Protocol of the Session on December 11, 2003

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 42. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich zu unserer letzten Sitzung vor Weihnachten, die entsprechend lange dauern wird.

Vor Beginn unserer Beratungen habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen und bitte Sie, sich zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Ich möchte mit Ihnen des früheren Berliner Justizsenators Prof. Dr. Jürgen Baumann gedenken, der am 26. November im Alter von 81 Jahren in Tübingen verstorben ist.

Prof. Dr. Jürgen Baumann, Mitglied der FDP, war von August 1976 bis Juli 1978 Senator für Justiz. Er war Amtsnachfolger von Hermann Oxfort, der nach dem Ausbruch von vier Terroristinnen aus dem Frauengefängnis Lehrter Straße die politische Verantwortung übernommen hatte und zurückgetreten war.

Der international renommierte und anerkannte Strafrechtler Jürgen Baumann erklärte schon bei seiner Wahl, dass er nur bis zum Ende der Legislaturperiode in Berlin bleiben und dann in sein Lehramt für Strafrecht an der Universität Tübingen zurückkehren wolle.

Auch seine Amtszeit war überschattet durch den Terrorismus der RAF, der damals die Bundesrepublik erschütterte. Nachdem im Mai 1978 aus der Untersuchungshaftanstalt Moabit ein Terrorist gewaltsam befreit worden war, legte Jürgen Baumann sein Amt im Juli 1978 nieder. Er kehrte nach Tübingen zurück, wo er bis 1988 Hochschullehrer war.

Prof. Dr. Jürgen Baumann hat Berlin in schwierigster Zeit gedient. Er hat sein politisches Amt zu kurz ausgeübt, um nachhaltige Spuren zu hinterlassen. Aber in der kurzen Zeit von knapp zwei Jahren hat der liberale Wissenschaftler mit ganzer Kraft für unsere Stadt Politik gemacht. Dafür schulden wir ihm Dank. Wir gedenken seiner mit Trauer und Hochachtung.

Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen erhoben. Ich danke Ihnen.

Herr Ralf Wieland hat heute Geburtstag. Herzlichen

Glückwunsch, alles Gute und Gesundheit! Was kann es Schöneres geben, als einen langen Geburtstag im Parlament zu verbringen.

[Allgemeiner Beifall]

Ich komme nun zum Geschäftlichen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat um die Überweisung der Vorlage – zur Beschlussfassung – Schulgesetz für das Land Berlin, Drucksache 15/1842, zusätzlich an den Hauptausschuss gebeten. Die Vorlage wurde bereits fe

derführend an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport sowie mitberatend an den Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen überwiesen. – Ich höre zu dieser zusätzlichen Überweisung an den Hauptausschuss keinen Widerspruch, dann wird so verfahren.

Am Montag sind vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der SPD und der PDS zum Thema: „Perspektiven für den Hochschul- und Wissenschaftsstandort Berlin“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Die allgemeine Debatte über eine bessere universitäre Bildung und die Erfahrungen der Berliner Studenten mit dem Niedergang ihrer Hochschulen“,

Ferner weise ich auf die Ihnen vorliegende Konsens

liste und auf das Verzeichnis der eingegangenen Dringlichkeiten hin. Sofern sich gegen die Konsensliste bis zum Aufruf des entsprechenden Tagesordnungspunktes kein Widerspruch erhebt, gelten die Vorschläge als angenommen. – Über die Anerkennung der Dringlichkeit wird dann wieder jeweils an entsprechender Stelle der Tagesordnung entschieden.

Mir wurden folgende Entschuldigungen bezüglich der Abwesenheiten von Senatsmitgliedern mitgeteilt: Senator Dr. Sarrazin ist ganztägig abwesend, da ab 11.30 Uhr die Vorbesprechung und ab 13 Uhr seine Teilnahme an der Sitzung des Vermittlungsausschusses ansteht. Senator Wolf leitet am 10. und 11. Dezember 2003 die Wirtschaftsministerkonferenz in Magdeburg und wird erst nach der abschließenden Pressekonferenz – gegen 14 Uhr – die Rückreise antreten können. Er wird etwas verspätet – nicht vor 18 Uhr – an unserer Sitzung teilnehmen. Der Regierende Bürgermeister wird vorübergehend ab ca. 16 Uhr abwesend sein. Der Grund ist der Staatsbesuch des Prinzen Albert von Monaco mit Eintragung in das Goldene Buch der Stadt Berlin sowie die Teilnahme an einem Empfang des Organisationskomitees der Fußballweltmeisterschaft 2006.

Ich rufe auf

Präsident Momper

Für die Schwarzarbeit sind nur Schätzungen möglich, da sie sich – wie bereits der Ausdruck sagt – im Verborgenen abspielt. Aktuell sagen diese Schätzungen aus, dass es dabei um einen Anteil von 17,1 % des Bruttoinlandproduktes bundesweit handelt. Für Berlin gibt es ebenfalls entsprechende Schätzungen. Jeder fünfte Euro wird schwarz erwirtschaftet. Die Branchen sind der Baubereich, die Gastronomie und das Fuhr- und Reinigungsgewerbe. Das liegt etwas über dem Bundesdurchschnitt. Eine Erklärung dafür ist, dass Berlin der größte Ballungsraum ist, den wir haben. Dadurch ergibt sich eine höhere Anzahl von Schwarzarbeit. Der aktuelle Bericht zur Schwarzarbeit, den wir gerade vorgelegt haben, hat nicht ergeben, dass es in den letzten Jahren einen Abbau regulärer Beschäftigung zu Gunsten der Schwarzarbeit gegeben hätte, die mit der Anfrage unterstellt wurde. Beim Bau

hauptgewerbe gingen die Auftragseingänge seit 1999 sehr zurück. Allein der Rückgang der öffentlichen Bauaufträge liegt bei über 50 %. Das ist jedoch Einsparungen geschuldet und nicht dem Abgang in Schwarzarbeit. In Berlin gibt es gerade durch die GES, die gemeinsame Ermittlungsbehörde Schwarzarbeit,

an der die Berliner Kriminalpolizei, die Arbeitsämter, der Zoll und die Steuerfahndung mitwirken, und in enger Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft und den Rentenversicherungsträgern eine besonders effektive Ermittlung. Diese Ermittlung hat Maßstäbe gesetzt und ist Vorbild für Hamburg und Bremen, die eine ähnliche Einrichtung installiert haben. In Berlin wird durchschnittlich jede Stunde an 365 Tagen mindestens eine Baustelle bzw. eine Betriebstelle kontrolliert. Das ist eine beachtliche Zahl.

Im Jahr 2002 ist ein Gesetz zu Erleichterung der Bekämpfung illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit erlassen worden. Wir haben dabei aktiv mitgewirkt. Seitdem haften Generalunternehmen im Baubereich für die Subunternehmer, d. h. es ist eine entsprechende Verfolgung der Arbeitgeber und nicht nur der kleinen Arbeitnehmer möglich. Auch im Berliner Vergaberecht gibt es eine Verpflichtung zu Entlohnung nach geltenden Tarifen und einen Ausschluss von der Vergabe für die öffentlichen Aufträge bis zu zwei Jahren, wenn sich die Unternehmen nicht daran halten. Es gibt im Entwurf ein neues Bundesgesetz, das uns zwar noch nicht vorliegt, das wir jedoch in den nächsten Wochen erwarten, um es beurteilen zu können. Eine Veränderung darin wird sein, aus der Ordnungswidrigkeit Schwarzarbeit einen Straftatbestand zu machen. Vom Prinzip her begrüßen wir das und glauben, dass das mit dazu beiträgt, die Schwarzarbeit bekämpfen zu können. Andererseits sind wir der Auffassung, dass es wichtig ist, eine Bewusstseinsveränderung hervorzurufen, da Schwarzarbeit bei sehr vielen als Kavaliersdelikt gilt und nicht als wirkliche Straftat.

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gem. § 51 der Geschäftsordnung

Das Wort zur Mündlichen Anfrage Nummer 1 über das Thema

Bekämpfung der Schwarzarbeit in Berlin

hat Herr Kollege Buchholz. – Bitte schön, Herr Buchholz, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Vorsitzender! Meine Damen, meine Herren! – Ich frage den Senat:

1. Teilt der Senat die Aussagen von IHK und Bauwirtschaftsverband, die Schwarzarbeit sei die einzige Boombranche in Berlin, und inzwischen arbeiteten ebenso viele illegal Beschäftigte wie fest angestellte Fachkräfte auf dem Bau?

2. Werden die Baustellen der Hauptstadt ausreichend kontrolliert, und welche Möglichkeiten sieht der Senat in einer Verschärfung von Landes- und Bundesgesetzen, um diese Form der organisierten Kriminalität besser bekämpfen zu können?

Für den Senator für Wirtschaft antwortet Frau Staatssekretärin Ahlers. – Bitte schön!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Auch wenn ich nicht der Senator für Wirtschaft, sondern die Staatssekretärin für Arbeit und Frauen bin, möchte ich die Frage beantworten.

Die Aussage, die eben gemacht wurde, können wir nicht nachvollziehen. Auch die IHK konnte sie nicht bestätigen. Wir können belegen, dass es in Berlin eine Reihe von Branchen mit beachtlichem Wachstum gibt. Es gibt sie z. B. in der Medien- und Kommunikationswirtschaft mit über 10 000 Betrieben und im Vergleich zu den Medienstandorten München, Köln und Hamburg mit der größten Wachstumsdynamik. In der Industrie können wir ebenfalls kontinuierlichen Umsatzwachstum verzeichnen, z. B. in der chemischen Industrie und im Fahrzeugbau.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Danke schön, Frau Staatssekretärin! – Der Kollege Buchholz hat eine Nachfrage. – Bitte!

Frau Staatssekretärin! Glauben Sie angesichts der von Ihnen beschriebenen Maßnahmen auf Bundesebene bezüglich der Gesetzesverschärfung, aber auch angesichts der verstärkten Kontrollen, die in Berlin kommen werden, dass es tatsächlich eine merkliche Minderung der Schwarzarbeit in Berlin geben kann?

Frau Staatssekretärin – bitte!

Das ist schwierig zu beantworten, inwieweit sich das tatsächlich auswirken wird. Aber ich gehe davon aus, dass, wenn wir eine Verschärfung haben, wir damit auch eine Verminderung der Schwarzarbeit haben werden. Natürlich müssen wir auch im präventiven Bereich tätig sein und uns z. B. im Ausländerrecht Gedanken zu den Arbeitserlaubnissen ma

Frau StS Ahlers

Frau Staatsekretärin! Sie haben sehr salbungsvoll erzählt, wie wirksam die Maßnahmen angeblich sind, die Sie durchführen. Fakt ist aber, dass wir seit zehn Jahren eine ständige Zunahme haben. Kann es sein, dass die Kontrollen, die Sie durchführen, völlig an der Sache vorbei gehen? Sie haben bereits erwähnt, dass Sie das Strafrecht einführen wollen. Kann es sein, dass

wirklich härter durchgegriffen werden muss, weil diese Kiste den Markt in Deutschland und Berlin völlig deformiert und letztendlich diejenigen, die die Leute beschäftigen, sofort hinter Schloss und Riegel zu setzen sind. Sind Sie mit mir da einer Meinung?

Ich sagte bereits, dass auf Bundesebene geplant ist, aus der Ordnungswidrigkeit einen Straftatbestand zu machen. Das finde ich besonders bei Wiederholungstätern und Taten im großen Ausmaß durchaus sinnvoll. Ich halte es nicht für sinnvoll, bei kleinen Bereichen oder die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen selbst hart zu bestrafen. Wir müssen an die Auftraggeber heran, an die Generalunternehmer, sie angemessen bestrafen. Die Bußgelder sind bereits erhöht worden. Durch ihre Erhöhung ist in Berlin innerhalb von einem Jahr eine Steigerung von 124 % gelungen. Selbstverständlich werden nicht nur die repressive Ahndung und Kontrolle Schwarzarbeit eindämmen. Es ist eine Methode, die andere ist die im präventiven Bereich, die ich bereits erwähnte.

machen. Das tun wir in unserem Haus, wir machen uns dazu Gedanken und überprüfen verschiedene Möglichkeiten, wie wir präventiv gegen Schwarzarbeit vorgehen können. Das spielt alles sich auf Bundesebene ab,

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

d. h. wir müssen mit anderen Bundesländern – und wollen das auch – zusammenarbeiten.

Herr Buchholz hat eine weitere Nachfrage. – Bitte!

Frau Staatssekretärin! Sie haben beschrieben, dass im Augenblick im Schnitt eine Kontrolle von Baustellen pro Tag stattfindet. Ist es eventuell möglich, mehr Kontrollen insbesondere auf Baustellen durchzuführen?