Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die Sitzung des Hessischen Landtags eröffnen – mit der Bitte, dass Sie mir Ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit widmen.
Erlauben Sie mir, zu Beginn der Sitzung einige Anmerkungen zum 65. Verfassungstag zu machen, der sich am 1. Dezember jährte, an dem vor 65 Jahren die Volksabstimmung zur Hessischen Verfassung stattfand.
Die Annahme dieser Verfassung bedeutete den Beginn der demokratischen Entwicklung Hessens. In besonderem Maße stand die Verfassungberatende Landesversammlung unter dem unmittelbaren Eindruck der nationalsozialistischen Diktatur und der Schrecken und Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges. Auch insofern ist unsere Verfassung ein Zeugnis von besonderem historischem Rang. Zudem war die Hessische Verfassung eine der Grundlagen für den Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland entwarf, das im Mai 1949 letztendlich in Kraft trat.
Die Verfassung des Landes Hessen ist bis heute das rechtliche und moralische Fundament für alle Hessinnen und Hessen, ganz unabhängig davon, dass es Bestimmungen gibt, die durch das Grundgesetz aufgehoben bzw. verändert worden sind. Die Geschichte unseres Bundeslandes nahm ihren offiziellen Anfang mit dem Volksentscheid über diese Verfassung. Die rechtshistorische Betrachtung dieser Verfassung, ihre politische Betrachtung, auch die der Protokolle der Verfassungberatenden Landesversammlung und der Debatten in den Anfangsjahren des Hessischen Landtags sind nicht nur Akte der Erinnerung, sondern vor allem des Verstehens, was das barbarische Gestern war, welchen Wert das demokratische Heute hat und wie wichtig dies für das demokratische Morgen ist.
Wenn Hessen den 1. Dezember als einen Verfassungstag feiert, so ist dies in weiten Teilen unserer Bevölkerung ein eher unbemerktes Ereignis. Gäbe es nicht die von Georg August Zinn gestiftete Wilhelm-Leuschner-Medaille, gäbe es wohl kaum eine Erwähnung, sieht man von der Beflaggung öffentlicher Gebäude an diesem Tag einmal ab, die – auch das ist ein Stück Wahrheit –, wenn sie bemerkt wird, wohl in den meisten Fällen zu der Frage führt, weshalb eigentlich geflaggt sei. Dies ist keine zufriedenstellende Erkenntnis, aber auch keine neue. Ich glaube, dass diese Erkenntnis nach Antworten auf die Frage ruft, was zu tun wäre, um Verfassungsbewusstsein und, damit verbunden, auch Hessen-Identität zu wecken.
Ich will dazu sagen: Zum einen glaube ich, dass der Hessische Landtag, also wir, dessen erste Wahl zeitgleich mit der Volksabstimmung über unsere Verfassung vollzogen wurde, durch einen jährlich durch die Städte Hessens wandernden Festakt zum Verfassungstag beispielhaft vorangehen könnte.
Zum Zweiten halte ich unsere Schulen für einen, wenn nicht d e n geeigneten Ort, den Verfassungstag angemessen in das Schuljahr einzubauen. Schule, das sind Schülerinnen und Schüler, das ist die Lehrerschaft, das sind die Eltern, das sind die Schulträger, die Gemeinden, die Städte, die Kreise, das ist unser Land, das sind letzt endlich wir alle. Ich rege an, den 1. Dezember an unseren Schulen jährlich landesweit zu einem Projekttag Hessen zu ma
Meine Damen und Herren, auch der Hessische Landtag hat am 1. Dezember Geburtstag gefeiert, er ist 65 Jahre alt geworden; ich hatte es bereits erwähnt. Dass wir in unserer Geschichte fest verankert sind, verspüren auch wir immer wieder.
Am 6. Dezember hat sich der Ältestenrat im Rahmen der ersten Stellungnahme einer Historiker-Arbeitsgruppe mit der Frage beschäftigt, wie wir als Parlament damit umgehen, dass nunmehr aktenkundig ist, dass über 70 frühere Abgeordnete dieses Landtags als Mitglieder in der NSDAP eingeschrieben waren. Dass wir an dieser Stelle auf Vorschlag der Historiker weiter forschen wollen, ja müssen, war einmütiger Konsens im Ältestenrat. Dass es dabei auch und vor allem darum geht, ob und wie die Betroffenen am demokratischen Aufbau unseres Landes mitgewirkt haben, trotz der früheren Mitgliedschaft in der NSDAP, und ob deren eigene, persönliche Geschichte Einfluss auf unser Gemeinwesen bzw. seine Entwicklung genommen hat, wurde auch im großen Konsens festgestellt. Dieser Konsens, auch im Hinblick auf die Sensibilität des Themas, auf die Pflicht zur Transparenz und die Klarheit der Ergebnisse, bedeutet weiter forschen. Dies ist nach Auffassung des Ältestenrats eine korrekte und angemessene Grundlage zur Befassung mit diesem Thema.
Meine Damen und Herren, Geschichte hört nie auf, zu wirken. Dies erleben wir immer wieder. Auch in diesen Tagen, in denen wir mit einer Mordserie rechtsextremistischer Täter konfrontiert werden, stehen wir beschämt vor dieser Tatsache, und es stellen sich uns viele Fragen. Sie stellen sich nicht zuletzt auch deshalb besonders intensiv, weil wir eben unsere Geschichte haben, nur diese und sonst keine andere. Wir müssen dies nicht erst erkennen; das ist so.
Diese unsere Geschichte muss vor allem in unseren Köpfen eingebrannt sein, die wir als Abgeordnete der ersten Staatsgewalt, als Mitglieder der Regierung und damit der zweiten Staatsgewalt und als Verantwortungsträger der dritten Staatsgewalt in besonderem Maße zur demokratischen Bewusstseinsbildung beizutragen haben. Die dazu gegebenen und in der Verfassung unseres Bundeslandes und dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland grundgelegten und daraus abgeleiteten Regeln sind nicht nur Maßstab oder Orientierung; sie sind gesetzt und von jedem zu achten und von jedem zu leben. Im Rechtsstaat ist kein Platz für eigensinnige oder beliebige Rechtsauslegungen und Regelauslegungen. Wäre es anders, wäre es kein Rechtsstaat.
Meine Damen und Herren, der 65. Jahrestag des Bestehens unserer Verfassung und des Zusammentretens des ersten Hessischen Landtags nach der Wahl vom 1. Dezember waren mir Anlass, einige Anmerkungen zu machen. Mit dem Alter 65 verbinden viele in unserem Land immer noch den Tag des Ausscheidens aus dem Berufsleben, also den Beginn der Rente. Für unsere Verfassung gilt dies nicht, im Gegenteil. Jeder 1. Dezember ist ein neuer erster Geburtstag, also am Ende doch ein Tag der Freude. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, ich komme nun zur Besprechung der Tagesordnung vom 6. Dezember 2011 sowie eines Nachtrags vom heutigen Tag mit insgesamt 53 Punkten.
Wie Sie dem Nachtrag zur Tagesordnung mit den Tagesordnungspunkten 46 bis 50 entnehmen können, sind fünf Anträge betreffend eine Aktuelle Stunde eingegangen. Das ist der Teil, den wir am Donnerstagmorgen um 9 Uhr besprechen, entsprechend unserer Geschäftsordnung mit fünf Minuten Redezeit pro Aktueller Stunde. Kein Widerspruch? – Dann verfahren wir so.
Eingegangen und verteilt ist noch ein Dringlicher Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle gegenüber der Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz, Drucks. 18/5061. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Gesetzentwurf Tagesordnungspunkt 54. Redezeit: 7,5 Minuten je Fraktion.
Dann nehmen wir es nicht auf. Ihr habt es beantragt. Wir nehmen es auf und schieben es dann, okay? – Also, es wird als Tagesordnungspunkt 54 eingetragen, und wir werden es hinterher bearbeiten. Hier steht zwar „interfraktionell“, aber ich muss ein formelles Verfahren einhalten. Noch der Hinweis, dass wir es im Januar-Plenum beraten.
Ebenfalls noch eingegangen und verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend europäische Finanzkrise wirksam bekämpfen, Drucks. 18/5064. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 55 und kann mit Tagesordnungspunkt 41 zu diesem Thema aufgerufen werden. Dem widerspricht niemand? – Dann verfahren wir so.
Der nächste Antrag ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Fluglärm reduzieren – Nachtruhe sichern – „Wortbruch“ beenden; Rücknahme des Revisionsantrags jetzt, Drucks. 18/5065. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir bejahen, wie wir es durch Kopfnicken bereits signalisiert haben, die Dringlichkeit. Wir halten das Thema aber für so bedeutsam, dass wir es gerne heute beraten würden. Ebenfalls verteilt oder in der Verteilung begriffen ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP zu demselben Thema. Wie gesagt, wir bejahen die Dringlichkeit und sollten das heute nach den mündlichen Fragen der Fragestunde behandeln.
Herr Präsident! Wir dürfen uns ganz herzlich für die Bejahung der Dringlichkeit bedanken. Allerdings können wir nicht über Anträge bescheiden, die hier nicht vorliegen. Der Antrag von CDU und FDP liegt nicht vor. Insofern geht dieser Verfahrensvorschlag von Herrn Bellino rein formal erst einmal nicht in Ordnung. Unser Vorschlag wäre, den Antrag und den dann vielleicht auch vorliegenden Antrag von CDU und FDP nach den ohnehin für Donnerstag beantragten Aktuellen Stunden zu diesem Thema aufzurufen.
Es gibt einen Antrag von Ihnen. Der Vorschlag von Herrn Bellino lautet – unabhängig von seinen sonstigen Bemerkungen –, diesen Antrag nach der Fragestunde aufzurufen. Das lehnen Sie ab?
Ich frage bewusst, weil ich es verstehen will. Dass die anderen Anträge von mir nicht mit aufgerufen worden sind, kann man im Protokoll nachlesen. Es geht nur um Ihren Antrag. Deswegen haben Sie jetzt mitgeteilt, Sie wollen ihn am Donnerstag aufrufen, nicht heute nach der Fragestunde. – Herr Kollege Rudolph.
Herr Präsident! Mit Verwunderung nehmen wir zur Kenntnis, dass, als wir heute Morgen noch einmal die Tagesordnung beraten haben, CDU und FDP kein Wort gesagt haben. Wir haben auch gemeinsam über den Ablauf des Plenums geredet, wie es üblich ist. Dass die Fraktionen so etwas beantragen können, ist unstrittig. Wenn man sich aber nicht mehr an Absprachen hält, ist das sicherlich ein schlechter Stil.
Wenn CDU und FDP das wollen, nehmen wir das zur Kenntnis. Wir sprechen uns dafür aus, bei der vorgesehenen Tagesordnung, wie vom Ältestenrat in der letzten Woche beschlossen und heute in der Geschäftsführerrunde bestätigt, zu verbleiben.
Herr Präsident! Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass heute Morgen der Antrag der GRÜNEN natürlich nicht bekannt war, Herr Kollege Rudolph; insofern müssen wir nicht in ein kollektives Gejammer verfallen, sondern wir beraten jetzt Anträge. Es liegt ein Antrag auf dem Tisch. Die Fraktionen von CDU und FDP haben gerade einen Antrag ausgefertigt, der in den nächsten drei Minuten verteilt wird. Deshalb bleiben wir dabei, dass das heute beraten wird.
Ja, aber wir können das auch jederzeit noch einmal aufrufen. Frau Kollegin Fuhrmann, wenn so wenig Vertrauen herrscht, dass Sie uns nicht glauben, dass gleich ein Antrag von uns kommt, dann weiß ich es auch nicht. Gehen Sie davon aus, dass Kollege Wagner und ich gewusst haben, was wir unterschreiben, als wir gerade unterschrieben haben, und dass wir davon ausgehen, dass die Kopierer in diesem Haus in der Lage sind, uns in drei Minuten etwas auf den Tisch zu bringen.
Es bleibt dabei, dass wir es gern heute beraten würden. Den GRÜNEN war das Thema so wichtig, einen Dringlichen Antrag zu stellen. Das nehmen wir gerne auf. Wir wollen das Thema gerne heute mit den GRÜNEN beraten.
Ich stelle erst einmal fest, was Sachlage ist. Noch einmal: Wir haben hier bislang eine Regelung – ich kenne es nicht anders –, nach der Tagesordnungs- bzw. Geschäftsordnungsdebatten nur eine Meldung pro Fraktion beinhalten. Wenn ein Konsens besteht, das zu erweitern, liebend gern. – Okay, dann erweitere ich, wenn es keinen Widerspruch gibt. Herr Blum.
Herr Präsident! Es wurde gerade gesagt, dass wir das einvernehmlich hinbekommen wollen. Wir sind sozusagen noch in der Phase der Bejahung der Dinglichkeit des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie seiner Einordnung in die Tagesordnung. Es ist schon gesagt worden, dass derzeit ein Antrag von CDU und FDP im Umdruck und der Verteilung begriffen ist. Der kommt also noch dazu.
Der Kollege Bellino hat deutlich den Wunsch geäußert, dass wir das Thema heute nach der Fragestunde behandelt wissen wollen. Insoweit beantrage ich für die Fraktionen von CDU und FDP, dass der Dringliche Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dessen Dringlichkeit wir gerne mit bejahen, heute nach der Fragestunde aufgerufen wird. Sollte bis dahin der Antrag von CDU und FDP auch vorliegen und verteilt sein – davon gehe ich stark aus –, können wir ihn damit verbinden; denn auch über den muss noch hinsichtlich seiner Behandlung beraten werden.
Es bleibt ein ungewöhnlicher Vorgang, dass nicht antragstellende Fraktionen sagen, wie mit den Anträgen von antragstellenden Fraktionen umgegangen werden soll, aber bitte sehr. Ich gehe davon aus, dass wir uns dann angesichts der Wichtigkeit des Themas auf eine Redezeit von 7,5 Minuten verständigen können, wie es auch bei den Ak