Protocol of the Session on November 11, 2004

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 59. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.

Zunächst gratuliere ich dem Kollegen Krestel zum Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute und gute Gesundheit!

[Allgemeiner Beifall]

Sodann habe ich Geschäftliches mitzuteilen. Die von der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS am 29. September dieses Jahres für die letzte Sitzung eingebrachte Große Anfrage „Modellsozialamt 2005“ – Drucksache 15/3229 – wurde bisher nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Die Koalitionsfraktionen baten den Senat um die schriftliche Beantwortung. Sobald diese vorliegt, wird das weitere Verfahren bekannt gegeben.

Ich habe Ihnen die Rücknahme von drei Anträgen der Fraktion der FDP mitzuteilen: „Bestimmungen zur Zweckentfremdung von Wohnraum sind zwecklos“ – Drucksache 15/440 –, „Mehr Berlin, weniger Staat (38): Private ins Vermessungswesen“ – Drucksache 15/1813 – sowie „Hartz IV, aber richtig (4): Umfassende Informationen zu Hartz IV sind unter www.berlin.de ins Netz zu stellen!“ – Drucksache 15/3125 –.

Ferner hat die Fraktion der Grünen ihren Antrag über „Dozent/-innen von Volkshochschulen und Musikschulen nicht schröpfen!“ – Drucksache 15/2478 – zurückgezogen.

Als Themen für die Aktuelle Stunde sind eingereicht worden:

1. Antrag der Fraktion der SPD und der PDS zum Thema: „15 Jahre nach dem Mauerfall – die Einheit gestalten, der Opfer gedenken“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Fünfzehn Jahre wiedervereinigtes Berlin: die deutsche Hauptstadt braucht ein würdiges und informatives Gedenkstättenkonzept“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „15 Jahre nach dem Mauerfall: die Erinnerung an die Teilung gestalten, der Maueropfer würdig gedenken!“,

4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Kitareform auf der Kippe – der Senat setzt durch Inkompetenz die Versorgung und Bildungschancen unserer Kinder aufs Spiel!“.

Die Geschäftsführer der Fraktionen haben sich im Ältestenrat auf das folgende gemeinsame Thema einer Aktuellen Stunde verständigt: „Bilanz 15 Jahre nach Mauerfall – die Einheit gestalten und der Opfer gedenken“. Diese Aktuelle Stunde wird dann wie üblich unter Tagesordnungspunkt 2 aufgerufen.

Ferner weise ich auf die Ihnen vorliegende Konsens

liste und auf das Verzeichnis der eingegangenen Dringlichkeiten hin. Sofern sich gegen die Konsensliste bis zum Aufruf des entsprechenden Tagesordnungspunktes kein Widerspruch erhebt, gelten die Vorschläge als angenommen. – Über die Anerkennung der Dringlichkeit wird dann jeweils an entsprechender Stelle der Tagesordnung entschieden.

Dem Ältestenrat lagen folgende Entschuldigungen bezüglich der Abwesenheit von Senatsmitgliedern vor: Der Regierende Bürgermeister wird um ca. 18.45 Uhr die Plenarsitzung verlassen, da er an einer Sondersitzung zur Modernisierung der Bundesstaatlichen Ordnung teilnimmt. Die Entschuldigungen Herrn Senator Wolf betreffend hatten im Ältestenrat Bedenken und Fragen zur Folge, und der Senat wurde um eine erneute Prüfung der Sachlage gebeten, deren Ergebnis uns aber noch nicht vorliegt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gem. § 51 der Geschäftsordnung

Bevor ich die erste Frage aufrufe, möchte ich Ihnen folgenden Vorschlag für eine Zusammenziehung von vier Mündlichen Anfragen machen. Die Fragen unter den lfd. Nrn. 2 bis 4 und 10 der Abgeordneten Michael Braun, Wolfgang Brauer, Alice Ströver und Sibylle Meister haben die Stiftung Oper in Berlin zum Thema. Ich schlage deshalb vor, diese Fragen zusammenzuziehen. Den Fragestellern stehen jeweils zwei Nachfragen zu, und es können zwei Nachfragen aus der Mitte des Hauses gestellt werden, insgesamt also zehn Nachfragen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat Frau Radziwill von der Fraktion der SPD über

Stand der Umsetzung der Neustrukturierung des Sonderfahrdienstes Telebus

Bitte schön, Frau Radziwill!

Ich frage den Senat:

1. Wie ist der gegenwärtige Stand der Umsetzung der Neustrukturierung des Sonderfahrdienstes Telebus, und welches sind die noch zu bewältigenden Aufgaben?

2. Ist es sichergestellt, dass der Betreiber, Berliner Zentralausschuss für soziale Aufgaben – BZA –, bis zur vollständigen Umsetzung der Neustrukturierung des Sonderfahrdienstes Telebus die bisher erbrachten Leistungen bis zum 30. Juni 2005 weiter erbringt, und wenn nicht, welche Schwierigkeiten sieht der Senat für den BZA?

Ich bin gerade darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Anfrage Nr. 8 der Frau

Abgeordneten Dr. Schulze von der Fraktion der PDS das gleiche Thema zum Inhalt hat. Ich setze Ihr Einverständnis voraus und erteile Frau Dr. Schulze das Wort zur Frage über

Aktueller Stand zur Perspektive des Sonderfahrdienstes für Menschen mit Behinderungen

Bitte schön, Frau Dr. Schulze!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wie ist der Stand der Verhandlungen zur Anbindung des Sonderfahrdienstes für Menschen mit Behinderungen an den ÖPNV ab 1. Juli 2005?

2. Wie sollen die ab 1. Januar 2005 aus dem Telebussystem ausgegliederten Kostenträgerfahrten – Rechtsverordnung vom 8. Oktober 2004 – ab Januar 2005 in der Stadt weiter gewährleistet werden, und wie erfolgt die Information der davon betroffenen behinderten Menschen?

Frau Senatorin Dr. KnakeWerner hat das Wort zur Beantwortung. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Radziwill und Frau Schulze! Der erste Teil Ihrer Frage ist identisch, deshalb werde ich ihn zusammen beantworten. Sodann werde ich auf Ihre Nachfragen im Einzelnen eingehen.

Zum Stand der Vereinbarungen: Wir haben nach sehr langen und intensiven Gesprächen mit dem Vorstand der BVG eine Vereinbarung über die weitere Zusammenarbeit bis zum 30. Juni 2005 und darüber ausgehandelt, dass die BVG ab 1. Juli 2005 Regieleistungen des Telebusses übernehmen wird. Diese liegt den Verhandlungspartnern momentan zur Schlusszeichnung vor. Das ist für die Sicherung des Telebusses ein ganz wichtiges Ergebnis. Gemeinsam mit der BVG werden wir die Vorbereitungen für die Ausschreibungen der Fuhrleistungen abschließen. Das wird bis zur notwendigen Hauptausschussvorlage im Dezember passieren. Anfang des Jahres werden die Ausschreibungen für die Fuhrleistungen stattfinden. Die jetzigen Fuhrunternehmer können sich wieder um diese Leistungen bewerben. Damit werden die Fuhrleistungen ab 1. Juli 2005 auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt. Darüber hinaus handeln wir mit der BVG einen Geschäftsbesorgungsvertrag darüber aus, welche Leistungen im Einzelnen von der BVG übernommen werden.

^ Die Frage lautete, ob sichergestellt sei, dass der Betreiber BZA die bisher erbrachten Leistungen bis zum 30. Juni 2006 weiter erbringt. Sie wissen, dass wir ursprünglich die Absicht hatten, den Betreiberwechsel schon zum 1. Januar 2005 vorzunehmen. Wir haben im Frühsommer entschieden, den Betreiber BZA ein halbes Jahr zu verlängern und seine Dienste für den Sonderfahr

dienst weiterhin in Anspruch zu nehmen. Wir haben selbstverständlich darüber Gespräche mit dem Vorstand des BZA geführt. Weiter haben wir in einem Zuwendungsbescheid an den BZA nicht nur die Mittel für das Jahr 2004 zugesichert, sondern im Grundsatz auch die für das erste Halbjahr 2005. Dadurch ist die Gesamtsicherung, was die Finanzmittel angeht, von unserer Seite bis zum 1. Juli 2005 gegeben.

Über die Modalitäten der Abwicklung des jetzigen Betreibers BZA haben in den letzten Monaten eine Fülle unterschiedlichster Gespräche stattgefunden, vor allem mit dem Vorstand, aber auch mit dem Betriebsrat und der Geschäftsführung des BZA. Gegenstand waren stets zwei Dinge: einerseits die Forderung des BZA, dass sich das Land an möglichen Abwicklungskosten beteiligt, z. B. an Sozialplankosten. Der zweite Punkt war, dass das Land die Forderungen an den BZA aufgemacht hat, die aus der langjährigen Arbeit entstanden sind, weil der BZA nicht so gearbeitet hat, wie es vom Zuwendungsgeber erwartet wurde. Ich gehe davon aus, dass beide Seiten ein Interesse daran haben, diese Fragen außergerichtlich zu lösen. Selbstverständlich gehe ich weiter davon aus, dass der Vorstand des BZA ein Interesse daran hat, den Betrieb des Sonderfahrdienstes für Menschen mit Behinderungen bis zum 1. Juli 2005 in der Regie des BZA reibungslos zu gewährleisten.

Frau Schulze hat gefragt, wie es künftig mit den so genannten Kostenträgerfahrten funktionieren soll. Alle, die sich mit dem Sonderfahrdienst für Menschen mit Behinderungen bereits länger beschäftigt haben, wissen, dass wir künftig den Telebus für so genannte Freizeitfahrten vorhalten werden. Bereits im Mai haben aus dem bisherigen Sonderfahrdienst Krankenfahrten ausgegliedert. Zum 1. Januar 2005 wird das auch mit anderen Fahrten, wie Werkstattfahrten, also Fahrten zur Arbeit, den so genannten Kostenträgerfahrten geschehen, die von anderen Einrichtungen finanziert werden.

Das ist dem Betreiber seit langem klar. Es ist mit den Krankenfahrten so organisiert worden, dass ein neuer Zusammenschluss mit neuen Beschäftigten gegründet worden ist. Für die Kostenträgerfahrten kann das sicher auch in ähnlicher Form geschehen, dass sich nämlich Fuhrunternehmen zusammenschließen und diesen Geschäftsbereich künftig im Interesse von Nutzerinnen und Nutzern übernehmen.

Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt ist die Kollegin Radziwill mit einer Nachfrage an der Reihe, wenn Sie eine hat. – Bitte sehr!

Ja, Herr Präsident! – Ich möchte wissen, ob an Sie, Frau Senatorin, herangetragen worden ist, dass zum Teil bereits Fahrten abgesagt werden und bei den Betroffenen Sorge besteht, dass rund um Weihnachten das Angebot in der ursprünglich bekannten Form nicht mehr vorgehalten werden kann und dass bei

Präsident Momper

den Mitarbeitern wie bei den Fuhrunternehmern eine sehr große Verunsicherung vorhanden ist.

Bitte sehr, Frau Senatorin Knake-Werner!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine allergrößte Sorge ist, dass es im Moment offensichtlich wieder eine Reihe von Bestrebungen gibt, vor allen Dingen die Betroffenen zu verunsichern. Das weise ich in schärfster Form zurück. Hier wird teilweise Parteipolitik zu Lasten der Menschen mit Behinderung betrieben. Ich bin der Auffassung, dass wir alle zusammen das nicht zulassen dürfen.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Ich habe Verständnis für die Verunsicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BZA. Ich sage aber auch: Seit dem 1. Januar 2004 wissen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Betreiber, dass wir einen Trägerwechsel vornehmen wollen. Dazwischen liegt fast ein Jahr. In dieser Zeit muss es möglich sein, Überlegungen anzustellen, welche Aufgaben von den jetzigen Beschäftigen übernommen werden können. Es wundert mich, dass es von Seiten des BZA keinerlei Versuche gibt, z. B. den Geschäftsbereich Krankenfahrten, den Geschäftsbereich für die künftigen Kostenträgerfahrten, als eigenes Geschäftsfeld aufzubauen, sondern zuzulassen, dass in diesem Bereich ein eigener Betrieb mit Neueinstellungen gegründet wird. Dafür habe ich kein Verständnis, bei allem Verständnis dafür, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze bangen. Deshalb haben wir als Verwaltung – wir sind nicht Arbeitgeber, auch das will ich hier deutlich machen – zugesagt, dass wir bereit sind, über Sozialplanmittel mit dem Vorstand des BZA zu diskutieren. Das ist bekannt, das ist allen Beteiligten klar geworden. Es ist eine relativ mühselige Auseinandersetzung, die wir jedoch führen wollen und die wir einvernehmlich führen wollen.

Danke schön, Frau Senatorin Knake-Werner! – Frau Radziwill hat eine Nachfrage. – Bitte sehr!

Ich möchte wissen, wann der Geschäftsbesorgungsvertrag mit der BVG über den Umfang der Leistungen vorgelegt werden kann. Sie hatten gesagt, dass er zurzeit ausgehandelt werde. Ich würde gern ein Datum genannt bekommen.

Frau Senatorin Knake-Werner – bitte!