Wolfgang Weiß

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Last Statements

Frau Präsidentin! Herr Minister! Schönen guten Morgen!
Herr Minister, die Naturschutzgebiete in unserem Land gehören wirklich zu unserem Tafelsilber. Die Heiligen Hallen sind Ihnen bekannt, ein ganz besonderes Naturschutzgebiet, und in den Medien sind in den letzten Wochen verschiedene Informationen, ja, sagen wir mal, herumgegeistert, dass dort seitens der Landesforst unkorrekt gehandelt wurde. Können Sie uns dazu etwas sagen?
Herr Minister, wie können Sie sich erklären, dass in der Presse, in den Medien diese Anschuldigungen so massiv formuliert worden sind?
Herr Minister, eine ganz andere Thematik: Wir sind vor wenigen Tagen quasi per Medien Zeuge geworden des doch beeindruckenden Steilküstenabbruchs innerhalb der Gemeinde Sellin, innerhalb der Ortslage. Das geht ja bis in den Siedlungsbereich rein, wenn dort beispielsweise schon Risse auf dem Küstenwanderweg zu registrieren sind. Der Abbau des Bunkers, glaube ich, steht jetzt an. Können Sie uns etwas darüber sagen, wie der Sachstand ist und die nächsten Schritte vorgenommen werden?
Ja, Herr Minister, wenn es gestattet ist, dass wir mal den Blick ein kleines bisschen weiten: Nicht weit von Sellin haben wir noch ganz andere sensible Bereiche, die auch im Bereich „Küstenschutz und Küstenwald“ beispielsweise in Ihren Kompetenzbereich fallen. Es gibt erhebliche Irritationen auf der Insel Rügen bezüglich der Parksituation auf der Schaabe. Und die verschiedensten Anträge, die dort auch beispielsweise im Kreistag vorliegen, schaffen mehr Unruhe
als Sicherheit. Ich weiß, dass in Ihrem Hause schon lange danach gestrebt wird, diese Situation zu klären. Könnten Sie uns hier an dieser Stelle einen Standbericht geben, wie weit das gediehen ist?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hochpräzise EchtzeitPositionierungs-Service-Daten – der Antrag besitzt eine stark technische, ja, sogar eine ingenieurtechnische Komponente, die zu verstehen Voraussetzung für die konkrete Behandlung des Themas wichtig ist.
Es gibt aber auch eine kartografische Komponente. Ich will Sie jetzt nicht langweilen mit Mercator-Projektion, diversen Ellipsoiden oder den Gauß-Krüger-Streifen. Kollege Butzki und ich haben möglicherweise einen erheblichen Vorteil diesbezüglich anderen gegenüber hier im Hause. Wir sind gewissermaßen die Einäugigen unter den Blinden, wenn es um diese Form von Kartografie geht, die wir bei hervorragenden Spezialisten in Greifswald an der Universität gelernt haben – Professor Heß und nicht zuletzt Alfred Gomolka.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer über dieses ganze Thema sich informieren möchte, ist gut beraten, wenn er sich auf den Netzseiten des Landesamtes der inneren Verwaltung durchklickt. Beim Amt für Geoinformation, Vermessungs- und Katasterwesen findet man unter „Geoinformation mit Raumbezug“ Folgendes, und ich zitiere: „SAPOS“ – ein Akronym, in dieser ganzen Welt gibt es sehr viele Akronyme – „ist der Satellitenpositionierungsdienst der deutschen Landesvermessung. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland... Die Grundlage dieses Dienstes bildet ein Netz von permanent registrierenden“ Referenzdaten, „die ständig die Daten der Satellitennavigationssysteme Navigation System with Timing and Ranging Global Positioning System (NAVSTAR GPS)“ – die meisten kennen das nur unter ihrem Navi – „und Globalnaja Nawigazionnaja Sputnikowaja Sistema (GLONASS) verarbeiten.“ Zitatende. So weit, so gut.
SAPOS bietet dabei drei Servicebereiche. Diese drei Servicebereiche sind allerdings – und, Herr Borschke, das sollten Sie zur Kenntnis nehmen – untrennbar miteinander verbunden. Da ist nämlich erstens das EPS, das Echtzeit-Positionierungs-Programm, mit einer Lagegenauigkeit von 30 bis 80 Zentimetern, einer Höhen
genauigkeit von 50 bis 150 Zentimetern. Dem Anwender stehen die Korrekturdaten ebenfalls in Echtzeit zur Verfügung. Der Geräteaufwand verringert sich bei der Nutzung.
Zum Zweiten gibt es das GPPS, das die Positionierung mit einer Lagegenauigkeit ebenfalls von unter einem Zentimeter und einer Höhengenauigkeit von ein bis zwei Zentimetern bereitstellt. Die kontinuierlichen Messungen der Referenzstationen dienen dem Nutzer als Daten im RINEX-Format, ein universelles Austauschformat, das jeder mit seinem eigenen Computer beispielsweise verarbeiten kann.
Und drittens gibt es dann das HEPS, um das es in der heutigen Antragsform geht. Dieses HEPS bietet EchtzeitPositionierung mit einer Lagegenauigkeit, wir haben es bereits gehört, von ein bis zwei Zentimetern und einer Höhengenauigkeit von zwei bis drei Zentimetern.
Meine Damen und Herren, jeder, der in seinem Garten mal versucht hat, in der Rille ein paar Samen gleichmäßig zu positionieren, der weiß, was man für einen Aufwand dabei hat. Bei dieser Genauigkeit kann man sich vorstellen, was das zum Beispiel beim automatisierten Pflanzen von Gemüse bedeutet. Zusätzlich zu den EPSKorrekturwerten stehen dem Nutzer auch die Trägerphasen der Satellitensignale in Echtzeit zur Verfügung.
Und auch hier wieder, so weit, so gut, aber eben auch nicht, denn: Was hat das mit Ideologie zu tun? Das erschließt sich mir überhaupt nicht.
In der Begründung für Ihren Antrag lese ich: „Die Mindereinnahmen durch den Wegfall der Nutzungsgebühr belaufen sich auf rund 80.000 € pro Jahr.“ Tatsächlich stehen Einnahmen in der angesprochenen Höhe im Landeshaushalt. Allerdings heißt dieser Haushaltstitel 111 05 im Einzelplan 04 „Einnahmen aus dem Projekt SAPOS“, also dem übergeordneten System. Da muss man vielleicht mal ein bisschen suchen. Aus welchen Serviceleistungen sich SAPOS zusammensetzt, habe ich Ihnen bereits erläutert. Also Ihr HEPS ist nur ein Element von dreien.
Dass hier nur unsere Bauern allein in den klammen Haushaltstopf einzuzahlen haben, kann ich wirklich nicht erkennen. Selbst wenn es so wäre, würden 80.000 Euro im Jahr verteilt auf alle landwirtschaftlichen Nutzer in diesem Land die angebotenen HEPS-Services wirklich nicht in ihrer Wettbewerbsfähigkeit stören, ganz im Gegenteil, vor allem, wenn wir dagegenrechnen, wie viele Millionen Subventionen jährlich die Landwirtschaft unseres Landes genießt mit den Direktzahlungen aus Brüssel.
Und es würde unseren Landwirten „Standortnachteile“ aufbürden, schreiben Sie, und „den Fortschritt behindern“. Na, da gucken wir doch mal in die finanzrechtliche Dimension! Warum sollen Landwirte von der Zahlung einer Nutzungsgebühr, einer zugegeben relativ banalen Nutzungsgebühr, ausgenommen werden, aber andere Nutzer nicht? Gleichstellungsbehandlung, Gleichbehandlung, gegen diesen Grundsatz wird hier sicherlich verstoßen.
Seien Sie an dieser Stelle also ehrlich und verlangen Sie, dass das Land die SAPOS-Dienste generell kostenfrei für
alle Nutzer und alle Benutzergruppen zur Verfügung stellt! Fordern Sie doch die Aufhebung der Landesverordnung, übrigens einer Landesverordnung mit dem Titel „Entgelte für die Abgabe und Nutzung von Erzeugnissen und für Leistungen des Amtes für Geoinformation, Vermessungs- und Katasterwesen im Landesamt für die innere Verwaltung Mecklenburg-Vorpommern“ – sicher ein Monstertitel.
Ehrlicherweise müssten Sie dann aber auch gleichzeitig die gesamte Haushaltsordnung durchforsten, ob man sich nicht an anderen Stellen im Land, an vielen Stellen bereitgestellte Serviceleistungen von Nutzern bezahlen lassen muss, sondern – in dem Falle will ich das nicht weiter vertiefen – fordern Sie doch gleich eine Änderung der Haushaltsordnung!
Meine Damen und Herren, wir wären ‒ so weit noch mal zum technischen Thema ‒ schon viel weiter, wenn dem Land Mecklenburg-Vorpommern die bereits im Test sich hervorragend bewährten Systeme von Galileo zur Verfügung stehen würden, auch was die ganze Problematik der G5-Netze anbetrifft. Damit könnte es sogar sein, dass sich dieses System von selbst überholt. Warten wir es ab. Auf jeden Fall ist das, was der Minister hier bereits gesagt hat als Begründung dafür, diesen Antrag abzulehnen, ausreichend. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte hier mir eigentlich vorgenommen, ein kleines bisschen zu motzen, warum kommt das von der Fraktion, warum nicht vom Minister, wo es doch schon so lange als Referentenentwurf dort im Schubfach liegt, aber die Konvulsion hat ja Frau Aßmann vorhin aufgelöst und damit hat sich das Thema erledigt. Für mich ist wichtig, Hauptsache, dass etwas passiert. Es ist eigentlich völlig egal, wer es einbringt, denn es gibt genug Leute, die auf dieses Gesetz oder auf diese Veränderung des Gesetzes warten.
Die Zulassung des Befahrens oberirdischer Gewässer mit kleinen mit Elektromotoren getriebenen Wasserfahrzeugen ist ein Anliegen des Anglerverbandes seit Langem. Und der Eindruck, den wir gewonnen hatten jedes Mal, wenn wir das Thema angesprochen haben – ja, schon seit vielen Jahren –: Wir hätten mit Gummiwänden geredet. Nun wird doch endlich etwas passieren, nicht nur, weil andere Bundesländer – der Minister sprach davon – an der Stelle schon weiter sind oder vorgeprescht sind, aber bei uns gelten die Regeln eben stabil seit 1992, und es hat sich in der Tat in der Zeit seit damals technisch und technologisch vieles verändert. Und deswegen haben wir heute ganz andere Möglichkeiten und müssen nicht den Spruch von Bismarck, dass hier alles 50 Jahre später passiert, kolportieren und ins dritte Jahrtausend übernehmen.
Meine Fraktion wird der Überweisung selbstverständlich zustimmen. Übrigens unsere inhaltliche Kritik werden wir dann im Zuge der Beratung des Gesetzentwurfes im Ausschuss einbringen, zum Beispiel, was die Einführung von Ausnahmetatbeständen im Bereich von Schutzgebietskulissen angeht. Sicherlich, so frage ich, wird es im Gesetzentwurf ein Anhörungsverfahren geben. Ich hoffe, dass wir das vernünftig durchführen, dass wir dann auch Varianten diskutieren können, dass es nicht nur um solche Verfahren geht, wie Frau Assmann angesprochen hat, kleine Boote mit Schiffsschrauben. Es gibt mittlerweile auch Möglichkeiten, dass man auf die Schaufelradbaggertechnologie zurückgreift und dass deswegen die Eingriffe auch in den Wasserkörper gering sind.
Alles in allem, wir überweisen das Ganze gemeinschaftlich, und ich glaube, dann werden wir doch glücklicher. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Herr Minister, schönen guten Morgen!
Herr Minister, wir haben kürzlich die EU-Entscheidungen zur Weiterentwicklung der Fischereiquoten in der Ostsee zur Kenntnis genommen. Das Echo war, wie zu erwarten, sehr unterschiedlich: Den einen geht es nicht weit genug, die anderen fürchten um die Existenz. Ich frage Sie nach
Ihrem Kenntnisstand über die kurzfristigen Konsequenzen dieser Entscheidung.
Ganz kleine Nachfrage gestattet?
Herr Minister, Sie sagten in dem letzten Satz, Sie denken über eine konzeptionelle Behandlung dieses Themas nach. Wie weit ist denn dieses Nachdenken – wenn es gestattet ist zu fragen – schon gediehen?
Danke schön!
Herr Minister, wir kennen die übliche Praxis, die bisher übliche Praxis in der Geflügelwirtschaft vom massenhaften Schreddern männlicher Küken nach dem Schlüpfen. Wir wissen, dass in unserem Land diesbezüglich erhebliche Fortschritte bekannt sind, diese Praxis zu überwinden. Ich möchte Sie angesichts der Entscheidungen der Bundesministerin, doch sehr teure und eigentlich auch nicht sehr zielführende Verfahren zur favorisieren, fragen, wie diesbezüglich der Stand in unserem Land ist.
Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor Kurzem gab es ein denkwürdiges Jubiläum, den 75. Jahrestag der Bodenreform auf dem Gebiet der damaligen Sowjetischen Besatzungszone. Einerseits ging es dabei um die Heilung jahrhundertelangen Unrechts des Landraubes durch den Altadel, insbesondere durch das Bauernlegen, wo sich gerade dieser Altadel so lange bereicherte, bis es in kaum einem Dorf noch freie Bauern gab. Die Reichsstatistik von 1882 sah die Konzentration des Großgrundbesitzes in den östlichen Provinzen Preußens und in Mecklenburg. Allein in den Betrieben mit über 100 Hektar Fläche war der Anteil in Ostelbien bei über 44 Prozent, SachsenAnhalt, Braunschweig, da lag der Wert bei 23 Prozent, in Thüringen bei 12, im Süden Deutschlands – Bayern, Baden-Württemberg – nicht über 5.
Natürlich sind das Grenzwerte mit 100 Hektar. Das kaschiert etwas die eigentliche Situation, denn viele Güter – darum ging es ja in der Zählung – waren ja in der Hand nur weniger Großgrundbesitzer, die da drüberstanden. In einer Karte von 1928, glaube ich, hatte Curschmann für Mecklenburg 95 Prozent der gesamten Fläche der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Mecklenburg als Großgrundbesitz ausgewiesen. Klar war da auch die Fläche der Kirche dabei, da waren auch die Flächen der Städte dabei. Nun, das alles müssen wir hier jetzt nicht runterbrechen, das ist Historie. Aber insgesamt war das Ergebnis dieser Entwicklung die Grundlage dafür, dass die Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg beschlossen, eine Bodenreform auf deutschem Territorium durchzuführen. Allerdings wurde sie nur in der Sowjetischen Besatzungszone ernsthaft angegangen. Kurz nach dem Beginn – beispielsweise im Hannoverschen – hat man da zurückgerudert.
Insgesamt sind Großgrundbesitzer mit mehr als 100 Hektar Fläche und sehr viele, wie damals deklariert, Nazi- und Kriegsverbrecher und Aktivisten der NSDAP enteignet worden, entschädigungslos. Alles wurde in einen lokalen Bodenfonds übertragen. Dabei ist auch sehr viel Unrecht passiert, ganz klar, unter heutigen Kenntnissen. Die sowjetische Militärverwaltung internierte eine erhebliche Anzahl von Grundbesitzern auch unterhalb des entsprechenden Levels, denen das politische Vorleben vorgeworfen wurde, in ehemaligen NS-Speziallagern, vielen Konzentrationslagern. Und trotzdem gilt festzuhalten, zum ersten Mal seit Hunderten von Jahren wurde in unserer Region großen Teilen Landwirtschaftsfläche der Charakter einer Allmende zurückgegeben.
Meine Damen und Herren, warum sage ich das? Dieser Blick zurück soll vor allem der Abgrenzung dienen, denn wir wollen keine neuerliche Bodenreform. DIE LINKE hat anderes im Sinn. Wir möchten gerne vor allem die erheblichen Verwerfungen auf einem mittlerweile völlig intransparenten Bodenmarkt diskutieren, Transparenz in den Markt bringen, den vor Ort wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betrieben einen gerechten Zugang zum vorhandenen Boden geben, Neugründungen und vor allem auch Neugründungen der Junglandwirte ermöglichen. Und das alles sind nun wirklich keine sozialistischen Ideen, obwohl an der einen oder anderen Stelle wirklich die Verwertungslogik des Kapitalismus gebrochen werden muss, um einen entsprechenden regulatorischen Eingriff auf dem Bodenmarkt zu realisieren.
Einige Bundesländer haben das bereits auf den Weg gebracht. Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen haben der Entwicklung am Bodenmarkt mit eigenen Agrarstrukturgesetzen angefangen zu begegnen. Das ist nicht in jedem Falle sehr erfolgreich gelaufen bis jetzt, aber sie arbeiten dran. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gab es diesen Versuch des Agrarministers, den Verkauf von Agrarflächen an Nichtlandwirte zu unterbinden. Was daraus geworden ist, wird er uns sicherlich gleich sagen.
Für uns LINKE gilt: Grundlage einer gesunden und gerechten Agrarstruktur muss ein agrarpolitisches Leitbild sein auf Bundesebene, das an unsere Bedürfnisse angepasst und runtergebrochen werden kann, denn auch auf Landesebene ist ein Agrarleitbild Voraussetzung für ein darauf aufbauendes Agrarstrukturgesetz.
Das derzeitige Regularium fußt auf folgenden Gesetzen: dem Landwirtschaftsgesetz, dem Gesetz – ich muss das wirklich vorlesen – über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, kurz Grundstücksverkehrsgesetz, und dem Reichssiedlungsgesetz. In Bezug auf den Bodenmarkt allerdings hat sich durch die Grundgesetzänderung von 2006 die Kompetenz verändert. Diese Kompetenz, die Gesetzgebungskompetenz des Grundstücksverkehrsrechtes, ist inzwischen auf die Länder verschoben, und das gibt uns natürlich die Möglichkeit, dort zu handeln. Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Regelungen – Flurneuordnung und Ähnliches –, auch das ist bekannt und muss hier nicht im Detail abgearbeitet werden. Bis heute hatte mal lediglich BadenWürttemberg auf diesem Sektor erfolgreich etwas auf den Tisch gelegt und auch umgesetzt.
Die Fraktionen der LINKEN im Bund und in den Ländern haben sich zusammengetan und ein Gutachten auf den Weg gebracht: „Weiterentwicklung der rechtlichen Steuerungsinstrumente des landwirtschaftlichen Bodenmarktes“. Dieses Gutachten ist Ende September vorgelegt worden und steht Ihnen ab sofort zur Verfügung, der öffentlichen Diskussion. Genauso, wie wir uns genötigt sahen, dieses Gutachten auf den Weg zu bringen, ist es Gegenstand einer Diskussion unter anderem in den bäuerlichen Strukturen, im Bauernverband beispielsweise selbst, denn wenn immer Land in die Hand von Bauern gehört, dann, glaube ich, ist das gut. „Ackerland in Bauernhand“ könnte man heute dazu sagen.
Bereits 2010 hat meine Fraktion einen Antrag in diesem Hause eingebracht, der unter dieser Überschrift hätte laufen können. Es ging um den Ausverkauf landwirtschaftlicher Flächen an Nichtlandwirte, der verhindert werden sollte. Und die Mehrheit des Parlaments hatte damals den Antrag abgelehnt, mit der Begründung, die Herr Dr. Backhaus damals bereits als Landwirtschaftsminister vorgab, indem er sagte, dass ein eigenes Agrarstrukturfördergesetz auf den Weg gebracht werden sollte. Inzwischen – ich weiß nicht – ist es begraben?
Ich denke mal, wir kriegen dazu auch gleich eine Information.
Unser Gutachten bestärkt uns in der Auffassung, dass die gesetzliche Regelung für den landwirtschaftlichen Bodenmarkt dringend weiterentwickelt werden muss,
denn der Boden verkommt sonst immer mehr zum bloßen Spekulationsobjekt. Aber der Boden ist wichtiges Produktionsmittel der Landwirtschaft, das wichtigste. Nach Schätzungen, denen mittlerweile von niemandem mehr widersprochen wird, ist inzwischen mindestens ein Drittel der gesamten Agrarfläche in unserem Bundesland im Besitz von außeragraren Investoren, außerlandwirtschaftlichen Investoren, die kein Interesse daran haben, dass man ihnen in die Karten guckt. Das Ganze – Share Deals zum Beispiel sind nicht anzeigepflichtig, es herrscht eine große Intransparenz –, und das Ergebnis ist, dass die Bodenpreise durch die Decke gehen und allein die Pachtpreise seit der Wiedervereinigung um mehrere Hundert Prozent gestiegen sind. Das erschwert den Junglandwirten den Beginn, das erschwert Neueinsteigern ihre Arbeit.
Und es gibt da auch einen großen Widerspruch, denn auf der einen Seite existiert diese Intransparenz, die auch beispielsweise nicht durch Statistik geheilt werden kann, und auf der anderen Seite gibt es aber ein Investorennetzwerk, das sehr effektiv arbeitet und ein regelrecht modernes Landgrabbing veranstaltet. Ziel einer Neuregelung der Bodenmarktpolitik muss es sein, Bodenspekulation zu verhindern und Vorkaufsrechte für die Landwirte und die öffentliche Hand zu sichern. Es geht genau auch darum, dass eine solche Strategie viel eher regionalen Stoffkreisläufen das Wort redet, die Möglichkeit, soziale Bindungen von Landwirten und Standorten und die Verankerung der entsprechenden Betriebe im ländlichen Raum zu verbessern. Boden darf keine beliebige Ware sein!
Genauso, wie es eben schon Mark Twain vor 150 Jahren geschrieben hat: „Kaufen Sie Boden, es wird keiner mehr hergestellt.“ Das war als Glosse gemeint, nicht als Antrieb.
Dringend erforderlich ist ein Preisdeckel, ein Vorkaufsrecht für echte Landwirte aus der Region. Es geht also nicht um eine Grundlage für eine neue Bodenreform, sondern um die Organisation einer Landwirtschaft, die den modernen ökologischen und sozialen Anforderungen unter den Bedingungen der technischen Weiterentwicklung des Landbaus, der Globalisierung und des Klimawandels gerecht wird. Nur über eine Regulierung des Bodenmarktes können wir erreichen, dass die existenziellen Grundlagen für die regionale Landwirtschaft verbessert werden und nicht zerstört.
Meine Fraktion unterstützt nicht nur den Berufsstand des selbstständigen Bauern, sondern auch die anderen landwirtschaftlichen Betriebe, wie beispielsweise Agrargenossenschaften und kooperative Familienbetriebe. Was dazu zu tun ist, haben wir in unserem Gutachten, das Ihnen vorliegt, beschrieben. Ich greife wahlweise einige Punkte heraus: Es geht um den Preis von landwirtschaftlichen Flächen, der reguliert zu werden hat, es geht um ortsansässige Landwirtschaft, es geht um Vorkaufsrechte für genau diese Landwirte aus der Region, die kooperativ, gemeinwohlorientiert, in Zusammenschlüssen oder auch nicht arbeiten. Es geht um eine öffentliche Hand, die Zugriff auf den Boden hat in Form einer neuen Allmende.
Dazu fordern wir beispielsweise die Übergabe der verbleibenden BVVG-Flächen an die Länder. Die öffentli
chen Flächen sind mit sozialökologischen Auflagen zu verknüpfen. Die Verpachtungskriterien, die diesbezüglich Herr Dr. Backhaus kürzlich im Agrarausschuss vorgestellt hat, haben da unsere Zustimmung. Wir fordern eine Anzeigen- und Genehmigungspflicht für Anteilskäufe an landwirtschaftlichen Unternehmen, insbesondere was die Share Deals anbetrifft – klar, da müssen Kriterien entwickelt werden, aber was solls, wir müssen eine ungesunde Konzentration von Flächeneigentum verhindern –, bis hin zu einer Anzeigepflicht für Spekulationsfristen von Ackerland auf 20 Jahre.
Meine Damen und Herren, ganz zum Schluss, es geht natürlich darum, Landwirtschaft und Dorf, den Bauern und die dörfliche Gemeinschaft am Leben zu erhalten und nicht diese gesamte Entwicklung einem Prozess zu unterwerfen, der uns letztlich nicht mehr die Möglichkeit gibt, vernünftig mit unserem ländlichen Raum klarzukommen. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antragsteller hatte nach Tagesordnungspunkt 16 heute früh, Befragung, eigentlich Gelegenheit genug gehabt, seinen Antrag zurückzuziehen, um uns diese Peinlichkeit hier zu ersparen. Aber was solls!
Es liegt es auf dem Tisch, es geht um einen Forschungsauftrag. Und wieder wird einmal behauptet, dass Quotenkürzungen der gemeinsamen europäischen Fischereipolitik auf Annahmen beruhen, auf Annahmen, also keineswegs auf Fakten oder Forschungsergebnissen. Diese Unterstellung mit alternativen Fakten hat System.
Ich halte Ihnen entgegen, dass die Grundlage für die Politik, für diese Politik mitnichten irgendwelche Annahmen
sind, sondern Fakten. Ich zitiere aus der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: „Die Basis hierfür“, also für die Quoten, „bilden Vorschläge der Wissenschaft. Forscher analysieren kontinuierlich die Fischbestände und geben Empfehlungen im Sinne einer nachhaltigen Fischerei ab. Die einzelnen Mitgliedstaaten wiederum verteilen die Quoten an ihre Fischereibetriebe weiter.“
Auf der Seite der Europäischen Kommission ist zu lesen, wie das Ganze runtergebrochen wird. Die Kommission formuliert Vorschläge auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten über den Zustand der Bestände von Beratungsgremien wie dem ICES, Internationaler Rat für Meeresforschung. Was da strittig ist, hat der Minister ja eben gerade gesagt. Dem können wir uns durchaus anschließen, aber im Rahmen der Selbstkontrolle. Und da gibt es eben auch noch Beratungsgremien, wie das STECF, das Scientific, Technical and Economic Committee for Fisheries. Solche Einrichtungen sind nicht nur international anerkannt, sondern arbeiten größtenteils auf dem wissenschaftlichen Weltniveaulevel.
Ich zitiere weiter: „Einige Mehrjahrespläne umfassen Vorschriften für die Festlegung der TACs“, also der insgesamt zulässigen Fänge. „Die zulässigen Gesamtfangmengen werden vom Rat der Fischereiminister für die meisten Bestände jährlich festgelegt; für Tiefseebestände alle zwei Jahre. Für Bestände, die gemeinsam mit NichtEU-Ländern bewirtschaftet werden,“ – in unserem Falle wäre das Russland, was die Ostsee anbetrifft – „werden die TACs mit diesen Ländern oder Gruppen von Ländern ausgehandelt.“
Die Kommission arbeitet also nicht auf der Grundlage irgendeines Blicks in eine Glaskugel, sondern auf wissenschaftlicher Grundlage. Und Forscher aus MecklenburgVorpommern beteiligen sich an diesem Prozess, auch wenn die Kollegen der rechten Seite in diesem Parlament das nicht wahrhaben wollen. Insbesondere das IOW, also das Institut für Ostseeforschung in Warnemünde, ist seit vielen Jahren maßgeblich an der Forschung über die Fischbestände der Ostsee beteiligt und bringt seine wissenschaftliche Expertise ein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kenne viele dieser Kollegen persönlich, allein die Marineforschung in meinem eigenen Institut, in der Geografie in Greifswald, meine Kollegen von der Physischen Geografie, die seit über 40 Jahren im Oder-Ästuar und auch im Greifswalder Bodden forschen, in der Kinderstube des Ostseeherings, sind mir sehr gut bekannt. Dieses Wissen erlangt man aber nicht, wenn man dort bestenfalls mal aufschlägt, wenn es Schnittchen gibt oder ein Glas Sekt. Da muss man dann schon mal in die Tiefe, beispielsweise bei einem wissenschaftlichen Symposium oder beispielsweise, wenn eine entsprechende Fachdissertation verteidigt wird.
Ich kenne auch die tiefe intrinsische Motivation dieser Kollegen. Sie arbeiten aus Leidenschaft und da brauchen sie keinen Auftrag und vor allem nicht einen solchen Antrag. Das ist für sie eine Beleidigung. Sie brauchen vielmehr die Anerkennung ihrer Leistungen und ihrer Ergebnisse. Was sie von uns wirklich brauchen, das ist die Akzeptanz ihrer Forschungsergebnisse, dass die Rückgänge der Fischereibestände eben wirklich teilweise Ergebnis jahrzehntelanger Überfischung sind, aber auch bereits Resultat einer Veränderung des Klimas. Aber aus der Nummer sind Sie ja schon längst raus.
Diese Kollegen, um die es hier geht, die diese Forschung zu leisten haben und sie auch leisten, brauchen auch die Anerkennung, dass wir in einer Zeit leben, wo es einen multiplen Paradigmenwechsel gibt. Ich nenne zwei Beispiele, damit Sie begreifen, worum es geht.
Das Meer wurde vor noch gar nicht allzu langer Zeit als eine unbegrenzte Müllhalde aufgefasst. Denken wir nur an die Situation nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als man unbedacht riesige Mengen von chemischen Kampfstoffen versenkte und noch viele, viele Jahrzehnte danach alles Mögliche in die Meere schmiss, immer mit dem Hinweis, das Meer wird es schon richten, es ist ja so unendlich groß. Und dann kommen auch noch einige und erzählen uns, wie sauber die Ostsee sei. Nein, die Ostsee ist eine der größten Kloaken der Welt,
wenn man das vergleicht mit anderen Gewässern. Und insofern ist natürlich das, was Sie hier fordern, wirklich Humbug, denn die Forschungen dazu sind wirklich tiefgreifend und stehen allen zur Verfügung.
Zweiter Paradigmenwechsel, um welchen es sich gegenwärtig gerade dreht, das ist die Heiligung der ehemaligen Erdölwirtschaftsstrategie, Plaststoffe zu produzieren. Ich denke da beispielsweise insbesondere an Plastikweichmacher wie die Phthalate. Phthalate sind nicht nur maßgeblich dafür verantwortlich, dass, wenn beispielsweise eine Tupperdose zur Erde fällt, nicht zerspringt wie sprödes Glas, sondern dass sie eben heil bleibt. Sie stehen im Verdacht, Krebs zu veranlassen. Sie sind nachweislich verantwortlich für bestimmte Formen des Diabetes und führen auch zur Unfruchtbarkeit bis hin zu Erektionsstörungen. Ja, da bekommt der Begriff „Weichmacher“ einen völlig neuen Inhalt.
Aber die Vermutung, dass das für die meisten Wirbeltiere die gleiche Konsequenz hat wie beim Menschen, wurde bisher noch nicht erforscht, kann man auch nicht erforscht haben, weil man erst heute an diesem Stand ist, wo man in diesen nächsten Schritt geht in der Forschung. Da braucht die Wissenschaft keinen Auftrag und keinen Antrag aus diesem Parlament.
Vorsicht ist immer geboten, wenn die Politik der Wissenschaft die Richtung vorgeben möchte. Ich könnte jetzt lang und breit ein eigenes Beispiel erklären, wie ich 1987 mein eigenes Forschungsthema zerschossen bekommen habe, weil ich eben Dinge geschrieben habe, die nicht passten. Ich bin froh, dass ich heute in einer Gesellschaft lebe, wo wir die Freiheit der Wissenschaft und die Freiheit der Forschung haben.
Wer nur die Forschungsergebnisse akzeptieren will, die ins eigene Weltbild passen, der will eigentlich gar keine Forschung. Und insofern ist Ihr Antrag voll am Thema vorbei. Er arbeitet mit Falschbehauptungen, Unterstellungen und obendrein auch noch mit dem Märchen, dass die arbeitenden Wissenschaftler hier kollektiv versagt hätten. Nein, das kann man nur ablehnen. – Danke schön!
Danke schön, Frau Präsidentin!
Lieber Kollege Lenz, ich möchte drei Dinge klarstellen.
Punkt 1. Ich weiß nicht, wie man so kollektiv was falsch hören kann. Ich habe kein einziges Wort über Hochseeschifffahrt gesagt, …
… sondern ich habe im Hinblick auf die Verschmutzung der Ostsee unter anderem auf die Forschungen aus der Physischen Geografie
am Oder-Ästuar hingewiesen. Ich will das jetzt nicht lang und breit auswälzen, aber, wenn wir allein daran denken, was seit 140 Jahren aus dem oberschlesischen Raum die Oder entlang bis in die Ostsee gelangt, das hat mit Schifffahrt nichts zu tun, aber hat maßgeblich etwas zu tun mit der Verschmutzung der Ostsee, beispielsweise mit Schwermetallen, mit Spurenelementen, die hochtoxisch sind und die auf die Fauna genauso wie auf die Flora des Meeres Einfluss haben. Ja, kein Wort über die Schifffahrt und über vielleicht Verklappung von irgendwelchen Dingen dort.
Punkt 2. Ich habe im Hinblick auf den Klimawandel nicht in irgendeine Richtung gewiesen, sondern nur auf die Fragestellung, dass der Klimawandel ein Grund dafür ist, dass es hier zu Irritationen kommt. Das entscheidende Thema, was das Institut für Ostseeforschung diesbezüglich auch in den Veröffentlichungen immer wieder bestätigt, und zwar egal, aus welcher Abteilung, ist das Auseinanderdriften der Schlüpfzeit der Larven und der Verfügbarkeit des nötigen Futters. Es ist völlig egal, ob es beim Klima oder in der Erwärmung oder in der Abkühlung der Ostsee in die eine oder andere Richtung geht, das Auseinanderdriften dieser beiden Zeiten führt dazu, dass teilweise bis zu 80 Prozent der Larven kurz nach ihrem Schlüpfen verhungern. Das ist der Hintergrund. Was anderes habe ich auch gar nicht angedeutet.
Das Dritte erspare ich mir, wir sind so weit fortgeschritten in der Zeit. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Danke, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg: Der Antrag der Koalition wird von uns begrüßt und wir stimmen dem zu. Er stellt zwar eher Selbstverständlichkeiten fest und beinhaltet dazu nur einen Prüfauftrag, aber das kann ja nicht schaden. Die Landesregierung gibt mit den Programmanmeldungen in Richtung Brüssel die Richtung der Agrarpolitik vor, und wenn einzelne Programmteile wie die Agrarumweltmaßnahmen nicht angenommen werden und andere Teile wiederum völlig überzeichnet sind, dann muss man natürlich schauen, was an den Agrarumweltmaßnahmen im laufenden Geschäft zu ändern ist, damit das Geld der öffentlichen Hand den Zielen der hiesigen Agrarpolitik entsprechend ausgegeben wird – ordentliches Verwaltungshandeln.
Dass moderne Agroforstsysteme künftig in MecklenburgVorpommern eine Rolle spielen bei diesen Agrarumweltmaßnahmen, ist ganz in unserem Sinne. Einige Bemerkungen zu diesem Thema haben wir ja schon gehört. Agroforstsysteme sind eine Form der Landnutzung, bei der mancher zunächst ganz richtig vielleicht an die Tropen oder an die Subtropen denkt. Die älteren Abgeordneten mit ostdeutschem Migrationshintergrund können sich vielleicht noch an Geografie 8. Klasse erinnern, da wurde das behandelt. Aber auch die Waldweide-Wirtschaft in unserer Heimat vor der deutschen Ostexpansion kann als eine Form der Agroforstsysteme bezeichnet werden, aber da wären wir bei Geschichte 6. Klasse.
Heute werden Gehölze mit Agrar- und Grünlandnutzung sowie mit Tierhaltung auf derselben Fläche kombiniert, scheint unkompliziert, aber: Das Aber bezieht sich auf ein besonderes Problem, nämlich auf die Fördersystematik. Eine solche gleichzeitige Nutzung ist in Deutschland nämlich nicht vorgesehen und insbesondere in Deutschland sind die Gräben zwischen Land- und Forstwirtschaft tief und schwer zu überwinden, und dann wird es eben doch kompliziert. Manchmal wird es aber auch nur kompliziert gemacht.
Unsere Bundestagskollegin Frau Dr. Tackmann bewertete die Agroforstsysteme wie folgt: Sie bieten ein „großes Potenzial für mehr Klima-, Boden- und Gewässerschutz und biologische Vielfalt“. Dabei sind Agroforstsysteme keine neuartige Erfindung und gehören im globalen Süden noch immer zum traditionellen Anbausystem. In Mitteleuropa sind Relikte aus dem Mittelalter oft auf Streuobstwiesen beschränkt, während sie in Südeuropa zum Beispiel bei silvopastoralen Agroforstsystemen in Form der Schweinemast unter den Korkeichen vorhanden sind. Wir kennen alle den Serranoschinken. Kaum einer macht sich einen Kopf darüber, wie der entsteht. Der fängt nämlich genau an der Stelle an, wo Schweine unter Korkeichen gehalten werden.
In den vergangenen Monaten ist zu den Agroforstsystemen sehr viel publiziert worden und in der von der EUKommission vorgeschlagenen Palette von Green Deal werden Agroforstsysteme als zweckdienliche Anbaupraxis zur Erreichung der seitens der EU angestrebten Ziele der stärkeren Ökologisierung der Agrarwirtschaft erwähnt. Auch der Sonderbericht des Weltklimarates aus dem Jahre 2019 bezeichnet Agroforstsysteme als eine geeignete Maßnahme für mehr Klimaschutz, Klimaanpassung und Ernährungssicherheit.
Wir LINKE fordern seit Langem, dass diese Worte auch endlich in den Tatenkatalog von Bund und Ländern eingepasst werden sollten. Wir sollten die Bremse für Agroforstsysteme so schnell wie möglich lösen und erwarten auch von der Bundesregierung mehr als nur das Aufzeigen von Möglichkeiten. Für uns bieten Agroforstsysteme die Lösung vieler Probleme in der Landwirtschaft. Sie können zum Erreichen gesellschaftlicher Ziele beitragen, aber auch zur betriebswirtschaftlichen Stabilisierung der Agrarbetriebe in Zeiten des beginnenden Klimawandels. Die Bundestagsfraktion der LINKEN hat darum schon vor einigen Jahren Anträge gestellt – unter dem Titel „Agroforstwirtschaft möglich machen“ zum Beispiel – und in den Bundestag eingebracht. Diesbezüglich ging es insbesondere darum, Agroforstwirtschaft als ackerbauliches Landnutzungssystem formal anzuerkennen. Wen es interessiert, die Drucksachennummer dazu ist 19/14374.
Allerdings beweist die Bundesregierung bei Agroforstsystemen absolute Unkenntnis, und da möchte ich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion verweisen mit der Drucksachennummer 19/21759. Das ist schon bemerkenswert, wie dort argumentiert wird und eigentlich an der Praxis vorbei gehandelt. Genau darum finden wir es richtig, dass Mecklenburg-Vorpommern den Versuch unternimmt, auch an dieser Stelle mit gutem Beispiel voranzugehen, und wir wünschen uns dabei insgesamt den nötigen Erfolg. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man der Letzte in der Runde ist, dann hat man den Nachteil oder den Vorteil – je nach Betrachtungsweise –, dass schon alles gesagt wurde, aber eben noch nicht von jedem. Und
zudem ist eine Erzählung nur insofern von Wert oder verliert sich eben nicht im Nebel, wenn sie vollständig ist. Und zur Vollständigkeit, zum Thema gehört auch, dass die existenziellen Probleme, insbesondere der Schäfer – und ich bin sehr dankbar, Frau Schlupp, dass Sie sich nicht nur auf die Schäfer,
sondern auf die Weidetierhaltung generell kapriziert haben –, aber dass gerade die Not der Schäfer unter anderem auch mit den radikalen Veränderungen in unserer Landwirtschaft vor ungefähr 30 Jahren zusammenhängt. Die fehlende Marktfähigkeit von Schafswolle und von Hammelfleisch aus deutscher Produktion ist das Damoklesschwert, das seit dem Beitritt zum EU-Agrarmarkt über unseren Schäfern schwebt. Genau darum sind die Versuche, den Berufsstand zu fördern, viel älter als die aktuellen Entwicklungen, die am Wolf, an der Weidelandvernässung oder an Veränderungen des Futterdargebotes infolge des Klimawandels festgemacht werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist gut, dass wir uns hier nicht auf den Wolf beschränken, sondern das Thema weiter greifen. Ich bin außerordentlich dankbar, Frau Schlupp, dass Sie den Problemkreis Boden und das Bodeneigentum angeführt haben. Es ist ja so, dass doch viele Agrarfördergelder oft in den falschen Taschen landen, nämlich in den Taschen der Flächeneigner. Eine wirkliche existenzielle Bedrohung für alle ortsansässigen Agrarbetriebe sind die Heuschrecken, also landwirtschaftsfremde Investitionsnetzwerke. Die Weidetierhalter dagegen sind seit Jahren von dem Aus bedroht. Und ich zitiere mich mal selbst:
„Die Weidetierhaltung... ist die Verliererin einer verfehlten EU-Agrarförderpolitik“ in Deutschland.
„Die Folgen sind prekäre Arbeits- und Einkommensbedingungen ausgerechnet für den Teil der Nutztierhaltung, der die meisten Gemeinwohlleistungen erbringt“, und das weitgehend unbezahlt. Das ist inakzeptabel und führt entweder zur Selbstausbeutung oder zur Aufgabe. Beides dürfen wir als Land und als Gesellschaft nicht hinnehmen. Das Zitat ist gestattet, immerhin ist es doppelt richtig.
Während im Koalitionsvertrag dagegen, das möchte ich an der Stelle doch wirklich mal unterstreichen – und an der Stelle, Frau Aßmann, sind wir sicherlich nicht einer Meinung –, während im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD im Bund die Weidetierhaltung wenigstens mit einem Ziel erwähnt wird, spielt das Thema in dem Koalitionsvertrag hier im Landtag keine Rolle. Vielleicht ist auch das der Grund, weshalb hier nur eine Aussprache zu bestreiten ist und kein Antrag zu debattieren.
Und nun doch noch mal zum Wolf: Selbst, wenn der Wolf und vielleicht auch Rabenvögel und andere Störenfriede hierzulande wieder ausgerottet werden würden, wären da immer noch die äußerst prekäre Einkommenssituation der Tierhalter und das ungelöste Problem der vielen
erbrachten Arbeit im Sinne der Gesellschaft ohne Bezahlung. Meine Fraktion würde sich einer rechtssicheren Regulierung der hiesigen Wolfspopulation überhaupt nicht entziehen, aber solange der günstige Erhaltungszustand nicht klar definiert ist, solange es seitens der europäischen Politik keine Anerkennung diesbezüglich gibt, solange wir also in diesem Falle in MecklenburgVorpommern nationales und EU-Recht berühren, sind uns natürlich – und das wissen Sie genauso wie alle anderen Fachleute –, in diesem Falle sind uns hier die Hände gebunden.
Und in diesem Zusammenhang möchte ich doppelt und dreifach unterstreichen, dass wir unbedingt eine Weidetierprämie brauchen. Herr Borschke hat sich wahrscheinlich meine letzte Rede noch mal rausgeholt. Da habe ich ja darüber gesprochen, wie bereits in 22 EU-Staaten die Einführung dieser Weidetierprämie mit EU-Mitteln erfolgreich praktiziert wird. Zudem – das wiederhole ich auch gerne noch einmal – fordert unsere Bundestagsfraktion seit Jahren ein Herdenschutzkompetenzzentrum. Das könnte man relativ leicht mit einer jährlichen Finanzierung von 2 Millionen Euro stemmen. Angesichts der Gelder, die in den letzten Monaten durch die Landschaft wabern, ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Das würde man gar nicht mitkriegen.
Darüber hinaus warne ich allerdings zur Vorsicht mit einseitigen oder mit linearen Eingriffen in Ökosysteme. So, wie – ich zitiere mal Minister Backhaus – wir durch unsere Jagdmethoden die Sauen schlaugeschossen haben, passen sich gerade Wolf und Kolkrabe und andere intelligente Tiere sehr schnell an Entnahmen aus der Population an, und radikale Eingriffe ins Ökosystem verbieten sich dadurch von selbst, zumal die aktuelle Vermehrungsrate von ungefähr einem Drittel des Bestandes pro Jahr ganz deutlich zeigt, dass hier offensichtlich die existenziellen Bedingungen für diese Tierart außerordentlich gut sind.
Nebenbemerkung: Eines der neuesten Wolfsrudel hat sich gerade in den letzten Monaten zwischen Greifswald, Stralsund und Grimmen, in diesem Dreieck, festgesetzt.
Ja, Herr Borschke, jetzt kriegen Sie vielleicht kalte Füße. Aber dort – insbesondere zwischen Horst und Steffenshagen, also doch noch ein bisschen weit weg – gibt es bislang keine Probleme für die Weidetiere, aber das Damwild ist bald alle. Vielleicht hat der Wolf auch Vorlieben, vielleicht ist das auch ein Standort, wo die Schäfer alles richtig machen, oder der Wolf ist richtig konditioniert. Ende der Nebenbemerkung.
Zum Schluss vielleicht noch ein Gedankenexperiment, ein Gedankenexperiment, das Sie so ernst nehmen können, wie Sie es schaffen. Aber vielleicht sind wir eines Tages dankbar, wenn uns der Wolf hilft, eine effektive Bekämpfung der ASP durchzuführen.
Bleibt eine Bemerkung zu einer aktuellen Situation: Die Beispiele der Koexistenz von Weidetierhaltung und Wolf sind im letzten Sommer mehrfach durch Veranstaltungen und Exkursionen des WWF und des BUND angezeigt worden. Auf diesen Exkursionen war ich oft der einzige Vertreter aus Mecklenburg-Vorpommern und der einzige aus diesem Hause. Ich könnte da also sehr viel berichten, aber es ist sehr viel gesagt.
Ich wiederhole noch einmal: Das Wichtigste ist eine auskömmliche Weidetierprämie. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren und Frau Schlupp, bei allem Respekt, eine Obergrenze ist ökologisch Unfug. – Danke für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin!
Herr Minister, schön, dass Sie heute den Landwirtschaftsminister vertreten, denn es ist ja auch eine Frage, die teilweise in Ihren Bereich fällt.
700 Millionen Euro gab das Land, mehrere Millionen die EU, nun soll die Fischverarbeitung in Waren, die so mit öffentlichen Geldern in der Investitionsphase finanziert wurde, ihren Standort verlieren. Es soll eine Produktionsverlagerung nach Polen geben, nach Presseberichten wegen der Lohnspanne. Für uns wichtig ist die Frage: Was wird aus dem Standort Waren?
Die Nachfrage?
Also das ist eher die Nachfrage an den Finanzminister. Schön, dass Sie beide da sind, meine Herren.
In der Pressemitteilung ist dann auch von Subventions- oder Fördermittelbetrug die Rede. Wenn das der Fall ist, wie würden Sie reagieren?
Herr Minister! Es geht um das Bewertungssystem der Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung, ein Apparat von 120 Seiten, allein, was die Tabellen anbetrifft, im Speziellen um ein ganz konkretes Thema, nämlich um die Bewertungssysteme bei der Verwertung von Grünland unter Solaranlagen. Wir wissen, dass es in diesem Bewertungssystem einige Unstimmigkeiten gibt, und hier insbesondere, und da frage ich jetzt, bei Herrn Dr. Backhaus würde ich sagen, für einen gemeinsamen Freund, der mit Schafbeweidung dort arbeitet und vernehmen musste, dass die Schafbeweidung geringer ökologisch bewertet wird als Mäharbeiten, also völlig Widersinniges, und Ähnliches befindet sich in diesem Papier noch. Wie stehen Sie dazu?
Ich nehme die Antwort so an und komme mit der nächsten Frage.
Es geht um Pachtzeiten der Ackerflächen der BVVG. Herr Minister, die Pachtzei
ten sind auf vier bis fünf Jahre beschränkt seitens der BVVG. Die Bauern sagen, das ist viel zu wenig, um die Ackerpflege durchzuführen im Sinne einer vernünftigen Humusaufbaustrategie und Ähnlichem, wenn man nicht weiß, was nach fünf Jahren passiert. Wir kennen die Strategie des Landes und den Willen des Landes, die BVVG-Flächen zu übernehmen. Die Frage wäre zweigegliedert, ich stelle lieber erst mal die eine: Wie weit ist der Stand im Hinblick auf die Übernahme der BVVG-Flächen?
Ja, die Nachfrage ganz konkret: Gibt es schon eine Aussagemöglichkeit, wie sich bei einer Übernahme der BVVG-Flächen durch das Land die Pachtzeiten verändern würden?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Herr Minister, ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre klare Aussage eben zum Schluss. Gewissermaßen könnte man es ja dabei fast belassen, aber es ist doch noch etwas „Butter bei die Fische“ zu geben, um diesen Spruch mal zu bemühen.
Der Antrag der AfD-Fraktion, den wir heute hier behandeln, lautet „Novellierung des Landeswassergesetzes – Elektromobilität auf Gewässern“. Es steht zwar weder im Antrag noch in der Begründung und erst recht nicht in der Überschrift, worum es wirklich geht, insbesondere geht es um ein Anliegen der Angler, die von diesem Thema sehr bewegt sind. Ich glaube sogar, dass für viele Angler das Ganze zu einer Gretchenfrage geworden ist, wie weit man mit Elektromobilität hier auf unseren Gewässern unterwegs sein kann. Und die aktuelle Regelung wird von Ihnen nicht so richtig verstanden. Und was die Verbotsgründe, die bisher aufgelegt sind – und Herr Minister, da werden Sie mir sicherlich nicht widersprechen –, was die Verbotsgründe anbetrifft, da geht es mir ähnlich, das ist nicht immer ganz schlüssig. Und genau deswegen ist ja auch Handlungsbedarf gegeben.
Nun haben Sie, Herr Lerche, uns mit der Einbringung des Antrags ja aufgeklärt, worum es geht, und siehe da, es ist ein altes Thema der LINKEN. Im Wahlprogramm meiner Partei können Sie nachlesen, auf Seite 24 – nein, es ist nicht alphabetisch, „Angeln“ steht nur zufällig dort hinten –, dass wir uns für eine Ausübung der Freizeitfischerei in möglichst liberaler Form einsetzen. Das ist unsere Beschlusslage und dazu stehen wir natürlich auch. Und genau darum ist die Elektromobilität auf den Angelgewässern natürlich ein Problem, mit dem wir uns schon längere Zeit befassen und mit dem sich auch der Landtag früher oder später, so, wie es der Minister eben gerade angekündigt hat, befassen muss, allerdings nicht so, wie es von Ihnen heute gerade angeboten wird. Ich bezweifle, dass der vorliegende Antrag der AfD wirklich der richtige Weg dazu ist, zunächst nicht, weil er halbherzig daherkommt, sondern wie er formuliert ist.
Sie fordern die Landesregierung unter Punkt 1 auf, „im Rahmen der laufenden Beratungen zur Novellierung des Landeswassergesetzes einen Passus in das Gesetz aufzunehmen, welcher die Befahrung von nicht schiffbaren Gewässern mit elektromotorgetriebenen Wasserfahrzeugen“ – so ist der Terminus – „erlaubt“. In Ihrer Begründung weisen Sie dann auf den Paragrafen 21 Absatz 7 Landeswassergesetz hin, wonach „die zuständigen Wasserbehörden durch Allgemeinverfügungen oder Einzelfallentscheidungen … eine Befahrung mit motorgetriebenen Wasserfahrzeugen zulassen“ könnten. Und, Herr Lerche, darauf haben Sie vorhin ja selbst hingewiesen, genau aus diesem Grunde haben Sie damit einen Passus erwähnt, welcher die Befahrung von nicht schiffbaren Gewässern mit elektromotorgetriebenen Wasserfahrzeugen erlaubt. Sie haben es selbst erwähnt.
Theoretisch habe ich damit, mit dem Hinweis auf ein Argument, Ihren Antrag als überflüssig abzulehnen, formuliert, praktisch hingegen – und das ist allen klar, die sich damit befassen und der Einbringung zugehört ha
ben – ist mir natürlich klar, dass Sie mit dem Antrag etwas ganz anderes meinen.
Sie meinen, Sie wollen eine grundsätzliche Erlaubnis der Benutzung von elektromotorgetriebenen Wasserfahrzeugen. Dafür gibt es ja grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die schon andiskutiert wurden: Entweder, wie wir es schon gehört haben, Sie schreiben das im Rahmen des Gemeingebrauchs ins Gesetz oder Sie machen es auf dem Wege einer Verordnungsermächtigung, wie es die rot-rote Koalition in Brandenburg in der letzten Legislatur gemacht hat. Darauf gehen Sie ein, aber ohne die notwendigen Regulationstiefen zu erklären. Sie kommen hier eher mit einer Forderung um die Ecke, die die aktuelle Rechtslage zementiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat in der Antwort auf meine Kleine Anfrage zum Thema „Elektromotoren auf Angelgewässern“ – es war die Drucksache 7/4233 – mitgeteilt, dass sie den Erlass einer umfangreichen allgemeingültigen Befahrungszulassung prüfe. Ob das am Ende ausreicht, muss sich noch zeigen, auf jeden Fall ist Bewegung in der Diskussion, und ich halte es für fatal, diesen eben auch vom Minister bestätigten Diskussionsprozess durch einen solchen Antrag abzuwürgen.
Nun tun Sie hier so, Herr Lerche, als seien Sie der Anwalt der Angler. Wenn dem so ist, dann frage ich mich, warum im Vorfeld dieses Antrags nicht wenigstens der Versuch gestartet wurde, noch mal mit dem Vorstand des Anglerverbandes zu reden. Der hätte Ihnen bestimmt gesagt, lass den Antrag bleiben, wir sind in der Diskussion, torpediert das bitte nicht. Das ist die Wahrheit. Damit sieht es so aus, als gehe es Ihnen eigentlich eher um eigene Belange. Ihrem Antrag können wir nicht zustimmen, nein, wir werden ihn ablehnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die meisten Wege zur Erkenntnis sind mit Irrtümern gepflastert.
Die meisten dieser Irrtümer galten zwischenzeitlich sogar als unumstößliche Wahrheiten.
Warum sage ich das? Warum sage ich das mit Blick auf unsere kleine Kutter- und Küstenfischerei? Nun, da scheint der Befund eindeutig zu sein: Alle politischen Kräfte in diesem Land bekennen sich zu ihr. Die Kutter- und Küstenfischerei ist nicht einfach nur ein Teil eines regional bedeutsamen Wirtschaftszweiges, sondern sie ist prägend für die Identität ganzer Küstenregionen. Niemand von uns kann oder will sich einen kleinen traditionellen Fischereihafen vorstellen, ohne dass da irgendein Fischkutter liegt. Und der soll da nicht einfach so rumliegen, da soll auch Betrieb drauf sein. Fischer bereiten ihre Netze vor Ort oder sortieren ihren Fang, es duftet aus der Räucherei
und am Verkaufsstand lauschen einige Urlauber den Gesprächen der Verkäufer wie, ja, man könnte sagen, wie sphärischen Klängen einer exotischen Musik, denn das astreine Missingsch wird als Plattdeutsch identifiziert, und darum schmeckt das Fischbrötchen gleich noch mal so gut.
Erkenntnis, Irrtum, Wahrheit – wo stehen wir diesbezüglich? Drei Informationen der letzten Wochen sind mir besonders im Gedächtnis geblieben:
Am 10.08., Herr Minister, da unterstützten Sie die Proteste der heimischen Fischer gegen die Verklappung von 60 Tonnen schwerem Stein im Adlergrund. Und Sie be
merkten dabei – und da sprachen Sie vielen aus dem Herzen –, dem Fisch scheint es vor unserer Haustür im Moment besser zu gehen als dem Fischer.
Und kurz zuvor, am 24. Juli, stand in der „Ostsee-Zeitung“ der Beitrag, in dem die letzten verbliebenen Fischer von Boltenhagen es wünschten, dass ihr Berufsstand als immaterielles Kulturerbe anerkannt und gefördert wird, bevor der letzte kleine Küstenfischer sein Stellnetz an den Nagel hängt.
Zwei Aussagen, die ein deutliches Licht auf die dramatische Situation der handwerklich geprägten heimischen Kutter- und Küstenfischerei werfen.
Und drittens. Am 22. Juli schockte uns der Vollzug einer Drohung, der Landesfischereiverband M-V hat sich aufgelöst. So stand es in der „Ostsee-Zeitung“, kurz und knapp.
Dass diese ungute Entwicklung einen sehr langen Prozess vollzogen hat, einen Prozess, Burkhard, über 30 Jahre geht das nun schon, das wissen wir. Waren noch 1989 1.380 Betriebe da, teilweise genossenschaftlich organisiert, so, wie es in der Küstenfischerei der DDR üblich war, so sind es heute noch 220 Betriebe, von denen, wenn man aber genau hinguckt, effektiv eigentlich nur noch 130 fischen hauptberuflich, teils im Nebenerwerb. An unserer Küste fischen also genau genommen nicht einmal mehr zehn Prozent dessen, was vor 30 Jahren an Bestand war, wenn wir das zum Maßstab machen.
In den letzten Jahren häuften sich dann Informationen, wenn ich an den Dezember 2017 denke. Die Kutter- und Küstenfischerei in Mecklenburg-Vorpommern bilanzierte für das Jahr 2017 ein sehr schwieriges Jahr. Die Prognosen, die genannt worden sind – insbesondere kommentiert wurden durch Micha Schütt, den Landesvizechef der Kutter- und Küstenfischer, er sprach von größeren Erlösausfällen, der Reduzierung der westlichen Dorschquote um 56 Prozent, Förderprogramme der EU, die das ausgleichen würden –, wurden subsumiert mit dem Satz: Doch wir sind nicht Fischer geworden, um Prämien zu kassieren, sondern um Fische zu fangen. Der Branche fehlt zudem der Nachwuchs, ein Thema, auf das ich nachher noch eingehen werde. Die Zahl der Haupterwerbsfischer sank, wie ich bereits erwähnt habe, mittlerweile auf 220. Und der Minister hat diesbezüglich auch öfter Stellung bezogen.
Unabhängig davon, wie die Anzahl der Fischer sich entwickelt hat, meine Damen und Herren, schauen wir mal auf den Fisch! Noch 1995 hatte Deutschland eine Fangquote von 97.500 Tonnen Hering. Die DDR allein vor 1990 fischte in der Ostsee jährlich bis zu 60.000 Tonnen, und dies mit heute unvorstellbaren Fabrikschiffen, Supertrawlern, Verarbeitungsschiffen. In diesem Jahr stehen den Fischern an unserer Küste mal ganze 1.000 Tonnen Hering als Quote zur Verfügung. Der Dorschfang ist ebenfalls stark limitiert, aber das sind die beiden Fische, die als Brot- und Butterfische der Kutter- und Küstenfischer gelten.
Im „Nordmagazin“ des NDR bekannten Freester Fischer, dass es so, wie es gegenwärtig ist, nicht mehr weitergehen kann. Wenn die Ausgleichszahlungen eines Tages
wegfallen würden, so hörten wir, dann würden von den jetzt verbleibenden 24 Fischern und 47 Fischereifahrzeugen höchstens ein, zwei, maximal drei übrigbleiben.
Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, ist nicht nur ein Dilemma für die Betroffenen, es ist ein Dilemma der gesamten europäischen Fischereipolitik. Der Internationale Rat für Meeresforschung hatte im Jahre 2015 das erst Mal eine echte Notbremse gezogen, 2019 wieder. Es kommt auf einen absoluten Fangstopp hinaus. Die Fischer sind mit Recht böse auch auf diesen Verein, der nämlich mit seinen Empfehlungen die Möglichkeit geschaffen hat in den Jahren zuvor, die noch verbliebenen Bestände zu überfischen, ein Wort, „Überfischung“, was die Fischer gar nicht hören mögen. Aber was wir eben nicht genau wissen, weil es unter der Wasseroberfläche ist, wo ist denn der ökologische Kipppunkt, ab dem ein Bestand sich nicht mehr regenerieren kann oder schwieriger regenerieren kann als vorher? Gibt es Alternativen? Gibt es Alternativen zu den Quoten? Die eindeutige Antwort lautet bisher immer Nein.
Wir sind fest der Überzeugung, dass auch der Internationale Rat nicht das Aus der Ostseefischer will, denn schließlich kann man Fischerei nicht einfach an- und ausknipsen, das Know-how geht den Bach runter. Wenn erst mal der Fischer weg ist, ist es sehr schwierig, das Ganze aufzubauen.
Der Bürgermeister von Breege, Arno Vetterick, wir haben mit ihm gesprochen, der ehemalige Chef der Lehrausbildung im Bereich Fischerei, hat uns eine ganz klare Stellungnahme dazu abgegeben, was es bedeutet, dass allein in den letzten 20 Jahren kaum ein Fischer ausgebildet wurde. Da ist schon viel im Argen und wir werden auf der anderen Seite die Fischerei aber auch brauchen, selbst dann, wenn sie als Gewerbe nicht mehr vorhanden ist, auch zur Regulierung bestimmter ökologischer Parameter, die das Gleichgewicht im Küstenbereich und im Boddenbereich ausmachen.
Bei all dieser Diskussion, bei all dieser Schwierigkeit der Lage habe ich immer wieder im Ohr – und da, Herr Minister, sind wir nun nicht mehr so ganz einer Meinung –, dass ich von Ihnen wie von einer Schallplatte höre, wir machen doch schon. Ja, ich glaube es, aber wir müssen dann mal auf das Ergebnis schauen. Wir kommen beide aus einer wissenschaftlichen Sphäre, in der es hieß, die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit. Und in der Praxis sieht es nun mal so aus, dass die dramatische Situation der Fischer sich gar nicht weiter zuspitzen lässt. Unsere Fischer brauchen eine Perspektive und das ist der Grund für unseren Antrag. Das ist der Grund für unseren Antrag, wir brauchen eine Perspektive, die den Fischern eröffnet wird, und wir brauchen diese Perspektive schriftlich und schnell. Dabei ist es mir völlig egal, ob es möglich ist, von außen so etwas wie ein immaterielles Weltkulturerbe zu initiieren. Ich glaube es nicht, das müssten die Fischer selber tun, das ist keine Sache der Politik. Aber es ist beispielsweise möglich und es ist Sache der Politik, vielleicht auf andere Traditionen zurückzugreifen, die im politischen Raum schon mal gegriffen haben, ob es ein großer runder Tisch ist, ob es – der Begriff stammt aus der ehemaligen Bundesrepublik – eine konzertierte Aktion ist. Es ist notwendig, dass wir wirklich alle nötigen Hebel bewegen, damit unseren Fischern eine Perspektive gegeben wird.
Und ich sage jetzt mal etwas aus meinen letzten vier Wochen. Ich habe als Geograf natürlich mal wieder eine Exkursion im Sommer gemacht und ich habe mir angeguckt, wie das im Schwarzen Meer aussieht. Den Fischern geht es dort auch nicht viel besser, aber die Tourismuswirtschaft in Bulgarien beispielsweise hat sich hinter die Fischerei geklemmt. Und wenn es nur so aussieht wie Fischerei – ich weiß, dass unsere Fischer das nicht mögen, ich kenne den Satz noch, Holger, du kannst dich daran erinnern, ich habe das vor zwei Jahren bei den Fischern gesagt –, dann tut doch so, als ob ihr Fischer seid! Wenn ihr davon leben könnt, ist das doch gut. Nein, wir machen doch hier nicht Walt Disney, wir machen noch keine Micky-Maus-Fischerei!
Natürlich ist das etwas, was an die Ehre der Fischer geht, aber wenn wir es nicht ganz lassen wollen, wenn wir wenigstens eine Chance wollen, dass uns die Fischerei in unseren Fischerhäfen bleibt, dass wir das Bild vor Augen haben, und wenn es nur wenige sind, dann müssen wir verdammt noch mal irgendetwas bewegen! Und ich denke schon, dass das Ministerium der richtige Ort ist, um sich davorzuspannen, damit wir die Möglichkeit finden, eine Plattform zu organisieren. Zum Schluss muss eine Konzeption rauskommen, diese Konzeption erwarten wir. Ich denke mal, in unser aller Interesse und deswegen noch mal die Frage nach meinem Eingang – Wahrheit. – Danke für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie sich an meine Eingangsworte erinnern, da sprach ich über Erkenntnisse, Irrtümer und Wahrheiten. Nun haben wir hier einige Redner gehört und alle haben gewissermaßen Zustimmung signalisiert, dass das, was uns bewegt, richtig ist. Ist es also eine gemeinsame Wahrheit, unabhängig davon, wer wie lange, wie oft, an welcher Stelle und mit welchen Worten dieses Thema bereits berührt hat? Ich bin der Ansicht, wir sind an einer Stelle angekommen, wo alle diese Worte nicht mehr weiterhelfen. Wir brauchen eine neue Qualität der Entscheidung.
Insofern bin ich dem Minister sehr dankbar, er hat ja gewissermaßen das gesamte Programm hier abgespult. Natürlich reden wir nicht über die Binnenfischerei. Die Binnenfischer haben es im Wesentlichen geschnallt, worum es geht. Und wenn die Kutter- und Küstenfischer rechtzeitig auf diesen Zug aufgesprungen wären, ich glaube, da sind wir uns auch einig, wenn es nicht einfach nur in einem Konzept, was aufgelegt wurde und was uns zur Verfügung steht und was angeboten wurde, unter anderem auch mit einer hohen Dotierung aus Brüssel, ich denke an das Projekt South Baltic Projekt „Fish Markets“, wenn da nicht nur vier Fischer unserer gesamten Fischereiflotte – von Boltenhagen bis Ahlbeck – mitgemacht hätten, sondern vielleicht 30 oder 40 oder noch mehr, dann wäre mehr dabei rausgekommen. Aber wenn dann nur vier Fischer mitmachen von 220, die übriggeblieben sind, dann wird es sehr schwierig sein, noch das beste Konzept vorzulegen und den Fischern noch mehr anzubieten.
Aber es ist eben ganz klar, wie der Minister das eingangs gesagt hat, wer kein Konzept hat, der ist schlecht beraten. Und genau das ist der Tenor und ist der Gedanke unseres Antrages. Wir haben ein Konzept, sagten Sie, aber weiterhin, Herr Dr. Backhaus, 2016, die Pläne, und Sie sprachen dann von Sprotten und Lachsen und so weiter, na ja, aber diese Pläne sind eben nicht das Konzept, was wir jetzt brauchen.
Das haben Sie ja drei Sätze weiter auch selbst gesagt. Jetzt muss es darum gehen, ich habe mitgeschrieben, jetzt muss es darum gehen, der kleinen Kutter- und Küstenfischerei eine Perspektive zu geben.
Genau diese Perspektive möchten wir gern auf dem Papier haben und dann umsetzen, gemeinsam.
Dazu muss das aber als Plan formuliert werden. Richtig ist auch, dass die bestehenden Fischereistrukturen angepasst werden müssen. Das geht auch nicht ohne die Fischer. Die müssen mit ins Boot. Und sie müssen sich über die Tatsache im Klaren sein, dass das, was noch vor wenigen Jahren galt, wir wollen Fischfang und nicht mehr, dass das eben nicht ausreicht.
Die notwendigen Maßnahmen von Stilllegung über Quoten und Übertragung und Erzeugerorganisationen, alles schön und gut,
aber wenn ich nur daran denke, dass allein dieser Fakt, den Sie zum Schluss erwähnt haben, Herr Dr. Backhaus, dass die Hälfte der 220 Fischer, die übriggeblieben sind, älter sind als 60 Jahre. Ich habe vor etwa 20 Jahren bei den Fischern zur demografischen Entwicklung einen Vortrag gehalten, die hätten mich beinahe gesteinigt. Sie wollten es nicht hören. Und wenn wir dann wissen, dass in den letzten 20 Jahren kaum einer der Fischer Nachwuchs für seinen Berufsstand mit herangezogen hat, bis auf ganz wenige, die ihren eigenen Sohn mit ins Boot geholt haben, dann muss man schon mal sagen, die Sache ist zum Teil hausgemacht.
Veränderungen in der Ostsee …
Lieber Herr Lenz, richtig, wir müssen diese Veränderungen in der Ostsee genau registrieren,
und all das, was da passiert ist, weiter verstärkt und vielleicht sogar verschärfter forschen. Vieles, was in den letzten Jahren passiert ist, wird an Parametern gemessen, die möglicherweise untauglich sind, um zu begreifen, was hier passiert. Ich denke nur an die eingeschleppten Neozoon der letzten 20 Jahre. Ja, ich könnte genauso abwinken, aber das ist ein wichtiges Thema.
Denken wir nur an die Problematik der submarinen Gliederfüßer.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist richtig – und, Herr Minister, wir können es ja noch mal untersetzen –, das, was wir in den letzten Jahrzehnten in die Fischerei gesteckt haben, ich nehme mal nur den Hafen von Freest, 16 Millionen Förderung, davon hat die Gemeinde und hat die Genossenschaft selbst 800.000 Euro mit eingebracht. Alles andere ist gefördert worden. Das ist die höchste Förderquote, die wir hier in diesem Land haben.
Ja, ich will hier nicht in die Verlegenheit geraten, Förderungen mit Tricksereien mit auf den Tisch zu legen, aber bleiben wir mal dabei. 49 Prozent bei Investitionen, und das wurde ja eben gerade vor diesem Mikrofon noch mal bestätigt, dass diese Absicht existiert, es ist schon möglich, das zu bündeln. Es ist schon möglich, daraus ein Gesamtpaket zu machen. Und wenn es denn nicht möglich sein sollte, wenn es dann nicht möglich sein sollte, über den Schatten zu springen und zu sagen, okay, das Parlament stellt sich geschlossen dahinter und wir wollen das gemeinsam und stehen dazu, dann sollten wir auf jeden Fall nicht aufhören, darüber zu diskutieren und zu debattieren, bis wir ein vernünftiges Ergebnis haben, zunächst im Agrarausschuss, das ist ganz klar, da gehört es hin, und dann in der Form, die wir dort besprechen.
Ich bin mir nicht sicher, Herr Kollege Würdisch, ob das, was Sie eben sagten, es gibt schon bereits einen runden Tisch beim Minister, ob das bisher ausreichte, denn ich habe bis jetzt noch kein praktikables Ergebnis gesehen. Das macht uns natürlich allesamt sehr unruhig. Wir wollen die Fischerei. Und ich sage noch mal, der Weg zur Erkenntnis ist oft mit Irrtümern gepflastert. Ersparen wir uns weitere Irrtümer!
Ersparen wir uns weitere Irrtümer! Insofern möchte ich auf jeden Fall, dass dieser Antrag im Agrarausschuss weiterdiskutiert wird. Wir können ihn dahin gleich überweisen. Mir wäre es natürlich viel lieber, wir würden diesem Antrag zustimmen. Unsere Fischer brauchen so schnell wie möglich eine Perspektive, und das ist ja der Inhalt unseres Antrages. Sie brauchen die Perspektive noch in diesem Jahr, damit es nicht noch zu weiteren Ausfällen kommt. Ein Fischkutter, der erst mal weg ist, der bleibt weg, der kommt nicht wieder. Das haben hier alle bestätigt. Das wissen wir. Und deswegen ist es wichtig, dass wir hier zu einer gemeinsamen, wirklich wichtigen Entscheidung kommen. Es geht hier nicht um Milliarden, es geht um eine kleine Gruppe, die für unser Land aber von so großer Bedeutung ist. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser heutiger Antrag ist nicht nur als ein Rückenwindantrag zu verstehen – ich komme auf die Diskussion von gestern zurück –, der Antrag ist auch ein Bekenntnis zu einem effektiveren Tierschutz in unserer Landwirtschaft. Er beschäftigt sich mit einer dunklen Seite der europäischen und deutschen Landwirtschaft, insbesondere in den Teilen der Landwirtschaft, die auf Effektivität, und zwar auf maximale Effektivität, auf geringstmögliche Kosten, Wettbewerbsfähigkeit mit dem Weltmarkt und auf Profitmaximierung für einige wenige getrimmt ist. Es handelt sich also um eine Landwirtschaft, die alles das, was uns an einer zukunftsfähigen Landwirtschaft am Herzen liegt, der Gewinnmaximierung unterordnet, und widerspricht damit im Wesentlichen der guten landwirtschaftlichen Praxis. Es geht um Tiertransporte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, man muss bei Tiertransporten wissen, dass sie ein essenzieller Teil der Nutztierhaltung sind. Aber Tiertransporte sind nicht gleich Tiertransporte. Es muss richtig gemacht werden. Und wenn insbesondere Langstreckentransporte lebender Nutztiere billiger sind als der Transport des Fleisches von geschlachteten Tieren, dann ist das eigentlich ein Paradoxon, das angesichts der Möglichkeiten, die die heutige technische und technologische Entwicklung bietet, geradezu absurd ist.
Meine Damen und Herren, innerhalb der EU werden Tiertransporte durch die Verordnung 1/2005 geregelt, und das gar nicht mal so schlecht. Die Mindestanforderungen für das Wohlergehen der Tiere während des Transports, ich will sie mal ganz kurz auflisten, sind schon beeindruckend:
Erstens. Der Transport zum Bestimmungsort erfolgt ohne Verzögerung.
Zweitens. Das Wohlbefinden der Tiere wird regelmäßig kontrolliert und in angemessener Weise aufrechterhalten.
Drittens. Die Tiere müssen transportfähig sei. Und das bedeutet aber nur, die Tiere dürfen nicht verletzt sein.
Viertens. Die Tiere müssen fit genug sein, um voraussichtlich den Transport zu überleben.
Fünftens. Die Tiere werden in angemessenen Zeitabständen mit Wasser und Futter sowohl qualitativ als auch quantitativ versorgt und bekommen entsprechende Ruhephasen, immer wissend, dass Tiertransporte Stress bedeuten.
Sechstens. Tiere verfügen über ausreichend Bodenfläche und Standhöhe.
Siebtens. Transporter, die über acht Stunden unterwegs sind, müssen über ein automatisches Bewässerungs- und Ventilationssystem verfügen.
Achtens. Die mit den Tieren umgehenden Personen müssen in angemessener Weise geschult sein und dürfen, explizit formuliert, keine Gewalt gegen die Tiere aus- üben, auch nicht beim Be- und Entladen.
Neuntens, Letztens. Rinder dürfen maximal 28, Schweine maximal 24 Stunden am Stück transportiert werden, danach müsste ein Tag Ruhe eingelegt werden.
Meine Damen und Herren, diese Bestimmungen haben durchaus einiges bewirkt. Die allerschlimmsten Zustände, die es noch vor 15 Jahren gab, sind weitgehend beseitigt. Aber das gilt insbesondere und fast ausschließlich nur für Transporte innerhalb der EU, die sind verbessert. Das erkennen wir nicht nur an, die Wirksamkeit ethischer Normen im Tierschutz sind durchgesetzt. Aber – das Aber bezieht sich insbesondere auf Langzeittransporte, insbesondere quer durch Europa –, aber, und da wird das Aber doppelt unterstrichen, auch und gerade bei Tiertransporten nach außerhalb der EU, da kommt es nicht nur zur Verzögerung an Grenzübergängen und beim Be- und Entladen.
Ich könnte jetzt sehr viel auflisten und Ihnen erzählen, was bei solchen Tiertransporten passiert. Aber bitte schön, es geht mir hier nicht um irgendeine Gefühlsduselei, es geht auch nicht um das Aua eines Kuscheltiers, es geht um rechtliche Fragestellungen. Es geht beispielsweise um die Inkompatibilität geforderter Ruhephasen der Tiere, die transportiert werden, mit den notwendigen und gesetzlich verankerten Ruhephasen der Fahrer. Das funktioniert nicht.
Und zu all den der Realität entsprechenden bitteren Tatsachen kommt dazu, und da wird es rechtlich besonders problematisch, dass der Europäische Gerichtshof im April 2015 geltendes EU-Transportrecht in einer Vorschrift auch über die EU-Grenzen hinaus formuliert hat, und zwar bis zum Bestimmungsort. Demnach müssen die von mir genannten Mindestanforderungen auch in Drittländern erfüllt werden, in Ländern außerhalb der EU, wie beispielsweise Türkei, Usbekistan, Iran, Aserbaidschan, also in Ländern, in denen unsere Tierschutzvorschriften nicht nur nicht eingehalten werden können, sondern aufgrund der vorhandenen Vorschriften und üblichen Haltungsbedingungen dort auch überhaupt keine Rolle spielen. Es gibt keinerlei Möglichkeiten der Kontrolle und es gibt bei Verstößen auch keine Ahndungsmöglichkeiten durch europäische Genehmigungsbehörden. Verstöße gegen europäisches Recht sind also Teil dieses Systems Tiertransport, wenn man das mal spitz formulieren möchte.
Ich möchte Ihnen jetzt keine Vorträge halten über die Dimension dessen, was seitens der Tiertransporte überhaupt unterwegs ist in Europa. Es sind wirklich nicht nur Hunderttausende, sondern es sind Millionen, und bei Geflügel handelt es sich sogar um eine Milliarde, die die Statistik ausweist,
und ich weiß nicht mal, ob die Enten von Bauer Kliewe dabei sind.
Das Problem, das uns hier beschäftigt, sind auch nicht irgendwelche Skandalisierungen, die von PETA oder vom militanten Arm von Greenpeace angeboten werden, sondern bestenfalls, um irgendwelche, nicht irgendwelche, sondern ganz konkrete Untersuchungen deutscher Tierärzte, und unabhängig davon, dass man nachfragen könnte, weshalb eigentlich solche Sachen möglich sind oder provoziert werden. Seit Jahren wird dokumentiert. Und das Problem, was uns bewegt, ist, dass sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission Maßnahmen, diese unnötige Tierquälerei zu unterbinden, nicht einleiten, genau genommen eben nicht einleiten können, weil der Rechtsrahmen dort außerhalb der EU eine entsprechende Tätigkeitswerdung gar nicht ermöglicht.
Die Frage nach dem Warum ist immer schnell beantwortet: Es ist billiger. Wir werden uns aber immer dabei im Klaren sein, dass auch Nutztiere fühlende Wesen sind, die nicht ohne Grund Qualen ausgesetzt werden dürfen. Und so ist es EU-weit Gesetzeslage. Und die Frage unseres Selbstverständnisses und der Ethik spielt dabei natürlich auch eine Rolle, auch dort, wo Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, wenn ich beispielsweise an die 81.000 als Zuchtrinder deklarierten Exporte pro Jahr denke.
Meine Damen und Herren, bei all dem, was nachgewiesen ist, bei all dem, was auch, wie ich schon sagte, deutsche Tierärzte bei Nachforschungsergebnissen in russischen Versorgungsstationen im letzten Dezember erfahren haben, die deutsche Tierexporte begleitet haben, haben gerade vor Kurzem die Niederlande die Reißleine gezogen und, weil es eben nicht möglich ist, außerhalb der EU entsprechende Kontrollen durchzuführen und entsprechende Verstöße zu ahnden, ganz einfach gesagt, dann exportieren wir da nicht hin.
Die Gründe für die Einhaltung der Tierschutzregeln im Rahmen der EU-Transportverordnung sind bei Exporten in Drittländer nicht nur nicht garantiert, und genau deswegen haben die Holländer, haben die Niederländer entschieden. Und auch in unserem Land gibt es mittlerweile eine ganze Reihe, ich meine jetzt nicht in unserem Bundesland, in unserem Staat, in der Bundesrepublik gibt es die ersten Entscheidungen in die gleiche Richtung. Wenn ich an Bayern denke, wenn ich an Brandenburg denke. Ich weiß nicht, ob das hier alphabetisch geht. Da müssten wir mal gucken, wann wir dran sind mit „M“ wie „Mecklenburg-Vorpommern“. Aber so lange müssen wir nicht warten.
Deswegen haben wir Ihnen heute diesen Antrag zur Beratung vorgelegt, zur Beratung vorgelegt, wohl wissend, es handelt sich um eine schwierige Materie. Wir werben dafür, dass Mecklenburg-Vorpommern gegenüber der Bundesregierung und der Europäischen Union aktiv wird, denn es gibt Alternativen zum Langstreckentransport lebender Tiere. Wir sollten uns der Aussetzung von Tiertransporten in Länder außerhalb der Europäischen Union anschließen, wie es eben Bayern, Brandenburg oder auch beispielsweise die Niederlande gemacht haben. Dann setzen wir auch nicht unsere Amtstierärzte der Gefahr aus, sich bei jeder Transportgenehmigung strafbar zu machen, denn sie sind für die Einhaltung der EU-Transportvorschriften bis zum Bestimmungsort verantwortlich. Das ist ein ausgesprochen problematisches Feld, das weiß ich, und ich sage noch mal: Ich werbe für eine entsprechende Beratung und dann dafür, dass wir uns vernünftig entscheiden.
Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und lassen Sie uns das Tierleid beenden!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Abgesang für heute. Wenn wir auf die Uhr schauen, hätten das einige Leute vielleicht nicht für möglich gehalten, jetzt schon die letzte Rede.
Herr Minister, ich bin erst mal sehr dankbar für Ihre Darstellung. Im Wesentlichen haben Sie genau das bestätigt, was unsere Intention war, als wir diesen Antrag geschrieben haben, und zwar aus mehrfacher Hinsicht, insbesondere auch, und das Beispiel haben Sie ja selbst gebracht, mit Blick auf die Veränderungen, die gegenwärtig in der Landwirtschaft stattfinden. Diese außerordentlich starke Konzentration der Produktion in immer weniger Betrieben ist ja gewissermaßen die eine Seite dessen, was auf der anderen Seite dann im Hinblick auf die Verwertung der Tiere dabei herauskommt. Dazu gehört eben, wie ich eingangs bereits sagte, das Problem Tiertransport.
Die Transporte in immer größere Entfernungen, in Standorte mit größeren Entfernungen, aus welchen Gründen auch immer, ob zum Schlachten oder beispielsweise zur Zucht oder zur Weiterverwertung, im Hinblick auf Mast und Ähnliches, weil dort gewissermaßen stufenweise produziert wird, das sind alles Entwicklungsprozesse, die letztlich die Agrarwende, in der wir uns permanent seit vielen Jahren befinden, mit beschrei
ben und sind eine Seite einer stärkeren Orientierung auch auf eine Landwirtschaft, die mit immer weniger Menschen in der Produktion auskommt. Wir sind in Deutschland mittlerweile bei unter zwei Prozent im Beschäftigtenpaneel, was die landwirtschaftliche Produktion anbetrifft im Hinblick auf den Gesamtbestand an Beschäftigten in Deutschland.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe nicht umsonst vorhin gesagt, ich möchte hier keine Gefühlsduselei betreiben, sondern mich vor allem auf die rechtlichen Seiten konzentrieren, und insofern, Frau Aßmann, ist das genau der Punkt, weshalb ich beispielsweise eben mir verkniffen habe, genau zu beschreiben, was auf solchen Langtiertransporten eigentlich geschieht. Das Hauptproblem ist in der Tat, wenn wir uns im politischen Raum befinden, nicht die Diskussion über das Tierleid im Detail. Es geht eben nicht um, da muss ich Ihnen, Kollege Kliewe, widersprechen, nicht um einen Beitrag für weniger Tierschutz, sondern es geht – für mehr Tierschutz –, sondern es geht darum, die Bereiche einfach zu verbieten, wo wir wissen, dass der Tierschutz dort in dem Sinne, wie wir es in der EU rechtlich verbrieft haben, nicht stattfinden kann und nicht stattfindet und wo wir keine Kontrollmöglichkeiten haben, wo wir keine Einflussmöglichkeiten haben zu sanktionieren, wenn es beispielsweise zu Verstößen kommt.
Und genau das ist übrigens, und wenn Sie schon die RinderAllianz angesprochen haben, das vorletzte Heft von der RinderAllianz, da steht genau das drin. Also die haben wir auf unserer Seite, die Rinderzüchter.
Und ich bitte da wirklich um Vorsicht mit einer so schnellen Behauptung, dass wir die dann sofort gegen uns hätten.
Nein, die wollen ganz genau, dass ihre Tiere nicht in Regionen verschifft oder verklappt oder verfahren werden, in denen dann mit den Produkten ihrer landwirtschaftlichen Liebe und Fürsorge so umgegangen wird, wie wir es oftmals beobachten. Es sind möglicherweise auch gar nicht diejenigen, die Mitglied der RinderAllianz sind, die hier ihre Tiere auf diese Tour schicken. Es ist so ähnlich wie im Bauernverband, dass da auch nicht alle organisiert sind.
Ich würde auch dann davor warnen, diejenigen, die bei der Durchsetzung von Recht und Ordnung in der Frage bereits vorgeprescht sind, na, ich möchte mal sagen, ein kleines bisschen lächerlich zu machen. Die Holländer haben es ja nicht umsonst verboten. Die Bayern, das Beispiel kam ja, vielleicht nach Bayern und dann weiter, gerade die Bayern haben es verboten. Und die Brandenburger haben es verboten. Das machen die ja nicht aus Jux und Dallerei. Das machen sie deswegen, weil es eben mit einem solchen Verbot nicht möglich ist, dass dann Tiere aus deutscher Produktion außerhalb der EU nicht normgerecht und nicht artgerecht behandelt werden. Und ganz genau deswegen, weil es eben sich um einen ganz kleinen Prozentsatz handelt, wird dadurch auch nicht die Landwirtschaft gleich in die Knie gehen. Also insgesamt halte ich es, und das bei allem Respekt, lieber Herr Kliewe, für sehr problematisch, hier – so, wie
ich es drei- oder viermal aus Ihrem Munde gehört habe – Tierschutz mit Gewinn oder mit Geld aufwiegen zu wollen.
Was kann passieren, wenn wir die rechtliche Seite durchdeklinieren, insbesondere dann, wenn wir auf der einen Seite sehen, dass bei der Analyse der EU-Tiertransportverordnung durch die Europäische Union genau das beschrieben wird, was ja auch Frau Aßmann bereits angedeutet hat und zum gleichen Ergebnis kommt wie andere Ausschüsse, die letztlich daraus ihre Schlussfolgerungen gezogen haben und Transporte so kurz wie möglich halten wollen und anstelle lebender Tiere Fleisch möglicherweise, wie beispielsweise bei Zuchttieren, lieber in Form von Sperma zu verschicken und Ähnlichem? Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?
Da gibt es eine ganze Reihe von Punkten, die von der EU, vom EU-Agrarausschuss bereits empfohlen worden sind. Aber damit das auch nicht nur diskutiert wird, sondern auch durchgebracht wird, braucht es möglicherweise etwas Druck. Und da kann man natürlich dann auch diesen Druck in Form eines Rückenwindantrages moralisch unterfüttern.
Da gibt es folgende Punkte, die beispielsweise als mögliche Lösungen angeboten werden:
erstens, Überarbeitung der Transportverordnung 1/2005
Das haben wir bereits andiskutiert und sind hier mehrheitlich ja auch schon angesprochen worden, insbesondere was die Transportzeiten …
Gibt es die Möglichkeit, dass ich die Punkte schnell abarbeite?
Dann brauche ich das nicht zu unterbrechen.
zweitens, Begrenzung der Transportzeit international
auf acht Stunden
Das haben wir uns nicht aus den Rippen geschwitzt, das kommt vom EU-Agrarausschuss als Empfehlung.