Thomas Spies

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Last Statements

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann da meinem verehrten Vorredner nur beipflichten. Dieser Gesetzentwurf wird einige wichtige Korrekturen hinsichtlich der Frage der notwendigen Qualifikation der Transplantationsbeauftragten an hessischen Krankenhäusern einführen. Damit wird der Hessische Landtag schließlich und endlich einem Vorschlag der SPD-Fraktion aus dem Entwurf für ein Hessisches Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz aus dem Jahre 2001 folgen.
Das hat ein bisschen gedauert. Das macht es aber keineswegs schlechter, sondern besser. Denn Sie haben recht: Ein angemessenes Maß an Qualifikation und eine herausgehobene Funktion des Transplantationsbeauftragten im Krankenhaus werden seine Position stärken und dafür sorgen, dass gerade in den Krankenhäusern, in denen das gebotene Engagement noch förderungsbedürftig ist, mit dem gebotenen Nachdruck gearbeitet werden kann. Deshalb kann man sagen, dass diese Änderung zwar ein bisschen spät erfolgt, in der Sache aber richtig ist.
Einen zweiten Punkt in diesem Gesetzentwurf will ich ansprechen. Auch da kommt man nach langem Mühen doch noch einmal ein Stückchen weiter. Auch das wurde bereits im Jahr 2001 schon einmal vorgeschlagen. Da geht es um die Frage der Abwicklung der Meldepflicht. Tatsache ist, dass Krankenhäuser dann, wenn ein potenzieller Organspender im Krankenhaus verstirbt bzw. es sich ankündigt, dass die Feststellung des Hirntods nunmehr ein möglicher und sinnvoller Vorgang ist, jeden potenziellen Organspender oder jede Organspenderin tatsächlich melden müssen.
Herr Kollege Bartelt, da darf ich Ihnen widersprechen: Wir alle wissen, das Problem des Organmangels ist weitaus weniger eine Frage der Bereitschaft zur Organspende – die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist dazu bereit –, sondern ein Mangel des Engagements insbesondere kleinerer Krankenhäuser. Diese wollen ihre kleine Intensivstation mit wenigen Beatmungsplätzen nicht so belegt haben und scheuen davor zurück, überhaupt eine solche Entscheidung zu treffen. Die denken gar nicht daran.
An dieser Stelle führt eine konsequent durchgesetzte Meldepflicht dazu, dass Krankenhäuser, die dieser Aufgabe nicht adäquat nachkommen – das ist bei der Organspende in Deutschland das Kernproblem –, erkannt und in der Verbesserung der Aufgabenwahrnehmung unterstützt werden können: keine Sanktion, aber entdecken: Wer kümmert sich nicht genug um das Thema Organspende? Wem wird in der ohne Zweifel schwierigen und dramatischen Situation einer schweren Erkrankung, die den Hirntod zur Folge hat und eine Organspende möglich macht, so geholfen, dass sie überhaupt daran denken und sich dann mit dem gebotenen Engagement um das Thema Organspende kümmern?
Meine Damen und Herren, die Diskussion über die Frage Widerspruchs- oder Zustimmungslösung, die sehr gern feuilletonistisch geführt wird, ist eigentlich nicht rational.
Was geschieht, wenn jemand widersprochen hat? Es gibt keine Organspende. Was geschieht, wenn jemand nicht explizit widersprochen hat? Auch im Falle der Widerspruchslösung werden kein verantwortlicher Arzt und insbesondere kein verantwortlich handelnder Entnahme-Chirurg bei einem Patienten in eine Organentnahme eintreten, wenn die Angehörigen diesem Eingriff widersprechen. Niemand wird auf die Idee kommen, in Zweifelsfällen, in Fällen, in denen es keine klare Äußerung gibt, an eine Organspende überhaupt zu denken.
Deshalb meine ich, der Unterschied zwischen Widerspruchs- und Zustimmungslösung, der theoretisch relevant ist, hat in der Praxis überhaupt keine Bedeutung. Viel wichtiger ist die Aufklärung. Viel wichtiger sind klare, transparente Verhältnisse und keine Skandale. Viel wichtiger ist ein angemessenes Engagement insbesondere der kleineren Krankenhäuser in einer Situation, in der sie keinen eigenen Nutzen haben.
Als Letztes – man mag es gar nicht glauben, aber offenkundig gibt es solche Fälle – ist möglicherweise auch eine bessere Honorierung der Organentnahme sinnvoll. Denn manchem Krankenhausgeschäftsführer wird nachgesagt, er würde das Thema Organspende nicht adäquat fördern, weil es defizitär sei. Ich will das gar nicht glauben, aber hier muss man sicherstellen: Die Mitarbeit an der Aufgabe Organspende darf für das Entnahme-Krankenhaus keinen Nachteil bedeuten, wenn wir dieses wundervolle Geschenk, postmortal einem anderen Menschen durch die Weitergabe eines Organs Gesundheit zu schenken,
nicht verschwendet wissen wollen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Tatsächlich ist die Regelung der Finanzierung der Aufwendungen für die Grundsicherung durch den Bund eine wegweisende Entscheidung zur Entlastung insbesondere der Kommunen in der Frage des Schutzes der Menschen gegen Armut gewesen. Das ist umso bemerkenswerter, als dies ein Projekt der Großen Koalition auf Bundesebene war. Ungeachtet mancher Unkenrufe in aktuellen Debatten sieht man daran, dass auch damit wegweisende Entscheidungen vorangebracht werden können.
Umso bedauerlicher und bemerkenswerter ist es, dass uns, den Mitgliedern des Hessischen Landtags, dieser Entwurf für ein Ausführungsgesetz nach einem solchen Prozess, der nun keineswegs erst in den letzten Tagen eingetreten ist, zu einem so späten Zeitpunkt vorgelegt wird. Denn der Herr Staatsminister hat darauf verwiesen, dass es im Umgang mit den Kommunalen Spitzenverbänden wie mit den Wohlfahrtsverbänden in einzelnen Fragen durchaus diskrepante Auffassungen gibt.
Ich will eines ganz ehrlich sagen: Es handelt sich um einen Gesetzentwurf, der als Gesetz das Verfahren in der Verwaltung regeln soll, also die Zuständigkeiten verteilen soll. Meines Erachtens gibt es da keinen inhaltlichen Streit um den Gegenstand des Gesetzentwurfs. Den kann es gar nicht geben, sondern es geht da um Vorschriften des Verfahrens.
Dass ein solcher Gesetzentwurf zu einem Zeitpunkt vorgelegt wird, der es dem Hessischen Landtag nicht mehr möglich macht, eine geordnete Anhörung im Ausschuss durchzuführen – dabei wäre es angesichts einer ganzen Reihe diskrepanter Punkte in den Stellungnahmen auch um eine Anhörung der Kommunalen Spitzenverbände gegangen –, ist nun auch kein Drama, aber doch durchaus bedauerlich. Angesichts der keineswegs so umfangreichen Stellungnahmen der Wohlfahrtsverbände wie auch der Kommunalen Spitzenverbände werden wir im Ausschuss also sehr genau darauf schauen müssen, inwieweit das gegenwärtige Gesetzgebungsverfahren zum jetzigen Zeitpunkt ohne detail
lierte Beratung gerade für die kommunale Seite erforderlich ist.
Vielleicht kann man darüber nachdenken, die unbefristet gültige Verwaltungsvereinbarung über die Zuständigkeiten, mit der bislang diese Frage gelöst wurde, noch ein wenig weiter gelten zu lassen.
Das werden wir im Ausschuss noch einmal in aller Ruhe beraten müssen. Aber ich denke, auch hier wird man am Ende zu einem akzeptablen Ergebnis kommen.
Insofern stimme ich Ihnen zu: Die konsequente Übernahme der Kosten der Grundsicherung durch den Bund, die hinter diesem Gesetzentwurf steht, ist ein positives Ergebnis. Bei der verwaltungsmäßigen Umsetzung werden wir wohl auch zu einem vernünftigen Ergebnis kommen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf stellt die Wirksamkeit von EU-Recht für den Schutz von Patienten insbesondere in der grenzüberschreitenden Versorgung her. Insofern ist er vielleicht doch weniger aufregend, als der Titel suggeriert. Die Maßnahmen, die in diesem Gesetzentwurf vorgeschlagen sind, sind durchaus hinreichend richtig und sinnvoll, um diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung zu erteilen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich an der Stelle darauf hinweisen, dass man eher verwundert sein muss, dass es bislang tatsächlich gestattet war, Heilberufe auszuüben, ohne über eine Haftpflichtversicherung zu verfügen. Das wird mit diesem Gesetz geregelt, und das finden wir richtig. Die Tatsache, dass nunmehr vollständige Informationen auch in schriftlicher Form bereitgestellt werden müssen, ist in Deutschland längst richterlich geregelt, aber nun auch gesetzlich.
Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch sagen, dass wir in einer neuen Legislaturperiode noch einmal sehr genau darüber nachdenken müssen, inwieweit denn der adäquate Schutz der Rechte von Patienten, die Förderung einer umfassenden Aufklärung und Information durch dieses Gesetz nicht nur in die richtige Richtung gehen, sondern hinreichend geregelt sind. Wir hatten vor einigen Jahren einmal vorgeschlagen, einen Landesbeauftragten für die Rechte der Patienten einzuführen, der ein Ansprechpartner wäre, ähnlich wie der Bundespatientenbeauftragte, der eine sehr segensreiche, wenn auch durch Fülle reichlich überfordernde Aufgabe erfüllt. Es wäre die Frage zu diskutieren, inwieweit eine unabhängige Patientenberatung nicht nur an einer, sondern an vielen Stellen in Hessen angeboten werden sollte.
An der Stelle würde mir noch eine lange Reihe von Vorschlägen einfallen, was z. B. die Präzision von Aufklärungen gerade im Bereich der IGeL angeht. All das muss man aber nicht in den letzten Zügen einer Legislaturperiode klären. In dieser Frage sollten wir auch in der nächsten Legislaturperiode in der Diskussion bleiben. Ich glaube, dass wir diesem Gesetzentwurf guten Gewissens zustimmen können, dass er in die richtige Richtung weist, dass wir aber in den nächsten Jahren noch einmal gemeinsam schauen müssen, ob es da nicht zusätzlichen Bedarf gibt, dessen Erfüllung keinem wehtut, sehr wohl aber die Qualität der Versorgung der Menschen in unserem Bundesland verbessern kann. Daran sollten wir dann gemeinsam arbeiten. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Irmer, ganz offenkundig gibt es einen erheblichen Aufklärungsbedarf zu einem Aspekt, den Sie am Anfang Ihrer Rede angesprochen haben. Nur dazu äußere ich mich, nämlich zu dem Unfug, den Sie über die Bürgerversicherung verbreitet haben.
Erstens. Mit der Bürgerversicherung wird durch das, was Sie eben klargestellt haben, Arbeit billiger, Arbeitskosten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden gesenkt, weil durch die Heranziehung weiterer Einkommensarten weniger Gesundheitskosten allein auf der Arbeit liegen.
Zweitens. Durch die Heranziehung leistungsloser Einkommen, wie Kapitalerträge, werden diese Arten von Einkommen endlich nicht mehr gegenüber der harten Arbeit vieler Menschen in diesem Land privilegiert, was unangemessen und ungerecht ist.
Drittens. Wegen der Kombination von Erstens und Zweitens werden insbesondere die kleinen, aber noch viel mehr die mittleren Einkommen entlastet, hohe Einkommen können ein wenig belastet werden.
Viertens. Durch eine geschicktere Konstruktion der Arbeitgeberbeiträge werden Unternehmen mit vielen Beschäftigten, insbesondere der Mittelstand und das Handwerk, erheblich entlastet, während Unternehmen, die nur sehr hohe Boni dafür auszahlen, dass man mit windigen Papieren Lehman-Brothers-Pleiten auslöst, belastet werden. Auch das ist angemessen.
Fünftens. Durch die Bürgerversicherung entsteht mehr Wahlfreiheit für die Bürgerinnen und Bürger, denn auch private Krankenversicherungsunternehmen können natürlich Bürgerversicherungen anbieten, solange sie sich an die Kernregeln der Bürgerversicherung halten. Damit haben alle mehr Wahl.
Sechstens. Damit gibt es auch mehr Geld für gute Ärzte, da nicht mehr nach Versicherungsstatus, sondern nach medizinischem Bedarf honoriert wird. Das Gesamtvolumen bleibt genauso groß.
Siebtens. Weniger Ausgaben für Bürokratie, denn, wie wir alle wissen, verbraucht die private Versicherung dreimal so viel Kosten für Bürokratie wie die gesetzliche Krankenversicherung.
Achtens. Es wird auch damit aufgehört, Ärzte zu einem zutiefst unethischen, unärztlichem Verhalten zu verleiten, nämlich der Bevorzugung von Privatpatienten gegenüber Kassenpatienten. Das bedeutet das Ende der Zweiklassenmedizin.
Sehr verehrter Herr Irmer, es würde uns freuen, wenn Sie das bei Ihren weiteren Erwägungen berücksichtigen.
Heißt das, die Landesregierung wird dafür eine Sondersitzung des Landtags beantragen? Die Einbringung ist, wenn sie in dieser Woche nicht erfolgt, erst im November möglich. Danach haben wir in dieser Legislaturperiode nur noch eine Plenarsitzung und dann eine andere Landesregierung.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Organspende ist ein Geschenk – ein ganz außergewöhnliches Geschenk. Das gilt keineswegs nur für die Lebendspende, sondern genauso für die posthume Organspende. Ein Stück von mir einem anderen zu geben ist ein Geschenk, das an viele Tabus, an viele Ambivalenzen rührt. Deshalb sind die Debatten um die Frage, auf welche Art und Weise die Zulässigkeit von Organspenden und das Einvernehmen über die posthume Spende eines Organs zu erfassen sind, seit 15 Jahren in einer solchen Tiefe und Intensität geführt worden.
Gerade deshalb, weil es nicht nur ein Geschenk, sondern ein Geschenk von ganz besonderer Qualität ist, ist durch Korruption im Gesundheitswesen, also durch eine Variante der Gier, Misstrauen entstanden. Man muss feststellen, dass mancher aus ökonomischen Erwägungen und mancher aus Gier nach Ruhm und Zustimmung gehandelt hat. Auch das narzisstische Bedürfnis, das sich im Bemühen um einen Patienten im Tabubruch zeigt, ist also nichts anderes, als eine andere Form von Eigennutz im Blick zu haben.
Ich glaube, dass die Diskussion um Einverständnis- und Widerspruchslösung, die wir hier seit vielen Jahren immer wieder gerne führen, letztendlich am Problem vorbeiführt. Ich kann mir jedenfalls niemanden vorstellen, der gegen den erklärten Willen von Angehörigen, fehlender schriftlicher Widerspruch hin oder her, einen hirntoten Organspender tatsächlich explantiert. Es übersteigt meine Fantasie, mir vorzustellen, dass das passiert. Insofern befinden wir uns immer in dem Spannungsfeld, dass Angehörigen eine ganz besonders schwierige Entscheidung, eine ganz besonders schwierige Form der Mitsprache zugemutet werden muss. Erfahrungen aus Holland aus den letzten zehn bis zwölf Jahren haben jedenfalls den Hinweis gegeben, dass der Zwang, sich zu entscheiden, nicht unbedingt hilfreich ist, weil Menschen, die sich noch nicht mit dem Thema Organspende beschäftigt haben, dann sagen: „Ich sage erst einmal Nein und überlege es mir noch einmal.“ Aber sie überlegen es sich dann doch nicht. Unvorbereitet, ohne adäquate Auseinandersetzung ist die Entscheidung nun einmal kaum zu treffen.
Wir begrüßen am Gesetzentwurf der Landesregierung ausdrücklich, dass Vorschläge, die wir schon vor zwölf Jahren in dieses Hohe Haus einzubringen versucht haben und die unseres Erachtens für eine landesspezifische Regelung zur Verbesserung der Organspende – eine Aufgabe des Landes –, also zum potenziellen Wirksamwerden des Geschenks, erforderlich sind, in diesem Gesetzentwurf in der Deutlichkeit enthalten sind, die wir für erforderlich halten.
Die Frage ist, wie man der Pflicht der Krankenhäuser, potenzielle Organspender bekannt zu geben, sich um das Problem Organspende zu kümmern, adäquat Nachdruck verleiht. Eigentlich sind die Krankenhäuser in Deutschland seit 14 Jahren verpflichtet, sich intensiv um Organspenden zu kümmern. Eigentlich sind sie genauso lange verpflichtet, jeden Organspender an die für die Vermittlung von Or
ganen zuständigen Stellen zu melden. Gleichzeitig stellen wir fest, dass es nicht nur bundesweit eine erhebliche Diskrepanz im Aufkommen von Spenderorganen gibt, sondern dass es auch eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Krankenhäusern gibt, dass z. B. in Mecklenburg-Vorpommern die Zahl der gespendeten Organe dreimal so hoch ist wie in Hessen. Hessen ist dabei nicht besonders schlechter als andere westliche Flächenländer, aber es gibt offensichtlich ein Problem mit der Selbstverständlichkeit, der Tradition in den Krankenhäusern, in denen ein Patient verstirbt, für hirntot erklärt wird, adäquat mit dem Thema Organspende umzugehen.
Das ist die eigentliche Herausforderung. Die einzige Lösung ist, dass man die Krankenhäuser ausdrücklich dazu bringt, jeden potenziellen Organspender anzugeben, damit man merkt: Wer kümmert sich erfolgreich darum und wer nicht?
Diesen Vorschlag haben wir – ich kann mich noch sehr gut an die Debatte im alten Saal erinnern – vor zwölf Jahren im Zusammenhang mit dem ersten Hessischen Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes eingebracht. Dass die Landesregierung jetzt gewillt ist, den Vorschlag so zu übernehmen, wie wir ihn damals gemacht haben, erfüllt uns mit Freude.
Dem Rest der Beratungen in der Anhörung sehen wir mit großem Interesse und mit Neugier entgegen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist allerdings bemerkenswert, zumindest in ihrer Banalität und Wiederholungskraft. Bemerkenswert ist schon der Titel. Wer protestiert, soll bitte weggehen. Liebe FDP, das heißt übrigens „Weggetreten!“ Vielleicht wären dann heute manche Diskussionen nicht eingetreten. Wer protestiert, möge bitte weggehen und das Bild nicht stören. Bemerkenswert ist an dieser Stelle zuallererst die Haltung der FDP zu der in dieser Woche doch so präsenten Demonstrationsfreiheit.
Bemerkenswert ist, dass sich der Gesetzgeber überhaupt mit einer Demonstration befassen muss, die es noch nicht einmal in den Landtagspressespiegel geschafft hat. Auch das finde ich bemerkenswert.
Wir kennen den Pas de deux oder vielleicht schon eine Folie à deux von LINKEN und Union mehr als zur Genüge, die sich für diese Debatten – „Honecker-Fan“, Hetze und Aggression, „kriegslüsterne Militaristen“ – so dringend
brauchen. Aber ist es wirklich notwendig, hier eine solche Debatte zu führen? – Dann kommt die FDP und gesellt sich zur Ménage-à-trois. – Ja, das ist, alle Jahre wieder, „Dinner for One mit Axel und Willi“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist unzweifelhaft das gute Recht eines jeden, in diesem Land mit staatlichen Organen nicht einverstanden zu sein und sich kritisch zu äußern. Ohne jeden Zweifel darf man auch gegen die Bundeswehr sein und sie kritisch begleiten. Genauso unzweifelhaft ist es, dass die Bundeswehr da ist und dass sie noch lange da sein wird; ohne jeden Zweifel haben auch die Soldaten einen Anspruch auf Rückhalt und Unterstützung durch den Dienstherrn und den Staat.
Unzweifelhaft ist die Bundeswehr auch gefordert, mit der angemessenen Gelassenheit auf Protest zu reagieren. Das gelingt den Soldatinnen und Soldaten aber sehr gut, ganz im Gegensatz zur FDP im Hessischen Landtag, die dem Protest erst zur Relevanz verhilft, indem sie daraus eine Aktuelle Stunde macht.
Das ist alles sehr interessant: diese spezielle Dialektik der Ménage-à-trois, oder vielleicht ist es eine Folie à deux double.
Unzweifelhaft darf der Staat für seine Organe werben, also auch für die Bundeswehr, natürlich nicht in Landsknechtsmanier, wie das manchmal bei den LINKEN klingt. Aber das tut auch kein Mensch. Es kommt darauf an, dass der verantwortliche Staat verantwortlich informiert. Kaum einer der tausend Betroffenen, die, jedenfalls nicht gegen ihren Willen, nach Afghanistan fuhren und fahren, wusste, was eine posttraumatische Belastungsstörung bedeutet, mit der sie dann zurückgekommen sind.
Aber, meine Damen und Herren, vielleicht kann man das auch gar nicht so einfach erklären. Vielleicht liegt hier die eigentliche Herausforderung der Auseinandersetzung mit der Präsentation und der Information über die Bundeswehr – und nicht in platten Sprüchen der einen oder anderen Seite, wie wir sie heute wieder gehört haben.
Zur Verantwortung eines so reichen und einflussreichen Landes kann es eben auch gehören, Schutz vor Waffen mit Waffen zu gewährleisten, weil ein Zusehen als Alternative schlimmer ist. Es bleibt gleichermaßen unerträglich, wie grotesk in vielen dieser Fälle das Missverhältnis zwischen dem enormen Aufwand für militärische Einsätze und den minimalen Mitteln für zivile Prävention und zivilen Aufbau ist. Das wäre ein Thema, dem sich der Gesetzgeber des Landes Hessen annehmen könnte.
Es ist angemessen, die Bundeswehr nicht zu wollen, auch wenn das jedenfalls kurzfristig weder sinnvoll noch realistisch ist. Aber das hat mit der Informations- und Werbe
strategie der Bundeswehr und ihrem Stand auf dem Hessentag leider gar nichts zu tun.
Solange wir die Bundeswehr unterhalten, und das wird sicherlich noch sehr lange sein, wollen wir sie auf dem Boden der Verfassung und in der Breite der Bevölkerung verankert wissen. Das ist seit der Wiederbewaffnung in den Fünfzigerjahren ein Kernkonzept der Bundeswehr.
Mit der Abschaffung der Wehrpflicht, die immer eine Demokratisierung des Risikos war, ist es wichtiger und schwieriger, Wege zu eben dieser breiten demokratischen Verankerung zu finden, zu sichern und aufrechtzuerhalten. Die Herausforderung heißt deshalb: Wie, nicht ob, können der Staat und die Bundeswehr angemessen und verantwortungsvoll unter den realen Bedingungen der Gegenwart über die Bundeswehr und über Karrieren in der Bundeswehr informieren und werben? Wie kann er andere Auffassungen zulassen? Wie kann er andere Auffassungen integrieren? – Das wäre die eigentliche Herausforderung, wie er seiner Verantwortung gegenüber jungen Menschen, die nicht immer wissen, auf was sie sich dann dort einlassen, angemessen gerecht werden kann.
Ich komme zum Schluss. – Eine solche Auseinandersetzung hat allerdings sehr viel mehr Ernst und Seriosität verdient als eine Aktuelle Stunde im Hessischen Landtag zu „Protestler wegtreten“. Das wäre die Aufgabe dieses Hauses. Soldaten und Demonstranten sind da sehr viel weiter. Die Bundeswehr ist in der Mitte der Gesellschaft, und da gehört sie hin. Was aber die Mitte der Gesellschaft ist, definiert nicht die FDP.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass man für eine derart nichtssagende Rede auch noch 30 Sekunden Redezeitverlängerung bekommt, ist allerdings bemerkenswert. Aber das gilt für vieles, was diese Ministerin betrifft.
Tatsache ist, wir hatten vorgestern eine bemerkenswerte Regierungserklärung zu den Leistungen der Wissenschaft in Hessen. Zu den Leistungen der Wissenschaft in Hessen, nämlich der GSI in Darmstadt, gehört unter anderen die Partikeltherapie. Dass Sie das gestern nicht erwähnt haben, weil es nichts zu erwähnen gibt, weil Sie an dieser Stelle nicht in der Lage sind, die Interessen des Landes wie der Betroffenen durchzusetzen, ist bereits hinreichend bemerkt worden.
Dann haben wir eben die Marketingbroschüre „Landesregierung macht alles schön“ gehört. Frau Staatsministerin, dass Sie uns allen Ernstes hier erzählen wollen, das Universitätsklinikum Gießen und Marburg bzw. seine Privatisierung sei eine einzige Erfolgsgeschichte, ist an Groteske kaum zu überbieten.
Außer Ihnen und den regierungstragenden Fraktionen, denen in ihrer Verzweiflung, an diesem Desaster schuld zu sein, drei Monate vor der Wahl auch kaum etwas anderes übrig bleibt, glaubt kein Mensch in diesem Land, dass das eine Erfolgsgeschichte sei, Frau Staatsministerin.
Dann gingen Sie eben ausführlich auf den Letter of Intent ein. Konstruktive Gespräche müssten ein bisschen anders aussehen, wenn inzwischen die vereinbarte Frist zum Abschluss der Vereinbarung bereits um die gesamte vorgesehene Frist überschritten ist. Der Letter of Intent ist aus dem März. Am 1. Mai sollte eine Vereinbarung vorliegen. In vier Tagen ist der 1. Juli, und es gibt immer noch nichts.
Konstruktive Gespräche? Wegweisender Fortschritt? Nein, Sie haben den ganzen Vorgang nicht im Griff. Sie bekommen es nicht hin. Erneut, meine Damen und Herren: Wer hier Vertrauen der Bevölkerung in Mittelhessen untergräbt, das sind Sie mit dem ständigen Nachweis, dass Sie den ganzen Vorgang nicht im Griff haben.
Wir erinnern uns lebhaft, dass schon die Tatsache, dass die Partikeltherapie nicht betrieben werden sollte, Sie aus der Zeitung überraschte, Frau Staatsministerin. Offenkundig – sonst wären Sie wenigstens mit einem Satz darauf eingegangen – hat Sie auch die Kündigung des Mietvertrags für die Immobilie aus der Zeitung überrascht, sonst wären Sie wenigstens in der Lage gewesen,
darauf Auskunft zu geben, seit wann Ihnen das bekannt ist. Diese einfache Frage hätten Sie beantworten können.
Frau Staatsministerin, Sie haben in dem Vorgang Universitätsklinikum Gießen und Marburg nichts im Griff. Frau Schulz-Asche hat darauf verwiesen: Erneut werden Sie am Nasenring durch die Manege geführt, weil von all dem, was hier versprochen wurde, nichts eingetreten ist.
Dann kommen wir zu der Frage Wortbruch. – Allerdings, der Ministerpräsident hat sein Wort gebrochen, ein um das andere Mal.
Im März 2012 hat er das erste Mal ein Moratorium beim Stellenabbau versprochen. Im Letter of Intent hat er erneut ein Moratorium beim Stellenabbau versprochen. Aber minus einige Hundert Stellen ist kein Moratorium, das ist Personalabbau. So einfach ist das.
Wir haben versucht, konstruktiv eine Reihe von Fragen zu stellen, die genau den aktuellen Vorgang betreffen, nämlich die originären Interessen des Landes, ob denn die Rhön-Klinikum AG überhaupt noch in der Lage ist, ihre Vertragsverpflichtungen einzuhalten, nachdem die Siemens AG ganz offensichtlich dokumentiert hat, dass sie definitiv aussteigen möchte. Aber wir haben von der Ministerin immer wieder gehört: Mit Ihnen redet die Siemens AG gar nicht. Deshalb sind Sie in die Details nicht eingeweiht. Sonst hätten wir erwartet, dass Sie uns jetzt Auskunft geben können.
Hat Ihnen Rhön eigentlich nicht erzählt, was Masse ist, oder möchten Sie es nur uns heute nicht erzählen, Frau Staatsministerin? Das ist doch an dieser Stelle die wesentliche Frage.
Zum Aspekt der unzureichenden Vorbereitung der Landesregierung auf einen möglichen Eigentümerwechsel hat Frau Schulz-Asche alles Nötige gesagt. Vor einem Jahr hat der Landtag beschlossen, die Regierung möge sich vorbereiten. Ich weiß noch, wie wir hier in großer Einigkeit festgestellt haben, dass auf eine solche Situation Vorbereitungen notwendig sind.
Nachdem es vor einem Jahr so aussah, als könne ein Eigentümerwechsel gar nicht mehr eintreten, stellen wir jetzt fest, das Ganze ist doch viel näher als man denkt, auch wenn ich mir an der Stelle die Bemerkung nicht verkneifen
kann: Die Kindergartenspiele, die da im Moment über die Frage abgezogen werden, wer denn was mitstimmen durfte oder nicht – und das alles öffentlich ausgetragen –, haben auch eine interessante Qualität. Aber das ist deren Angelegenheit.
So viel zum Thema Professionalität allemal an dieser Stelle. – Nein, meine Damen und Herren, erneut hat sich und gerade an Ihrem Beitrag gezeigt: Frau Staatsministerin, Sie sind mit keinem Wort auf die relevanten Aufgaben des Landes, auf das, was Ihr persönlicher Job ist, im Sinne der Menschen in diesem Land zu regeln, eingegangen. Weiterhin stellen wir fest, Sie sind mit dieser Aufgabe noch immer genauso überfordert wie zu jenem Zeitpunkt der Privatisierung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag ist nicht nur dringlich, sondern er gehört in den Gegenstand der Beratung am heutigen Tag, nämlich wenn die Landesregierung eine Regierungserklärung zur Wissenschaftspolitik abgibt. Deshalb beantragen wir seitens der SPD-Fraktion, diesen Antrag, der sich mit einem vermeintlichen Leuchtturmprojekt beschäftigt, diesen Antrag, der den wesentlichen wissenschaftlichen Durchbruch im Zusammenhang mit der Privatisierung bedeuten sollte und der erneut das Scheitern der Landesregierung in diesem zentralen wissenschaftspolitischen Projekt, nämlich der Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, demonstriert, gemeinsam mit der Regierungserklärung der Ministerin aufzurufen, um ihr bei der Gelegenheit gleich die Möglichkeit zu eröffnen, zu den in diesem Zusammenhang aufgerufenen Fragen zu den aktuellen Verhältnissen dieses ohne Zweifel zentralen Projekts Auskunft zu geben.
Denn mit den neuerlichen Erkenntnissen über den Zustand der Partikeltherapieanlage und insbesondere die Kündigung des Mietvertrages für die Immobilie, eine preisgekrönte Immobilie mit drohendem Leerstand, ergibt sich dringend die Notwendigkeit, dass die Ministerin auf diese Frage Auskunft erteilt, und zwar vor diesem Hause.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Dringlichkeit der Berichterstattung im Zusammenhang mit der Regierungserklärung ergibt sich auch daraus, dass angesichts der wiederholten Hinauszögerungen und der endlosen Liste der Zugeständnisse zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt nicht mehr damit gerechnet werden kann, dass diese Anlage irgendwann, geschweige denn, zu dem anstehenden Termin Anfang nächsten Jahres, zur Anwendung am Menschen zur Verfügung steht.
Deshalb gibt es eine ganze Reihe von Fragen, die eine Vielzahl von wichtigen Informationen für dieses Haus bieten, von denen wir glauben, dass die Ministerin sie heute im Zusammenhang mit der Regierungserklärung darstellen sollte. Wir sind zuversichtlich, dass sich eine verantwortungsvolle Landesregierung bereits hinreichend intensiv mit diesen Fragen beschäftigt hat,
sodass sie das heute tun kann. Deshalb beantragen wir seitens meiner Fraktion, den Dringlichen Antrag der SPD
Fraktion gemeinsam mit der Regierungserklärung aufzurufen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es eines Beweises bedurft hätte, warum die Krankenhauspolitik dieser Landesregierung und insbesondere dieses Ministers so grandios gescheitert ist – Sie haben ihn gerade geboten bekommen.
Herr Staatsminister, die Tatsache, dass die letzte sozialdemokratische Initiative, die Sie übernommen haben, nämlich die Krankenhausholding, derzeit mit Pauken und Trompeten untergeht, weil niemand das mitmacht, liegt genau daran, dass Sie mit Ihrer persönlich herzlichen Art dafür gesorgt haben, dass sich garantiert niemand daran beteiligen wird.
Das ist bei einer so wichtigen Frage wie der Krankenhausversorgung insbesondere deshalb außerordentlich bedauerlich, weil sie gerade nicht Spielball kurzfristiger politischer Ambitionen sein sollte.
Herr Staatsminister, wir wissen alle, dass in den letzten zwölf Jahren von dieser Landesregierung Krankenhausfördermittel nach Gutsherrenart verteilt wurden. Ja, da braucht es Transparenz, aber noch lange keine Pauschalierung. Herr Staatsminister, wenn Sie meinen, dass das, was unter Ihnen Praxis war, in der Zukunft unter einer anderen Regierung fortgesetzt würde, irren Sie sich.
Meine Damen und Herren, was war Krankenhauspolitik in den letzten Jahren? Es war die Auflösung einer geordneten Krankenhausplanung. Das Ergebnis ist kannibalisierender Wettbewerb. Offenbach ist allemal das dramatischste Beispiel aus einer langen Reihe von ernsten Problemen, die sich auf der Grundlage Ihrer unzureichenden Krankenhausgesetzgebung ergeben haben.
Wenn man diesen Irrweg, zu glauben, Gesundheit sei eine Ware, und Krankenhäuser seien ausschließlich Wirtschaftsunternehmen, konsequent fortsetzt, kann man nur auf die absurde Idee kommen, die Sie vorschlagen, nämlich die vollständige Pauschalierung der Krankenhausförderung. Es kommt gerade darauf an, eine geordnete, eine mutige, eine verantwortungsbewusste Krankenhausplanung vorzunehmen und die Fördermittel genau daran auszurichten. Deshalb ist jedenfalls dieser Teil Ihres Gesetzentwurfs so untauglich, wie es die Aufhebung der geordneten Planung im Krankenhausgesetz war. Deshalb muss man das dringend korrigieren.
Dass sich die Krankenhausgesellschaft darüber freut, dass es angesichts der völlig unzureichenden Investitionsförderung überhaupt Geld gibt, ist nachzuvollziehen, macht das Ganze aber nicht besser. Man kann niemandem empfehlen, sich kurzfristig auf die von Ihnen vorgeschlagene Form der pauschalierten Investitionsförderung einzustellen; denn wer weiß, wie lange es die wohl geben wird.
Viel wichtiger aber ist, dass Sie wesentliche Herausforderungen der Krankenhauspolitik überhaupt nicht erkannt haben. Eine der entscheidenden Herausforderungen ist die Frage der Fachkräftesicherung. Die Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen ist eine Frage der Motivation der Mitarbeiter. Die werden schon schlecht genug bezahlt. Die Leute, die in Krankenhäusern arbeiten – gerade im Bereich der Krankenhauspflege wie im Bereich der Altenpflege –, tun es aus einer hohen intrinsischen Motivation heraus. Die Leistung dafür sind vor allen Dingen Arbeitsbedingungen, die den Leuten gutes Arbeiten möglich machen.
Deshalb muss man dem Wettbewerbsfetischismus an dieser Stelle Grenzen setzen. Der erste Schritt sind Krankenhauspersonalstandards. Deshalb brauchen wir die hier in Hessen. Herr Staatsminister, entgegen Ihrer irrigen Auffassung – jedenfalls sagen uns das die Staatsrechtslehrer in Hessen –: Zuständig ist das Land allemal für alle Fragen der Qualitätssicherung. – Herr Staatsminister, deswegen sind wir selbstverständlich auch zuständig dafür, diese gesetzlichen Regelungen einzuführen.
Sie haben ja viel dafür getan, dass die Wertschätzung der Pflege in Hessen, jedenfalls im Krankenhausrecht, zurückgefahren wird, statt sie angemessen auszubauen. Das haben wir im Heimgesetz gesehen; deshalb muss man diese Regelungen ändern.
Das haben wir in der Frage der Beteiligung der Pflege in der Krankenhausleitung gesehen, und das sehen wir insbesondere an dem völlig unkritischen Hinnehmen der notorischen Überforderung der Pflegekräfte. Deshalb muss man an diesen Stellen allerdings dringend Regelungen schaffen, die diese Situation verbessern.
Herr Staatsminister, deshalb können wir nur feststellen: Die Krankenhauspolitik dieser Landesregierung ist ein Desaster. Dringend notwendig sind substanzielle Änderungen. Wir geben Ihnen die Gelegenheit, Ihre Fehler aus der Vergangenheit mit unserem Gesetzentwurf zu korrigieren. Wenn Sie das jetzt nicht einsehen, werden wir in absehbarer Zeit weitere Wege finden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich wäre die Frage, die diesem Gesetzentwurf zugrunde liegt, sehr einfach zu lösen gewesen. Wir wissen, es gibt eine relevante Zunahme von Tätlichkeiten, von Beinahetätlichkeiten, von verbalen Angriffen usw. auf die Angehörigen des Rettungsdienstes und des Katastrophenschutzes. Der Rettungsdienst ist in besonderer Weise betroffen, weil weder adäquat darauf vorbereitet noch in größerer Ansammlung vor Ort, sondern allein oder zu zweit in Wohnungen gegangen wird. Damit befindet er sich in einer besonders schwierigen Situation. Was haben uns die Rettungsdienste gesagt, was sie gern hätten, nachdem vor einem Jahr eine umfassende Untersuchung herauskam? – Deeskalationstraining, um sich solchen Situationen entziehen zu können.
Man hätte das ganz einfach regeln können. Die Bitte wurde an das Ministerium herangetragen, die Ausbildungsverordnung durch Rechtsverordnung zu verändern und damit eine entsprechende Qualifikation in den Katalog aufzunehmen; die Krankenkassen finanzieren den Arbeitszeitausfall und die Qualifikationsmaßnahme, und alles wäre schön, wenn sich diese Landesregierung für solche Probleme angemessen interessieren würde.
Was tut sie? – Sie zieht sich darauf zurück, dass es natürlich hier und da Bemühungen der Rettungsdienstorganisationen gebe, das Problem auf eigene Kosten und ohne weitere Unterstützung zu lösen. Es gibt mal hier einen Kurs beim Arbeiter-Samariter-Bund, dort bemüht sich mal das Rote Kreuz um eigene Maßnahmen. Aber das, was man bräuchte, erfolgte nicht, nämlich einmal alle Mitarbeiter des Rettungsdienstes in Hessen in den Fragen zu qualifizieren: Wie deeskaliere ich eine kritische Situation? Was mache ich, wenn ein Betrunkener nächtens in einem erregten Zustand auf mich zukommt? Wie sorge ich dafür, dass kritische Situationen vermieden werden? – Das einmal für alle anzubieten, auch das hätte man durch Rechtsverordnung lösen können, doch allein Sie wollten nicht.
Meine Damen und Herren, deswegen haben wir als Fraktion zuerst eine Anhörung der Rettungsdienstorganisationen und der Fachwissenschaft durchgeführt und dann einen Gesetzentwurf eingebracht. Siehe da, im Laufe der Beratung dieses Gesetzentwurfs hat das Deutsche Rote Kreuz, dessen Vorsitzende in Hessen Ihnen hinreichend bekannt ist, eine Empfehlung abgegeben, wie anstatt unseres Vorschlags eine bessere gesetzliche Regelung aussehen könnte.
Wenn das Rote Kreuz als die größte Organisation in dieser Richtung in seiner fachlichen Kompetenz eine Empfehlung abgibt, dann verschließen wir uns diesem hervorragenden Vorschlag nicht. Genau dieser liegt Ihnen heute zur Abstimmung vor, nämlich eine Formulierungsempfehlung des Deutschen Roten Kreuzes, wie durch eine Änderung des Rettungsdienstgesetzes nicht punktuell, nicht hier und da, nicht in Einzelfällen, sondern einmal für den gesamten Rettungsdienst in Hessen eine Situation geschaffen werden kann, in der die Rettungsdienstmitarbeiter kritischen Situationen mit mehr Sicherheit, entspannter und mit adäquater Qualifikation begegnen können.
Deshalb habe ich überhaupt kein Verständnis dafür, dass Sie sich diesem Vorschlag so hartnäckig verweigern, jeder notwendigen Maßnahme für diejenigen, die zur Tages- und Nachtzeit, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, bereit sind, sich für ein durchaus mäßiges Salär für Leib und Leben anderer einzusetzen und dadurch einer persönlichen Gefährdung ausgesetzt werden, insbesondere sicherzustellen, dass sie geordnet und für alle stattfindet und nicht mal hier und da und nur punktuell.
Wenn jetzt gleich jemand kommt und erklärt, das sei eigentlich ganz selten, dann darf ich Ihnen aus unmittelbarer Erfahrung und regelmäßigen Gesprächen mit konkreten Akteuren versichern: Nein, das ist keineswegs so selten. – Aber natürlich rennt man nicht jedes Mal irgendwohin und registriert es. Es ist ein reales Problem; das kann man nicht bestreiten. Die einfachste Lösung wäre, das einmal geordnet zu machen.
Meine Damen und Herren, noch einmal: Hätte sich die Landesregierung dem einfachen Vorschlag der Änderung der Rechtsverordnung zur Ausbildung nicht massiv entzogen, hätten Sie das vor einem Jahr einfach geregelt, dann hätte man diesen Gesetzentwurf nicht gebraucht. Durch unzureichendes Handeln der Landesregierung ist er notwendig geworfen. Deswegen ist er auch richtig; er stimmt mit den Forderungen und Empfehlungen der Betroffenen überein.
Deshalb appelliere ich an Sie, noch einmal in sich zu gehen, einen Moment zu überlegen und diese, wie ich finde, für das Land einfache und mit keinen Kosten verbundene Maßnahme durchzuführen. Wenn Sie sich dem weiterhin verweigern, wird man in Zukunft sehen müssen, wie man das anders hinbekommt. Dass aber die Mitgliedsbeiträge der Rettungsdienstorganisationen und die Spenden an die Rettungsdienstorganisationen dafür herhalten müssen, einen Missstand zu beseitigen, der mit wenigen einfachen Entscheidungen zu klären wäre, müssen Sie einmal den Leuten erklären, die sich an der Stelle einfinden. Wir können das nicht verstehen. Deshalb gehen Sie in sich und stimmen unserem Gesetzentwurf zu, dann haben Sie heute eine kluge und gute Tat getan. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einbringung eines neuerlichen Gesetzentwurfs ist erforderlich geworden, da wir an unserem eigenen Gesetzentwurf zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes, der bereits Anfang des Jahres eingebracht worden ist, selbst erhebliche Änderungen vornehmen wollten. Da wir über diese Änderungen keine Einigkeit erzielen konnten, möchten wir unseren Gesetzentwurf gern in der geänderten Form beraten wissen. Das werden wir im Ausschuss sicherlich tun und werden hier dann die abschließende Würdigung der unterschiedlichen Positionen in Ruhe wahrnehmen können. Deshalb erscheint uns eine inhaltliche Auseinandersetzung an dieser Stelle nicht zwingend erforderlich. Ich wollte aber doch erklären, warum es diesen Gesetzentwurf noch einmal gibt. – Vielen Dank.
Sehr verehrter Herr Kollege Dr. Bartelt, wenn es einer Demonstration bedurft hätte, dass Sie das Problem nicht nur nicht verstanden haben, sondern dass es Sie auch nicht interessiert, dann haben Sie sie uns gerade geliefert.
Lassen Sie mich einen Punkt anführen. Der ehemalige Lieblings-Sozialdemokrat der Union, Wolfgang Clement, hat als Erster die Bestimmung eingeführt, dass jedem unter 25-Jährigen das Angebot einer Ausbildung oder eines EinEuro-Jobs, also auf jeden Fall ein Angebot zu machen ist. Das ist keine Leistung der Union und auch keine Leistung dieser Landesregierung gewesen, Herr Kollege Dr. Bartelt.
Sie haben den Bundespräsidenten mit der Aussage zitiert, dass in diesem Land jedem ein Aufstieg möglich ist. Möglich ist er durchaus, Herr Kollege Dr. Bartelt,
das Problem ist aber, dass es nur außerordentlich wenigen gelingt. An dieser Stelle war Ihr Umgang mit der dualen Ausbildung geradezu eine Zumutung.
In Hessen nimmt die Zahl der dual ausbildenden Betriebe von Jahr zu Jahr ab. Das ist unterirdisch angesichts Ihrer desolaten Bildungspolitik, mit der Sie beim Bildungserfolg auch heute noch die soziale Differenzierung vorantreiben, anstatt sie abzuschwächen.
Die duale Ausbildung ist nämlich seit 50 Jahren – –
Die duale Ausbildung ist nämlich in Deutschland seit 50 Jahren der Weg, um die soziale Diskriminierung im Bildungssystem zu kompensieren und gerade denen, für die sich die Art und Weise, wie Schule stattfindet, nicht eignet, im praktischen Bezug die Integration in die Arbeit und damit in der Zukunft den eigenständigen Erwerb des Lebensunterhalts zu ermöglichen.
Herr Kollege Bartelt, deshalb ist der Zusammenhang unterirdisch, den Sie gerade an dieser Stelle herzustellen versucht haben.
Lassen Sie mich einen dritten Punkt ansprechen.
Ich komme zum Schluss. – Herr Kollege Bartelt, ich habe nachvollzogen, dass Sie nicht verstanden haben, wie das geht.
Damit stehen Sie nicht ganz allein. Aber, Herr Kollege Bartelt, ich erkläre Ihnen das gern noch einmal in Ruhe. Wenn Sie mit Vertretern von Handwerksbetrieben und mittelständischen Unternehmen reden und von ihnen erfahren, dass sie mit den Lehrlingen heute nicht mehr so gut zurechtkommen wie früher und Unterstützung dabei brauchen, sind gerade Sie als Sozialpolitiker aufgefordert, deutlich zu machen,
wie Sie ihnen bei dieser Aufgabe helfen wollen, anstatt jeden Versuch, das zu machen, als Kontrolle zu diskriminieren.
Nein, Herr Dr. Bartelt, Sie haben das Problem nicht verstanden.
(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU Vizepräsident Lothar Quanz: Herr Dr. Bartelt, Sie haben Gelegenheit zur Antwort. Bitte schön. (Peter Beuth (CDU): Sie haben das nicht gerettet! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie haben das versenkt!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Rolf, Glanztaten sehen anders aus – bei allem Respekt.
Ich wollte heute eigentlich gar nicht über die Geschichte reden. Aber einen Punkt kann man nicht unwidersprochen stehen lassen. Das ist die Historie. Natürlich stand keineswegs die Privatisierung alternativ zur Schließung des Universitätsklinikums Gießen.
Denn erstens, lieber Rolf Müller, kann man ein Universitätsklinikum nicht schließen.
Der Gedanke an sich ist abwegig. Die Erhaltung des Standorts Gießen wäre ohnehin unvermeidbar gewesen.
Zweitens. Lieber Rolf Müller, dass im Frühjahr 2003 300 Millionen € für Baumaßnahmen für Gießen ausgeschrieben wurden und im September diese Ausschreibung im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“
wieder eingesammelt wurde, war eine politische Entscheidung, keine zwangsläufige Entwicklung.
Die kann man treffen. Aber dafür muss man dann auch die Verantwortung tragen: dass man genau diese politische Entscheidung mit der absoluten Mehrheit der CDU getroffen hat.
Auch deshalb war es nicht zwangsläufig, dass der Standort Gießen stattdessen geschlossen worden wäre.
Dritter Punkt. Im Frühjahr 2006 erfolgte die Privatisierung wegen 260 Millionen € Baumaßnahmen plus der Partikeltherapie. Im Frühjahr 2007 legte die Landesregierung mit großem publizistischen Aufwand ein Hochschulbauprogramm in Höhe von 250 Millionen € pro Jahr und 3 Milliarden € insgesamt auf. Meine Damen und Herren, da wäre auch noch die neue Uniklinik Gießen unterzubringen gewesen.
Auch deshalb war es eine politische Entscheidung. Stehen Sie dazu. Aber behaupten Sie nicht, der Standort Gießen wäre unrettbar gewesen.
Stand Januar 2013 ist die Privatisierung der zuvor fusionierten Universitätsklinika Gießen und Marburg mithin kein Erfolgsmodell. Die Vorgänge am UKGM liefern vielmehr Argumente dafür, dass Hochschulmedizin eine öffentliche Aufgabe sein muss. Um neue Therapien wie die Partikeltherapie zu etablieren, bedarf es mehr Geduld, als es die Geschäftsmodelle der privaten Betreiber zulassen.
Ja, meine Damen und Herren, das sage nicht ich. Das schreibt das „Deutsche Ärzteblatt“ in seinem Editorial auf Seite 1 in der Ausgabe von morgen. Recht hat das „Deutsche Ärzteblatt“. Man kann über die Privatisierung von Krankenhäusern streiten. Dass die Privatisierung von Universitätsklinika ein Irrweg ist, ist erneut erwiesen.
Ein wesentlicher Baustein dieser Entscheidung war, das Land von investiven Aufgaben zu befreien, weil Private das vermeintlich besser können.
Jetzt muss jedes Jahr so viel Geld an investiven Mitteln da hineingebracht werden, dass man in the long run die ganzen Investitionen, wegen denen das Krankenhaus verkauft wurde, aus diesen Investitionszuschüssen hätte bezahlen können – kein Erfolgsmodell.
Vierter Punkt. Man gibt jetzt einen Zuschuss für die Tatsache, dass jemand zwei Standorte gekauft hat, weil man sieben Jahre später mit Überraschung feststellt: „Es sind tatsächlich zwei Standorte“. Oder war gedacht, einen aufzugeben? Meine Damen und Herren, doch wohl nicht. Der Grund war doch, dass gerade kein Standort aufzugeben ist. Weil man keinen Standort aufgeben will, muss man jetzt 3 Millionen € zusätzlich für den Aufwand von zwei Standorten bezahlen. – Meine Damen und Herren, nein, an der Stelle wird doch deutlich: Das Ganze hätte selbst ohne die Partikeltherapie nicht ohne Zuschüsse funktioniert.
Dann komme ich zum Moratorium. Lieber Rolf, du hast eben wieder gesagt: „Es gibt ein Moratorium.“ Nein, das gibt es nicht. Die Vereinbarung sagt etwas anderes. Die Vereinbarung ist da sehr, sehr eindeutig. Die Vereinbarung sagt: „Das Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH strebt ein Moratorium für den Zeitraum bis Ende 2014 an und erklärt sich bereit, Gespräche aufzunehmen.“ Das ist etwas völlig anderes als eine feste Zusage.
Das ist das Moratorium, das wir schon einmal hatten und was nichts wert war, weil null Stellenabbau, wenn es der Ministerpräsident verspricht, bedeutet: 250 Stellen sind futsch. – Das war das Ergebnis.
Meine Damen und Herren, selbst wenn man zu einem Moratorium käme: Vereinbart ist auch, dass dabei Effizienzsteigerung und Arbeitszeitverdichtung unter Berücksichtigung der Vorgaben von McKenzie beachtet werden sollen. Es kommt nicht auf die absolute Zahl von Stellen an. Es kommt auf die Relation zwischen patientennahem Personal und Patienten an. Genau diese Relation muss man festlegen. Das wissen wir inzwischen. Das ist nämlich der gefährliche Faktor. Das sagen die ärztlichen Leitungen am Universitätsklinikum Gießen und Marburg. Deshalb ist auch eine Leistungsverdichtung, wie sie hier vereinbart ist, genau keine Alternative.
Letzter Punkt. Die Behauptung, dass wir die Partikeltherapie aufgeben wollten, ist falsch.
Allerdings glaube ich, wenn man mit Aktiengesellschaften verhandelt, deren aktuelles Problem die Auswirkungen der Defizite des Universitätsklinikums Gießen und Marburg auf die Dividende ist, dann muss man deren Sprache sprechen. Dann hätte ich und hätten Sozialdemokraten angesichts der Vertragsbrüchigkeit zum 31.12.2012 tatsächlich 107 Millionen € geltend gemacht. Wenn die funktionstüchtige Anlage, die seit einem Jahr betrieben werden kann, von der die leitenden Ärzte sagen, sie hätten schon im November anfangen können – alles war fertig –, eines Tages betrieben wird, dann möge Rhön sie wiederbekommen.
Wer nur die Sprache des Geldes versteht, der muss den Schmerz so spüren. Vielleicht führt das endlich zur Einsicht, dass diese Anlage in Betrieb genommen werden muss, aber nicht solche butterweichen Vereinbarungen.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Es hilft alles nichts. Seit sechs Jahren und 364 Tagen bieten Thorsten Schäfer-Gümbel, die SPD-Fraktion und auch ich Ihnen an, gemeinsam die Probleme anzugehen, die Sie verursacht haben. Wenn jetzt tatsächlich das erste Mal der Ministerpräsident in der Pressemitteilung von Dienstag ein Angebot zur Kooperation gemacht hat, halten wir das allerdings für einen Fortschritt und sind sehr gespannt, ob man endlich darangehen wird, gemeinsam die Probleme anzugehen, die Sie geschaffen haben. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ein bisschen Mäßigung auf der Regierungsbank wäre hilfreich. Herr Ministerpräsident, die Blamage war schon groß genug.
Werfen wir einen Blick auf die Zahlen, die für Hessen vorliegen. Laut des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit hat in Hessen die Zahl der im Niedriglohnsektor Beschäftigten zwischen 1999 und 2010 von 14,4 auf 19,2 % zugenommen.
Das ist eine Steigerung um ein Drittel. Herr Ministerpräsident, bei dem Thema wäre ich ganz, ganz leise.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Ravensburg, das war wirklich ein beachtlicher Klimmzug, mit dessen Hilfe Sie uns eben erklären wollten, dass Gleichbehandlung Ungleichheit und irgendwie auch Nichtgleichheit bedeutet.
Ihren Hinweis auf den Mittelweg fand ich allerdings außerordentlich interessant. Herr Kollege Merz und ich haben uns die ganze Zeit überlegt, wie denn nun ihr Mittelweg bei der Besteuerung von Familien und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aussieht: Wahrscheinlich würde der Kompromiss darin bestehen, dass ein schwuler Mann eine lesbische Frau heiratet.
Tatsächlich ist die Besteuerung von Familien und Ehepaaren dringend überprüfungsbedürftig; denn unser Steuersystem beruht an dieser Stelle auf dem wirklich überholten Familienbild vom männlichen Haupternährer und der weiblichen Zuarbeiterin. Wenn Sie sich anschauen, wie junge Leute in diesem Land ihr Leben gestalten wollen, und wenn Sie nachlesen, was die verehrte Frau Staatssekretärin Müller-Klepper – leider ist sie nicht da – uns heute Morgen in der Presse über neue Väter und neue Familienstrukturen mitgeteilt hat, erkennen Sie, dass ein Steuersystem, das auf dem Bild vom männlichen Hauptverdiener und der weiblichen Nebenbeiarbeiterin beruht, aus der prähistorischen Mottenkiste stammt.
Dann braucht man – da kann ich auch den GRÜNEN nicht folgen – eine Reform des Ehegattensplittings, die Kinderund Familienzeiten, aber genauso Pflegezeiten adäquat berücksichtigt. Familie ist da, wo Menschen füreinander einstehen: für Jüngere oder für Ältere. Man braucht auch eine vernünftige Entlastung, was die Kinder betrifft, aber nicht über die Steuer; denn ein Chefarztkind ist, ehrlich gesagt, nicht mehr wert als das Kind einer Putzfrau.
Vielmehr brauchen wir ein neues, faires Kindergeld, das die Kinder gleich behandelt, sich steigenden Einkommen anpasst – es muss also insgesamt gestaffelt sein – und gerade bei armen Kindern für angemessene Korrekturen sorgt. Wir wissen, dass auch die letzte Reform des SGB II
an dieser Stelle auf größte verfassungsrechtliche Bedenken stößt. Da gäbe es allerdings eine Menge zu tun. Aber darum geht es hier gar nicht.
Was die Gleichbehandlung von homosexuellen und lesbischen Partnerschaften betrifft, kann man feststellen, die CDU befindet sich noch in den Fünfzigerjahren. Vielleicht kennen Sie diese hübsche Anekdote von Adenauer: An Adenauer wurde die Bitte herangetragen, er möge den Außenminister von Brentano entlassen; denn schließlich sei dieser homosexuell. Adenauer antwortete, er sehe dazu überhaupt keinen Anlass, bei ihm habe von Brentano es noch nicht versucht.
Diese Haltung – historisch heiter – weist vor allen Dingen auf eine Toleranz der Verdrängung ins Unsichtbare. So versuchen Sie mit letzter Kraft, die Bastionen der Fünfzigerjahre zu erhalten. Wenigstens bei der steuerlichen Behandlung sollen gleichgeschlechtliche Partnerschaften irgendwie noch einmal ins Abseits gedrängt werden. Meine Damen und Herren, Sie sind noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Das ist das eigentliche Problem.
Das ist doch der eigentliche Gegenstand der Debatte, abgesehen von der fiskalischen Erwägung. Da würde mich sehr interessieren, wie viele Fälle es nach der Einschätzung des Herrn Finanzministers in Hessen gibt, in denen homosexuelle Partner auf die Steuerklassen 3 und 5 kommen. Ich halte das für eine Rarität. Wie viele gleichgeschlechtliche Paare gibt es überhaupt, bei denen ein Partner arbeitet und den anderen vollständig versorgt? Das kommt gar nicht vor. Unter fiskalischen Aspekten ist das eine völlige Scheindebatte.
Deshalb sage ich: Es geht in der Union um einen Kulturkampf. Wenn man am Abgrund steht, werden auch die inneren Schlachten heftig. Genau das beobachten wir an dieser Stelle. Heute Morgen konnten wir eine Reihe von Beispielen dafür sehen.
Man könne feststellen, dass in der Union ein „konservatives Rebelliönchen“ gestartet ist, schreibt die „Zeit“, als Teile der Union an ganz vielen Stellen versuchen, wieder einen Rechtsruck in Gang zu bringen, in der Hoffnung, die Substanz irgendwie zu erhalten. „Fünf Herren mittleren bis gehobenen Alters, gekleidet in dunklen Zwirn mit farbenfroher Krawatte“ versuchen, die Union wieder auf Kurs zu bringen, weil sie Angst vor einer Sozialdemokratisierung ihrer Partei haben.
Allerdings hat sich der CDU-Parteitag einen Bärendienst erwiesen, als er zu genau dem Ergebnis kam. Das hatte eine ausschließlich symbolische Bedeutung. Um nichts anderes ging es. Es ging um die Frage, ob man in den konservativen Mief der Bonner Republik der Fünzigerjahre zurückwill oder ob sich die Union auf den Weg in eine moderne, zukunftsfähige Gesellschaft macht. Genau darum ging es.
Herr Dr. Wagner, meinen Glückwunsch: Diesmal hat es geklappt. Ob es Ihnen etwas nutzt, die Union zu einem Rechtsruck zu bewegen, sei dahingestellt. Roland Koch war es, der uns mit der Aussage beglückt hat, dass Konservative in der Union zwar nicht heimatlos, aber planlos seien. Das haben wir bei den Vorstellungen der Konzepte des Berliner Kreises auch gemerkt.
Meine Damen und Herren, wer die Großstädte verliert, wer eine innere Debatte darüber führen muss, ob er überhaupt noch dort vorkommt, wo man den Puls der Zeit spürt, und wer eine Landeshauptstadt nach der anderen und auch die Oberbürgermeisterpositionen verliert – die letzte Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt war außerordentlich „erfolgreich“; ich spreche dem Herrn Innenminister noch einmal mein herzliches Mitgefühl aus –, müsste anfangen, darüber nachzudenken, an welcher Stelle der gesellschaftlich-kulturellen Auseinandersetzungen er sich befindet. Das allerdings hat die Union verpasst.
Meine Damen und Herren, ich könnte mich jetzt darüber freuen, auf welchem Weg ins Abseits sich die Union befindet.
Aber der Verlust großer konservativer Volksparteien ist nicht ungefährlich. Das haben wir am Beispiel der Democrazia Cristiana in Italien gesehen.
Deshalb wünscht man sich eine Regeneration der konservativen Parteien. Man hofft, dass sie sich zusammenraufen und sich regenerieren. Die Opposition ist eine gute Zeit dafür. Ab dem nächsten Jahr haben Sie dazu Gelegenheit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wünschen Ihnen eine gute Genesung.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Konvention der Vereinten Nationen zur Sicherung der Rechte von Menschen mit Behinderungen ist ein Meilenstein auf dem Weg, Menschen mit Behinderungen von Anfang an gleichberechtigt in das gesellschaftliche Leben an allen Stellen einzubeziehen.
Der Aktionsplan der Landesregierung verhält sich dazu wie ein Kieselsteinchen, das von diesem Meilenstein übrig geblieben ist. Nein, meine Damen und Herren, lassen Sie uns feststellen: Es ist vielleicht ein Versuch, aber viel zu kurz gesprungen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle vorab feststellen, dass die Konvention der Vereinten Nationen die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen konkretisiert. Sie schafft gar nichts Neues, sondern sie ist eine Präzisierung dessen, was ohnehin Bestandteil der allgemeinen Menschenrechte ist und was das Grundgesetz in Art. 1 sehr konkret festgelegt hat. Daraus folgt, dass die gesellschaftlichen Bedingungen dafür geschaffen werden müssen, allen Menschen gleiche gesellschaftliche Teilhabe überall in diesem Land zu ermöglichen. Darum geht es.
Menschen sind nicht behindert, Menschen werden behindert. So formuliert es auch die Konvention, wenn sie feststellt, dass Behinderung entsteht, wenn Menschen mit Beeinträchtigungen auf einstellungs- oder umweltbedingte Barrieren stoßen, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilnahme am Gesellschaftsleben hindern.
Meine Damen und Herren, das betrifft alle Lebensbereiche. Nicht Menschen mit Behinderungen müssen sich anpassen – das Gemeinwesen muss sich anpassen, um diese Möglichkeit zu eröffnen.
Die Sozialpolitische Kommission der Friedrich-Ebert-Stiftung für Hessen hat sehr präzise formuliert, was unter Inklusion zu verstehen ist. Inklusion bezieht sich auf alle Aspekte von Verschiedenheit und geht damit letztendlich weit über den Begriff der Arbeit für Menschen mit Behinderungen hinaus. Denn die Behinderung selbst stellt immer nur einen Subaspekt dar.
Integration zielt primär auf Behinderung und darauf, wie eine Exklusion wieder zu überwinden ist. Inklusion will dagegen Menschen mit Behinderungen von vornherein Zugang und Teilhabe an allen relevanten Punkten ermöglichen. Deshalb ist letztendlich der Begriff der Inklusion weit mehr als ein Bestandteil der Behindertenpolitik. Er ist ein gesellschaftliches Leitbild, das die Teilhabe aller Menschen an allen Errungenschaften unserer Gesellschaft in unserer Zeit ermöglichen sollte. Er ist viel mehr als nur Behindertenpolitik.
Meine Damen und Herren, wie bekommt man das? Demokratie und Inklusion haben viel gemeinsam. Sie sind nie da. Man muss sie lernen. Man muss ein passendes Bewusstsein entwickeln. Sie müssen täglich neu erarbeitet werden, weil natürliche Trägheiten ihnen entgegenstehen. Sie sind nicht durch einen Federstrich oder einen Aktionsplan umgesetzt, sondern sie können nur kooperativ und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Nur so entsteht Inklusion, weil wir wie beim demokratischen Bewusstsein
beim inklusiven Bewusstsein eine gesellschaftliche Grundauffassung brauchen.
Das alles muss man tun, aber genau das tut die Landesregierung leider nicht. Das beste Beispiel, wo ein unmittelbares Handeln so einfach, so bequem und so unaufwendig möglich wäre, ist das Hessische Gleichstellungsgesetz, bei dem die Landesregierung weiterhin jede Initiative verweigert, die Geltung des Rechts auf Barrierefreiheit auch auf die kommunale Seite auszudehnen.
Lassen Sie mich an der Stelle sehr deutlich sagen: Das hat auch nach dem Urteil zur Mindestverordnung gerade nichts mit der Konnexität zu tun, weil wir nicht über eine neue Auflage reden, sondern über eine Konkretisierung geltenden Rechts,
das die Kommunen ohnehin einhalten müssen. Nur weil sie sich an die schlüssigen Folgerungen aus der Menschenwürde und der UN-Behindertenrechtskonvention nicht immer angemessen halten, ist landesgesetzgeberisches Handeln gefordert. Sie kämen auch nicht auf die Idee, dass die Einführung von Brandmeldern in öffentlichen Gebäuden ein Gegenstand der Konnexität wäre, sondern das ist sachlich geboten.
Meine Damen und Herren, wenn der Inklusionsgedanke handlungsleitendes Recht ist, dann ist auch die Lösung über Modellprojekte hier, da und dort keine adäquate Antwort auf die Anforderungen, die die UN-Behindertenrechtskonvention an uns stellt. Denn es geht gerade nicht um Modelle, mit denen man einmal etwas ausprobiert, sondern darum, handlungsleitendes Recht in allen Lebensbereichen umzusetzen.
Das Thema inklusive Schule hatten wir hier hinreichend und oft genug. Lassen Sie mich feststellen: Hier werden ganz sicherlich nicht die gebotenen Unterstützungen durch die Landesregierung bereitgestellt, die nötig wären, um eine inklusive Schule zu schaffen, die jedem Kind Wahlrecht in Bezug auf den Schulbesuch eröffnet, die allen Eltern die Möglichkeit eröffnet, selbst zu entscheiden, unter welchen Bedingungen, in welcher Schule ihr Kind erzogen werden soll. Davon ist die Landesregierung weit entfernt.
Es fehlt jede konkrete Sozialraumorientierung in den Überlegungen der Landesregierung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf die Sozialpolitische Kommission zurückkommen, die feststellt: Gerade die kleinräumigen Stadtquartiere haben den direkten lebenswirklichen Einfluss auf das soziale Handeln und sind für die sozialen Ressourcen und Teilhabemöglichkeiten von Menschen von besonderer Bedeutung.
Gerade die Individualisierung des Ansatzes der Landesregierung, die nur auf die Menschen mit Behinderungen als Einzelne zielt und gerade nicht die strukturellen gesellschaftlichen Aspekte berücksichtigt, verkennt die Bedeutung des unmittelbaren Sozialraums für die Inklusion. Deshalb gibt es auch hier erheblichen Handlungsbedarf.
Nein, meine Damen und Herren, der Aktionsplan der Landesregierung hat keine Vision, kein Leitbild, kein Pro
zessverständnis, und genau daran krankt er. Denn wer nicht weiß, wo er hin will, tut sich schwer, den Weg zu finden.
Dieser Aktionsplan kann deshalb zu jedem Zeitpunkt nur Entwurf sein, nicht nur weil Inklusion eine dauerhafte Herausforderung und ein ständiger Prozess ist, sondern weil ihm auch gerade an dieser Stelle Klärungen der Zieloptionen fehlen. Genau deshalb muss daran unmittelbar weitergearbeitet werden.
Dem steht übrigens die Konkretisierung durch operationalisierte Ziele – die fehlen dem Aktionsplan leider auch – überhaupt nicht im Weg. Nötig wäre, konkrete operationale Ziele in den Blick zu fassen, deren erfolgreiche Erreichung tatsächlich überprüfbar werden kann. Warum hat die Landesregierung so viel Angst davor, einen Plan vorzulegen, an dem man in ein paar Jahren einmal schauen kann, wie weit wir von den vorgeschlagenen Schritten im Hinblick auf Inklusion gekommen sind? Nicht ohne Grund nennt der VdK-Vorsitzende in Hessen-Thüringen den Aktionsplan der Landesregierung einen zahnlosen Tiger. Recht hat Herr Schlitt.
Oder die Inklusion im Arbeitsmarkt. Auch hier gibt es einen erheblichen, einen massiven Handlungsbedarf, weil schon die wenigen zur Verfügung stehenden Optionen, konsequent dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt unter Bedingungen Arbeit finden, die ihnen entsprechen, ihnen nicht angemessen zur Seite stehen. Unbestritten erfüllt die Landesregierung die vorgesehenen Quoten mehr als erforderlich. Alles andere wäre auch kaum zu ertragen, wenn das Land an dieser Stelle nicht mit gutem Beispiel voranging.
Dennoch hat die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten in den letzten fünf Jahren um 30 % zugenommen. Dennoch haben 60 % der privaten Arbeitgeber überhaupt niemand mit Schwerbehinderung beschäftigt. Dennoch wird die Quote mit 4,4 % deutlich unterschritten.
Meine Damen und Herren, eine Frage, an der dringend zu arbeiten wäre, ist die Frage der Rehabilitationskompetenz für die SGB-II-Bezieher, die in keiner Weise geregelt ist und womit Chancen vertan werden, Menschen zurück in Arbeit zu bringen, die viel helfen könnten. Nötig wäre die Option zur Beteiligung und Selbstinteressenwahrnehmung der Betroffenen, d. h. eine Ausstattung der Selbsthilfe, die Verhandlungen auf Augenhöhe mit anderen Akteuren ermöglicht.
Wir sind meilenweit davon entfernt, dass die Vertretung von Menschen mit Behinderung die Interessen von Menschen mit Behinderung nicht nur wahrnehmen darf, sondern auch wahrnehmen kann. Darauf kommt es an.
Nötig ist eine Regelung, die den Aktionsplan zu einem kontinuierlichen Prozess macht und die unter Integration der Fachkundigen wie der Selbsthilfe und der Betroffenen einen kontinuierlichen Diskurs über Weiterentwicklung auf Ziele hin ermöglicht, die allerdings erst noch zu formulieren wären.
Ich komme zum Schluss. – Das mangelnde Interesse der Landesregierung und ihr fehlendes Engagement, ihre Verweigerung klarer prüfbarer Ziele und ihre Angst vor der Messung, ihre Angst vor every space politics, ist eigentlich nicht nur unangemessen. Sie ist auch töricht. Menschen mit Behinderung bieten dieser Gesellschaft Potenziale, die nicht zu nutzen eine Verschwendung ist, die wir uns auch gar nicht leisten können. – Vielen Dank.
Herr Kollege Utter, würden Sie mir zustimmen, dass genau an dieser Stelle das Problem des Aktionsplans deutlich wird: wenn die Bundesregierung im Jahr 2010 – eine CDU/FDP-geführte Bundesregierung – feststellt, dass der Aktionsplan alle öffentlichen Stellen zur Formulierung aller bürgerrelevanten Informationen, insbesondere von Bescheiden etc., in leichter Sprache verbindlich macht und der gerade eben ausgesprochene Appell zwar überaus löblich und ehrenwert ist,
aber an der Sache vorbeigeht, weil die Landesregierung bei ihren gesamten Publikationen dafür sorgen müsste,
dass sie in leichter Sprache sind?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Staatsminister, aus Ihrem Beitrag kann man vor allen Dingen eines schließen: dass Sie offenkundig schon seit Langem mit keinem Betroffenen mehr geredet haben. Sonst wäre es Ihnen nämlich nicht völlig unbekannt, in welchem Ausmaß ihr Aktionsplan in den Reihen der Betroffenen kritisiert worden ist.
Tatsächlich war die Kritik der Verbände massiv und umfassend. Sie sind nur höflich genug, das in nette Worte zu kleiden. Aber, Herr Staatsminister, möglicherweise kommt das dann bei Ihnen nicht an.
Tatsache ist, dass Sie, nachdem Sie endlos lange gebraucht haben, um der Aufforderung des Landtags nachzukommen – Sie haben selbst darauf verwiesen –,
den Betroffenen gerade einmal ein paar Tage Zeit geben wollten, um auf Ihren Entwurf zu reagieren. Erst ein Antrag der SPD-Fraktion hat Sie dazu gebracht, den Leuten so viel Luft zu geben, dass sie das, was sie zu kommentieren hatten, ins Reine schreiben konnten.
Herr Staatsminister, das ist gerade im Umgang mit diesem Problem ein fragwürdiger Stil. Aber es entspricht dem Stil dieser Landesregierung, in Fragen der Sozialpolitik par ordre du mufti vorzugehen,
und es entspricht auch dem Stil dieser Landesregierung, die Betroffenen vor vollendete Tatsachen zu stellen, also gerade nicht mit denen zu reden, um die es geht oder die sich da engagieren. Herr Staatsminister, ich bin nicht derjenige, der auf der VdK-Jahreshauptversammlung Pfiffe erntet.
Herr Staatsminister, ausgerechnet der Erfinder der „Operation düstere Zukunft“ hat sich an dieser Stelle herausgenommen, das Sozialbudget zu kritisieren.
Das zeigt wieder einmal, dass Sie für die Aufgabe, die man Ihnen bedauerlicherweise übertragen hat, völlig ungeeignet sind,
weil Sie – jetzt komme ich zum Schluss – einen wesentlichen Gesichtspunkt nicht verstanden haben. Ich habe vorhin versucht, Ihnen zu erklären – es ist offenkundig nicht angekommen –,
dass der Umgang mit und die Inklusion von Menschen mit Behinderungen eine Frage der Sozialraumorientierung und des Umfelds ist und dass deshalb eine Vielzahl von Maßnahmen ineinandergreift. Herr Staatsminister, bei allem Respekt: In einem solch großen und reichen Land wie Hessen, auf dessen wirtschaftliche Erfolge Sie so gern verweisen – sie haben zwar nichts mit dieser Landesregierung zu tun, sind aber ohne Zweifel vorhanden –,
rühmen Sie sich dafür, dass Sie zur Bewältigung der wirklich beachtlichen Herausforderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen eine Stabsstelle einrichten und 1 Million € im Haushalt bereitstellen. Herr Staatsminister, an Ihrer Stelle würde ich das schamhaft verschweigen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe den Verlauf dieser Debatte mit großem Interesse verfolgt, insbesondere die hohe Bedeutung, die an dieser Stelle kirchenpolitischen Fragen zugestanden wurde.