Ulrich Wilken

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Last Statements

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Minister, die Entscheidung darüber, worüber wir in diesem Parlament diskutieren, können Sie ruhig uns überlassen.
Das betrifft auch den Zeitpunkt, den wir als Mitglieder des Parlaments im Ältestenrat verabreden.
Mir und meiner Fraktion geht es nicht nur in diesem Punkt, sondern immer darum, dass wir sowohl in diesem Haus als auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern klar und deutlich sagen, was ist und wo wir, die Partei und die Fraktion, stehen.
Ich will mich nicht an der Wahlarithmetik, die von einigen meiner Vorredner in diesem Teil der Debatte betrieben worden ist, beteiligen. Aber ich will auf eine Gefahr aufmerksam machen. Dieser Gedanke ist mir durch den Kopf geschossen, als ich Herrn Wagner von den GRÜNEN hier vollmundig habe sagen hören, das Schlimmste, was dem Land passieren könne, sei, dass Bouffier Ministerpräsident bleibt. Meine Damen und Herren und auch die Bürgerinnen und Bürger draußen im Land, was wäre denn, wenn Bouffier nicht mehr Ministerpräsident wäre, diese Politik aber genauso weiterginge? Das wäre doch mindestens genauso schlimm.
Ich erinnere Sie an das, was passiert, wenn Rot-Grün an die Regierung kommt
und nicht genügend Druck von links erhält.
Ich erinnere Sie daran, dass Rot-Grün Deutschland zum ersten Mal seit dem Ende des Faschismus in einen Angriffskrieg geführt hat. Ich erinnere Sie an die Agenda 2010. All das stand selbstverständlich nicht in den Wahlprogrammen von SPD und GRÜNEN.
Ich erinnere Sie an das, was Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen macht, nachdem die Wählerinnen und Wähler uns nicht wieder in den Landtag gewählt haben. Dort verweigert nämlich Rot-Grün den Beamten die Tarifanpassung.
Oder ich erinnere Sie daran, wie in meiner Heimatstadt Frankfurt am Main die GRÜNEN in der Stadtregierung mit den ach, so fluglärmgeplagten Menschen umgehen. Offensichtlich braucht eine – eventuell gewählte – rot-grüne Landesregierung Druck von links, damit sie nach dem Wahltag nicht vergisst, warum die Menschen für sie gestimmt haben.
Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, wir haben im Wahlkampf gesagt – ich wiederhole das nur ganz kurz –, wir wollen in Hessen 30.000 Arbeitsplätze schaffen. Dafür setzen wir das Aufkommen aus der Vermögensteuer ein, die wieder erhoben werden muss. Ich frage Sie: Machen Sie mit?
Wir wollen 30.000 Arbeitsplätze für den sozial-ökologischen Umbau, in der Pflege und in den Gesundheitsdiens
ten schaffen. Unter anderem wollen wir auch 7.000 Lehrer mehr in den hessischen Schulen haben. Ich frage Sie: Machen Sie mit?
Wir wollen jährlich 4.000 neue Sozialwohnungen bauen lassen, damit der Bestand an Sozialwohnungen endlich wieder wächst. Außerdem wollen wir jährlich 2.000 Wohneinheiten für Studenten bauen lassen. Ich frage Sie: Machen Sie mit?
Ich glaube, viele von uns erinnern sich noch ganz gut an die Enttäuschung und die Empörung, die sich einstellten, als wir im Bund endlich einen Regierungswechsel hatten. Viele erinnern sich noch recht gut daran, mit welcher Enttäuschung Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Initiativen und Sozialverbände auf die Politik, die dann betrieben wurde, reagiert haben.
Wir sagen: Ein Politikwechsel in Hessen muss sein. Wir fordern alle eher linksorientierten Wählerinnen und Wähler der GRÜNEN und der SPD auf: Verschenken Sie Ihre Stimme nicht. Sorgen Sie dafür, dass die nächste Regierung Druck von links bekommt. Wählen Sie DIE LINKE in den Hessischen Landtag. – Danke sehr.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir solidarisieren uns heute mit den Homosexuellen in Russland. Unsere Kritik richtet sich vor allem gegen das seit Ende Juni geltende Gesetz gegen Homosexuellenpropaganda als Propaganda von nicht traditionellen Beziehungen. Es verbietet die Verbreitung von Informationen darüber, dass Homosexualität normal und nicht krankhaft ist.
Auch offen gezeigte Zuneigung zwischen Schwulen oder Lesben in Anwesenheit von Minderjährigen steht unter Strafe. Es drohen Geldstrafen zwischen umgerechnet 120 € und mehreren Tausend Euro. Das sind drakonische Strafen, wenn im Schnitt weniger als 600 € pro Monat verdient werden.
Ausländer können für 15 Tage festgehalten und ausgewiesen werden. Das deutsche Auswärtige Amt hat deswegen sogar die Sicherheitshinweise für Reisen nach Russland verschärft. Das ist alles andere als ein Rechtsstaat, über den wir hier reden.
Für Homosexuelle in Russland ist es gefährlich, sich zu äußern – lebensgefährlich.
Wir wissen sehr wohl, dass in Russland die Intoleranz gegenüber Minderheiten stark verbreitet ist und weiter wächst. Doch Homosexuelle werden besonders stark diskriminiert. Immer wieder werden Schwule Opfer von Angriffen, insbesondere, aber bei Weitem nicht nur durch russische Neonazis. Diese veranstalten sogenannte Safaris – brutale Übergriffe, bei denen Schwule auch über Internetplattformen zu Treffen eingeladen und dann vor laufenden Kameras misshandelt werden. Die erschreckenden Videos verbreiten die Täter dann im Internet.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion und ich hoffen sehr, dass unser heutiger einstimmiger Beschluss dabei hilft, allen Russinnen und Russen – auch Putin – beizubringen, dass alle Menschen Menschenrechte haben, egal, mit welcher sexuellen Orientierung.
Aber es gibt noch eine andere, leider viel peinlichere Facette an diesem Antrag, die wir in diesem Hause fast für selbstverständlich halten, draußen im Lande aber niemand versteht. Wieder einmal hat sich die Fraktion der CDU geweigert, mit uns LINKEN zusammen einen Antrag einzubringen, den inhaltlich alle Fraktionen unterstützen. Deswegen steht DIE LINKE nicht als Antragsteller darunter.
Dann liest sich die Passage aus dem Antrag, dem wir gleich alle zustimmen werden, ganz anders:
Demokratie zeichnet sich durch die Achtung und den Respekt der Meinungen Andersdenkender genauso aus wie durch den Schutz gesellschaftlicher Minderheiten.
Das liest sich dann so, dass sich der eine oder die andere auch hier im Haus noch an die eigene Nase packen muss. – Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Beitrag des Ministerpräsidenten Bouffier hat eben damit begonnen, dass Sie sagten, Sie als Landesregierung hätten sich noch keine Meinung gebildet. Es ist ja wohl eher so, dass Sie zu dieser Frage unterschiedliche Meinungen in Ihrer Regierung haben. Das würde das Problem wohl besser beschreiben.
Sie haben sieben Minuten lang geredet, und nicht nur ich habe verzweifelt zu verstehen versucht, wo Sie in dieser Meinungsvielfalt stehen. Mir ist nur in Erinnerung geblieben, dass Sie uns gebeten haben, das Ganze ohne Schaum vor dem Mund zu diskutieren. Das will ich gern tun. Aber das reicht mir als Aussage eines Ministerpräsidenten in einer solchen Frage nicht aus.
Ich nehme wahr, dass Sie sagen, wir müssten in dieser Entscheidung um Akzeptanz in der Bevölkerung werben. Ich hoffe, das tun wir immer, nicht nur in dieser Entscheidung. Ich weiß nicht, warum Sie bei diesem Thema besonders betonen, inwieweit da vielleicht ein Diskriminierungsaspekt drin ist. Ich möchte aber ganz klar sagen: So, wie Sie sich gerade verhalten, schüren Sie Diskriminierung und werben nicht um Akzeptanz.
Allein die Tatsache, bei diesem Thema des Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare auch nur zu betonen, dass es um das Kindeswohl gehe, hat einen diskriminierenden Beigeschmack; denn es geht bei Adoption immer um das Kindeswohl.
Und wenn Sie versuchen, uns dazu zu belehren, welche Bundesthemen eventuell auch in der Aktuellen Stunde im Hessischen Landtag behandelt werden, Herr Mick, höre ich da eine Kritik am Vizeministerpräsidenten und Justizminister heraus, dass er sich um Bundesthemen kümmert?
Ich möchte hier für meine Partei und meine Fraktion klarstellen: Im Zusammenleben von Menschen in unserem Land hat sich in den letzten Jahren vieles, vieles verändert.
Was ist heute im Zusammenleben von Menschen noch normal? Es gibt ganz unterschiedliche Konstellationen. Es gibt Ehen zwischen Männern und Frauen, mit und ohne Kinder. Es gibt Menschen, die ohne Trauschein zusammenleben – Männer mit Männern, Männer mit Frauen, Frauen mit Frauen, mit oder ohne Kinder. Es gibt funktionierende Patchwork-Familien in unterschiedlichen Modellen – in manchen Familien bleiben die Kinder immer in einer Wohnung, und die Eltern wechseln, in anderen Familien wechselt die Betreuung der Kinder. Es gibt Wahlverwandtschaften, weil unsere Welt so mobil geworden ist. Das alles ist Normalität.
Wir als Politikerinnen und Politiker stehen in der Verantwortung und haben die Normen des Zusammenlebens dieser veränderten Realität anzupassen – um nicht mehr oder weniger geht es. Und, ganz ohne Schaum vor dem Mund: Bitte ohne diskriminierenden Unterton. – Danke.
Ich frage die Landesregierung:
Wer hat ihrem Wissen nach die Entscheidung für die gewalttätige Unterdrückung der Blockupy-Demonstration am 1. Juni 2013 getroffen und trägt damit die politische Verantwortung für die Aushebelung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit?
Herr Minister, ist es zutreffend, dass Sie gestern im Innenausschuss selbst gesagt haben, dass nach der Lagebeurteilung der Polizei – vor der gewalttätigen Auseinandersetzung sind 300 Hundertschaften pfeffersprayend und knüppelschwingend in die Demonstration gesprungen – und der letzten Durchsage, die Sie per SMS hatten, „alles ruhig“ war?
Herr Minister, ich gebe Ihnen natürlich recht, dass die Demonstration sehr unfriedlich geendet hat, aber möchte Sie nochmals fragen: Stimmt die Aussage, wie wir sie in nahezu allen Medien nach dem 01.06. hören konnten, dass es am 01.06. zu keinerlei Straftaten vor der Einkesselung von nahezu 1.000 Demonstranten gekommen ist?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Dogma, dass die Kosten der Bankenrettung durch Lohn-, Rentenund Ausgabenkürzungen zu bezahlen sind, hat die offiziellen Arbeitslosenzahlen im überwiegenden Teil der Eurozone auf Rekordniveau steigen lassen. Die offizielle Jugendarbeitslosigkeit von knapp 60 % wird trotz Auswanderung zu sozialen und gesellschaftlichen Verwerfungen in Spanien führen.
Drei Jahre nach Beginn der sogenannten Griechenlandrettung ist fast jeder dritte Grieche arbeitslos, etwa zwei von drei Jugendlichen haben keine Arbeit und damit keine Perspektive. Es müsste in ganz Europa wieder mehr in soziale Dienstleistungen und ökologischen Umbau investiert werden, was durch höhere Steuern und Abgaben für Millionäre problemlos finanzierbar wäre. Doch leider geht es der Troika aus Internationalem Währungsfonds, der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank sowie der ganz breiten Mehrheitspolitik hier im Land eben nicht um die Rettung der Bevölkerung, sondern um die Rettung großer Banken und Vermögensbesitzer.
Vor solchen Bankenrettungspaketen haben wir schon immer gewarnt. Wir werden sie auch weiterhin konsequent ablehnen.
In Deutschland und in Europa unterstützen die Regierungen die maroden Banken mit Milliarden, ohne sie unter öffentliche Kontrolle zu bringen. CDU, FDP, SPD und GRÜNE haben für die Bankenrettung und die Schuldenbremse des Fiskalpakts gestimmt. Dieses Spardiktat in den öffentlichen Haushalten führt zu Sozialabbau, Stellenabbau und Privatisierung. Es zeigt seine katastrophalen Auswirkungen in Griechenland, Spanien, Portugal und anderswo. In Europa sind so viele Jugendliche und Arbeitnehmer arbeitslos wie noch nie. Die Armut wächst. Die Bevölkerung soll für die Krise zahlen, die die Banken verursacht haben.
Auch in Deutschland fehlt es vielerorts an Geld für notwendige Investitionen in Bildung und Soziales. Die Zahl der Kitaplätze ist weiter viel zu gering. Schulen sind marode. Schulgebäude sind marode. In der Alten- und Krankenpflege herrscht ein desaströser Spardruck. Öffentliche Einrichtungen wie Theater und Schwimmbäder werden geschlossen. Meine Damen und Herren, dass sich dagegen in ganz Europa und auch in Hessen Protest und Widerstand regt, ist wohl selbstverständlich.
Ein Akteur, verantwortlich für diese Politik, ist in Hessen, in Frankfurt am Main, ansässig. Deswegen: Seien Sie nicht nur zu Gast bei Empfängen der Europäischen Zentralbank, sondern heißen Sie auch die willkommen, die gegen die Troikapolitik der Europäischen Zentralbank demonstrieren.
Falls Sie nachher wieder über Gewalt reden wollen, dann reden Sie doch bitte über die Gewalt von Nahrungsmittelspekulation, reden Sie darüber, dass Kranke keine Medikamente mehr bekommen, dass Krankenhäuser geschlossen werden und keine Kranken mehr aufnehmen wollen. Reden Sie über die Gewalt einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50 %.
Das sind alles Beispiele aus Griechenland, Spanien und Portugal. Aber ich denke, es gehört sich, auch in diesem Hause nicht nur über die Landes-, sondern auch über die Bundesgrenzen hinwegzuschauen und die Folgen der Mehrheitspolitik in diesem Land anzuprangern.
Wenn Sie in der Mehrheit schon nicht nächste Woche mit mir demonstrieren wollen, dann heißen Sie aber auf jeden Fall die Demonstrierenden willkommen. Sie nehmen ein unveräußerliches Grundrecht auf friedliche Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit wahr. – Ich bedanke mich.
Herr Staatsminister, wann tritt die Ausnahme von der Regel ein, und nach welchen Kriterien werden die Personen ausgewählt, für die Nachfragen bei den Sicherheitsbehörden gestellt werden?
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen leider immer wieder in den Zeitungen lesen, dass beispielsweise am 20. April Hitlers Geburtstag in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt gefeiert oder am 20. April in der JVA Hünfeld ein Projekt von einer wilden Horde gegründet wird, die anmeldet, dass sie Kontakte in die JVAs Kassel, Fulda, Frankfurt usw. hat.
Wir alle hören während unserer Besuche in Haftanstalten von rechten Sprüchen und Bedrohungen mit eindeutig rassistischem Hintergrund. Wir hören von gewalttätigen Übergriffen kombiniert mit Naziparolen. Wir hören von nur notdürftig mit Hemdärmeln verdeckten Hakenkreuztattoos usw. usf.
Wir fragten deswegen im August letzten Jahres die Landesregierung nach Naziaktivitäten und Naziorganisationen in hessischen Vollzugsanstalten. Justizminister Hahn antwortete im November: So etwas gibt es in Hessen nicht. – Da müssen wir uns doch sehr verwundert die Augen reiben.
Meine Damen und Herren, ich will ein bisschen an die Geschichte erinnern, die uns allen bekannt ist. Da sitzt ein berüchtigter Nazi, Tödter, in Hünfeld ein. Es bestreitet niemand, dass er ein Nazi ist. Er tritt am 9. November 2011 die Haft an. Am 15. Dezember desselben Jahres bittet er darum, dass er über Nazinetzwerke aufklären könnte und beantragt dafür Hafterleichterung.
Er wird in der Justizvollzugsanstalt von Beamten des Bundeskriminalamts vernommen. Die Landesregierung sagt uns: Das wissen wir nicht. Davon haben wir überhaupt nichts gewusst.
Auf Nachfrage hat der Minister Hahn in der gemeinsamen Sitzung des Rechts- und Integrationsausschusses und des Innenausschusses zugestanden, dass er sowohl wusste, welchen Nazihintergrund Tödter hat, als auch, dass er in einer hessischen Haftanstalt, also in Hünfeld, einsitzt. Das heißt, Herr Hahn, Sie haben in der Beantwortung meiner Großen Anfrage bewusst die Unwahrheit gesagt. Das ist untragbar.
Herr Minister Hahn, Sie haben eine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber uns als Parlament. Nach den uns alle erschrocken habenden Erfahrungen, dass über ein Jahrzehnt eine in Deutschland unerkannt bleibende Nazibande ihr Unwesen treiben konnte, haben alle im Land, auch die hessischen Behörden und die Hessische Landesregierung, eine deutlich größere Aufmerksamkeit diesem Problem zu widmen, als Sie das in der Vergangenheit getan haben.
Dann besitzen Sie auch noch die Chuzpe, zu sagen, Sie hätten das Nazinetzwerk jetzt aufgeklärt und zerschlagen. Sie sind durch die Berichterstattung, unter anderem in „Neues Deutschland“, und durch unsere Anfrage auf ein Problem hingewiesen worden. Danach sind Sie in die Öffentlichkeit getreten und haben gesagt, Ihr Bauchgefühl sage Ihnen, das Problem sei jetzt gelöst, und Sie hätten die Hoffnung, dass Sie nicht nur die Spitze eines Eisbergs entdeckt hätten. Zwei Wochen später wird aus diesem Bauchgefühl Sicherheit, denn Sie sagen, das Netzwerk sei zerschlagen.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie müssen mir an dieser Stelle schon ein gewisses Misstrauen zugestehen, denn in den letzten 14 Tagen ist nichts passiert, was die Annahme erhärten würde, dass es nicht doch nur die Spitze eines Eisbergs war und Sie nach wie vor nicht genau hinschauen, welches Problem wir mit Nazis in Hessen und auch in hessischen Haftanstalten haben.
Wir konnten in den Zeitungen lesen, dass der Innenminister von Ihrem Schritt in die Öffentlichkeit alles andere als erfreut war, und es ist vom Vorwurf die Rede, dass Sie mit Ihrem Schritt eventuell sogar die Ermittlungen behindert haben. Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann aber sehr wohl beurteilen, welches Fehlverhalten seitens des Innen
ministers in dieser Frage zumindest politisch zu verantworten ist.
Sie müssen sich einmal Folgendes vorstellen. Da wird in einer Zeitschrift, der „Bikers News“, ein Gruß an die NSUMordverdächtige Beate Zschäpe geschaltet – im März letzten Jahres. Der Verfassungsschutz musste vor zwei Wochen zugeben, dass er diese Zeitung auswerte, aber nicht unter rechtsextremen Gesichtspunkten. Wie muss ich mir das vorstellen?
In einem Zimmer im Verfassungsschutzamt sitzen also Mitarbeiter, die lesen den Namen „Beate Zschäpe“ und sagen: „Es ist alles in Ordnung, das ist keine Rockerbraut, das können wir vergessen, das können wir durchwinken.“ Zwei Zimmer weiter sitzt die Abteilung Rechtsextremismus und sucht verzweifelt nach Hinweisen auf Nazis in Hessen – und findet keine. Die politische Verantwortung für eine solche Absurdität, Herr Minister Rhein, tragen Sie.
Meine Damen und Herren, unser mit der Großen Anfrage verfolgtes Anliegen war und ist, auf ein Problem hinzuweisen, das wir nicht nur in unseren Haftanstalten, sondern leider weit verbreitet und zunehmend auch in unserem Land Hessen haben, dass nämlich Nazis ihr Unwesen treiben, dass sie es unerkannt und unbehelligt von den Landesbehörden treiben können. Dieser Zustand muss abgestellt werden. Wir müssen als Gesamtgesellschaft, Sie als Landesregierung und auch die Ihnen nachgeordneten Behörden endlich die Blindheit auf dem rechten Auge aufgeben und geschlossen gegen Nazis hier im Land vorgehen.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, ich habe einen Vorschlag für Sie, wie Sie damit beginnen könnten. Kommen Sie am 1. Mai zusammen mit mir und meiner Fraktion nach Frankfurt am Main, und stellen Sie sich als Hessischer Landtag und als Hessische Landesregierung mit uns zusammen den Nazis in den Weg. Kein Platz den Nazis hier in Hessen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Honka, Ihr Ablenkungsmanöver hat nicht funktioniert. Sie versteigen sich sogar dazu, mir zu unterstellen, ich würde Naziaktivitäten verschleiern wollen. Ein solcher Vorwurf ist nun wirklich vollkommen abstrus.
Aber Ihre Ablenkung geht weiter. Sie stellen es so dar, dass es in unserer Gesellschaft überall Nazis gebe, auch in anderen Bundesländern. – Das hat doch niemand bestritten. Der politische Skandal ist, dass die Hessische Landesregierung leugnet, dass es sie gibt. Das ist es.
Ich betone nochmals: Der Justizminister hat in öffentlicher Sitzung auf meine Frage, ob er wisse, wer Tödter sei und dass er in Hünfeld einsitze, eindeutig gesagt, er wisse es. Trotzdem hat er im November eine Große Anfrage von mir mit dem Hinweis beantwortet, dass in Hünfeld keine Neonaziaktivitäten bekannt seien. Das ist der politische Skandal.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Staatsminister Hahn, ich will als Erstes festhalten: Dass wir in diesem Haus einer Meinung sind, dass es keine Nazis und keine Nazistrukturen in diesem Land geben darf, das ist wohl eine Selbstverständlichkeit.
Sie haben zu meinem großen Erstaunen gerade gesagt: Es gibt kein Nazinetzwerk mehr in Hessen. Ich vermute, dass Sie damit meinten: in hessischen Haftanstalten.
Okay, das fehlte an der Stelle. – Trotzdem schließt ein kluger Bauer nicht aus, dass in einem Apfelfass mehr als zwei faule Äpfel sind, wenn er diese zwei gefunden hat. Ich glaube, Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie jetzt sagen, dieser Sachverhalt ist aufgeklärt, zumal Sie uns bisher keine neuen Fakten vorgelegt haben, die Ihre Einschätzung von vor zwei Wochen, dass Sie nur ein Bauchgefühl haben, wiederlegen. Ich appelliere dringend an Sie, die Aufmerksamkeit gegenüber Naziproblemen, Nazistrukturen auch in hessischen Haftanstalten zu erhöhen und sich jetzt nicht zurückzulehnen und zu sagen: Wir haben kein Problem mehr.
Zweitens. Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass weder ich noch andere Rednerinnen aus der Opposition die Verantwortung für diesen Skandal Bediensteten oder Anstaltsleitern hessischer Haftanstalten zugewiesen haben.
Es waren ausschließlich die Redner der Regierungsfraktionen. Ich betone noch einmal: Ich weise diese Verantwortung auch keinem Bediensteten und keinem Anstaltsleiter zu. Ich weise die Verantwortung dazu Ihnen und dem Innenminister zu. Genau darauf habe ich bestanden und tue es weiterhin.
Drittens. Es ist nun einmal faktisch falsch, was Sie in der Antwort auf die Große Anfrage aufgeschrieben haben. Es ist nachgewiesenermaßen faktisch falsch. Ich habe Sie gefragt, ob es organisierte inhaftierte Neonazis und Neofaschisten in den Vollzugsanstalten gibt und ob sie versuchen, neue Mitglieder oder Sympathisanten zu finden. Ich habe Sie gefragt, ob in Hessen neonazistische Knastkame
radschaften bestehen, ob inhaftierte Neonazis und Neofaschisten aus den Justizvollzugsanstalten heraus Propaganda betreiben. Die Landesregierung hat alle diese Fragen genau gleichlautend beantwortet: „In keiner hessischen Justizvollzugsanstalt liegen Erkenntnisse … vor.“
Meine Damen und Herren, wir wissen, dass das faktisch falsch ist. Arbeiten Sie nach, beantworten Sie diese Anfrage nochmals. Wenn Sie die Antwort auf die bisherige Anfrage nicht zurückziehen, werde ich die Anfrage erneut einreichen und Sie bitten, diesmal sorgfältiger zu arbeiten, damit wir einen Überblick darüber bekommen, welches Problem wir in Hessen haben.
Denn, Herr Justizminister, ich ermittle überhaupt nichts. Ich lese Zeitungen, und ich mache mit diesem Wissen Politik. Ich bin kein Chefermittler. – Danke sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich vor Jahrzehnten nach Frankfurt am Main gezogen bin, habe ich das deswegen getan, um an dem Ort Sozialwissenschaften zu studieren, der die Wiege der kritischen Theorie war.
Genau, alles Sozialismus.
Diese Tradition ist bis heute in der Stadt lebendig, aus meiner Sicht nicht genügend lebendig, aber sie ist auch lebendig in solchen Orten und Aktionen wie denen dieses Instituts, das Anfang dieser Woche geräumt worden ist.
Ich möchte Sie daran erinnern – Herr Beuth, das wissen Sie vielleicht nicht so genau, weil es in ländlicheren Regionen vielleicht doch etwas anders zugeht –, dass es eine gute Tradition von Oberbürgermeistern ist, sich um alle Menschen in der Stadt zu kümmern. Ich möchte an den OB Richard von Weizsäcker erinnern, der in Berlin Verhandlungen mit Hausbesetzern geführt hat. Ich bin sehr froh, dass wir in Frankfurt einen solchen OB haben. Sehr geehrter Herr Beuth, ich bin mir gar nicht einmal so sicher, ob nicht die Vorgängerin von Herrn Feldmann, nämlich die OB Roth, sehr ähnlich gehandelt hätte, wie jetzt Herr Feldmann gehandelt hat.
Ich glaube, ich kenne Frau Roth gut genug, und sie kennt mich gut genug, um zu wissen, dass das alles andere als eine Beleidigung ist.
In einer Stadt, in der 2 Millionen m² Bürofläche leer stehen, in einer Stadt, in der hemmungslos mit Immobilien spekuliert wird, in der es aber keinen Wohnraum für Studierende, für Rentnerinnen und Rentner und Geringverdienende gibt, ist es ein Unding, wenn man einem Institut, ei
nem kreativen und über ein Jahrzehnt lang geduldeten studentischen Projekt, jetzt einfach so den Boden entzieht.
Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis aus der „Frankfurter Rundschau“:
Was sich am Montagmorgen im Kettenhofweg abgespielt hat, mag juristisch in Ordnung sein, politisch ist es eine Schweinerei.
Ich zitiere aus der „Frankfurter Rundschau“.
Die Weltwirtschaft, der Euro und die europäischen Demokratien stecken tief in der Krise, in Frankfurt grassiert die Wohnungsnot, am 1. Mai wollen Neonazis durch die Stadt ziehen – und im ach, so liberalen Frankfurt hat man nichts Besseres zu tun, als das IvI zu räumen.
Meine Damen und Herren, wir haben in unserem Antrag, aus dem schon viel zitiert worden ist – ich bedanke mich dafür –, im letzten Absatz den Antrag aufgenommen, den Sozialdemokraten, Piraten und wir im Frankfurter Römer gestellt haben, um dem IvI eine neue Bleibe und damit den Fortbestand zu sichern.
Die Stadtregierung Frankfurt hat diesen Antrag auf „prüfen und berichten“ gesetzt. Das heißt, wir haben eine Chance in Frankfurt am Main, dass wir dort den Fortbestand des IvI sichern können.
Ich bitte Sie, die Fraktionen der Regierungsparteien hier im Hause, diesen Lösungsweg nicht zu gefährden. Ziehen Sie Ihren unsäglichen Antrag zurück.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Ohne Ältestenrat.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, um die vom Kollegen Grumbach gerade zu Recht bezeichnete Eskalationsstrategie des Innenministers unter einem anderen Aspekt zu reflektieren und mit der Wortwahl von Herrn Beuth in seiner Rede von eben zu verknüpfen.
Wir haben von Herrn Beuth eine Nähe zur tierischen Sprache in Bezug auf die IvI-Besetzer gehört, die ich in unangenehmster Erinnerung vom ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten habe. Herr Beuth, es ist nicht korrekt, etwas von Menschen, auch wenn sie politisch anders denken und handeln als Sie, als „einnisten“ zu bezeichnen.
Das ist jetzt genau der Punkt, den ich eigentlich erst gegenüber Herrn Rhein ansprechen wollte. Sie entscheiden also in Ihrer Arroganz darüber, wer zur Gemeinschaft der Demokraten gehört
und wer Ihrer Meinung nach nicht zur Gemeinschaft der Demokraten gehört. Ich werde hier, und werde das auch nie tun, nicht in Zweifel ziehen, dass dort Recht gebrochen wird. Ich spreche diesen Menschen aber nicht ab, dass auch für sie das Grundgesetz gilt. Und ich dachte, das wäre einmal unsere allgemeine Einschätzung gewesen. Offensichtlich Ihre aber nicht mehr.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Blechschmidt, ich glaube, wir können uns alle darauf einigen, dass sich die nächste Landtagswahl nicht an der Frage der
Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes entscheiden wird, auch wenn es in diesem Fall Transparenzgesetz heißt. Ich glaube aber schon, dass sich in Hessen sehr vieles daran entscheiden wird, mit welcher Haltung wir, die Politikerinnen und Politiker, den Bürgerinnen und Bürgern gegenübertreten. Da erschreckt es mich schon, dass die Vertreter der Regierungsfraktionen, unabhängig davon, welches Lebensalter sie erreicht haben, bei jeder Diskussion über die Frage, wie wir uns der informationellen Selbstbestimmung nähern sollten, dem mit Argumenten und Häme entgegentreten, die so mit Sicherheit nicht angemessen sind.
Ich entsinne mich sehr gut, dass wir über dieses Thema bereits mehrmals in aller Schärfe auch in diesem Haus geredet haben. Von daher waren die Aussagen des Herrn Rudolph, die er gerade eben gemacht hat, weniger vorausschauend und mehr sich erinnernd.
Ich entsinne mich sehr wohl, dass die gleichen Argumente schon mehrfach ausgetauscht wurden. Die Argumente der Mitglieder der Regierungsfraktionen werden aber nicht wahrer.
Schauen wir uns noch einmal an, was von Ihrer Seite gegen die Transparenz und gegen die Informationsfreiheit immer wieder ins Feld geführt wird. Erstens wird gesagt, das sei Bürokratie. Zweitens vermuten Sie, dass damit dem Kampf gegen die Demokratie Vorschub geleistet werde. Drittens vermuten Sie, dass das Ganze zu teuer würde.
Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, schauen Sie sich das doch einmal in den Ländern an, die Informationsfreiheitsgesetze haben. Dabei sei vollkommen dahingestellt, ob das Transparenzgesetz oder Informationsfreiheitsgesetz heißt. Da ist doch das Gegenteil von dem eingetreten, was Sie vermuten. Das hat nicht zu einem bürokratischen Mehraufwand geführt. Es hat nicht dem Kampf gegen die Demokratie gedient.
Vielmehr hat es dazu geführt, dass die – ich sage es einmal so – durchaus wenigen Bürgerinnen und Bürger, die an Informationen herankommen wollen, die bisher in den Amtsstuben geheim gehalten werden, als ob sie dem Amt gehören würden, den Bediensteten des Amtes gegenübertreten und sagen können: Ich habe ein Recht darauf, von Ihnen die Herausgabe dieser Informationen zu verlangen, die müssen Sie mir geben. – Nur darum geht es.
Das ist das, was wir im Kern, hoffentlich dieses Mal positiver, beraten. In Hessen soll immer noch der überkommene Grundsatz gelten, dass es Amtsgeheimnisse gibt. So ist es eben in Hessen: Wissensstände der Verwaltung sind grundsätzlich nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich, nämlich den Amtsträgern. Bürgerinnen und Bürger haben in Hessen nur in Ausnahmefällen ein Informationsrecht. Das wollen wir umkehren. Da werden wir, die Mitglieder der LINKEN, uns in konstruktiver Weise an den Beratungen beteiligen. – Danke sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe gerade gelernt, dass „scheinheilig“ und „pharisäerhaft“ offensichtlich parlamentarische Ausdrücke sind. Deswegen frage ich Sie ganz scheinheilig und pharisäerhaft: Herr Beuth, wo waren Sie bei den Protestaktionen der Belegschaft? Ich war immer dabei, Sie habe ich da nie gesehen.
Meine Damen und Herren, als Anteilseignerin der „Rundschau“ hat die SPD vollständig versagt, und sie steht in der unternehmerischen Verantwortung, seit sie Anfang 2004 mit der parteieigenen Presseholding ddvg 90 Anteilsprozente übernahm. Als Arbeitgeberin hat sie auch auf den letzten Metern den Beschäftigten die Unterstützung versagt. Die Kolleginnen und Kollegen haben wesentlich dazu beigetragen, den Erhalt der „FR“ zu sichern. Auf den letzten Metern sind ihnen jetzt die zusätzlichen Mittel für Abfindungen und eine bessere Ausstattung der Transfergesellschaft verweigert worden. Das ist nicht in Ordnung, liebe SPD.
Politisch hat die SPD dafür gesorgt, dass die Beschäftigten nach der Transfergesellschaft in nur zwölf Monaten in Hartz IV abrutschen werden. Ich kann das nur als einen
weiteren Verrat an der Arbeiterbewegung bezeichnen, auf die sich die SPD nach wie vor heuchlerisch beruft.
Offensichtlich gibt es da einen Schulterschluss mit Herrn Beuth.
Doch, meine Damen und Herren. – Das Problem der „FR“ lag woanders. Mit personellen Kahlschlägen allein lässt sich ein Zeitungsverlag nicht retten, und ohne eine eigenständige Redaktion lässt sich keine profilierte Tageszeitung halten.
Klar gab es Umsatzverluste im Anzeigengeschäft. Aber der Zusammenhang ist doch so: Erst wird die Zeitung schlechter, dann verliere ich Verkaufszahlen, und dann verliere ich Anzeigen.
Seit Jahren gab es in der „FR“ eine Sparrunde nach der anderen. Im Jahr 2000 waren es noch 1.650 Mitarbeiter. Nach der Rettung durch die SPD-Holding im Jahr 2004 waren es noch 1.100.
2006 stieg Dumont ein. Da blieben noch 730 Mitarbeiter. Von der Insolvenz waren jetzt 487 betroffen. – Meine Damen und Herren, mit personellen Kahlschlägen allein lässt sich ein Zeitungsverlag eben nicht retten, und ohne eine eigenständige Redaktion lässt sich keine profilierte Tageszeitung halten.
Die „FR“ hatte ihre eigene Stimme doch schon weitgehend verloren. Der Auslandteil hatte die engagierte und kritische Berichterstattung aus den Krisengebieten und aus den sich entwickelnden armen Ländern abgeschliffen. Die „FR“ hatte die Foren für zentrale politische Themen beendet, die wöchentliche Seite aus Schule und Hochschule eingestellt. Die Debatten innerhalb der Gewerkschaften kamen immer weniger vor. Die Emanzipationsbewegung der Frauen verlor ein Sprachrohr. Fundierte kritischer Analysen waren immer seltener zu finden. In der Sozialpolitik machte die „FR“ die Agenda-Politik der SPD bis auf rare kritische Einwände mit.
Meine Damen und Herren, man nahm linksliberalen Leserinnen und Lesern ihre publizistische Heimat, so als gäbe es diese Leserschaft nicht mehr.
Ich gehörte jahrzehntelang zu den „FR“-Lesern und kann eigentlich genauso gut wie Sie beurteilen, wie sich die „FR“ verändert hatte, bevor sie jetzt von der „FAZ“ übernommen wurde. Die „FAZ“ bestimmt jetzt, was linksliberal in diesem Land ist.
Meine Damen, diese publizistischen Verluste sind nicht den Journalisten anzulasten. Viele sind ausgeschieden, aber man hat ihre Kompetenz nicht mehr ersetzt.
Was aktuell passiert, ist, dass der Meinungsmainstream ein wichtiges Gegenorgan verloren hat. Der Kampagnenjournalismus greift immer mehr um sich. Es wird viel zu wenig eigenständig recherchiert. Es werden die Meinungen von Lobbyisten, von Thinktanks oder Public-Relations-Agenturen übernommen. Das Aktuelle gewinnt immer mehr überhand vor dem Wichtigen. Die Betrachtungsweisen werden immer oberflächlicher. Es gibt immer mehr Einheitsbrei und für die Leserinnen und Leser dementsprechend immer weniger Grund, überhaupt eine Zeitung zu kaufen.
Mein letzter Satz: Die Presse verliert damit ihre Wächterrolle und somit ihre gesellschaftliche und demokratische Bedeutung. Die SPD-Medienholding hat diesem Verlust tatenlos zugesehen. Das ist Verantwortungslosigkeit. – Danke.
Ich habe doch gesehen, dass Sie gewartet haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn wir als Land Hessen mit Nachbarländern – oder in diesem Fall mit dem einen Nachbarland Thüringen – kooperieren, um Aufgaben zu lösen.
Sehr viel ist jedoch dagegen zu sagen, wenn die Landesregierung unter Missachtung des Parlaments Fakten schafft, bevor das Parlament überhaupt damit befasst wurde. Staatsminister Hahn greift einer Entscheidung dieses Parlaments vor, die wir erst in ein paar Minuten treffen werden. Aus meiner Sicht ist das untragbar.
Der Kritikpunkt, den wir als LINKE weiterhin an diesem Projekt haben, ist, dass wir hier etwas organisieren, das falsch ist.
Sie sagen immer – und auch die Vertreterin der Sozialdemokratie hat das eben wieder gesagt –, diese Menschen gehören hinter Gitter, also sicherungsverwahrt. Kriminalwissenschaft und -statistik widersprechen Ihnen, und ich widerspreche Ihnen. Diese Menschen haben ihre Strafe abgesessen. Alle Wissenschaft, alle Statistik verweist darauf, dass maximal 10 % dieser – im Moment unschuldigen – Menschen wieder straffällig werden. Wir sperren 90 % von ihnen ein. Wir wissen von keinem, ob er wieder straffällig wird, aber 90 % von ihnen werden auch nicht straffällig. Das ist ein unhaltbarer Zustand, eines Rechtsstaats nicht würdig.
Deswegen lehnen wir auch diesen Staatsvertrag ab, denn er regelt etwas, das so nicht geregelt werden darf.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wieder einmal müssen wir uns im Hessischen Landtag mit Diskriminierung aufgrund sexueller Identität in unserem Land befassen. Wieder einmal müssen wir ganz klar festhalten: Selbstverständlich müssen alle Diskriminierungen homosexueller Menschen sofort beendet werden.
Dazu ist vielfach alles gesagt worden. Sie wissen, wo wir als LINKE stehen. Auffällig ist aber doch, an welcher Stelle die hessische CDU auf einmal das Grundgesetz wiederentdeckt.
„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“, darauf verweist Herr Dr. Wagner von der hessischen CDU uns alle. Herr Dr. Wagner, vielleicht könnten Sie Ihre Parteikollegin Abgeordnete im Deutschen Bundestag einmal auf einen anderen Artikel des Grundgesetzes hinweisen. Dort steht nämlich:
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Damit sind alle Menschen gemeint. Vielleicht sollten Sie Ihre Kollegin da einmal belehren.
Doch zurück zu dem, worauf Sie, Herr Dr. Wagner, meinten, uns aufmerksam machen zu müssen, nämlich auf den besonderen Schutz der Familie im Grundgesetz. Einschlägige Kommentatoren schreiben diesem Art. 6 des Grundgesetzes die Funktion zu, die nachkommenden Generationen bestmöglich großzubekommen und diese vor einem unzulässigen Zugriff des Staates zu schützen.
Nun wissen wir alle, dass das so schon lange nicht mehr der Realität entspricht, weil nämlich nur ganz wenige diesen Schutz bekommen, und zwar unabhängig von der sexuellen Orientierung. Es gibt eine viel größere Diskriminierung im Land. Ich will darauf nachher noch kurz eingehen.
Der deutsche Staat bietet diesen Schutz der Kindheit, so sage ich einmal, bei Weitem nicht allen Kindern. Geschützt, oder besser gesagt: bevorzugt behandelt, wird vor allem die Ehe. Das Familienmodell der bürgerlichen Kleinfamilie dient als Grundlage und Schablone zur Umsetzung des Schutzes der Familie. Familie ist demnach da, wo Ehe ist. Ob Kinder da sind oder nicht, ist nicht so wichtig – und das im 21. Jahrhundert. Heraus fallen Alleinerziehende, Wohngemeinschaften, Regenbogenfamilien, Mehrpersonenbeziehungen – man muss ja nicht so weit gehen wie Herr Zastrow in der „FAS“ am vergangenen Sonntag; aber wir wissen, es gibt auch Mehrpersonenbeziehungen – und alle Familien, in denen Eltern ohne Trauschein leben.
In den vergangenen 30 Jahren – so dokumentiert die Statistik – hat die Anzahl der Eheschließungen beständig abgenommen. Der sehr, sehr geringe Prozentsatz der Verpartnerten hilft da auch nicht viel weiter. Die Anzahl der Kinder, die unehelich geboren werden und aufwachsen, nimmt stetig zu. Hier im Westen sind es gut 25 %. Die Lebensformen, in denen diese Kinder leben, sind bunt, vielfältig. Sie leben auch in Homoehen. Das ist gut so. Deswegen müssen wir uns Gedanken machen, wie wir den Auftrag des Grundgesetzes auf staatlichen Schutz des Großziehens von Kindern modern angehen.
Im Jahr 2013 müssen wir diesen Grundgesetzauftrag so verstehen, allen Kindern seien gleiche Bedingungen zu schaffen. Denn oft spielt für ein Kind seine soziale Situation die viel größere Rolle als die Rechtsstellung seiner biologischen oder nicht biologischen Eltern. Widmen wir uns auch dieser Diskriminierung; denn wir wissen alle, je nach Studie und Definition von Armut, dass jedes sechste Kind – nach Unicef – oder jedes achte Kind – nach unserer Bundesregierung – in Armut lebt. Auch diese Diskriminierung müssen wir angehen. Sie ist jenseits der Diskriminierung, die wir heute in der Aktuellen Stunde ansprechen. Dies ist eine Diskriminierung von Armut, die unabhängig von sexueller Identität passiert.
Ich ende meine Rede: In Bezug auf die Diskriminierung aufgrund sexueller Identität ist alles gesagt. Sie gehört abgeschafft. Schaffen Sie mit uns auch alle anderen Diskriminierungen ab. – Ich bedanke mich.
Herr Präsident! Herr Staatsminister, Sie haben den Weg vom Letzten zum Allerletzten angesprochen. Ich hatte ernsthaft überlegt, ob ich mich in dieser Debatte überhaupt zu Wort melden muss, denn Sie haben ja richtig angemerkt, dass wir heute Nachmittag nochmals inhaltlich über die Sicherungsverwahrung reden werden. Aber Ihre Aussagen eben an diesem Rednerpult bedürfen doch noch einer kurzen Reflexion.
Sie haben selbst gesagt, in diesem Hause würde manchmal etwas gesagt, was über die Wahrheit hinausgeht. Das fiel mir auch auf, und ich habe gedacht: Oh, er ist selbstkritisch. – Aber nein, das war er nicht.
Gerade sind Sie mit einem Adjektiv bezeichnet worden, das ich hier jetzt nicht wiederholen will; aber ich möchte Folgendes feststellen: Dieses Projekt, dessen technische und Verwaltungsseite wir für vollkommen in Ordnung halten, haben Sie in der üblichen Manie gestartet: groß, größer, Hahn.
Mit Blick auf die Verwaltungs- und Planungsprozesse wurde das auf ein Normalmaß zurückgestuft, und das ist vollkommen richtig und gut.
Meine Damen und Herren, wir stehen immer für Völkerfreundschaft.
Wenn die in diesem Fall dazu führt, dass gemeinsame Lösungen für Probleme gefunden werden, dann ist dagegen überhaupt nichts zu sagen.
Das Einzige, was dagegen zu sagen ist – und das werde ich heute Nachmittag ausführlicher darlegen –, ist, dass Sie damit ein Problem lösen, das nach unserer Meinung so überhaupt nicht besteht. Wir lehnen Sicherungsverwahrung ab. Deswegen lösen Sie hier etwas, wogegen wir sind.
Wir werden uns an den Beratungen beteiligen, aber ich glaube nicht, dass wir am Ende zustimmen können. – Danke sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir halten die Sicherungsverwahrung, also die präventive Sicherungshaft, nach wie vor für einen falschen Weg. Unser Bedürfnis nach vermeintlich immer mehr Sicherheit schränkt in vielen Bereichen bedenkenvoll Freiheitsrechte ein. So ist es auch mit der Sicherungsverwahrung.
Mit der Sicherungsverwahrung wird massiv gegen das Prinzip des Schuldstrafrechts verstoßen; denn Inhaftierte werden für Taten eingesperrt, die sie noch gar nicht begangen haben. Damit suggerieren wir der Bevölkerung, dass es eine Sicherheit vor Straftätern gäbe, die es so nie geben kann.
Meine Damen und Herren, wir werden nicht müde, Sie daran zu erinnern, dass alle wissenschaftlichen Untersuchungen nachweisen, dass das Rückfallrisiko auch bei Schwerststraftätern nach ihrer Haftentlassung bei 10 % der Straftäter liegt. Das heißt, wir sperren 90 % in die Sicherungsverwahrung ein, wenn 10 % eventuell rückfällig werden können. Das ist ein falsches Verständnis von Sicherheit.
Ich möchte einen zweiten Aspekt ansprechen, weil ich vermute, dass ihn niemand sonst aus der Anhörung vortragen wird. Von den Praktikern ist in der Anhörung durchaus auch gesagt worden, dass wir uns dem Prinzip des Abstandsgebots, also dass ein Sicherungsverwahrter anders behandelt werden muss als ein Häftling, permanent von der falschen Seite nähern, nämlich von der Seite der Haftbedingungen. Wir sollten, wenn wir schon diesen Irrweg gehen, uns zumindest die Mühe machen, den Weg von der anderen Seite her zu kommen, also von der Lebenswelt draußen lebender Menschen, um Sicherungsverwahrung weitestgehend an allgemeine Lebensverhältnisse anzupassen.
Das ist eine Argumentation, die noch von niemand anderem aufgenommen worden ist. Wir werden diese Diskussion aber weiterverfolgen.
Meine Damen und Herren, statt mit der präventiven Sicherungshaft, vulgo Sicherungsverwahrung, weiter so zu tun, als würden wir einen Schritt für mehr Sicherheit in der Bevölkerung gehen, rate ich uns allen: Sparen wir uns die Sicherungsverwahrung und verwenden die Gelder lieber für Opfer und Opferverbände. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Prof. Ronellenfitsch, vielen Dank auch von meiner Fraktion an Sie und an Ihr Team.
Aus aktuellen Anlässen möchte ich mich heute vor allem mit Teil 8 Ihres Berichts beschäftigen, in dem Sie über die Positionierung aller Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder informieren.
Ein aktueller Anlass ist der laute und öffentliche, vor allem aber wirksame Aufschrei der Arbeitnehmerinnen, der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft gegen das geplante Beschäftigtendatenschutzgesetz. Allein dieser Name ist eine Unverschämtheit.
Niemand glaubt, dass diese Unverschämtheit – ein führender Arbeitsrechtler, Prof. Däubler, nennt das „Arbeitsrecht nach Gutsherrenart“ – wirklich und endgültig vom Tisch ist. Aber wir sehen: Widerstand lohnt sich.
Bespitzelungs- und Datenschutzskandale in großen und kleinen Unternehmen gab es in den letzten Jahren in unschöner Regelmäßigkeit. Egal ob Bahn, Telekom, Lidl oder Aldi – alle nutzten die immer billigeren und einfacheren Möglichkeiten sowie unklare Regelungen und weitgehende Straflosigkeit, um ihre Beschäftigten auszuforschen. Nach einer kurzen öffentlichen Empörungsphase geschah in der Regel – nichts; außer, dass die Bundesregierung, also CDU und FDP, die ehemals liberale Partei, genau diese Praxis legalisieren will.
Dagegen ist Widerstand notwendig.
Meine Damen und Herren, wie positionieren sich unsere Datenschützer in dieser Frage? In der Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder aus dem März 2011 sagten Sie in aller Deutlichkeit als Anforderungen an den Beschäftigtendatenschutz – ich zitiere –:
Arbeitgeber dürfen dabei – insbesondere verdeckte – Überwachungsmaßnahmen nur ergreifen, wenn zu dokumentierende Tatsachen vorliegen.
Also kein Generalverdacht gegen alle Arbeitnehmerinnen und eindeutig nicht: „Ich überwache alle permanent, zwar mit öffentlichen Kameras, aber es werden alle überwacht“. Nein, genau das geht nicht.
Eine Überwachung ist nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen – also mehr als ein Anfangsverdacht oder nur ein Tipp von Dritten.
Das ist genau das Gegenteil dessen, was CDU und FDP im Bund vorhaben. Als Hessischer Landtag sollten wir uns geschlossen an die Seite unseres Datenschutzbeauftragten stellen und damit an die Seite der Beschäftigten.
Des Weiteren positionieren Sie sich auch zu den umstrittenen Screeningverfahren. CDU und FDP im Bund haben vor, Verhaltensweisen zu legalisieren, die wir noch vor zwei Jahren bei der Bahn als „Skandal“ bezeichnet haben.
Der Arbeitgeber soll ein Screening durchführen können, also alle ihm zugänglichen Dateien in Bezug auf das Verhalten seiner Arbeitnehmer auswerten können, und bei Bewerbern im Internet in sozialen Netzwerken recherchieren dürfen. Er soll dies nicht nur bei Anhaltspunkten für Straftaten tun dürfen, sondern auch ohne einen konkreten Verdacht. Umso besser, dass unsere Datenschützer hier – ich zitiere nochmals – „klare materielle Kriterien, z. B. Prüfung der Verhältnismäßigkeit, Vorliegen von tatsächlichen Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten“, einfordern. Recht haben sie, und wir sollten uns als Hessischer Landtag geschlossen an die Seite unserer Datenschützer stellen.
Auch zu einem dritten aktuellen Problem positionieren sich unsere Datenschützer ganz eindeutig. Die Funkzellenabfrage muss eingeschränkt werden. Ich zitiere wiederum aus Ihrem Bericht, Seite 202:
Die Strafverfolgungsbehörden in Dresden haben mit einer sogenannten Funkzellenabfrage anlässlich von Versammlungen und dagegen gerichteter Demonstrationen am 19. Februar 2011 Hunderttausende von Verkehrsdaten von Mobilfunkverbindungen erhoben, darunter die Rufnummern von Rufern und Angerufenen …
Für alle, die es nicht wissen: Es ging dabei um die Blockade eines Aufmarsches von Faschisten, an der wir als Fraktion teilgenommen haben.
Sie wenden sich als Datenschützer eindeutig gegen das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden und weisen zu Recht darauf hin, dass auch das Bundesverfassungsgericht stets betont hat, dass die Erhebung von Verkehrsdaten erhebliche Rückschlüsse auf das Kommunikationsverhalten zulässt. Verkehrsdaten können das soziale Netz eines Betroffenen widerspiegeln. Allein schon aus ihnen kann eine Verbindung zu Parteien, Gewerkschaften oder Bürgerinitiativen deutlich werden.
Sie fordern – ein letztes Zitat aus Ihrem Bericht –, „den Anwendungsbereich für eine nicht individualisierte Funkzellenabfrage einzuschränken, dem Grundsatz der Verhält
nismäßigkeit zu stärkerer Beachtung in der Praxis zu verhelfen“. Recht haben Sie, Herr Prof. Ronellenfitsch, und wir sollten als Hessischer Landtag geschlossen an der Seite unseres Datenschutzbeauftragten stehen. – Auch in diesem Sinne nochmals vielen Dank für Ihren Bericht.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, wir alle haben uns schon einmal dem Problem gestellt, dass in der Öffentlichkeit – selbst in der interessierten Öffentlichkeit – viel zu wenig von dem wahrgenommen wird, über was wir uns hier im Landtag eigentlich streiten. Wir haben gerade wieder ein Beispiel, wo ich sehr froh bin, dass es niemand mitbekommt und niemanden interessiert, was Sie hier diskutieren wollen.
Ich habe diese Woche eine persönliche Hitliste, welche Tagesordnungspunkte uns in unsinnigsten Dingen die meiste Zeit klauen.
Es wird immer noch angeführt von der Regierungserklärung des Staatsministers Rhein, aber hart gefolgt von Ihrem Setzpunkt heute. Schauen wir uns kurz an, worum es eigentlich geht. Der Vorsitz in der Justizministerkonferenz wird bekanntlich nicht nach Qualifikation, auch nicht nach Schönheit vergeben, sondern wechselt periodisch.
Sie sagen: Dieses Jahr ist Hessen dran, dieses Jahr ist es Staatsminister Hahn, und er arbeitet da. – Da sage ich: Genau, er arbeitet da. Ende der Durchsage.
Zweitens. Es ist von meinen Vorrednern schon angesprochen worden, was Sie alles nicht erwähnen. Ich erspare mir, das jetzt zu wiederholen. Herr Müller, wenn Sie eben die Frage gestellt haben, wie peinlich das eigentlich ist, was ein Vorredner gemacht hat, kann ich Ihnen nur sagen: angemessen peinlich bei Ihrem Antrag.
Sie geben an, dass Sie sich um Datenklau und Datenhehlerei verstärkt kümmern wollen. Ja, klar müssen wir das. Es ist doch selbstverständlich, dass wir in der Rechtsetzung dem folgen, was es an konkreten gesellschaftlichen Problemen gibt. Ich will aber angesichts der gerade stattfindenden Diskussion nicht in Hessen, sondern im Bundesgesundheitsministerium, wo sich der Herr Bahr darüber so aufregt, dass Daten verschwunden sind, sagen: Wenn ich die Lobbyisten schon ins Ministerium hole, brauche ich mir über Datenklau überhaupt keine Gedanken mehr zu machen.
Das ist bei der Vetternwirtschaft in Hessen wahrscheinlich ähnlich.
Eine letzte Bemerkung. Sie sagen, Sie wollen die Informationsverbreitung über soziale Netzwerke stärker nutzen. Dazu sage ich Ihnen: herzlich willkommen, selbstverständlich. Es ist wohl unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, dass wir alle Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit und Informationsverbreitung nutzen, auch wenn es um die Fahndung nach Straftätern geht.
Aber was ich aus Ihrem Mund und aus Ihrem Haus, Herr Staatsminister, leider viel zu selten höre, ist, dass es so etwas wie eine Unschuldsvermutung gibt. Das ist die Antwort auf die Frage, wie Sie eigentlich sicherstellen, dass Daten, die nichts auf privaten, nichts auf ausländischen Servern zu suchen haben, dort nicht hineingelangen.
Im Unterausschuss Datenschutz gab es die Auskunft, dass Sie dort Barrieren einbauen wollen. Da sind Sie uns durchaus noch genauere Auskünfte schuldig. Ich sage einmal ganz eindeutig: Wenn ich in eine Polizei- oder eine Tankstelle ein Fahndungsblatt hänge, hat das eine ganz andere Bedeutung und einen ganz anderen weitreichenden
Einfluss, als wenn ich Fahndungsdaten in das Internet gebe.
Diesen Unterschied müssen Sie auch in Ihrem verantwortlichen Handeln zum Ausdruck bringen. Wir warten auf Antworten. Das wäre eine angemessene Diskussion, wie wir uns dieser Herausforderung stellen. Alldem stellen Sie sich mit Ihrem Antrag nicht. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich war gerade sehr erstaunt, hier von einem FDPler lernen zu müssen, dass der Rechtsstaat offensichtlich nur noch mit Juristen funktioniert. Ihre Argumentation war: Es gibt in einer Fraktion keinen Juristen, und deswegen haben wir ein Rechtsstaatsproblem.
Entschuldigen Sie mal bitte: Wenn das Ihr Verständnis von Parlament ist, dann gehören Sie hier wirklich nicht mehr hin.
Meine Damen und Herren, offensichtlich hat nicht nur Herr Müller gerade das Krachen gehört. Es ist nämlich wieder ein Leuchtturm des ehemaligen Ministerpräsidenten Koch eingestürzt, und davon muss abgelenkt werden.
Das lassen wir aber nicht zu. Ich schließe an das an, auch wenn Sie das jetzt nochmals ärgert, was Herr Frömmrich bereits aufgeführt hat,
und sage Ihnen ganz klar: Ich fand die Idee, regelmäßig zu überprüfen, ob Gesetze sinnvoll oder zielerreichend funktionieren, immer sehr gut. Es ist eine gute und richtige Idee, zu schauen, ob unsere Arbeit zielführend ist. Aber was Sie gemacht haben, was schlecht war und demokratiegefährdend ist, ist, dass Sie dies permanent am Gesetzgeber, nämlich an uns, am Parlament, vorbei gemacht haben. Das ist die Kritik, die Sie sich anhören müssen.
Wir haben in diesem Haus in schöner Regelmäßigkeit noch nicht einmal die Anhörungsunterlagen zu Gesicht bekommen, sodass wir uns zu einer Gesetzesverlängerung eine Meinung hätten bilden können. Die Regierung hat uns – Ausnahmen bestätigen die Regel – in schöner Regelmäßigkeit die Regierungsanhörungsunterlagen verweigert, und wir sollten trotzdem entscheiden.
Herr Blechschmidt, melden Sie sich doch einfach nach dem Minister noch mal zu Wort und lassen mich weiter ausführen.
Meine Damen und Herren, auch diese Kriterien, nach denen wir hier und jetzt mit einer Abstimmung gerade mal 73 Gesetze verändern, liegen uns nicht vor. Wer soll uns denn eigentlich noch glauben, dass wir hier ordentlich arbeiten, wenn wir mit einem Federstrich 73 Gesetze ändern, deren Kriterien für die Änderung uns nicht vorliegen? Wir machen uns doch selbst unglaubhaft.
Das, was wir hier machen, schätze ich als undemokratisch ein. Das machen wir nicht mit. Das lehnen wir ab, weil es undemokratisch ist. – Danke sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir wollen unsere Demokratie und unsere Freiheit vor denen schützen, die unsere Demokratie abschaffen wollen, vor denen, die einen Gottesstaat errichten wollen, vor Nazis – alten wie neuen. Deswegen müssen wir uns fragen, welche Rolle dabei der Verfassungsschutz spielt. Wir haben gerade gehört, die SPD will den Verfassungsschutz optimieren. Wie das mit dem Optimieren in diesem Haus bei dieser Regierung aussieht, haben wir gerade wieder gesehen. Woher nehmen Sie das Vertrauen, dass etwas grundlegend Falsches verbessert werden kann?
Die Menschen im ganzen Land betrachten mit Erschrecken, mit Verwunderung, dass in unserer Republik über ein Jahrzehnt lang eine Neonazitruppe mordend durch unser Land gezogen ist, größtenteils vollkommen unbehelligt. Entweder hat der Inlandsgeheimdienst, vulgo Verfassungsschutz, davon nichts mitbekommen. Dann ist er schlicht unfähig. Oder, viel schlimmer, er wusste es und hat weder Polizei, noch Justiz, noch die Öffentlichkeit und auch nicht uns als Parlament davon informiert. Dann ist er darüber hinaus noch gefährlich, und in beiden Fällen gehört er abgeschafft.
Meine Damen und Herren im gesamten Haus, der Inlandsgeheimdienst, also der Verfassungsschutz, ist und bleibt ein Fremdkörper in einer Demokratie. Das Wort Verfassungsschutz führt doch in die Irre. Es ist eben nicht seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Grundrechte wie freie Meinungsäußerung oder die Versammlungsfreiheit ungerührt bleiben – im Gegenteil. Gerade mit der Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel, nämlich Beschatten, Belauschen, Bespitzeln greift er in unsere Grundrechte ein. Dieses Grundproblem kann nicht mit einem Verfassungsschutz gelöst werden.
Meine Damen und Herren, die Institutionalisierung des Verfassungsschutzes als ein nach innen gerichteter Nachrichtendienst ist gescheitert. Die erhoffte Funktion eines Frühwarnsystems, das über Bestrebungen gegen die im Grundgesetz und der Hessischen Verfassung verankerte Grund- und Menschenrechte rechtzeitig informiert, hat versagt.
Trotz teilweise intensiver Zusammenarbeit im Neonazimilieu konnten in den vergangenen zwei Jahrzehnten Hunderte Mordfälle und ein Vielfaches davon an Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund in der Bundesrepublik präventiv nicht verhindert und häufig im Nachhinein nicht aufgeklärt werden. Dem Aufklärungsinteresse von Parlament und Öffentlichkeit wurde mit Vernichtung der entsprechenden Akten begegnet.
Ein für die Gewaltprävention unfähiger und erst recht ein mit der rechten Szene verwobener Geheimdienst wird zur Gefahr für Gesellschaft und Demokratie, zumal er sich offenkundig jeglicher demokratischer Kontrollen entzieht.
Mindestens zwei Aspekte unterscheiden den Verfassungsschutz von anderen staatlichen Behörden wie etwa der Polizei. Da liegt das Problem. Zum einen wird der Verfassungsschutz gegen Menschen allein aufgrund ihrer Gesinnung tätig – unabhängig von konkreten Tatbeständen. Das ist mit Blick auf die Bürgerrechte hoch fragwürdig. Das zweite Problem ist, er unterstützt diese V-Leute in jenen Gruppen, die er für Feinde der Verfassung hält. Um diese V-Leute führen zu können, entsteht der Zwang zur Geheimhaltung.
Wir können also zu keiner Verbesserung dieses Systems beitragen, wenn der Fehler in der Anlage des Systems von V-Leuten liegt, das deswegen die Geheimhaltung nach sich zieht und deswegen unkontrollierbar bleibt. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.
Als Geheimdienst widerspricht der Verfassungsschutz den demokratischen Prinzipien der Transparenz und Kontrollierbarkeit. Wäre er transparent, könnte er nicht im Geheimen arbeiten. Daraus resultiert die mangelhafte Kontrolle, die wir mit allen Gesetzentwürfen, die wir heute sonst noch beraten, nicht beheben können.
Meine Damen und Herren, die Verfassungsschutzbehörden – das haben wir schmerzlich in den letzten Tagen, Wochen, Monaten lernen müssen – sind Teil des Systems Rechtsextremismus. Sie sind seit den Neunzigerjahren mit den V-Leuten in der Neonaziszene verstrickt – eine Problematik, die das letzte NPD-Verbotsverfahren auch zum Scheitern brachte.
Die Spitzel bekommen Honorare, die sie trotz Verbot auch in ihre eigenen Organisationen stecken, damit also die Neonaziszene stärken. V-Leute sind eben alles andere als Agenten des demokratischen Rechtsstaates. Im Falle von Neonazis sind sie meist Rassisten, Gewalttäter.
Brandstiftung, Körperverletzung, Mordaufrufe, Waffenhandel sind nur einige der Straftaten, die solche Leute zum Schutz ihrer Tarnung begehen. Vom Verfassungsschutz bezahlte V-Leute machen sich in diesen Szenen regelmäßig strafbar, werden aber vom Verfassungsschutz gegen Ermittlungen der Polizei abgeschirmt. All dies ist in einer Demokratie inakzeptabel.
Was uns am meisten erschrecken sollte: Das System der Anwerbung von V-Leuten aus der neonazistischen und neofaschistischen Szene unterstützt eben diese Szene finanziell und stärkt sie. Gleichzeitig geraten Bürgerrechte, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat in Gefahr. Deswegen müssen, wollen wir den Verfassungsschutz abschaffen.