Protocol of the Session on April 28, 2010

Meine Damen und Herren, liebe Gäste auf der Tribüne! Herzlich willkommen im Hessischen Landtag. Ich eröffne die 42. Plenarsitzung und stelle die Beschlussfähigkeit fest.

Die Fraktionen waren fleißig.Es gibt eine Menge weiterer Dringlicher Anträge und Dringlicher Entschließungsanträge. Ich darf sie Ihnen vortragen und um entsprechende Einordnung in die Tagesordnung bitten.

An Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Bürgerproteste ernst nehmen – Biblis abschalten, Drucks. 18/2276. Die Dringlichkeit wird bejaht? – Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 63 und könnte nach Tagesordnungspunkt 49 zu diesem Thema aufgerufen und ohne Aussprache abgestimmt werden. – Ich sehe Konsens.

Es ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Universitätsklinikum Gießen-Marburg – Verschlechterung der medizinischen Versorgung verhindern, Drucks. 18/2277, eingegangen. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall.Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 64 und mit Tagesordnungspunkt 33 zum gleichen Thema aufgerufen werden. – Auch das haben wir im Konsens beschieden.

Weiterhin ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Schutzauftrag ernst nehmen – Projekte für Opferschutz flächendeckend ausbauen – Finanzierung sicherstellen, Drucks. 18/2278, eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt.Wird die Dringlichkeit bejaht? – Auch hier ist das der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 65 und könnte mit Tagesordnungspunkt 34 zu dem gleichen Thema aufgerufen werden. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.

Des Weiteren ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend gesundes und preiswertes Schulessen für alle Schülerinnen und Schüler, Drucks. 18/2279, eingegangen. Wird auch hier die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall.Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 66 und könnte mit den Tagesordnungspunkten 25 und 59 aufgerufen werden. – Auch darüber besteht Konsens.

Des Weiteren ist ein Dringlicher Antrag der Abg. Frankenberger, Grumbach, Siebel, Warnecke, Waschke (SPD) und Fraktion betreffend Weiterbau der A 44 durch verstärkte Anordnung von Sofortvollzug forcieren, Drucks. 18/2280, eingegangen. Wird auch hier die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 67 und könnte mit Tagesordnungspunkt 37 zu dem gleichen Thema aufgerufen werden. – Auch hier vernehme ich Konsens.

Außerdem ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Ausbau des Verkehrslandeplatzes Kassel-Calden – ein wichtiger Baustein für das wirtschaftliche Fundament der Region Nordhessen – Nutzungskonzept entwickeln – Partner integrieren, Drucks. 18/2281, eingegangen. Wird auch hier die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 68 und könnte mit den Tagesordnungspunkten 24 und 36 zu dem gleichen Thema

aufgerufen werden. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann haben wir dies ebenfalls so beschieden.

Es gibt einen weiteren Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend kein Wortbruch der Landesregierung bei der Umsetzung der Verordnung über die Mindestvoraussetzungen in Kindertagesstätten, Drucks. 18/2284. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Auch hier ist dies der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 69 und könnte nach Tagesordnungspunkt 52 zu diesem Thema aufgerufen und ohne Aussprache abgestimmt werden. So lautet der Vorschlag. – Ich sehe dagegen keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Abschließend ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Tierversuche auf das unvermeidbar Notwendige beschränken – Alternativen fördern – EU-Tierversuchsrichtlinie nachbessern, Drucks. 18/2285, eingegangen. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 70 und könnte mit Tagesordnungspunkt 20 aufgerufen werden. – Ich sehe dagegen keinen Widerspruch. Dann haben wir es so beschieden.

Ich weise darauf hin, dass die Tagesordnungspunkte 1 bis 8 und 10 erledigt sind.

Zum Ablauf der Sitzung. Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Beratung von Opfern des SED-Regimes in Hessen weiter verbessern, Drucks. 18/2178.Danach folgt Tagesordnungspunkt 27:Antrag der Fraktion der SPD betreffend Steuerkonzept der FDP belastet Normalverdiener und treibt Land und Kommunen in den Ruin, Drucks. 18/2236. Der erste Antrag war der Setzpunkt der CDU-Fraktion, der zweite Antrag der der SPD-Fraktion. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 37, Drucks. 18/2246.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass heute Herr Staatsminister Jörg-Uwe Hahn ganztägig, Herr Staatsminister Karlheinz Weimar nachmittags und Herr Abg. Norbert Schmitt – er ist erkrankt – während des gesamten Plenums entschuldigt fehlen.

(Günter Rudolph (SPD): Er ist auf Delegationsreise!)

Das stimmt, er ist in China.

(Zuruf:Vielleicht ist er in China erkrankt!)

Nein, ich hoffe nicht für ihn, dass er in China erkrankt ist.Auf meinem Sprechzettel steht leider, dass er erkrankt ist. Ich wünsche ihm natürlich, dass er sich in China bester Gesundheit erfreut und dass es ihm gut geht.

Meine Damen und Herren, Sie finden an Ihren Plätzen den Terminplan des Hessischen Landtags für das Jahr 2011 vor.

Ich wünsche der Fußballmannschaft des Hessischen Landtags für ihr Spiel gegen die „Weinelf“ in Eltville das Gleiche, was gestern Abend dem FC Bayern München gelungen ist, nämlich ein Sieg.

(Allgemeiner Beifall)

Der Untersuchungsausschuss 18/2 tagt heute Abend nicht öffentlich im Anschluss an die Plenarsitzung gegen 18 Uhr in Sitzungsraum 501 A.

Meine Damen und Herren, ich habe heute eine angenehme Pflicht zu erfüllen. Zu einem wunderbaren Geburtstag darf ich Herrn Kollegen Peuser gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Kollege Peuser, ich übermittle Ihnen alle guten Wünsche des Hohen Hauses zu Ihrem runden Geburtstag. Ich habe mir von einem Kollegen sagen lassen, dass sich die Anzahl der Mitglieder der Gruppe der Ü70 nunmehr verdoppelt hat.

(Horst Klee (CDU): Jawohl! Sehr gut!)

Bisher war es ein Geheimnis. Nun ist es gelüftet. Sie sind somit der zweite Kollege, der die 70 erreicht hat. Ich wünsche Ihnen nochmals alles Gute und ein gutes Jahrzehnt.

(Schriftführer Abg.Alexander Bauer überreicht ei- nen Blumenstrauß.)

Meine Damen und Herren, wir kommen, wie soeben schon mitgeteilt, zu dem Tagesordnungspunkt 21:

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Beratung von Opfern des SED-Regimes in Hessen weiter verbessern – Drucks. 18/2178 –

Es ist zwar der Setzpunkt der CDU-Fraktion, aber es ist verabredet, dass Frau Kollegin Schulz-Asche mit der Aussprache dazu beginnt. Sie haben das Wort und zehn Minuten Redezeit. Bitte sehr, Frau Kollegin.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! 20 Jahre nach der friedlichen Revolution und der Beseitigung des SEDUnrechtsregimes müssen wir feststellen, dass die Aufarbeitung des SED-Unrechts immer noch nicht abgeschlossen ist. Es gibt keine genauen Zahlen über die Opfer des Regimes, die zwischen 1945 und 1989 von staatlicher Seite aus verfolgt, misshandelt, gefoltert und getötet wurden. Die Schätzungen schwanken zwischen 170.000 und 280.000 Menschen, und auch von den im Zeitraum der DDR geflohenen 4 Millionen Menschen waren viele Opfer staatlicher Willkür.

Verfolgt wurden Andersdenkende und Republikflüchtige durch subtile Methoden psychischer Folter.

Viele Menschen wurden ohne Gerichtsverfahren in Gefängnisse verschleppt. Viele Jugendliche wurden in spezielle Erziehungsheime oder Jugendwerkhöfe eingewiesen. Viele der heutigen Opfer waren, als sie damals unter dieser Willkür litten, noch minderjährig. Oft hörten sie nur falsche Musik, sie waren unangepasst oder kamen aus schwierigen sozialen Milieus. Jugendliche, die zu DDRZeiten vom sozialistischen Persönlichkeitsbild abwichen, wurden als schwer erziehbar eingestuft und in eines der 38 Spezialkinderheime oder in einen von 32 Jugendwerkhöfen eingewiesen.Als schwer erziehbar eingestufte Jugendliche sollten sie dort umerzogen werden.

Diese sogenannte Heimerziehung in der DDR wird jetzt aufgearbeitet. Doch der Aspekt des sexuellen Missbrauchs oder der Misshandlung spielte bislang in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle. Erst die aktuelle Debatte über sexuellen Missbrauch in Heimen in der Bundesrepublik Deutschland hat dazu geführt, dass viele aus diesen Heimen jetzt den Mut finden, Anzeige zu erstatten.

Meine Damen und Herren, es gibt sehr viele Studien über die seelischen Folgen von politisch Verfolgten. Diese Folgen sind nicht so offensichtlich wie die körperlichen Folgen, die in der Haft oder durch Foltermethoden erlitten wurden, und deswegen schwer festzustellen. Dennoch mussten sich die Opfer solcher Behandlungen oft jahrelang mit Behörden darum streiten, bis ihre Entschädigungsanträge durchgegangen sind. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass das wirklich nicht angemessen ist; denn viele dieser Opfer fühlen sich durch solch eine Behandlung ein weiteres Mal traumatisiert. Sie fühlen sich hilflos und schutzlos einer für sie undurchschaubaren Willkür ausgesetzt. Deswegen ist dieser Antrag so gut und so wichtig.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen möchte ich mich ausdrücklich bei allen Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern bedanken, dass wir es in einem ersten Schritt geschafft haben, hier im Hause eine Anhörung durchzuführen, in der wir den SED-Opfern,die in Hessen leben,das Wort geben konnten.Wir haben sehr viel gelernt, und wir haben es in einer sehr großen gemeinsamen fachlichen Debatte geschafft, die verschiedenen Aspekte in diesem Antrag zusammenzutragen.

Ich begrüße es sehr, dass alle Fraktionen dieses Hauses an einem Strang ziehen, um die Beratungs-, Unterstützungsund Hilfeangebote in Hessen zu verbessern. Das beginnt bei der Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Entschädigungsbehörden, damit sie sich besser in der Lage fühlen, sensible und opferorientierte Beratung anzubieten und den Umgang mit den Opfern entsprechend zu gestalten. Dazu gehören der Besuch ehemaliger Gedenkstätten sowie eine Schulung durch die Landesbeauftragte von Thüringen. In Thüringen gibt es bereits sehr viel Erfahrung gerade in der Schulung von Mitarbeitern in einem respektvollen Umgang mit den Opfern.

Mir persönlich ganz besonders wichtig ist, dass es auch gelungen ist, eine gemeinsam mit den Opferverbänden zu erarbeitende Liste von fachlich spezialisierten Gutachterinnen und Gutachtern zu erstellen. Denn ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass die fachliche Expertise insbesondere bei seelischen Schäden nicht ganz so einfach ist. Von daher halte ich das für einen sehr großen Fortschritt, den wir mit diesem Antrag erreicht haben.

Meine Damen und Herren, was auch nicht vergessen werden darf: Unrechtsregime müssen in Erinnerung bleiben und müssen uns Warnung sein für die Zukunft.

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Es darf nicht vergessen werden, wie Opfer unter staatlicher Willkürherrschaft leiden. Deswegen ist die Aufklärung und Bildungsarbeit in der Gesellschaft, aber insbesondere an den Schulen so wichtig.

Wenn wir diesen Antrag heute gemeinsam beschließen, dann bringen wir gemeinsam eine verbesserte Beratung und Hilfe im Bereich der Entschädigungshilfe und Unterstützungsarbeit für die SED-Opfer in Hessen auf den Weg.Das sind wir den Opfern des SED-Regimes schuldig. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Herzlichen Dank, Frau Schulz-Asche. – Für die CDUFraktion hat jetzt Herr Caspar Gelegenheit zur Rede.

Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! In unserer Gesellschaft ist – ich sage: Gott sei Dank – sehr bewusst, welch schreckliche Opfer die nationalsozialistische Diktatur in unserem Land hatte. Es ist aber, wie Umfragen gerade bei Schülerinnen und Schülern zeigen,zu wenig bewusst,welche Opfer die kommunistisch-sozialistische Diktatur,die zweite Diktatur auf deutschem Boden, hatte. Deswegen war es sehr gut, dass wir in einer öffentlichen Anhörung die Opfer dieses Systems haben zu Wort kommen lassen. Da nicht jeder Abgeordneter dieses Parlaments an dieser Anhörung teilnehmen konnte, möchte ich doch ein paar Dinge aus dieser Anhörung erwähnen.

Besonders aufgefallen ist mir Herr Dr. Ulrich, von der Historischen Kommission der SPD Hessen-Süd. Er selbst sagt, dass er seit vielen Jahren mit politisch Verfolgten aus beiden Diktaturen zu tun hat. Er ist als Historiker auch mit der Aufarbeitung beider Diktaturen beschäftigt und fachkundig. Er hat uns klar gesagt:

Wer das Nazi-KZ erlebt hat, hat es erlebt bis zum Schluss, und wer den Stasi-Folterkeller erlebt hat, der schleppt auch diesen bis zum Schluss in seinem Tornister mit sich herum. Es liegt mir sehr am Herzen,

so Herr Dr. Ulrich –

eindringlich davor zu warnen, eine Differenzierung dieser beiden Opfergruppen vorzunehmen. Das ist nicht möglich. Die einen sind verfolgt worden, die anderen sind verfolgt worden.