Nicolas Zimmer
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Last Statements
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Herrn Müller ging die Märchenstunde ja munter weiter!
Man hat fast den Eindruck gewonnen, wir haben in den vergangenen 5 Jahren in einem ganz anderen Berlin gelebt als in einer Stadt ihrer Schilderungen.
Lassen Sie uns über die nüchternen Zahlen und Bilanzen eines jeden Senatsmitgliedes reden, dann wird deutlich, wie die Bilanz dieses Senats aussieht.
Ich fange mit Herrn Böger, dem Bildungssenator, an: Die 600 000 Stunden Unterrichtsausfall sind bereits genannt worden. Da ist jede Stunde eine Stunde zu viel. Auch wenn Sie immer wieder versuchen, mit Einzelmaßnahmen ein Problem zu lösen, werden Sie folgendes Problem nicht lösen: Unsere Schulen qualifizieren die Schülerinnen und Schüler unterdurchschnittlich für ihre Zukunft. Das wird durch jegliche neutrale Untersuchung bestätigt.
Denken Sie an PISA! Die Ergebnisse sind nicht von ungefähr gekommen.
Es muss Ihnen doch zu denken geben, dass Bundesländer – ein Teil der neuen Bundesländer –, die 1990 von einer gemeinsamen Basis ausgegangen sind – wie übrigens auch der Ostteil der Stadt –, es geschafft haben, uns bei PISA in vielen Bereichen zu überholen.
Woran liegt das? – Weil dort bessere Bildungspolitik gemacht wird, Herr Böger. Die Bildungspolitik, die Sie verfolgen, ist geprägt von einem Hin und Her, einem Schlingerkurs.
Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie teilweise sogar vernünftige Ansichten haben, so zum Beispiel bei dem Wahlpflichtfach Ethik/Philosophie/Religion. Nur sind Sie hier umgefallen
Die Ausgaben für Bildung sind in Ihrer Amtszeit um rund 100 Millionen € reduziert worden. Die Kitagebühren sind erhöht worden, und zwar so, dass Sie insbesondere den Mittelstand hart getroffen haben. Gerade die Kindertagesstätten sind der Ort von Bildung und Erziehung, an dem Grundlagen gelegt werden. Da werden wir uns einig sein. Dort Geld verdienen zu wollen – offensichtlich auch auf Druck Ihres Finanzsenators –, war das völlig falsche Signal. Das scheint nun auch der Regierende Bürgermeister so zu sehen, indem er in einer Glanzleistung des Wowereit’schen Populimus nach der Verteuerung nun die Kostenfreiheit in Aussicht stellt. Wer soll Ihnen denn das glauben? – Das ist Sand in die Augen streuen! Wenn schon, dann war es auch der falsche Zeitpunkt, denn vor dem Urteil in Karlsruhe mit einer solchen Aussage zu kommen, ist ein klassischer Schuss ins Knie.
Als wenn unser Schulsystem nicht schon gebeutelt genug wäre, wird nun auch noch darüber diskutiert, ob wir eine Einheitsschule oder Gemeinschaftsschule einführen. Das ist nun der sicherste Weg in das schulpolitische Chaos. Wenn Sie Mittelmaß an unseren Schulen verstetigen wollen, dann beschreiten Sie diesen Weg weiter! Wir sind jedoch dezidiert gegen ein solches Modell.
Wir wollen, dass niemand zurückgelassen wird. Es darf aber auch niemand in seiner Entwicklung behindert wer
denn eine wesentliche Aufgabe der Berliner Justiz ist es doch, Straftäter in Gefängnissen zu belassen. Wir haben aber in den letzten Wochen und Monaten eine lange Liste von Fluchten zu verzeichnen, die geradezu spektakulär gewesen sind. Ich will sie gar nicht im Einzelnen aufführen.
Regen Sie sich doch nicht so auf, Herr Doering! – Es ist doch alles nicht so schlimm, nicht wahr? Wenn Gefangene plötzlich während der Hauptverhandlung aus dem Gerichtsfenster springen können, ohne dass es jemand merkt, stellt sich die Frage, wer dafür die Verantwortung trägt. Die trägt doch nicht der kleine Justizwachtmeister, der möglicherweise überarbeitet ist, weil er wegen des Fehlens seiner Kollegen nicht mehr in der Lage ist, die Schichten zu übersehen. Nein! Die Verantwortung dafür trägt eine Justizsenatorin, die den Abbau von Justizwachtmeistern zugelassen hat,
den. Diejenigen, die Talente haben, müssen auch in der Lage sein, diese zu entfalten.
Und Talente brauchen wir in Berlin nun wahrlich.
Ich komme zu Herrn Wolf: Ihre Kennzahlen – Kennzahlen hat man in der Wirtschaft gerne – sind verheerend. Im Schnitt sind in dieser Stadt 300 000 Menschen arbeitslos. 130 000 Beschäftigungsverhältnisse wurden abgebaut. Es zeigt sich ein Höchstmaß an Ignoranz, wenn es um Industriepolitik in dieser Stadt geht. Nicht umsonst ging es um Samsung, CNH, JVC oder auch um die Verlagerung von Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit dem Umzug der Konzernzentrale der Deutschen Bahn. Da stellt sich dann Herr Müller hin und sagt: Wunderbar! Wir haben ja im Medienbereich neue Arbeitsplätze geschaffen. –
Über diese Arbeitsplätze freue ich mich, aber Sie erklären damit nicht den Arbeitslosen auf der Straße, die vorher mit ihrer eigenen Hände Arbeit ihr Geld verdient haben, wie ihre Zukunftsperspektive aussieht. Denn diese Perspektive finden sie bei Universal nicht. Dem muss man ins Auge schauen.
Ich finde es wichtig, dass Berlin Schwerpunkte hat, aber ein Schwerpunkt muss auch darin liegen, dass man den Menschen die Möglichkeit gibt, mit ihrer eigenen Hände Arbeit in Eigenverantwortung ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das können in Berlin nur noch 40 % der Bevölkerung, und das ist ein absolutes Armutszeugnis für jeden Wirtschaftssenator.
Das Einzige, womit Herr Wolf immer wieder aufgefallen ist, ist die Fähigkeit, dass er angeblich gut zuhören kann. Das mag so sein, und das tut er im Augenblick möglicherweise auch. Vor allem ist er aber durch Unregelmäßigkeiten in seinem Ressort aufgefallen. Das ist ihm jedenfalls immer wieder vorgeworfen worden – sei es, dass es darum ging, im Zuge der Haushaltswirtschaft Gutachtenaufträge wegen der Messe zu vergeben, oder um den Vorgang, den Kollege Lindner nun vor Gericht ausfechten wird und den ich nicht näher ansprechen möchte, weil ich keine Lust habe, auch noch Ihre Anwälte im Rahmen von einstweiligen Anordnungsverfahren mitzufinanzieren.
Aber eines muss man doch klar und deutlich sagen, Herr Wolf: Sie sind nicht in der Lage, Fördermittel richtig auszugeben, um damit Arbeitsplätze schaffen, aber offensichtlich gelingt es Ihnen recht gut, einzelnen Interessengruppen Zugang zu öffentlichen Mitteln zu verschaffen. Ich sage nicht, dass das illegal war, aber ich sage: Die Schwerpunktsetzung ist falsch. Sorgen Sie lieber dafür, dass das Geld in Arbeitsplätze fließt, und zwar nicht in die Ihrer Freunde!
Nun haben wir daneben Frau Schubert, unsere Justizsenatorin. Liebe Frau Schubert! Eine Justizsenatorin, der permanent die Gefangenen abhanden kommen, sollte sich wirklich einmal fragen, ob sie den Beruf verfehlt hat,
die ihre Gerichte nicht im Griff hat oder die in Gerichten Sicherheitseinrichtungen hat, wo z. B. Alarmknöpfe ins Nirgendwo führen. Wir erinnern uns an den Raubüberfall auf die Außenstelle des Amtsgerichts Schöneberg, als bei einer Versteigerung plötzlich maskierte Räuber hereinkamen und 120 000 € klauten. So etwas passiert in Berliner Gerichten, Frau Schubert, und dafür tragen Sie die Verantwortung.
Frau Schubert! Ich will jetzt gar nicht weitere Organisationsmängel aufrufen, Ihnen aber eines in Erinnerung rufen: Es geht nicht nur darum, dass Sie im Bereich der Justizwachtmeister sparen und dass unsere Gerichte und Staatsanwaltschaften nicht ordentlich ausgestattet sind, sondern es geht noch viel weiter: Ich erinnere an den Fall des Christian Schalldach, der in Zehlendorf zu Tode kam, weil man nicht in der Lage war, die Intensivtäterkartei im Land Berlin ordentlich zu pflegen und Jugendrichter dazu anzuhalten, gewalttätige Straftäter auch einzusperren – da, wo sie hingehören, hinter Gittern. Auch dafür haben Sie die politische Verantwortung zu tragen.
Ich gehe der Reihe nach weiter: Herr Sarrazin! Ihre Aussage, die wir in der „Zeit“ lesen durften, überrascht denjenigen nicht, der Sie kennt. Sie haben regelmäßig solche verbalen Amokläufe. Im Augenblick ist es aber
Nun wird die Zeit schon richtig knapp, denn bei diesem Senat fällt einem allzu viel ein, was man dazu sagen kann. Deswegen mache ich es jetzt bei Frau KnakeWerner etwas kürzer. Stichworte wie „Chaos im Telebussystem“, „mangelhafte Umsetzung von Hartz IV“ und Demenzkranke, die in städtischen Krankenhäusern verloren gehen – das gehört zu Ihrer Bilanz, Frau KnakeWerner!
Herr Körting! In Ihrem Ressort kam es zum Abbau von 1 296 Stellen im Bereich der Vollzugspolizei, und es ist eine wandelhafte Zuwendung zu sicherheitspolitischen Konzepten zu verzeichnen:
Aber viel wichtiger ist mir noch der Herr, der an diesem Senatstisch ganz an der linken Seite sitzt. Das ist Herr Flierl.
vielleicht etwas ungünstig für Ihre Fraktion und Ihre Partei. Die Berlinerinnen und Berliner so vor den Kopf zu stoßen und all das, was an Aufbauleistungen in den vergangenen Jahrzehnten in Ost wie West geleistet wurde, einfach vom Tisch zu wischen, das ist nicht nur ignorant, sondern geradezu unsäglich blöd. Entschuldigung! Das ist ein unparlamentarischer Ausdruck, der auch gerügt werden mag. Ein Finanzsenator, der auch Verantwortung dafür trägt, wie der Standort Berlin in der Öffentlichkeit dasteht, erzählt, es handle sich hier um eine Art Trümmerwiese.
Herr Sarrazin! Wieso wundern Sie sich noch darüber, dass die Steuereinnahmen in dieser Stadt nicht sprudeln, wenn Sie nichts Besseres zu tun haben, als Berlin schlecht zu reden? Damit haben Sie dem Land Berlin einen Bärendienst erwiesen.
Nein, leider nicht, Herr Hahn! Tut mir leid!
Herr Sarrazin! Das ist nicht das Einzige. Nun könnte man sagen: Der Mann hat sich nicht immer im Griff. – Das passiert ja ab und zu. Der eine ist temperamentvoller, der andere weniger. Aber ich mache Ihnen wirklich zum Vorwurf, dass in Ihrer Amtszeit, nicht nur unter Umgehung von Haushaltsrecht Gutachtenaufträge verteilt worden sind – ich nenne noch das Beispiel Hay-Group –, sondern dass Sie auch der Finanzsenator waren, der offenen Auges einen verfassungswidrigen Haushalt in diesem Hause beschließen ließ, was Ihnen vom Verfassungsgericht auch attestiert wurde.
Sehenden Auges hat Herr Sarrazin dies getan. Ein Finanzsenator, der nicht einmal die Grundsätze des Haushaltsrechts einhält, obwohl er sie kennt,
und der es noch dazu schafft, in seiner fünfjährigen Amtszeit Schulden in Höhe von 20 Milliarden € aufzuhäufen! 20 Milliarden € Schulden – das ist Ihre Bilanz, Herr Sarrazin!
Herr Sarrazin hat sein Amt als Finanzsenator nicht ordentlich ausgefüllt. Er hat es nicht unordentlich ausgefüllt, sondern einfach nur schlecht ausgefüllt.
Immer dann, wenn es passt und es z. B. Terrorismusgefahr gibt, sind Sie plötzlich auch für die Videoüberwachung, nachdem die Union das bereits jahrelang gefordert hat. Sie haben ein gewisses Maß an Flexibilität. Das muss ich Ihnen attestieren, Herr Körting!
Herr Flierl! Sie haben nun zwei Bereiche der Berliner Senats unter Ihren Fittichen, nämlich Kultur und Wissenschaft. Im Bereich der Kultur kann man selbstverständlich zum Thema Opernstiftung einiges sagen, was die schlechte Leistung Ihrer Konzepte angeht. Aber Herr Wowereit ist mir da schon zuvorgekommen. Dass Sie im Bereich der Abgrenzung zwischen Stasi-Schergen und Opfern immer große Schwierigkeiten gehabt haben, haben wir gewusst. Sie haben es uns vor nicht allzu langer Zeit bestätigt, als Sie in Hohenschönhausen nicht in der Lage waren, die Stimme zu erheben, wenn es darauf ankommt. Aber Sie erinnern sich auch, dass Sie bei der Besetzung der Opernstiftung mit dem Vorwurf konfrontiert worden sind, auch mit Spitzelmethoden Konkurrenten aus dem Feld schlagen zu wollen. Insgesamt gibt einem das doch sehr zu denken.
Wenn man dann noch die jetzige Diskussion hinzunimmt, ergibt sich das folgende Bild – ich habe Ihnen das schon vor ein paar Wochen gesagt: Da, wo Sie Ihre Wähler vermuten, sind Sie ziemlich geschmeidig und fügsam, aber wenn es darum geht, Berliner Kulturgüter zu verteidigen – wie jüngst bei dem Kirchner-Gemälde –, sind Sie auch schnell dabei, sich in die Büsche zu schlagen. Ich muss Ihnen eines sagen, auch wenn wir die Diskussion beim Antrag selbst führen: Sie haben ein Problem. Sie sind offensichtlich nicht in der Lage, wenn es auf Konfrontation ankommt – da, wo es richtig ist –, sie auch zu führen. Eine solche Eigenschaft ist in einem politischen Spitzenamt nicht hinnehmbar.
Ich sehe Sie nur da, wo es Ihnen Spaß macht. Wenn ich jetzt von Ihnen höre, dass Sie sich in Berlin so dermaßen langweilen, dass Sie sich schon in Richtung Bundespolitik orientieren, dann schlage ich Ihnen vor: Schauen Sie doch einfach einmal, was in den vergangenen fünf Jahren liegen geblieben ist. Da haben Sie einen riesigen Berg Arbeit. Den können Sie zwar nicht mehr bis zum 17. September 2006 abarbeiten, aber eine nüchterne Bilanz zeigt, Herr Wowereit, dass Sie als Regierender Bürgermeister versucht haben, sich als eine Art Stadtregent darzustellen, der mit der Berliner Politik nichts zu tun hat. Für die Politik in diesem Land haben Sie wahrlich keinen großen Beitrag geleistet. Sie haben keine Verantwortung übernommen, sondern haben sich in Leichtfertigkeiten geübt.
Okay! – Eine letzte Bemerkung: Herr Wowereit, genau an diesen Ergebnissen sind Sie und Ihre Regierungskoalition zu messen. Am 17. September 2006 haben die Berlinerinnen und Berliner die Wahl. Berlin kann es definitiv besser als mit dem wowereitschen Senat. – Herzlichen Dank!
Im Bereich der Wissenschaft und Forschung – da, wo man Ihre Staatssekretäre schon gar nicht mehr beim Namen kennt, weil Sie sie so häufig gewechselt haben –, haben Sie gegenüber den Hochschulen die Hochschulverträge gebrochen. Sie haben die Mittel vertragswidrig gekürzt, sie schneiden Geld heraus, sie reduzieren Studienplätze und vernichten damit Zukunftschancen im Land Berlin.
Ein Wissenschaftssenator, der sich weder an dem Rat von Fachleuten – ich denke beispielsweise an die Schließung des Vorklinikums an der Charité – noch an dem fachlichen Rat des Wissenschaftsrates oder dem Rat aller anderen Fachleute orientiert, weil er aus welchen ideologischen Gründen auch immer lieber eine Gruppenuniversität aus den Alt-68er-Jahren wiederbeleben möchte, anstatt konkurrenzfähige und moderne Universitäten in Berlin zuzulassen und zu schaffen, der ist in seinem Amt deplaziert.
Nun habe ich nur noch anderthalb Minuten für Herrn Wowereit.
Herr Wowereit! Eines muss ich Ihnen sagen:
Stimmt! Frau Junge-Reyer und das Straßenausbaubeitragsgesetz!
Das geht so fort.
Frau Junge-Reyer! Sie haben den Verfall der öffentlichen Infrastruktur mit geduldet, weil in den vergangenen Jahren öffentliche Investitionen auf ein Niedrigstmaß reduziert wurden. Die Schließung des Flughafens Tempelhof, die auch von Ihrer Verwaltung betrieben wurde, war ein großer Fehler für den Standort Berlin. Das ließe sich alles aneinander reihen.
Kommen wir zu dem Mann, der die Verantwortung dafür trägt, auch wenn er es nicht wahrhaben will, nämlich Klaus Wowereit. Das ist Ihr Senat, Herr Wowereit, den Sie links und rechts neben sich versammelt haben, auch wenn Sie sich immer wieder hinstellen bzw. -setzen und darüber thronen wollen, wie eine Art Sonnenkönig, der sich nie zu Wort meldet, wenn es einmal eng wird. Ich habe von Ihnen nichts gehört, als es beispielsweise um die Rütli-Schule ging. Ich habe Sie dort nicht gesehen. Ich habe Sie auch nicht in Hohenschönhausen gesehen. Ich sehe Sie immer da nicht, wo es eng wird.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Ich bin über den Auftritt von Frau Lange schon einigermaßen überrascht. Eine derartige Arroganz gegenüber einem Kollegen, der eine Zwischenfrage stellen will, halte ich nicht nur für nicht parlamentarisch, sondern für absolut unangemessen.
Um das klar und deutlich zu sagen: Ich bin in den 90er Jahren auch der Auffassung gewesen, dass es richtig ist, die Spuren dieses Schandmals aus Berlin zu tilgen. Ich habe mir aber auch nicht vorstellen können, dass wir heute mit Ihnen in geschichtsverfälschender Weise darüber diskutieren müssen, was die DDR überhaupt gewesen ist. Deswegen ist es wichtig, Herr Brauer: Wir brauchen heute Orte der Erinnerung, um das ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, was Sie versuchen, mit dem Mantel des Vergessens zu überdecken.
Damit kommen wir zu einem meiner Hauptkritikpunkte an dem Konzept, das Herr Flierl vorgestellt hat. Ich halte die Bernauer Straße für eine absolut wichtige Institution, und deswegen unterstützen wir sie auch mit unserem Antrag.
Die Bernauer Straße als Dokumentationsort ist wichtig, aber die Bernauer Straße hat ein Problem: Dieser Ort ist sehr abstrakt. Vor allem aber ist es ein Ort, der nicht von
Eines ist doch klar: Dieses Konzept, das mit einem wissenschaftlichen Anspruch daherkommt, den ich nicht wegdiskutieren möchte, dient an dieser Stelle insbesondere Herrn Flierl. Frau Lange, Sie haben vorhin von den Vorgängen in Hohenschönhausen gesprochen, aber dabei vergessen, dass einer der Hauptbeteiligten bei dieser unsäglichen Diskussion der Senator für Kultur und Wissenschaft Thomas Flierl gewesen ist. Herr Flierl ist aber auch derjenige, der als Endredakteur auf diesem Konzept steht. Gibt Ihnen das nicht selber zu denken? – Mir gibt es zu denken.
den Menschen aufgesucht und besucht wird, die die Spuren der deutschen Teilung und der deutschen Wiedervereinigung in Berlin suchen. Das können auch Sie nicht wegdiskutieren.
Wir brauchen einen Ort, an dem man sich auch erinnern und wo man auch Emotionen zeigen kann – ein Ort, der im kollektiven Bewusstsein verankert ist als ein Ort der Konfrontation und der deutschen Teilung, und das ist nun einmal der Checkpoint Charlie.
Frau Lange sagt, das sei nicht der Ort der Berlinerinnen und Berliner.
Nun frage ich Sie: Was ist ein Ort der Berlinerinnen und Berliner? – Etwa die Bernauer Straße? – Das glauben Sie doch nicht im Ernst. Abgesehen davon ist doch die Deutsche Teilung etwas, was deutschlandweit und europaweit die Menschen interessiert. Genau deswegen kommen sie in die Mitte Berlins an die herausgehobenen Orte und suchen nach Spuren der deutschen Teilung. Jedes Jahr kommen Hunderttausende an den Checkpoint Charlie. Aber was finden sie dort vor? – Ein paar Schauspieler, die ihr Einkommen aufbessern, indem sie sich dort in historischen Uniformen hinstellen, fliegende Händler, die dort irgendwelche Uniformen und Memorabilien der untergegangenen UdSSR verramschen, und Ödland. Das kann doch nicht der Ort sein, an dem sich Berlin repräsentiert. Das müssen doch auch Sie einsehen.
So, wie es dort aussieht, ist es unwürdig und banal. Schauen wir einmal in das Konzept hinein, das uns Herr Flierl vorgelegt hat! Von 116 Seiten haben sich gerade einmal anderthalb Seiten – wenn wir die bunten Bilder abziehen – mit dem Checkpoint Charlie beschäftigt. Sie schlagen uns dazu vor – man höre und staune: Ein Privater soll sich darum kümmern, das museal aufzuarbeiten. – Dann frage ich Sie allerdings: Was haben Sie eigentlich für ein Problem mit Frau Hildebrandt? Die tut das nämlich bereits an diesem Ort.
Als Zweites schlagen Sie uns vor, dass Sie uns an einer Bretterwand – Sie nennen es Bauzaunausstellung – deutsche Geschichte erklären wollen. Herr Flierl! Wenn das Ihr Zugang zur deutschen Teilung an diesem Ort ist, dann erklärt sich selbstverständlich einiges.
Nein, gestatte ich nicht!
Nein! Herr Hoff! Ich unterstelle Ihnen gar nichts. Es geht mir nur darum, dass Ihre Frage mich in meinem Vortrag nicht voranbringen wird.
Ihr Ziel ist es nämlich, die Relativierung von Zeitgeschichte vorzunehmen, weil Sie menschliche Schicksale ausblenden wollen. Deswegen waren Ihnen die Kreuze dort am Checkpoint Charlie ein Dorn im Auge. Es sind nämlich menschliche Schicksale, die dahinter stecken.
Es wundert mich nicht, denn jemand, der bereit ist, aus Stasi-Schergen Zeitzeugen zu machen, der will an dieser Stelle auch ein relativierendes Museum des Kalten Krieges hinstellen, wo man schön die Verantwortung delegieren kann. Sie sind es ja nicht gewesen. Die Befehle kamen aus Moskau.
Aber so einfach können Sie Ihrer historischen Verantwortung nicht entkommen, Herr Flierl!
Frau Lange! Wenn Sie dann auch noch dem Bezirksbürgermeister von Mitte die Verantwortung für diesen Zustand zuschieben wollen, dann würde ich Ihnen raten, sich mit der Berliner Bezirksverwaltung vertraut zu machen. Die Zuständigkeit für Bauten liegt bei einer Baustadträtin, und die gehört der Partei der Grünen an und nicht der CDU.
12 Jahre nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit bilden SPD und PDS eine Koalition, wissend um die zahlreichen Belastungen und Schicksale aus der Zeit der Teilung der Stadt, deren Gründe und Folgen jede Politik für Berlin zu berücksichtigen hat. Vielen Menschen in Ost und West ist die leidvolle Teilung bis heute in schrecklicher Erinnerung. Die 1961 von den Machthabern der DDR und der Sowjetunion errichtete Mauer vollendete und zementierte die Teilung und die Einordnung der Stadthälften in politisch gegensätzliche Systeme. Die Berliner Mauer wurde aber nicht nur weltweit zum Symbol der Blockkonfrontation des Kalten Krieges, sondern vor allem zu einem Symbol für Totalitarismus und Menschenverachtung. Die Schüsse an der Berliner Mauer haben schweres Leid und Tod über viele Menschen gebracht. Sie waren Ausdruck eines Regimes, das zur eigenen Machtsicherung sogar das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit missachtete. Die Mauer durch Berlin und das unmenschliche Grenzregime mitten in Deutschland haben Familien und Freunde auseinandergerissen. Wenn auch der Kalte Krieg von beiden Seiten geführt wurde, die Verantwortung für dieses Leid lag ausschließlich bei den Machthabern in Ostberlin und Moskau. Wenn SPD und PDS jetzt
Ich komme zum Abschluss. Sie können sich wieder abregen. Aber ich verstehe, dass es Sie aufregt, mich regt es nämlich auch auf. Mich regt es auf, dass nach wie vor ein Senator für das Mauergedenken in Berlin zuständig ist, der allein durch seine Vita eine permanente Provokation der Opfer und der Angehörigen der Opfer in Berlin ist.
Das können Sie nicht wegdiskutieren. Dass man aber Herrn Flierl an der Stelle gewähren lässt, dafür trifft selbstverständlich auch den Rest des Senats die Verantwortung.
Dass Herr Wowereit an dieser Stelle eine so zentrale Frage der deutschen Vergangenheit und der Berliner Gegenwart Herrn Flierl überlässt, das finde ich peinlich.
Ich finde es peinlich, dass Sie sich dort Ihrer Verantwortung entziehen. Was dabei herauskommt, haben wir in den letzten Wochen besichtigen dürfen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Ich habe Ihre Ausführungen zu den Erziehungszielen des Jugendstrafvollzuges sehr wohl gehört. Wie vereinbart sich damit der Umstand, dass die Arrestanten, die auch Gegenstand des Jugendstrafrechts sind, in der Jugendarrestanstalt in Lichtenrade durch lautstarke Unterhaltungen mit ihren Freunden außerhalb der Jugendarrestanstalt die gesamte Nachbarschaft tyrannisieren? Meinen Sie, dass dem Erziehungsgedanken damit eine Förderung zuwächst, wenn man noch nicht einmal in der
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Dr. Tesch! Ich war jetzt ein wenig enttäuscht von Ihrer Rede.
Es ist viel zu lange weggesehen worden. Eines muss man an den Anfang einer Debatte über die Zustände an unseren Schulen stellen, nämlich die Suche nach den Ursachen. Es ist richtig: Ein Hauptauslöser für das, was wir an diesen Schulen im Augenblick betrachten können, ist die Perspektivlosigkeit der Jugendlichen, die dort zur Schule gehen. Sie befinden sich in einem Teufelskreis: Sie haben das Gefühl von Perspektivlosigkeit, sie versuchen, das durch ein Verhalten zu kompensieren, das ihre Perspektiven wahrlich nicht verbessert, sie machen keinen Abschluss an der Schule, sie finden keinen Ausbildungsplatz, und dann haben sie tatsächlich keine Perspektive in unserer Gesellschaft. Exemplarisch dafür kann man sich ansehen, wie erfolglos Abgänger der Rütli-Schule auf dem Lehrstellenmarkt waren. Der letzte Jahrgang dieser Schule war ein Komplettausfall. Kein Einziger hat eine Lehrstelle gefunden.
Die jungen Menschen suchen einen Platz in der Gesellschaft. Aber was suchen sie? – Sie suchen das, was sie Respekt nennen. Und wie versuchen sie, diesen Respekt zu bekommen? – Indem sie sich mit Rollenmodellen à la Gangster-Rappern identifizieren, indem sie auf andere Schüler einschlagen, indem sie die Autorität der Lehrer missachten, indem sie Prügelvideos auf Handys austauschen. Da kann man gar nicht mehr versuchen, das Ganze schön zu färben und nett darüber zu reden, sondern das ist
Und man muss den jungen Menschen eine Perspektive bieten. Es gibt in Augsburg eine Hauptschule – die Friedrich-Ebert-Schule –, die von der „Initiative Hauptschule“ im Jahr 2005 als die beste Hauptschule deutschlandweit ausgezeichnet wurde. Woran liegt das? – Weil berufsqualifizierende Netzwerke mit Unternehmen gebildet werden, weil sich die Schüler mit den Schulen identifizieren, weil an der Schule ein Geist herrscht, dass diese Schule ein Ort ist, wo man miteinander umgeht und wo man sich selbst formt und formen lässt. Das ist durch die Multikulti
Träume und durch die antiautoritäre Erziehung, die unsere Freunde aus den alt-68er Jahren in die Schulen getragen haben, in Berlin verschütt gegangen. Das muss wieder nach vorn gerückt werden.
Eines ist mir auch wichtig: Unsere Schulen müssen wieder ein sicherer Ort werden.
Es kann nicht angehen, dass in unseren Schulen Drogenhandel auf den Toiletten betrieben wird, dass Schüler mit Waffen in die Schule kommen, Lehrer bedrohen und Schulhausmeister verprügelnd. Was sind denn das für Zustände? – Da muss es auch das Durch- und Eingreifen des Staates geben. Es reicht nicht, dass Herr Körting ein paar Polizeibeamte auf die Straßenseite gegenüber stellt, die dann irgendwann einmal fünf Minuten für die Kamera ein Schaulaufen vor dem Schulgelände machen, sondern es muss in den Schulen intensiv kontrolliert werden,
und das muss regelmäßig und unangekündigt erfolgen, denn nur so werden Sie an den Schulen ordentliche Zustände herstellen können.
ein ernsthaftes Problem, dem man intensiv entgegentreten muss.
Die jungen Menschen haben auf diese Art und Weise keine Perspektive. Sie haben keine ausreichenden Deutschkenntnisse – damit beginnt es –, von den anderen Schulfächern ganz zu schweigen. Das gilt nicht nur für Schüler nichtdeutscher Herkunft. In letzter Zeit kann man eine Art Mimikry beobachten. Deutsche Schüler fangen an, an den Schulen in einem ähnlichen Slang zu kommunizieren, versuchen, sich wegzuducken, nicht weiter aufzufallen, weil sie dem gesellschaftlichen und sozialen Druck an der Schule ausweichen wollen. Das bedeutet, dass auch diesen jungen Menschen jegliche Perspektive in Berlin verbaut wird.
Respekt, der diesen jungen Menschen so wichtig ist, erwirbt man sich mit Leistungen und nicht mit Leistungsverweigerung. Diese Lektion muss an unseren Schulen wieder gelehrt werden.
Man muss den jungen Menschen eines deutlich machen, ob nichtdeutscher Herkunft oder nicht: Man muss Eigenanstrengungen bieten, um seine Chancen nutzen zu können. Von allein wird das nichts. Wer seinen Platz in der Gesellschaft finden will, muss ihre Regeln und ihre Sprache beherrschen.
Damit kommen wir zu dem Integrationsthema. Menschen, die in unser Land kommen und hier leben wollen, haben auch eine Bringschuld. Das bedeutet Spracherwerb und Akzeptanz unserer Gesellschaftsordnung.
Es ist doch symptomatisch: 83 % der Kinder an der RütliOberschule sind nichtdeutscher Herkunft, und gerade diese Schule steht so augenfällig im Licht der Öffentlichkeit. Dieser Kompetenzerwerb – wenn er nicht von allein erfolgt – muss auch mit Sanktionen begleitet werden. Es geht nun einmal nicht, dass man auf den guten Willen setzt. Wenn er nicht vorhanden ist, muss man im wohlverstandenen Interesse der Kinder auch mit Sanktionen ansetzen, ob das nun ordnungsbehördliche oder weitergehende sind. Darüber gibt es gar keine Diskussion.
Wir müssen den jungen Menschen – Zwischenfragen beantworte ich nicht, ich sehe gerade eine Meldung – klare Grenzen ziehen und sie ihnen auch setzen. Dazu gehört auch eine schnelle und angemessene Reaktion. Es geht nicht, dass Briefe tage- und wochenlang liegen bleiben und dass die Schüler den Eindruck haben, sie können an den Schulen tun und lassen, was sie wollen. Wir brauchen mitfühlende Härte an unseren Schulen.
Nein! Gestatte ich nicht. – Dabei ist auch wichtig: Natürlich brauchen jugendliche Gewalttäter unsere Unterstützung, aber in erster Linie brauchen Schülerinnen und Schüler, die von diesen drangsaliert werden, unsere Unterstützung.
Die Zeitungen sind voll von den Geschichten, die sich an den Schulen abspielen. Eltern schicken ihre Kinder nicht mehr in die Schule, weil sie Angst haben, dass sie dort Schaden an Leib und Seele nehmen. Da kann der Staat nicht wegschauen.
Im Übrigen wird man das Problem nicht damit lösen, dass man die Hauptschulen abschafft.
Ihre Reaktion war auch symptomatisch: Am ersten Tag wollen Sie die Polizei in die Schule schicken, wollen
die Schule auflösen, dann gehen Sie dort hin, und am nächsten Tag ist das alles nicht mehr wahr, da kommt eine Schulauflösung natürlich nicht in Betracht. Herr Böger! Seien Sie doch mal ehrlich, Sie haben überhaupt kein Konzept, wie Sie mit dem Problem an unseren Schulen umgehen wollen.
Da sollen Kommunikationsprobleme gelöst werden – vielleicht sollten Sie mal mit dem Regierenden Bürgermeister darüber kommunizieren, denn, Herr Wowereit, Sie haben tagelang zu dem Problem an der Schule geschwiegen. Das Einzige, was Ihnen eingefallen ist, war: Mehr Geld ist nicht die Lösung. – Dann schauen Sie sich die Schulen einmal an mit ihren überalterten und ausgebrannten Kollegien, schauen Sie sich die Zustände in den Schulen an mit Toiletten, in denen man Paratyphus oder Drogen bekommt, jedenfalls aber keine ordentliche Umgebung für das Lernen hat.
Immer dann, wenn es eng wird, sind Sie nicht da. Ob es die Rütli-Schule ist oder, wie vor wenigen Tagen, die Diskussion mit den SED-Opfern. Auch da waren Sie ganz weit weg, weil es nämlich kein netter Empfang war, bei dem man Schnittchen hätte essen können. Herr Wowereit, so löst man die Probleme Berlins nicht!
Wenn Sie sich die Statistiken anschauen, sehen Sie, dass gerade eine Gesamtschule in Mitte Spitzenreiter bei den Gewaltmeldungen ist. Die Schüler haben kein Problem, weil sie auf eine Hauptschule gehen, sondern unsere Hauptschulen haben ein Problem, weil diese Schüler auf diese Schulen gehen.
Also muss das Problem dort vor Ort angegangen und dort auch gelöst werden. Sie können es doch nicht in andere Schulen exportieren.
Was ist denn das für eine Politik! Sie stecken den Kopf in den Sand und fangen an, alte bildungsideologische Diskussionen aus den 70er Jahren aus der Mottenkiste zu ziehen. Sie sind nicht in der Lage, sich mit dem Thema direkt auseinander zu setzen!
Dann schauen wir mal nach Neukölln, dem Bezirk, in dem das Ganze stattgefunden hat. Da haben wir einen sozialdemokratischen Bildungsstadtrat, den Herrn Schimmang. Der erhält einen Brief aus der Rütli-Schule und seine einzige Antwort in der BVV ist: Meine Damen und Herren! Das ist mit den Lehrern alles besprochen, und im Übrigen sollen die doch andere Dinge tun, als am Dienstweg vorbei Briefe durch die Gegend zu schicken. – Wäre dieser Brief nicht an die Öffentlichkeit gelangt, ich garantiere Ihnen, an der Rütli-Schule würde es heute noch wie vor 14 Tagen aussehen.
Die Reaktion von Herrn Schimmang ist frech und inkompetent, aber sie reiht sich ein in das, was wir in Neukölln noch beobachten können.
Da gibt es den Bezirksbürgermeister Buschkowsky, der sein Gesicht stets gerne in die Kameras hält, wenn er darüber reden kann, dass Multikulti gescheitert ist. Auf SPDParteitagen stimmt er dann aber fröhlich dem Integrationspapier zu. Das ist ein Politpopulist allerersten Ranges!
Dann sagt Herr Böger, den Weckruf der Rütli-Schule habe er gar nicht nötig gehabt, wir machen doch schon alles in Berlin, wir führen Deutschtests durch, wir kümmern uns um die Schulschwänzer – ja, wenn Sie das denn wirklich tun würden, Herr Böger, dann hätten wir doch nicht die täglichen Meldungen über die Zustände in unseren Schulen, das muss Ihnen doch zu denken geben!
Lieber Herr Wowereit! Sie können sich nicht immer zu fein sein für solche Geschichten.
Die Rütli-Schule und die Perspektivlosigkeit unserer Jugend in unserer Stadt sind das Ergebnis von rot-roter Politik in Berlin. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Eins muss man noch einmal deutlich sagen, auch wenn Ihnen das nicht in den Kram passt: Friedbert Pflüger hat eine klare Grenze gezogen zwischen denjenigen, die rechtschaffen sind und denjenigen, die nicht rechtschaffen sind. Das hat überhaupt nichts mit der Frage Ausländer oder nicht Ausländer zu tun.
Es ist schon ein Fortschritt, dass Herr Pflüger die Frontlinie nicht mehr bei „Deutschen versus Ausländern“ sieht. Dann greift er aber doch wieder in die Klamottenkiste des Ausländerrechts oder fordert die Kürzung des Kindergeldes, anstatt überforderten Eltern Hilfe und Unterstützung zu geben, ohne aber – und das sage ich ebenfalls – sie auch in die Verantwortung zu nehmen und für ein Schulsystem zu sorgen, das soziale Ungleichheit nicht reproduziert und Migrantenkindern sozialen Aufstieg über Bildung erst ermöglicht. Die Kinder und Jugendlichen der Migranten sind nämlich auch unsere Kinder, weil wir in dieser Stadt und in diesem Land in einer gemeinsamen Gesellschaft leben.
Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und wir müssen alles mobilisieren, um diese Integration zu bewerkstelligen. Entscheidend sind aus meiner Sicht die Schule und auch die Arbeitsmarktpolitik. Über die Schule erreichen wir die Jungen. Wir können es uns nicht leisten, eine ganze Generation von Schulpflichtigen einfach abzuschreiben. Aber wie erreichen wir diejenigen, die ohne Schulabschluss sind, die mittlerweile – schon seit Jahren – ohne ausreichende Qualifikation auf der Straße stehen? – Für sie brauchen wir gezielte Angebote der Arbeitsmarktpolitik. Keine kurzfristigen Ein-EuroJobs, sondern Schulabschlüsse, Ausbildung und Qualifikation, die im Arbeitsleben wirklich nachgefragt werden.
Dazu sind die Jobcenter derzeit nicht in der Lage, weil sie kein qualifiziertes Personal und keine qualifizierten Maßnahmen anbieten können, aber das werden wir brauchen.
Wir brauchen aber auch die Berliner Wirtschaft. Denn nur mit außerbetrieblichen Maßnahmen werden wir nicht weiterkommen. Warum werden von der Berliner Wirtschaft nicht zehn Ausbildungsplätze für die zehn besten Schülerinnen und Schüler der Rütli-Schule zur Verfügung gestellt
oder Patenschaften für Schulen mit Lehrstellenangeboten für die Besten? Nur wer Perspektiven hat, wird sich entwickeln.
Wir brauchen jetzt eine gemeinsame Anstrengung von allen – Schulen, Betrieben, Parteien, Vereinen und Gruppen. Lassen Sie uns ein Bündnis für Integration, einen Runden Tisch einrichten, um die Integration auf eine neue Grundlage zu stellen!
Es ist höchste Zeit, sich zur Integration zu bekennen und sie durchzusetzen. Es geht, wie Heribert Prantl in dieser Woche in der „Süddeutschen Zeitung“ sagt,
um die zweite deutsche Einheit, um die zwischen Alt- und Neubürgern, also zwischen den Bürgern deutscher und nichtdeutscher Herkunft.
Deshalb, Herr Wowereit, ist es Ihre Aufgabe als Regierender Bürgermeister dieser Stadt, diesen Prozess anzuschieben. Nicht nur der Flughafen muss Chefsache sein, auch die vor uns liegende Aufgabe der Integration.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst danke ich meiner Kollegin, Karin Seidel-Kalmutzki, für diese Rede!
Sie war offen, ehrlich und hat sehr viel von der Betroffenheit widergespiegelt, die viele teilen. Aber die Frage ist, welche Konsequenzen wir daraus ziehen.
Sie schreiben beispielsweise auch an meine Fraktion und beschweren sich darüber, dass wir uns nach der Veranstaltung zu Wort gemeldet haben. In diesem Brief wird einer ausdrücklich in Schutz genommen, nämlich Senator Dr. Flierl. In diesem Brief wird gefragt, warum wir denn nicht auch Markierungen an Arealen in Westberlin vornehmen wollen, die Ausgangspunkt krimineller und terroristischer Aktivitäten gegen die DDR waren. Man muss sich einmal vorstellen, dass man solche Briefe bekommt. Ich weiß nicht, was damit gemeint ist. Geht es um das Gebäude des ehemaligen Rias, weil dort „eine freie Stimme der freien Welt“ erklang? Soll das Durchgangslager in Marienfelde, Anlaufstelle für viele Menschen, denen es gelungen war, dem DDR-Regime zu entrinnen, markiert werden? – Ich weiß es nicht. Aber eines weiß ich, meine Damen und Herren: Das ist einfach unerträglich, was dort passiert.
Aber nun muss man die Frage stellen, Herr Senator Flierl: Was haben Sie dort getan? Ich gebe zu, ich war nicht auf der Veranstaltung, aber es gibt ein Video, das
Da frage ich mich, Herr Flierl: Warum haben Sie das nicht getan? – Es könnte sein, dass Sie selbst, wie Sie es am Anfang formuliert haben, überrollt gewesen sind von dem, was dort passiert ist, sich vielleicht nicht getraut haben, das Wort zu erheben. Soll ich das glauben, Herr Flierl, dass Sie feige waren?
Lag es vielleicht daran, dass Sie nicht deutlich genug formuliert haben, was Ihre Meinung ist? Leiden Sie unter Formulierungsschwächen? – Herr Flierl, nein, ich glaube, es hatte einen anderen Beweggrund, das sage ich Ihnen ganz klar. Ich glaube, dass es Ihnen auch darum ging, dass Ihnen dort Ihre Klientel gegenüberstand.
diese Veranstaltung dokumentiert, auf dem man sich das Ganze von Anfang bis zum Ende ansehen kann. Da reagieren Sie, indem Sie etwas erzählen von: Ja, man brauche eine Form diskursiver Auseinandersetzung. Man müsse aufeinander eingehen, man müsse einander zuhören. – Auch bei der Beantwortung der Mündlichen Anfrage am Anfang dieser Sitzung haben Sie genauso reagiert. Sie haben versucht, es auf Verfahren zu schieben, Sie sind sich in der Tat keiner Schuld bewusst, aber offensichtlich auch keiner Verantwortung bewusst, die Sie als Senator des Landes Berlin tragen. Ich muss Ihnen sagen, das ist beschämend, Herr Flierl!
Sie haben uns auch der Lüge bezichtigt, weil wir formuliert haben, dass Sie die Opfer aufgefordert haben, ihre Behauptungen zu belegen.
Das haben Sie gesagt! – Sie haben gesagt, durch eine Belegarbeit müsse die historische Absicherung der Behauptungen und der Arbeit der Gedenkstätte Hohenschönhausen erfolgen. Das ist jetzt anders formuliert, aber in der Sache ist doch das Gleiche, Herr Flierl!
Herr Flierl, Sie sagen damit, dass Sie diesen Menschen nicht glauben. Sie sagen damit, dass das bloße Behauptungen sind. Sie sagen damit, es müssten dafür Beweise erbracht werden, dass das, was dort geschehen ist, geschehen ist. Da will ich Ihnen sagen, Herr Flierl, wenn etwas dreist ist, dann ist es Ihre Einlassung und nicht unsere!
Da fragt man sich, was hätte man in dieser Situation dort tun müssen? – Sie haben davon erzählt, dass die Gesprächsführung nicht geeignet gewesen ist, als Vertreter des Landes Berlin Ihre Meinung richtig kundzutun. Jemand, dem es wichtig gewesen wäre, Herr Flierl, der wäre aufgestanden und hätte sich dem mutig entgegengestellt!
Sie hätten dort die ehemaligen Stasi-Generäle und die Vertreter von Herrn Mielke in die Schranken weisen müssen!
Es ist richtig: In einer Demokratie kann man niemandem das Wort verbieten. Das ist korrekt. Aber wir sind auch eine wehrhafte Demokratie, meine Damen und Herren, und denjenigen, die Menschenrechte mit Füßen getreten haben und die das heute rechtfertigen wollen, darf man auch keine übermäßige Zimperlichkeit entgegenbringen. Da muss man klar ansprechen, was richtig und was falsch ist.
Und das ist das eigentlich Schlimme daran! Es reiht sich ein in einen Kontext, der anfängt bei der Frage, wie Sie mit dem Gedenkstättenkonzept – das bis heute nicht vorliegt – und wie mit dem Mahnmal am Checkpoint Charlie umgegangen sind.
Herr Liebich! Ich weiß, dass Sie immer versuchen, ein bisschen das Feigenblatt zu spielen. Ich nehme Ihnen und Ihren Kollegen ab, das Sie es ernst meinen. Aber solange Sie solche Menschen wie Senator Thomas Flierl in Ihren Reihen dulden und zum Senator wählen und ihn als Parlamentarier nicht rügen für das, was dort am Dienstagabend passiert ist, sage ich Ihnen auch: Es ist unglaubwürdig, was Sie hier tun!
Im Oktober des vergangenen Jahres, Herr Flierl, haben Sie in Ihrer Eigenschaft als Stiftungsratsvorsitzender Herrn Dr. Knabe als Leiter der Gedenkstätte einen Maulkorb verpasst, als es darum ging, dass das „Neue Deutschland“ ins gleiche Horn gestoßen hat und Herr Dr. Knabe sich dagegen presserechtlich wehren wollte. Sie haben das damals untersagt. Sie erinnern sich an die Debatte, die wir im Oktober im Abgeordnetenhaus hatten, da haben Sie das auch freimütig zugegeben.
Es reiht sich ein in eine Kette, es ist keine einmalige Entgleisung, Herr Flierl, das ist System bei Ihnen!
Deswegen fordern wir Konsequenzen. Natürlich ist die Konsequenz – und dafür bin ich sehr dankbar, dass das hier im Haus auch Konsens ist –, dass wir uns vor die Opfer stellen und im Übrigen auch vor die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, die eine schwere und sehr gute Arbeit leisten.
Ich sage etwas dazu! – Ich war damals FDJ-Chef in meiner Schule, ich wäre ganz bestimmt in die SED eingetreten. Ich bin, als ich 13 Jahre alt war, vom Ministerium für Staatssicherheit gefragt worden, ob ich später einmal hauptamtlich dort tätig sein wollte. Ich hatte keine Zweifel, ich war Bewerber bis zum Mauerfall, bis zum Januar 1990. Ich habe auch in meiner Partei zu Beginn der neunziger Jahre – jetzt können Sie sich gleich noch mehr aufregen – gegen alle Beschlüsse zur Offenlegung der politischen Biographien gestimmt. Wir hatten heftige Debatten. Ich sage heute, dass ich darauf nicht stolz bin. Ich habe auf der falschen Seiten gestanden. Viele Verantwortungsträger der DDR, viele hohe Tiere und viele kleine Mitläufer wie ich, haben die letzten fünfzehn Jahre genutzt, um ihre eigene Geschichte zu hinterfragen, um die DDR zu hinterfragen und auch, um die DDR in Frage zu stellen. Dies gilt für SED-Mitglieder, Volkspolizisten, NVA-Berufsoffiziere und übrigens auch Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit.
Aber, Herr Flierl, das Mindestmaß, das angemessen ist, ist, dass wir Sie für Ihr Verhalten, egal, wie die Motivlage gewesen ist – ich habe Ihnen gesagt, was ich glaube, was die Wahrheit gewesen ist –, rügen, denn Sie haben sich als Vertreter des Landes Berlin unangemessen und falsch verhalten.
Ich glaube, Herr Flierl, dass Sie als Stiftungsratsvorsitzender ungeeignet sind.
Es ist unvorstellbar, dass Sie mit dieser Einstellung, die Sie an den Tag gelegt haben, das Land Berlin in dieser Stiftung vertreten. Wenn Sie ein Mindestmaß an Anstand besitzen würden, Herr Flierl, dann würden Sie spätestens heute sagen: Ich bin nicht mehr in der Lage, gegenüber der Öffentlichkeit glaubwürdig für diese Gedenkstätte als Stiftungsratsvorsitzender zu stehen, ich trete zurück. – Ich werde Sie daran messen, ob Sie bereit sind, darauf einzugehen, oder nicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Wir haben heute die Gelegenheit, im Landesparlament über ein Reformwerk zu sprechen, das von verschiedenen Seiten bereits als ein Jahrhundert
werk bezeichnet wurde. Die Frage, ob es das wirklich ist, kann ich mit einem klaren Ja beantworten.
Es ist schon allein deswegen ein Jahrhundertwerk, lieber Herr Lindner, weil alle Beteiligten von Seiten des Bundes wie auch von Seiten der Länder über ihren Schatten gesprungen sind und Kompromisse geschlossen haben. Das ist in der heutigen Zeit nicht nur selten, sondern notwendig, um den Stillstand, den wir in Deutschland in weiten Teilen beklagt haben, aufzulösen.
Die Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern ist mindestens genauso wichtig. Das wird auch für Berlin von hochgradigem Interesse sein, und das wird mit Sicherheit noch schwieriger werden als das, was bislang im Rahmen der Gesetzeskompetenz geregelt wurde.
Die Föderalismusreform bringt frischen Wind nach Deutschland, und das ist wichtig.
Es gibt sicherlich viele Bedenkenträger und viele, die aus dem Grundsatz der Subsidiarität, der sehr stark in der Reform verankert ist, schnell das Gespenst der Kleinstaaterei heraufziehen sehen. So ist ja auch die Aktuelle Stunde der Grünen formuliert. Da wird die Bildung, die PISA-Studie, zum Kronzeugen gemacht, warum dies alles Teufelszeug ist. Es ist richtig: Wir müssen, wenn es um Bildung geht, dafür Sorge tragen, dass es in Deutschland einheitliche Standards gibt und dass diese auch eingehalten werden. Ich kann verstehen, dass sich gerade die Berliner sorgen. Die Folgen unseres Bildungswesens in Berlin liegen weit unter dem Durchschnitt, und das waren sie auch schon vor der Föderalismusreform. Der Grund dafür ist doch – neben der soziokulturellen Struktur Berlins – auch die offensichtlich mangelhafte Bildungspolitik in Berlin.
Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten einen Senat, der nicht für Unterrichtsausfälle, staatlich indoktrinierten Pseudowerteunterricht und Pseudotyphus auf Berliner
Schultoiletten steht. Dann müssten Berliner Lehrer, Schüler und Eltern keine Angst mehr vor der Verantwortung der Länder im Bildungswesen haben.
Wenn wir Qualitätsentwicklung, Leistungswettbewerb und Erhöhung der Unterrichtsqualität in den Fordergrund stellen würden, wenn wir Begabung und den flexiblen Schulbeginn fördern würden, Fördern und Fordern in der Berliner Schule zum Grundsatz machten, dann müssten wir keine Angst vor mehr Freiheit in der Bildungspolitik in den Ländern haben.
Es ist verkehrt, aus dem Unvermögen einzelner Landesregierungen heraus gegen die Föderalismusreform zu argumentieren. Besonders armselig in diesem Zusammenhang finde ich die Aussage von Senator Flierl, der sich sorgt, dass auf Grund der Öffnungsklauseln und Tarifverträge Berlin als Hochschulstandort unattraktiv wird. Attraktivität eines Forschungsstandortes ist nicht abhängig von Tarifverträgen. Attraktivität eines Forschungsstandortes ist von der Wertigkeit von Wissenschaft und Forschung an einem Standort abhängig. Da kann man Hochschulverträge kürzen, den Universitäten enges Geschirr anlegen, da kann man über die Novelle eines Hochschulgesetzes nachdenken, mit dem man die Hochschulen weiter einzuzwängen versucht – das macht einen Standort kaputt. Mit Sicherheit geschieht dies aber nicht durch die größere Freiheit bei den Tarifverträgen.
Wenn es um die Hochschulfinanzierung geht, muss man einen sicherlich besonders im Auge behalten, und das ist Finanzsenator Sarrazin.
Ich kann mir vorstellen, dass es dort Gelüste gibt, die Gelder, die an die Länder fließen werden, zweckzuentfremden. Dem muss man einen Riegel vorschieben.
Das ist richtig. Die Zweckbindung ist sicherlich das richtige Instrument, aber die Kreativität Ihres Finanzsenators, Herr Wowereit, wenn es darum geht, sich über derartige Grundsätze hinwegzusetzen, haben wir gerade im Rahmen des Solidarpakts deutlich vor Augen geführt bekommen.
Bei den Bedenkenträgern gibt es noch einen zweiten Teil, und das sind die Zentralisten. Herr Müller! Es ist ja kein Wunder, dass Ihr Koalitionspartner, die Linkspartei, dieses Paket am liebsten wieder aufschnüren würde. Gerade die Linkspartei hat aber ihre Probleme mit zu schnürenden Paketen. Ich kann das auch verstehen, Herr Liebich, wenn ich mir so den Streit zwischen WASG und Linkspartei anschaue. Da kann man aus Sicht Ihres Bundesverbandes schon zum Gegner des Föderalismus werden.
Die historische Vorliebe der PDS für zentrale Strukturen sollte uns nicht davon abhalten, die Chancen für die Länder zu nutzen. Herr Wowereit! Sie haben sich in der Tat bemüht, die Chancen Berlins zu nutzen, wenn es darum geht, Berlin im Grundgesetz zu verankern. Das Ergebnis ist die Hauptstadtklausel. Das muss man anerkennen, und das tue ich auch ausdrücklich. Der Wert dieser Hauptstadtklausel wird sich aber erst noch zeigen. Die Verhandlungen über das Ausführungsgesetz werden zeigen, was diese Klausel für Berlin letztlich wert ist. Zum Glück konnte das Ansinnen, das Berlin-Bonn-Gesetz nun auch noch im Verfassungsrang zu zementieren, in letzter Minute abgewendet werden.
Das Ansinnen gab es schon, Herr Wowereit, es ist ja auch sehr diskutiert worden. Aber einen Schluss kann man daraus auf jeden Fall ziehen: Das Bonn-BerlinGesetz war gut für Bonn, für Berlin war es das nicht. Ein Ergebnis der Hauptstadtklausel muss sein: Nun müssen aber auch alle Ministerien nach Berlin, wenn Berlin der Regierungssitz ist, der im Grundgesetz steht.
Viel zentraler ist für mich allerdings die Frage, wie gehen wir überhaupt mit der Hauptstadtrolle um, die wir durch das Grundgesetz auch verbrieft bekommen haben. Denn es ist nicht nur eine finanzielle Frage, sondern es ist die Frage: Welche Bedeutung hat Berlin für den Bund, die Länder und für die Deutschen insgesamt? Wo wollen wir stehen? – Berlin ist mehr als nur ein Dienstleister als Regierungssitz. Berlin ist ein Schaufenster der Bundesrepublik nach außen. Berlin ist der Ort, an dem quasi die gesamte gesellschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik wie im Fokus abläuft. Diese Chance können wir nutzen. Wir können selbstbewusst auftreten. Es geht nicht darum, sich an die Ecke zu stellen, die Hände aufzuhalten und zu sagen: Gebt uns Geld! – Dieser Weg ist mit Sicherheit verkehrt und führt zu Reaktionen, wie wir sie in der letzten Woche begutachten konnten, auch bei Ministerpräsidenten südlicher Länder. Sondern wir haben etwas im Angebot als Berlin, und mit diesem Pfund müssen wir wuchern.
Die Reform bietet für Berlin große Möglichkeiten. Deswegen auch von meiner Fraktion ein klares Ja zur Reform. Und dieses klare Ja muss insbesondere auch von Berlin ausgehen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Fugmann-Heesing! Es ist doch selbstverständlich, auch wir gratulieren der FU und den Berliner Universitäten zu ihrem Erfolg im Rahmen der Exzellenzinitiative.
Wenn schon, dann muss man das Thema – wir diskutieren hier schließlich im Parlament – aber unter dem Blickwinkel diskutieren: Was haben der rot-rote Senat und rot-rote Hochschulpolitik zu diesem Erfolg beigetragen? – Darauf gehe ich gleich ein. Allein um sich hier selbst abzufeiern und sich mit fremden Federn zu schmücken, die Sie nun
)
Sie hatten es in der Hand, für Exzellenz an unseren Hochschulen zu sorgen. Es ist ein schwacher Trost, wenn die Freie Universität jetzt weitergekommen ist. Sie haben es
so in den Raum gestellt, Frau Fugmann-Heesing: Es sei immer die alte Leier. Aber es stimmt schon: Natürlich brauchen die Hochschulen mehr Geld. – Wenn wir der Auffassung sind, dass das die entscheidenden Potentiale für unsere Zukunft in Berlin sind, die wir in Wissenschaft und Forschung haben, dann müssen wir diese Potentiale auch mit Ressourcen ausstatten.
Es geht nicht nur um die finanziellen Ressourcen. Es geht auch um die Rahmenbedingungen. Mit Grauen muss man auf das blicken, was im Rahmen der Koalition diskutiert wird, vor allem bei der Linkspartei.PDS, nämlich wie man künftig in einem reformierten Hochschulgesetz mit den Universitäten umgehen will.
(D
Was dort nicht hilft, sind Diskussionen über die Einführung der Viertelparität. Was nicht hilft, ist die Diskussion über die Einführung eines gemeinsamen Facility-Managements, was der erste Schritt – von dieser Meinung werden Sie mich auch nicht abbringen – ist, die drei Hochschulen an die Kette zu legen. Sie wollen aus den drei Berliner Universitäten eine einzige machen mit drei untergeordneten Campi, die man mit einem einzigen Ansprechpartner noch heftiger administrieren kann als vorher. Das ist genau das Gegenteil von dem Wettbewerb, den Sie, Frau Fugmann-Heesing, richtigerweise eingefordert haben.
wahrlich nicht verdient haben, das war uns nicht wert, in der Aktuellen Stunde diskutiert zu werden.
Da hätten wir lieber die Verantwortung des Senats – und in dem Fall von Frau Schubert – für die Tage der offenen Türen in den Berliner Gefängnissen diskutiert. Aber sei es drum!
Natürlich ist das für die FU ein toller Erfolg, in der ersten Runde weiter zu sein. Allerdings ist das noch kein abschließendes Ergebnis. Auch die anderen Unis haben Erfolge erzielt. Sie haben auch Chancen. Für die Humboldt-Universität war es zu Beginn des Jahres durch den Wechsel im Präsidentenamt eine schwere Zeit. Aber ich glaube, das Potential ist an der Humboldt-Universität vorhanden. Ich habe allerdings noch die Worte des Kollegen Gaebler von der SPD im Ohr, der sagte, das in die Humboldt-Universität investierte Geld sei eine glatte Fehlinvestition gewesen. Dieser Auffassung sind wir nicht.
Wie eingangs gesagt, mir ist völlig unverständlich, Frau Fugmann-Heesing, warum sich Rot-Rot jetzt für die Erfolge der Berliner Hochschulen abfeiern lassen möchte. Denn eines kann man sagen: Die FU ist nicht wegen RotRot, sondern trotz Rot-Rot in der ersten Runde weitergekommen.
Da müssen Sie gar nicht mit der Schulter zucken, Herr Liebich!
Nehmen wir einmal das, was neben dem Hochschulgesetz den Kern der Finanzierung und der Arbeit der Hochschulen ausmacht, nämlich die Hochschulverträge. Hochschulverträge sind im Prinzip ein richtiges Instrumentarium, wenn es darum geht, den Hochschulen Freiheit und Sicherheit zu geben, wenn es um die Finanzierung geht. Und was haben Sie gemacht? – Sie haben diese Hochschulverträge gebrochen, meine Damen und Herren von Rot-Rot!
Sie sind diejenigen gewesen, die den Hochschulen 2004/2005 außerplanmäßig 54 Millionen € Einsparungen aufgedrückt haben. Sie sind diejenigen, die von den Hochschulen bis zum Jahr 2009 75 Millionen € Einsparungen erwarten. Und dann stellen Sie sich hier hin und sagen: Die 21 Millionen €, die im Rahmen der dritten Förderlinie maximal zu erringen sind, sind ein Riesenerfolg für die FU. – Ja, das stimmt, aber es ist doch nicht dafür da, das Geld, das Sie den Hochschulen wegstreichen, wieder aufzufüllen. Das ist doch eine verkehrte Welt!
Wir brauchen an den Universitäten mehr Freiheit. Wir brauchen mehr Selbstständigkeit. Wir brauchen mehr Orientierung auf das Ergebnis.
Wenn es um Gremienvielfalt geht, so hat man vor kurzem, als das Unimed-Gesetz diskutiert worden ist, den Umgang mit der Charité gesehen. Auch dort haben Sie jede Gelegenheit genutzt, ein zusätzliches Gremium einzuziehen. Ich erinnere an die Diskussion über die Einführung von diversen Räten und Mitbestimmungsrechten. Wir brauchen jedoch für unsere Universitäten mehr Freiheit. Wir brauchen auch – dies ist im Rahmen der Exzellenzinitiative deutlich geworden – mehr Differenziertheit. Das passiert, wenn Sie so eine Initiative starten, und zeigt, warum diese teilweise im linken Lager nicht so gut angekommen ist. Wir brauchen in Deutschland kein staatlich verordnetes Mittelmaß, sondern wir brauchen Profil. Wir brauchen Unterschiedlichkeit, und wir brauchen auch Eliten in Deutschland.
Ihre Politik ist jedoch wahrlich auf das Mittelmaß ausgerichtet.
Eines ist auch deutlich geworden: Gerade das Geld im Rahmen der Exzellenzinitiative ist der Motor für die Kreativität. Warum gab es denn so viele auch sehr gute Vorschläge aus den Universitäten? Hätte man dieses Potential in Berlin nicht schon viel früher nutzen können, indem man selbst Anreize aus dem Berliner Landeshaushalt gesetzt hätte? – Hier weigern Sie sich beharrlich, weil Sie Angst haben, dass über diese Differenziertheit auch ein
Die Schlussfolgerung, die man aus dem Zwischenergebnis der Exzellenzinitiative ziehen kann, ist: Wir brauchen für unsere Hochschulen jenseits des Geldes aus der Exzellenzinitiative eine angemessene finanzielle Ausstat
tung. Wir brauchen keine zusätzliche Gängelung, sondern mehr Freiheiten für unsere Universitäten. Wir brauchen ein Bewusstsein dafür, dass Spitzenleistung, dass Elite etwas Wertvolles ist, das uns nutzt. Wir müssen die vorhandenen Potentiale nutzen, und wir müssen sie über Berlin hinaus nutzen.
Ich möchte mit einem Zitat von Benjamin Franklin schließen, der schon vor 200 Jahren wusste:
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Gaebler! Sicherlich ist die Autonomie, von der Sie reden, nicht das Werk der rot-roten Regierungskoalition, sondern das Ergebnis der großen Koalition.
Mir geht es aber um die zurzeit geführte Debatte. Hier gibt es, wie Sie sicher wissen, Arbeitsentwürfe von Kollegen Ihrer Koalition – es nehmen Kollegen der SPD und der Linkspartei.PDS teil, wobei der eine nicht mehr so richtig darf, da er sich mehr um die Bundespolitik kümmert. Hierbei geht es ganz klar darum, in den Universitäten wieder etwas einzuführen, was wir mittlerweile seit Jahrzehnten überwunden haben und was die Universitäten auch gar nicht weitergebracht hatte. Es geht nicht darum, aus den Universitäten über Mitbestimmungsrechte – so wichtig sie sind – einen Debattierclub zu machen, sondern in den Universitäten darüber zu diskutieren, wie wir die Besten werden können, und sich nicht auf das Mindestmaß zu beschränken. Gerade darum sorgen wir uns und Herr Markschies ebenso.
Herr Gaebler, ich habe mich übrigens nicht auf ein Zitat vom Hörensagen aus dem Wissenschaftsausschuss bezogen, sondern auf eine Äußerung von Ihnen in der Plenarsitzung am 11. Dezember 2003, wo Sie gesagt haben, der Wiederaufbau der Humboldt-Universität ist eine glatte Fehlinvestition gewesen. Dies ist nachlesbar im Plenarprotokoll. Wenn Sie das heute bereuen und zu besserer Einsicht gekommen sind, sei Ihnen das zugestanden. Ich nehme das mit Wohlwollen zur Kenntnis.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Die Neuordnung der Universitätsmedizin in Berlin ist ein Prozess, den wir nach einem Versuch der Schließung des UKBF nach einem Vorschaltgesetz nach Expertenkommissionsanhörung nun zu einem vorläufigen parlamentarischen Abschluss bringen wollen und sollen.
Drei Leitlinien müssen uns in unseren Überlegungen bei der Konstruktion der Zukunft der Charité bewegen. Das ist zum einen die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Das ist mit Blick auf die Haushalte sowohl des Landes Berlin als auch des Bundes auch zukünftig für wissenschaftliche Einrichtungen von herausragender Bedeutung. Zum zweiten ist es die wissenschaftliche Exzellenz. Drittens geht es um die Bedeutung für den Standort Berlin. Wir sind uns alle einig darin, dass Gesundheit, Life-Sciences, Forschung auf dem Gebiet dessen, was sich um Menschenleben, Wachsen, Älterwerden rankt, von ganz entscheidender Bedeutung für Berlin ist.
Das Eine wird es ohne das Andere nicht geben. Es wird keine wissenschaftliche Exzellenz geben, ohne dass die Charité auf gesunden wirtschaftlichen Füßen steht. Der Standort Berlin wird seine Expertise dort nicht ausbauen, seine Potentiale nicht nutzen können, wenn die Charité nicht auch eine gesicherte Zukunft hat. Das Gesetz, dass uns die Koalition nun vorlegt, tut der Charité an der Stelle keinen Gefallen. Es ist im Gegenteil ein Hemmschuh für die notwendigen Entwicklungen und Veränderungen der Hochschulmedizin in Berlin.
Sie zwängen die Charité in ein enges Korsett. Sie wollen keine unternehmerische Freiheit in der Charité. Das halten wir für falsch. Ich sagte es bereits: Wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit ist ein ganz entscheidendes Kriterium für die Zukunft der Charité. Sie versuchen, das alles mit einer Menge Lyrik innerhalb des Gesetzes zu überdecken. Wir haben am Anfang erst einmal eine Präambel, die sehr lichtvolle Ausführungen über das, was eigentlich in der Charité passieren soll, enthält. Niemand hat etwas gegen Präambeln, Herr Dr. Flemming, aber sie nutzen nichts, wenn nicht die tatsächlichen Voraussetzungen geschaffen werden, dass sich die Charité auch in diese Richtung entwickelt.
Sie versuchen bis ins letzte Detail hinein, die zukünftige Struktur der Charité zu regeln. Richtig ist, die Charité will zukünftig eine Zentrenstruktur haben. Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. Aber muss man denn alles, bis hin zu den Zentrumskonferenzen, quasi bis in das hinein, was eigentlich eine Satzung oder gar eine Geschäftsordnung hergeben müsste, in einem Gesetz regeln? – Ich glaube, dass man das nicht muss, ich glaube sogar, dass das falsch ist. Nutzt es denn etwas, dass man versucht, den Corporate-Governance-Kodex mit einem Verweis in dem Gesetz – auf eine Art und Weise, die rechtstechnisch unüblich ist, aber vielleicht gut aussieht – für die Charité verpflichtend zu machen? – Wenn man wenigstens die Gelegenheit gehabt hätte, die Grundsätze des CorporateGovernance-Kodexes tatsächlich in der Organisation der Charité unterzubringen! Wir haben eine Änderung zum Gesetzentwurf vorgelegt, in dem gerade diese Voraussetzungen geschaffen werden. Wir wollen die Kompetenz und das Verhältnis von Aufsichtsrat und Vorstand nach den Empfehlungen des Corporate-Governance-Kodexes gestalten. Danach leitet der Vorstand das Unternehmen in eigener Verantwortung. In Ihrer Konstruktion hat der Vorstand nicht die notwendigen Freiheiten, die er dafür braucht. Die Mitglieder des Vorstandes tragen gemeinsam die Verantwortung für die Unternehmensleitung. Der Aufsichtsrat bestellt, überwacht und berät den Vorstand und beschränkt sich dabei auf die Geschäfte, wo es notwendig ist. Was Sie wollen, ist eine so enge Verschränkung mit dem Aufsichtsrat, dass der Vorstand vom Prinzip her nur noch eine rein ausführende Funktion hat.
Und da wir gerade beim Vorstand sind, kommen wir zum zweiten Punkt, zur wissenschaftlichen Exzellenz. Es ist geradezu unverständlich, wie man auf die Idee kommen kann, aus dem Aufsichtsrat der Charité, einer Gliedkörperschaft von Humboldt-Universität und Freier Universität, die Universitätspräsidenten auszuschließen. Wir haben mit beratender Stimme sogar die Frauenvertretung im Aufsichtsrat, wogegen im Allgemeinen nichts einzuwenden ist. Sollen sie meinetwegen auch im Aufsichtsrat sitzen! Aber zu behaupten, dort hätten die Präsidenten nichts zu suchen, weil die Universitäten nun nicht mehr für die Charité bzw. deren wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg hafteten, verkennt völlig die Funktion des Aufsichtsrats. Wenn es denn so wäre, bräuchten Sie dort auch keine wissenschaftlichen Experten, weil es dann nur darum ginge, dass die Anteilseigner darauf achten, dass ihr Geld ordentlich ausgegeben wird. Dann reicht es in der Tat, dass Sie Herrn Flierl und Herrn Sarrazin da hin
einsetzen. Dann wäre die Sache erledigt, aber damit wäre im Übrigen auch die Charité erledigt. Denn einen Hintergedanken haben Sie doch ganz offensichtlich dabei, wenn Sie auch per Gesetz festschreiben wollen, dass der Wissenschaftssenator gleichzeitig der Aufsichtsratsvorsitzende ist. Was Sie wollen, ist, die Charité in Zukunft noch weiter aus dem universitären Umfeld herauszulösen, sie möglicherweise gänzlich aus den beiden Universitäten zu entfernen. Was folgt daraus? – Sie würde ihren Status als Volluniversität verlieren, und wir haben einen wunderbaren Einstieg in das, wovon Herr Sarrazin schon lange träumt: das Ganze zusammengeschrumpft in eine Berliner Universität mit niedrigen Studentenzahlen, mit niedriger Attraktivität für Wissenschaft und Forschung, international wie national, aber möglicherweise kostengünstiger. – Da machen wir nicht mit.
Der dritte Punkt ist ganz entscheidend. Für den Standort Berlin ist die Charité von herausragender Bedeutung, nicht nur wegen der 14 000 Beschäftigten, nicht nur wegen der Notwendigkeit für die Berlinerinnen und Berliner, eine gute Gesundheitsversorgung zu erbringen, sondern weil wir uns in Berlin auch darüber Gedanken machen müssen, wie wir insgesamt die Frage unserer Gesundheitsversorgung regeln. Wir haben zwei große Gesundheitsanbieter. Wir haben Vivantes auf der einen und die Charité auf der anderen Seite. Das Verhältnis ist überhaupt nicht geklärt. – An der Stelle haben wir gerade über B-Pläne diskutiert.
Vielen Dank, Herr Doering! – Der Präsident hat es freundlicherweise noch nicht angemerkt. Ich komme zu meinem letzten Satz. – Wir haben in Berlin die durchschnittlich höchsten Krankenhauskosten bundesweit. Wenn man sich eine Universitätsmedizin in der Größenordnung leisten will, ist es sicherlich auch notwendig, dass es teurer ist, aber wir müssen Möglichkeiten finden, auch dort die Kapazitäten zu einem vernünftigen Ausgleich zu bringen. Deswegen haben wir vorgeschlagen, dass die Charité auch in den Landeskrankenhausplan gehört, damit man dort wenigstens die gesetzlichen Möglichkeit hat, entsprechende Instrumentarien anzuwenden. Das wollen Sie nicht.
Ich sage Ihnen eines, Sie haben es selbst in der Sitzung des Wissenschaftsausschusses eingeräumt: Sie werden früher oder später nachbessern müssen. Es wäre besser gewesen, Sie hätten es gleich richtig gemacht. Besinnen Sie sich eines Besseren und gehen Sie auf unsere Vorschläge ein, die im Übrigen einhellig von allen fachlichen Anzuhörenden in der Ausschusssitzung unterstützt worden sind. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus Oberschöneweide! In den vergangenen Wochen haben die Standortschließungen und Massenentlassungen in Berlin einen erneuten Höhepunkt erreicht. Täglich müssen wir alarmierende Hiobsbotschaften vernehmen: 750 Arbeitsplätze weniger bei Samsung, 800 Arbeitsplätze weniger bei Siemens, 200 Arbeitsplätze weniger bei Reemtsma und heute, ganz aktuell, 100 Arbeitsplätze weniger bei Mercedes in Marienfelde. Diese Unternehmen haben innerhalb von wenigen Tagen angekündigt, insgesamt mehr als 2 000 Arbeitsplätze in der Hauptstadt abzubauen. Das sind 2 000 Familienschicksale, über die wir heute reden. Es sind Väter und Mütter, die Tränen in den Augen haben, weil sie nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll.
Auch andere haben Tränen in den Augen, aber es sind Krokodilstränen, die Sie von SPD und Linkspartei.PDS hier vergießen.
Es ist das Ergebnis Ihrer Politik, dass jährlich rund 2 000 Betriebe Pleite gehen, abwandern oder ihre Werke schließen. SPD und Linkspartei.PDS haben die Arbeitslosen
quote von rund 20 % in unserer Stadt zu verantworten. Fast jeder fünfte Erwerbsfähige, dem Sie in unseren Straßen begegnen, teilt das Schicksal, keiner festen Arbeit nachgehen zu können. Von denen, die noch Arbeit haben, hat jeder Dritte Angst um seine Zukunft, Angst davor, seinen Job zu verlieren, seine Familie nicht mehr versorgen zu können, seine Miete nicht mehr bezahlen zu können, keine Aufgabe mehr zu haben und sein Ansehen in unserer Gesellschaft einzubüßen.
Nein! – Was ist Ihre Antwort? – Der Senat meint, dass wir uns mit einer verfestigten Arbeitslosenquote von 15 bis 17 % abfinden müssen. Das ist die Prognose des Finanzsenators Thilo Sarrazin für die Berliner Zukunft, die er bei den Wirtschaftsgesprächen zum Besten gegeben hat.
Ich sage Ihnen, Herr Sarrazin, das ist in höchstem Maße unverantwortlich und zynisch!
Es ist einfach unerträglich, wie Sie vor der Arbeitslosigkeit ganz offensichtlich kapitulieren und Ihre Hände in den Schoß legen wollen. Wir alle als politisch Verantwortliche haben die Pflicht, das Problem ernst zu nehmen, nach Lösungen zu suchen und entsprechend zu handeln. Insbesondere die Berliner Regierung, Herr Wowereit, Herr Wolf und wie Sie alle hier sitzen, Sie haben die Verantwortung und müssen endlich Ihren Job erledigen und der Arbeitslosigkeit den Kampf ansagen, statt zu resignieren. Ihre Haltung zu dieser Frage ist einfach ungeheuerlich.
Meine Damen und Herren vom Senat, haben Sie sich überhaupt einmal bewusst gemacht, mit welchen Problemen Abertausende Menschen tagtäglich in unserer Stadt kämpfen? Vor allen Dingen bei Ihnen, Herr Sarrazin, muss man sich wirklich fragen, in welcher Welt Sie eigentlich leben. Zu allem Überfluss werfen Sie den Menschen dann auch noch vor, sie wären faul und Sie könnten das ewige Gejammer der Berliner nicht mehr ertragen. Aber wissen Sie was, Herr Sarrazin? – Die Berlinerinnen und Berliner können Sie einfach nicht mehr ertragen.
Sie können es nicht mehr ertragen, von einem Finanzsenator Ratschläge zu erhalten, die an Arroganz, Ignoranz und Dümmlichkeit kaum mehr zu überbieten sind. Das trifft ebenso auf den Regierenden Bürgermeister zu. Herr Wowereit flaniert lieber über die Festlichkeiten dieser Stadt, anstatt das Hauptproblem – die Arbeitslosigkeit – zur Chefsache zu erklären und sich um Neuansiedlungen von Unternehmen zu kümmern.
Erst wenn es eigentlich schon zu spät ist, versuchen Sie, durch schnellen Aktionismus die Dinge noch irgendwie hinzubiegen und sich in den Medien als ein engagierter Politiker zu verkaufen, der sich für die dringenden Probleme der Stadt interessiert.