Protocol of the Session on February 1, 2012

Meine sehr geehrten Damen und Herren, herzlich willkommen zur 96. Plenarsitzung am heutigen Mittwoch, dem 1. Februar 2012. Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zunächst darf ich Sie auf eine Veränderung in unserem Hause hinweisen, ein Mandatswechsel. Frau Abg. Gudrun Osterburg hat mit Ablauf des 31. Januar 2012 ihr Mandat als Abgeordnete niedergelegt. Ihr Nachfolger ist Herr Abg. Jan Schneider. Herr Schneider, ich begrüße Sie ganz herzlich in unserem Hause und wünsche Ihnen eine gute, erfolgreiche Zusammenarbeit.

(Allgemeiner Beifall)

Zur Tagesordnung. Erledigt sind die Punkte 1 bis 4 sowie Tagesordnungspunkt 51.

Weiterhin eingegangen und an Sie verteilt wurde zu Tagesordnungspunkt 22 ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 18/5235, zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend NordwestLandebahn sofort stilllegen, Drucks. 18/5193.

Weiterhin ist eingegangen ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend effiziente Wärmenutzung in Hessen auf einem guten Weg, Drucks. 18/5236. Ich gehe davon aus, dass die Dringlichkeit bejaht wird. – Das ist so. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 57 und könnte mit Tagesordnungspunkt 23 aufgerufen werden. – Wir verfahren so. Wir tagen heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden.

Wir beginnen mit dem Setzpunkt, Tagesordnungspunkt 24, dem Antrag der Fraktion der SPD betreffend Wohnen ist Daseinsvorsorge – kein Verkauf der Nassauischen Heimstätte, Drucks. 18/5195. Dazu werden die Tagesordnungspunkte 21, 38 und 53 aufgerufen.

Danach folgt der Setzpunkt der CDU-Fraktion betreffend den kommunalen Schutzschirm in Hessen – wir setzen Maßstäbe – gemeinsam für ein starkes Hessen, Drucks. 18/5200.

Nach der Mittagspause geht es mit Tagesordnungspunkt 22 und den damit verbundenen Tagesordnungspunkten weiter.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Wohnen ist Daseinsvorsorge – kein Verkauf der Nassauischen Heimstätte – Drucks. 18/5195 –

dazu Tagesordnungspunkt 21:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend keinen Verkauf der Landesanteile an der Nassauischen HeimstätteWohnstadt – Drucks. 18/5192 –

und weiterhin Tagesordnungspunkt 38:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr zu dem Dringlichen Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hessen plant Verkauf landeseigener Wohnungen – Wohnen ist Aufgabe der Daseinsvorsorge – Drucks. 18/5176 zu Drucks. 18/5092 –

sowie Tagesordnungspunkt 53:

Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Nassauische Heimstätte muss Landesunternehmen bleiben – unverzichtbares Instrument der Wohnungspolitik und Entwicklungsplanung – Drucks. 18/5229 –

Dazu darf ich dem Fraktionsvorsitzenden der SPD das Wort erteilen, Herrn Schäfer-Gümbel. Die Redezeit beträgt zehn Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst will ich festhalten: Ich finde es sehr bedauerlich, dass der Aufsichtsratsvorsitzende der Nassauischen Heimstätte, Wirtschaftsminister Posch, im Moment nicht anwesend ist. Vielleicht ist das auch ein Teil des Problems in dieser Debatte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Am 14. Dezember lässt Finanzminister Dr. Schäfer die Katze aus dem Sack. Man könnte sich ein bisschen an den Liedtext „Alle Jahre wieder“ erinnert fühlen, denn er erklärt im Rahmen eines „HR-online“-Interviews, es sei nicht Aufgabe des Landes, Anteile an einem solchen Unternehmen zu halten. Gemeint war die Naussauische Heimstätte als eine der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und Stadt- und Landesentwicklungsgesellschaften. Gemeint war auch das Argument, dass das Land unter der Führung von Schwarz-Gelb schon mit Blick auf die GWH und die HEGEMAG deutlich gemacht habe, dass die Wohnraumversorgung keine öffentliche Aufgabe ist.

Ich sage: Dies ist grundfalsch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Wohnraumversorgung, insbesondere die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum ist sehr wohl eine Aufgabe des Landes. In der Unternehmenssatzung auch der Nassauischen Heimstätte ist das präzise dokumentiert, aber das leitet sich auch aus anderen Aufgaben ab. Deswegen will ich hier zunächst über etwas reden, das sie hier vielleicht verwundern wird. Ganz offensichtlich gelangt man zu solchen Einschätzungen, wenn man nicht weiß, über wen man eigentlich redet. Über wen reden wir, wenn wir über die Mieterinnen und Mieter der Nassauischen Heimstätte reden?

Wir reden über etwa 150.000 Menschen, die in 62.000 Wohneinheiten leben. Davon sind etwa 35 % sozial gebunden, d. h. es sind Wohnungen, die noch immer mit einer besonderen Förderung ausgestattet sind, um bestimmte Mietpreisniveaus zu sichern.

41 % aller Mieterinnen und Mieter bei der Nassauischen Heimstätte sind über 60 Jahre alt. Das Durchschnittshaushaltseinkommen der Mieterinnen und Mieter der Nassauischen Heimstätte liegt im Landesmittel bei 1.450 €. 42 % der Mieterinnen und Mieter bei der Nassauischen Heimstätte sind Rentner und Pensionäre, 8 % sind Transferempfänger.

Wer angesichts dieser Zahlen sagt, dass die Wohnraumversorgung mit bezahlbarem Wohnraum keine öffentliche Aufgabe ist, hat nichts begriffen. Der Markt wird für diese Personengruppen keine bezahlbaren Mieten vorhalten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Um das ein bisschen zu dokumentieren, habe ich heute Morgen einmal nach Mietwohnungspreisen auf dem freien Wohnungsmarkt in Frankfurt gegoogelt. Da gibt es ein paar interessante Hinweise. Ich will nochmals sagen: Das durchschnittliche Haushaltseinkommen der Mieterinnen und Mieter liegt bei 1.450 €. Für eine durchschnittliche 2- bis 3-Zimmer-Wohnung zwischen 60 und 75 m2 zahlen Sie derzeit auf dem freien Wohnungsmarkt in Frankfurt zwischen 900 und 1.100 € kalt. Das sind nicht die tollen Wohnungen. Sie können natürlich auch nettere Wohnungen haben: beispielsweise eine 4-Zimmer-Wohnung mit 100 m2 für 2.250 €.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer angesichts dieser Wirklichkeit des Wohnungsmarktes in Frankfurt – insbesondere dort – erklärt, dass öffentliche Wohnraumversorgung mit bezahlbarem Wohnraum keine Aufgabe des Landes ist, der hat die zentralen Fragen der Daseinsvorsorge nicht verstanden.

(Beifall der SPD und der LINKEN sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sagen wir Ihnen, Herr Schäfer, und dieser Landesregierung: Es ist eine Aufgabe des Landes, Anteile an einem solchen Unternehmen zu halten, um diesen Personengruppen bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Begraben Sie also Ihre Pläne.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Das, was Sie gerade zu vermitteln versuchen, jeder Verkauf an einen öffentlichen Träger, seien das die ABG oder die Helaba, sei mietkostenneutral, ist absurd. Wir haben es bei der Wohnstadt erlebt. Sie wissen, dass die Wohnstadt aufgrund erzwungenen Verkaufs nach wie vor ein Defizit von immerhin 7 Millionen € Zinsbelastung jährlich einfährt. Sie wissen, dass die Wohnstadt als Teil der Nassauischen Heimstätte rote Zahlen schreibt, weil die Wohnstadt nach wie vor den Verkauf an die Nassauische nicht verkraftet hat.

Deswegen sage ich Ihnen: Jeder weitere Verkauf der Nassauischen Heimstätte, ob an die Helaba oder an die ABG – zu der ich gleich noch im Detail komme – wird dazu führen, dass diese Privatisierung von den Mieterinnen und Mietern bezahlt wird. Sie können es sich aber nicht leisten. Das habe ich gerade versucht zu dokumentieren.

(Beifall bei der SPD)

Zweiter Punkt. Die Nassauische Heimstätte ist darüber hinaus nicht nur ein Unternehmen, das sich um das Thema Wohnraumversorgung kümmert, sondern die Nassauische Heimstätte ist ausdrücklich ein Instrument, das sich um das Thema Stadtentwicklung kümmert. Themen, die die Nassauische Heimstätte in den letzten Jahren bearbeitet hat, sind z. B. das Thema Konversion, das Thema der sozialen Stadterneuerung – Sie haben sich gerade mit dem Integrationspreis des Landes Hessen dafür feiern lassen, dass über die soziale Stadterneuerung in Dietzenbach hervorragende Arbeit im Quartiersmanagement geleistet wurde – die Quartiersentwicklung ist ein Riesenthema –, bis hin zur Frage der energetischen Sanierung. Stichworte sind die erste interkommunale Klimaschutzvereinbarung im Rheingau oder aber auch die energetische Sanierung in Darmstadt. Deswegen sage ich Ihnen: Auch aus Gründen der Landes- und Strukturentwicklung ist der Erhalt

der Nassauischen Heimstätte als Instrument des Landes zwingend erforderlich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei reden wir über viele Standorte in Hessen. Die Nassauische Heimstätte betreibt Projekte und Wohnungen. – Herr Bellino, Sie bekommen hier selten Themen mit, aber es wäre schön, wenn Sie Ihre Gespräche nach außen verlagern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU)

Herr Wagner, ich bin dankbar, wenn es um 150.000 Mieterinnen und Mieter geht – –

Meine Damen und Herren, ich bitte sehr darum, dem Redner zuzuhören. Er soll eine Chance haben, allen mitzuteilen, was er zu sagen hat.

(Peter Beuth (CDU): Er hat doch provoziert! – Weitere Zurufe von der CDU)

Wenn Herr Grüttner flegelhaft dazwischenruft, möchte ich einmal darauf hinweisen,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Er provoziert!)

wenn wir hier über die Interessen von 150.000 Mieterinnen und Mietern reden und die Regierungsbank ständig nur am Brabbeln ist, aber ein Hinweis auf das undisziplinierte Verhalten von Herrn Bellino Ihre Aufmerksamkeit weckt, dann haben Sie offensichtlich nicht verstanden, was die Probleme in diesem Land sind.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir reden bei der Nassauischen Heimstätte über ein Unternehmen, das sich in 160 Kommunen in Hessen und Thüringen bewegt, das an vielen Stellen vorzügliche Arbeit geleistet hat und leistet. 100 Kommunen befinden sich davon in Hessen, aber es ist nicht nur ein hessisches Thema. Deswegen sage ich es noch einmal: Es ist die Aufgabe eines Landes, Anteile an einem solchen Unternehmen zu halten, weil es eine Frage der Landesstrukturentwicklung ist. Deswegen nochmals die Bitte: Ziehen Sie Ihre Pläne zurück.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun zur letzten Bemerkung, die ich in dieser Debatte machen will, warum wir dieses Thema zum Setzpunkt machen. Vonseiten der FDP und der Union kam der Vorwurf, es handele sich nur um OB-Wahlkampf in Frankfurt.