich. Jedoch sich darauf auszuruhen, reicht bei Weitem nicht aus. Dazu braucht es genau diese Vernetzung, die ich angesprochen habe und die wir als LINKE in unserem Antrag fordern. Vielen Dank.
Mehr Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Thüringen?
Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes hat sich die Zahl der Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland nach längerem Rückgang seit 2002 wieder etwas erhöht. Auch die Zahl der Mitarbeiter in diesen Einrichtungen sei seit 2002 wieder angestiegen. (siehe u.a. "Die Welt" vom 24. Januar 2008 im Pressespiegel)
Ich frage die Landesregierung:
1. Kann die Landesregierung diese erfreuliche Entwicklung im Bereich der Jugendhilfe für Thüringen bestätigen?
2. Wie hat sich die Zahl der Einrichtungen der Jugendhilfe seit 2002 in Thüringen entwickelt?
3. Wie hat sich die Zahl der in Einrichtungen der Jugendhilfe beschäftigten Personen seit 2002 in Thüringen entwickelt (bitte die Entwicklung der Stellen in Vollzeitbeschäftigteneinheiten und in beschäftig- ten Personen angeben)?
4. Wo sieht die Landesregierung die Ursachen für eine möglicherweise vom Bundestrend abweichende Entwicklung seit 2002?
Dieter Althaus, Matthias Bärwolff, Rolf Baumann, Dagmar Becker, Gustav Bergemann, Sabine Berninger, André Blechschmidt, Werner Buse, Christian Carius, Birgit Diezel, Sabine Doht, Monika Döllstedt, Hans-Jürgen Döring, Christian Eckardt, Antje Ehrlich-Strathausen, Volker Emde, Petra Enders, Wolfgang Fiedler, Dr. Ruth Fuchs, Heiko Gentzel, Michael Gerstenberger, Prof. Dr. Jens Goebel, Manfred Grob, Evelin Groß, Günter Grüner, Christian Gumprecht, Gerhard Günther, Dr. Roland Hahnemann, Ralf Hauboldt, Dieter Hausold, Susanne Hennig, Michael Heym, Uwe Höhn, Gudrun Holbe, Mike Huster, Siegfried Jaschke, Margit Jung, Ralf Kalich, Dr. Karin Kaschuba, Dr. Birgit Klaubert, Christian Köckert, Eckehard Kölbel, Dr. Michael Krapp, Dr. Peter Krause.
Ja, Herr Minister, bezüglich der Frauenhäuser wollte ich Sie fragen, wenn es in einem Dorf 20 Jahre nicht gebrannt hat, ist es dann sinnvoll, die Dorffeuerwehr abzuschaffen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit Verwunderung hat die Fraktion DIE LINKE den Antrag der CDU, der Landtag unterstützt die Initiative „Thüringen sagt Ja zu Kindern“ und die Landesregierung möge zu Hilfsangeboten für Schwangere im Freistaat berichten, zur Kenntnis genommen. Die Initiative „Thüringen sagt Ja zu Kindern“ ist eine von Parität, der TLZ, Antenne Thüringen, dem Sozialministerium und dem Landtag getragene Kampagne. Sie besteht aus drei Teilen, das hat der Sozialminister schon ausgeführt. Dass im öffentlichen Raum für die Belange des Kinderschutzes sensibilisiert werden soll, ist durchaus zu begrüßen, jedoch brauchen wir auch darüber hinaus ein engagiertes Handeln, wenn es um unsere Kleinsten geht. Der zweite Teil der Kampagne, ein Wettbewerb um die kinderfreundlichste Gemeinde in Thüringen, deren Sieger ein Kinderfest gesponsert bekommt, ist ja durchaus auch zu begrüßen, und der dritte Teil, das Sammeln von Spenden, mit denen verschiedene Projekte im Bereich des Kinderschutzes unterstützt werden sollen, wird auch unsere Befürwortung finden. Dies alles sind lobenswerte Ansätze, die wir als Landtag unterstützen sollen. Jedoch fragt man sich, was ein solcher Schaufensterantrag hier im Landtag bewirken soll.
Kinderfreundlichkeit? Mit den Anträgen, die durch die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion der SPD in den letzten Wochen und Monaten hier im Landtag beraten wurden, hätten wir einiges tun können für Kinderfreundlichkeit, beispielsweise kostenloser Zugang für Kinder in Museen, in Theater, zu kultu