Gerhard Merz
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Last Statements
Ich frage die Landesregierung:
Teilt sie die verschiedentlich von kommunalen Aufsichtsbehörden – Regierungspräsidien, Landräten – gegenüber Kommunen geäußerte Auffassung, dass es sich bei Kindertagesstätten dann um freiwillige Leistungen handelt, wenn sie nicht einen Kostendeckungsgrad von einem Drittel aufweisen, so z. B. der Landrat des Landkreises Hersfeld-Rotenburg unter Berufung auf den Regierungspräsidenten in Kassel?
Erst einmal herzlichen Dank für die ausführliche Beantwortung. – Ich habe eine Nachfrage. Ist der Landesregierung bekannt, wie hoch der durchschnittliche Kostendeckungsgrad in den Kindertagesstätten derzeit ist?
Herr Staatsminister, wären Sie überrascht, wenn der Kostendeckungsgrad deutlich unter 30 % läge, nämlich nahe bei 15 %?
Ich frage die Landesregierung:
Wieso ist das Land Hessen im Gegensatz zu neun anderen Bundesländern bisher noch nicht der 2011 von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes initiierten Koalition gegen Diskriminierung beigetreten?
Herr Staatsminister, welche konkreten Maßnahmen wird die Landesregierung unternehmen, um das Ziel der Antidiskriminierungskoalition, nämlich lokale und regionale Antidiskriminierungsstellen zu fördern, zu erreichen?
Herr Staatsminister, würden Sie mir zustimmen, dass die Charta der Vielfalt etwas ganz anderes ist als die Frage einer lokalen Anlauf- und Beratungsstelle für von Diskriminierung Betroffene? Und wird sich die Landesregierung für ein Anschlussprojekt des Antidiskriminierungsnetzwerks der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen einsetzen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wenn es so spät ist, ist es richtig, dass wir uns mit den Ereignissen in der Türkei beschäftigen. Der Hessische Landtag hat beschlossen, eine Partnerschaft mit einer türkischen Region einzugehen. Wir sind Freunde und haben Freunde in der Region und in der Stadt Bursa gefunden, und Freunden in der Not steht man zur Seite.
Es kann gar kein Zweifel sein, dass die Begründung dieser Partnerschaft nur möglich war und auch ausdrücklich in diesem Sinne eingegangen wurde, weil wir davon ausgegangen sind, dass allen Anfechtungen und allen Zweifeln – die es auch damals gab – zum Trotz die Türkei ein demokratischer, rechtsstaatlicher und säkularer Staat ist und dass er das auch bleiben muss.
Bedauerlicherweise – und das ist ein Teil der Gründe, warum wir uns heute damit auseinandersetzen müssen – sind in den letzten Wochen die Zweifel daran stärker geworden. Ich glaube, dass wir alle – und für mich gilt das auf jeden Fall – mit wachsender Fassungslosigkeit bis hin zum Entsetzen die Entwicklung in der Türkei verfolgt haben. Der SPD-Fraktionsvorsitzende und ich, wir haben in der ersten Phase dieser Proteste einen Brief an unsere Freunde von der CHP in der Türkei geschrieben, um sie unserer Solidarität zu versichern. Dieser Brief war wahrscheinlich in dem Moment überholt, als er dort ankam, denn in der Zwischenzeit hatte eine Eskalation der Gewalt durch die Staatsorgane stattgefunden, die einer Logik folgt, wie man sie sonst nur von autoritären oder diktatorischen Regimen kennt.
Dies ist die Logik des entweder von vorneherein fehlenden oder zunehmend verlorengehenden Vermögens, die Realität wahrzunehmen und auf berechtigten Protest und legitime Formen des Protestes anders zu reagieren als mit Diffamierung der Protestierenden als Gewalttäter und Umstürzler. Das ist die Selbstimmunisierung gegen Kritik. Daraus resultiert ein autoritärer Habitus, der einem – jenseits der aktuellen Situation – mit tiefer Sorge um die weitere Entwicklung in der Türkei und der Türkei erfüllen muss.
Es hat viele in diesem Landtag gegeben, die Hoffnung – und wir haben das hier auch gelegentlich diskutiert; die Hoffnung gibt es gewiss oder hat es gewiss auch in der Türkei gegeben – auf die Entwicklung der regierenden AKP-Partei in dem Sinne gesetzt haben, dass es eine Versöhnung von religiösen Überzeugungen mit den Grundprinzipien eines demokratischen, rechtsstaatlichen und säkularen Staats geben könnte.
Bis heute bin ich nicht bereit, diese Hoffnung vollständig aufzugeben. Aber man muss sagen, dass die Zweifel daran – neben der unzweifelhaft notwendigen Kritik an dem Vorgehen der Staatsorgane gegen den friedlichen Protest vieler Tausender Menschen in allen Teilen der Türkei – gewachsen sind, und dass eine Hoffnung, auf die viele Menschen gebaut haben, die darauf hoffen, dass die Türkei ein wesentlicher Partner in Europa sein könnte, auf Dauer enttäuscht werden könnte.
Ich hoffe, dass es nicht soweit kommt. Weil ich und weil wir dies hoffen, ist es gut und richtig, alle politischen Mittel auszuschöpfen, die uns zur Verfügung stehen, um deutlich zu machen, dass wir uns eine andere Türkei wünschen, dass wir von den türkischen Behörden und Staatsorganen
einen anderen Umgang mit den demokratischen, legitimen und friedlichen Protesten verlangen und dass wir davon ausgehen, dass die Entwicklung der Türkei hin zu einem säkularen, demokratischen Rechtsstaat ungebrochen weitergeht.
Dies deutlich zu machen, ist der Sinn unseres Antrags, den wir vier Fraktionen Ihnen heute vorgelegt haben und für den ich um Zustimmung bitte.
Wir alle sind natürlich aufgefordert, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, das auch unseren türkischen Partnern – ob sie eher auf unserer Seite oder eher auf der anderen stehen – deutlich zu machen.
Deswegen unterstütze ich das Anliegen, das die Linkspartei vorgetragen hat. Ich bin auch dankbar dafür, dass Sie die Gelegenheit geschaffen haben, das heute hier zu diskutieren. Allerdings glaube ich, dass der Text, der hier vorgelegt wird, schon ein wenig ein Überheben des Landtags ist gegenüber dem, was tatsächlich unsere Aufgabe ist. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich frage die Landesregierung:
Wie steht sie zur Einführung eines anonymisierten Bewerbungsverfahrens?
Herr Staatsminister, darf ich Ihre Antwort so verstehen, dass Sie keine grundsätzlichen Einwände gegen die Prüfung der Einführung von anonymisierten Bewerbungsverfahren haben, auch im Hinblick auf Beamte? Das, was Sie hier im Hinblick auf Beamte gesagt haben, würde sich nur auf den Punkt deutsch/nicht deutsch beziehen und ansonsten die Frage der Anonymität unberührt lassen. Das würde sich nur darauf beziehen, aber sicher nicht auf die Bewerbungsverfahren für Angestellte und Arbeiter im Landesdienst. Sie schließen also nicht grundsätzlich aus, eine solche Maßnahme zu prüfen?
Herr Staatsminister, unabhängig von der Frage nach der möglichen Wirksamkeit der Einführung eines anonymisierten Bewerbungsverfahrens: Teilen Sie die Auffassung von Herrn Staatssekretär Kriszeleit, geäußert in einem Interview in der „Frankfurter Rundschau“ vom 2. März 2013, dass auch ohne ein solches Verfahren der Anteil von Migrantinnen und Migranten beispielsweise im Vorbereitungsdienst für Richter, aber auch für andere, automatisch wachsen wird?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe von diesem Pult aus schon oft betont und erklärt, dass wir dem Anliegen der Einführung eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts von vornherein zugestimmt haben, dass wir es unterstützt haben. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen und erklärt, dass wir den Weg, der in Hessen nach ein paar anfänglichen Irritationen gegangen worden ist, wie er gegangen worden ist – die Einführung dieses bekenntnisorientierten Religionsunterrichts auf eine verfassungsmäßig stabile und tragfähige Grundlage zu stellen, wobei dieser Weg über die Anerkennung von islamischen Religionsgemeinschaften geht –, unterstützt und für richtig gehalten haben,
womit kein Urteil über die Wege verbunden ist, die in anderen Bundesländern gegangen worden sind. Es wird sich zeigen, ob das fragile Experimente sind oder ob sie unter den dortigen Bedingungen haltbar sind. Darüber will ich nicht philosophieren oder mutmaßen.
Zweifellos ist der hessische Weg einer, von dem man sagen kann, dass er verfassungsgemäß ist, dass er eine stabile Grundlage für die dauerhafte Einführung des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts in Hessen bietet. Insofern sind die Voraussetzungen dafür, dass das, was am 1. August dieses Jahres an 27 Grundschulen in Hessen beginnen wird, gut. Die Voraussetzungen sind auch gut dafür, dass dieses vorläufige Ergebnis, das wir erreicht haben, ausgebaut werden kann. Vorläufig ist es in dem Sinne, dass natürlich auf die Einführung an 27 Grundschulen weitere Grundschulen folgen werden, nach meiner festen Überzeugung auch folgen müssen.
Das wird über die Schulen hinaus aufgebaut. Es ist die logische Konsequenz aus dem Weg, der jetzt begonnen wird, dass es sich in der Sekundarstufe I und dann gegebenenfalls auch in der Oberstufe wird fortsetzen müssen. Ich schließe auch nicht aus – niemand kann das ausschließen –, dass sich weitere muslimische Organisationen auf den Weg machen, den der DITIB Landesverband Hessen und Ahmadiyya Muslim Jamaat in Hessen begonnen haben, nämlich einen Antrag auf Anerkennung als Religionsgemeinschaft und insofern auf Anerkennung als Partner für die Erteilung von weiterem bekenntnisorientiertem Unterricht zu stellen.
Deswegen sage ich, wir sind froh über das, was jetzt vorläufig erreicht worden ist. Dieses „vorläufig“, das will ich als kritischen Punkt sagen, unterscheidet sich von bestimmten Vokabeln, die ich aus den Reihen der CDU höre oder in Presseartikeln als Reaktion der CDU zu lesen ge
habt habe. Dort wird nämlich – ich habe das gestern bei der Gelegenheit einer Besuchergruppe auch wieder gehört – von der versuchsweisen Einführung eines bekenntnisorientierten islamischen Unterrichts oder einer Einführung auf Probe gesprochen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie müssen sich jetzt einmal entscheiden, wie Sie es haben wollen. Wenn wir hier eine verfassungsrechtlich über jeden Zweifel erhabene Lösung haben – dieser Auffassung bin ich –, dann kann die Einführung nicht probeweise und nicht versuchsweise sein, sondern dann muss sie auf Dauer angelegt sein. Das ist auch das Signal, das von diesem Tag und von dieser Debatte zu der Erteilung des islamischen Religionsunterrichts an die Partner in den Religionsgemeinschaften ausgehen muss,
dass das hier keine Veranstaltung ist, die unter Vorbehalt steht und möglichst noch unter dem Vorbehalt des wohlwollenden Verhaltens, des nicht störenden Verhaltens, oder wie immer man das ausdrücken will. Das war jetzt ein bisschen schräg ausgedrückt. Sie wissen, was ich meine.
Ich will vor einer Einschätzung warnen, die Kollege Mick angesprochen hat. Ich warne davor, zu glauben, es könne mit dem Erteilen des islamischen Religionsunterrichts ein Beitrag zur Prävention von islamistischem Extremismus geleistet werden. Ich glaube nicht, dass man diese Erwartung an den Religionsunterricht stellen wird und stellen darf. Es wird auch nicht vom Konfirmandenunterricht erwartet, dass er Leute wie Ian Paisley verhindert.
Das halte ich für unbillig und für eine Überfrachtung. Das sollten wir lassen. Das starke integrationspolitische Signal ist, dass der Staat anerkennt, dass die verfassungsrechtlich gebotene – das haben Sie gesagt, und das will ich noch einmal verstärken – Gleichbehandlung aller Religionen durch den Staat eben auch unter sonst gleichen Voraussetzungen für den Islam und für die islamischen Gemeinschaften in diesem Land gilt.
Deswegen will ich die Gelegenheit nutzen, mich in der verbleibenden kurzen Zeit dem Dank an die Organisationen anzuschließen, die am runden Tisch mitgewirkt haben, die sich auf den Weg gemacht haben, einen konstruktiven und verbindlichen Dialog mit dem Staat zu der Lösung einer Frage einzugehen. Ich glaube, dass dies zielführend für das Verhältnis zwischen dem Staat und den muslimischen Organisationen ist.
Ich glaube, dass die Arbeit am runden Tisch und die Arbeit an dem Projekt bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht auch etwas dazu getan hat, das Verhältnis innerhalb der muslimischen Organisationen zu verbessern und auf eine stabilere Grundlage zu stellen. Ich finde es ein großartiges Zeichen, dass es gelungen ist, sich auf ein gemeinsames Curriculum – auch konfessionsübergreifend – zu verständigen. Davon könnten manch andere auch noch etwas lernen.
Ich glaube, dass der 1. August mit dem Schuljahresbeginn ein guter Tag wird. Aber noch viele andere Tage und viele weitere Schritte werden folgen müssen. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir nähern uns langsam, aber sicher nicht nur der Gespensterstunde, sondern auch dem vorläufigen Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens, das zu einer einzigartigen Welle des Protests im gesamten Land geführt hat: einer Welle des Protests von Eltern, von Beschäftigten, von Trägern, von
Fachverbänden und von Wissenschaftlern, ganz unabhängig davon, ob es im Ballungsgebiet war, in den Klein- und Mittelstädten oder im ländlichen Raum.
Diese Protestwelle hält bis heute an, aber nicht etwa deswegen, weil wir uns die Mails hin- und herschicken. Ich kann Ihnen eine Mail zeigen, die heute Mittag von einem Träger aus Büdingen kam. Die hat keiner von uns bestellt; aber die waren schon einmal in einer unserer Veranstaltungen. Diese Welle hält bis heute an.
Die Bürgerinnen und Bürger protestieren zu Recht; denn das ist und bleibt ein schlechter Gesetzentwurf.
Es ist ein Gesetzentwurf, der nicht nur keine Verbesserungen bei den Standards und bei den wesentlichen Elementen der Finanzierung bringt, sondern der in weiten Bereichen sogar zu einer Verschlechterung des Angebots und zu einem Absinken der Qualität führt und in vielen Fällen weniger Geld beim Träger zur Folge hat.
Keines der Ziele, die Sie sich mit dem Gesetzentwurf gesteckt haben, ist erreicht worden. Eine Prämisse ist aber eingehalten worden, nämlich die, die der Herr Minister im Dezember 2011, entgegen den Behauptungen, die er hier immer wieder vorträgt, im Landesjugendhilfeausschuss gesetzt hat: Es kommt kein zusätzliches Geld ins System. Kollege Bocklet hat das auch schon angesprochen: Von den 425 Millionen €, die Sie reklamieren, ist der weit überwiegende Teil Bundes- und kommunales Geld.
Die 100 Millionen €, die Sie tatsächlich selbst aufbringen, ist entweder Geld, zu dessen Zahlung Sie gezwungen wurden, oder es ist Geld für eine längst bestellte und erbrachte, aber nie bezahlte Leistung, nämlich die der Kommunen und der Träger im Zusammenhang mit der Mindestverordnung. Das ist der Punkt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so betrachtet bleiben von der Summe, die Sie hier immer mit stolzgeschwellter Brust vortragen, 38,5 Millionen €, die Sie freiwillig und aus eigenen Mitteln aufbringen. Das muss man zu den 1,5 Milliarden € ins Verhältnis setzen, die jährlich für die Kinderbetreuung in Einrichtungen aufgewendet werden. Das ist kläglich. Deswegen haben sich die Klagen über die unzureichende Finanzierung der frühkindlichen Bildung durch das gesamte Gesetzgebungsverfahren gezogen, auch und gerade bei den Kommunalen Spitzenverbänden.
Diese insgesamt prekär bleibende Finanzierung im Zusammenwirken mit dem gewählten Finanzierungsmodus ist für den Hauptteil der Probleme, die wir haben, verantwortlich. Die wesentlichen Punkte, um die es dabei geht, will ich kurz zusammenfassen:
Es gibt einen starken Anreiz, die Gruppen so voll wie möglich zu machen. Wer das nicht will oder nicht kann – das ist viel erörtert worden –, muss zum Teil auf einen nicht unerheblichen Teil der Landesmittel verzichten, und das kann schnell in die Tausende, wenn nicht in die Zehntausende Euro gehen.
Wir haben eine Erhöhung der Gruppengröße bei den unten Dreijährigen von bisher acht bis zehn auf nunmehr zwölf.
Wir haben keine Anreize zur Verstärkung des Ganztagsangebots, weil die Finanzierung bei 35 Wochenstunden Betreuungszeit stehen bleibt.
Wir haben einen starken Druck in Richtung auf mehr befristete und auf mehr Teilzeitarbeitsverhältnisse.
Wir werden keine Förderung bei den Horten mehr haben, und wir haben keine Berücksichtigung der Inklusion bei der frühkindlichen Bildung.
An diesem Verdikt haben auch die Korrekturen nichts ändern können, die Sie vorgenommen haben. Es ist und bleibt ein schlechter Gesetzentwurf.
Was werden wir Sozialdemokraten machen? Wir werden für eine bessere Finanzausstattung sorgen, wir werden zum gruppenbezogenen Finanzierungsmodus zurückkehren, und wir werden Verbesserungen bei der Strukturqualität anstreben. Wie wir das im Einzelnen erreichen, müssen wir sehr sorgfältig – dabei bleiben wir – mit den Vertretern der Kommunen, der freien Träger, der Beschäftigten sowie mit den Eltern und den anderen Fachleuten besprechen. Dabei müssen die Prinzipien der Konnexität und der Subsidiarität beachtet werden.
Die Kritik am Entwurf für das KiföG hat eine Fülle von sehr grundsätzlichen und auch sehr praktischen Aspekten zutage gefördert, die bei einem Gesetz, das Bestand haben soll, beachtet und abgewogen werden müssen. Wir werden die Beteiligten vor der Sommerpause zu weiteren Gesprächen einladen, und wir werden nach der Sommerpause und noch vor dem Wahltag Eckpunkte für ein besseres Gesetz vorlegen. Die vierte Lesung findet am 22. September statt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erstens. Herr Minister, Lautstärke steigert nicht die Qualität des Arguments.
Auch Ihre übrigens nicht.
Zweitens. Sie haben gesagt, Sie wollten Briefe schreiben. Sie tun doch die ganze Zeit über nichts anderes, als Briefe zu schreiben, und zwar in einer Angelegenheit, die Sie eigentlich gar nichts angeht, nämlich ein Gesetzgebungsverfahren, das von den Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP eingebracht worden ist und bei dem Sie gar nichts zu suchen haben.
Gehen Sie mal ganz getrost davon aus, dass dies genauso ein parlamentarisches Nachspiel haben wird wie die Briefe, die von dieser Seite des Hauses geschrieben worden sind und geschrieben werden. So viel dazu.
Jetzt zum Thema Baden-Württemberg.
Ganz ruhig. – Erstens. Dies ist die SPD in Hessen,
und wir bilden uns unsere Meinung zu den Dingen selbst.
Zweitens. Wenn Sie Baden-Württemberg zitieren, dann denken Sie einmal darüber nach, wer den Fachkräftemangel in Baden-Württemberg zu verantworten hat und wer vor der grün-roten Koalition dieses Land über Jahrzehnte hinweg regiert hat. Das waren nicht SPD und GRÜNE; das waren Ihre Leute.
Drittens. Vielleicht schauen Sie sich doch einmal an, bevor Sie hier so leichtfertig mit den Begriffen der Dorfhelferin und des Dorfhelfers umgehen, um was es sich dabei handelt. Das sind nicht irgendwelche Hausmeisterinnen und Hausmeister. Das sind Leute – –
Nein, ich habe es nämlich als Beispiel für pädagogisch nicht ausgebildete Kräfte genannt, nicht um etwas gegen Hausmeister zu sagen.
Ich weiß, wie wichtig der Hausmeister einer Kita ist. Das weiß ich besser als mancher andere hier. – Es ist eine Fortbildung an einer Fachschule in durchaus einschlägigen und vergleichbaren Ausbildungsgängen und ist mit einer Hochschulausbildung im Bereich Sozialwesen anschlussfähig. Das ist schon ein bisschen etwas anderes als das, was Sie hier dargestellt haben.
Letzter Punkt. Wenn wir über Baden-Württemberg reden, dann sollten Sie sich vielleicht einmal die Vereinbarung anschauen – das habe ich hier schon erwähnt –, die das Land Baden-Württemberg mit den Kommunalen Spitzenverbänden getroffen hat und die besagt, dass das Land Baden-Württemberg zwei Drittel der Kosten für die frühkindliche Bildung im Land Baden-Württemberg übernimmt, einschließlich der durchgeleiteten Bundesmittel. Vielleicht nehmen Sie sich daran einmal ein Beispiel.
Herr Minister, wozu gibt man eine Studie mit der besagten Fragestellung in Auftrag, wenn man sich anschließend beharrlich weigert, daraus irgendwelche plausiblen Schlussfolgerungen zu ziehen?
Ich frage die Landesregierung:
Wie viele Stellen werden bei der hessischen Verwaltung für Versorgung und Soziales bereitgestellt, um die Anträge auf Betreuungsgeld zu bearbeiten?
Herr Minister, bedeutet das, bei den 36 Personen handelt es sich schon um 36 Vollzeitäquivalentstellen?
Können Sie die jährlichen Kosten für die Durchführung der Maßnahme angeben?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Trotz des leicht aggressiven und auch etwas wirren Beginns der Rede des Herrn Staatsminister Grüttners – vielleicht komme ich bei Gelegenheit noch darauf zurück – will ich, eigentlich wie immer, zu Beginn meiner Ausführungen mit etwas Positivem beginnen, und zwar damit, dass – –
Herr Minister Grüttner, ich möchte sagen, dass ich mich gefreut habe. Gleichzeitig war ich ein wenig darüber erstaunt, dass es diese Regierungserklärung überhaupt gegeben hat.
Herr Minister, ich war erfreut, weil ich schon begonnen hatte, mir darüber Sorgen zu machen, dass Sie bei diesem nicht enden wollenden Los-Wochos-Reigen, den die Landesregierung seit Monaten über Gerechte und Ungerechte hereinbrechen lässt, vergessen gegangen wären. Allerdings wäre das angesichts des Zustandes der hessischen Familienpolitik auch nicht wirklich verwunderlich gewesen. Denn es gibt nichts, was man leichter als die hessische Familienpolitik vergessen kann.
Vom Standpunkt der Plausibilität aus hätte man übrigens eher annehmen können, dass man das Thema Familienpolitik angesichts des vollständigen Kommunikations- und Marketingdebakels mit dem Entwurf des Kinderförderungsgesetzes erst einmal auf Eis legt und den Mann, der für dieses Debakel in allererster Linie verantwortlich ist, aus dem Verkehr zieht. In diesem Land mussten schon Ministerinnen und Minister aus geringerem Anlass zurücktreten.
Herr Minister Grüttner, Sie haben es immerhin fertiggebracht, mit einer einzigen Gesetzesvorlage, die Sie dazu gar nicht selbst eingebracht haben, das ganze Land rebellisch zu machen.
Wenn in diesem Land irgendetwas die Bezeichnung Aktionswoche verdient hätte, dann ist es doch das, was Sie mit diesem Gesetzentwurf ausgelöst haben. Dazu sage ich herzlichen Glückwunsch und herzlichen Dank von meiner Seite aus. Denn das wird Ihr wesentliches familienpolitisches Verdienst bleiben. Denn Sie haben uns, allerdings mit den falschen Mitteln, immerhin eine intensive Debatte über die Frage der frühkindlichen Bildung beschert.
Das ist der Punkt, weshalb ich dann am Ende doch erstaunt war, als ich von der Absicht hörte, dass dem endlosen Reigen der Pseudoaktionswochen und der darauf folgenden substanzlosen Regierungserklärungen, die wiederum von noch substanzloseren Anträgen der Koalition begleitet werden, nun dieses folgt.
Ich war allerdings nicht wirklich auf das gespannt, was kommen würde. Meine Erwartungshaltung wurde auch in vollem Umfang erfüllt. Denn es war an weniger als an fünf Fingern abzählbar, dass Sie sich mit den Leistungen Dritter, vor allem denen der Kommunen und der freien Träger, brüsten würden. Sie haben erneut versucht, Ausgaben für sich zu reklamieren, die von anderen und insbesondere mit anderer Leute Geld getätigt werden. Sie haben die vereinzelten Modellversuche und Förderlinien, die tatsächlich mit Landesgeld bestritten werden und die sich dann auch allesamt im Entschließungsantrag der Koalition wiederfinden – so viele sind es am Ende auch nicht –, hier zu revolutionären Taten aufgeblasen. Sie haben die im Grunde nach wie vor alberne Geschichte mit der Familienkarte hier noch einmal zelebriert.
Da ich jetzt gerade bei der Familienkarte bin, möchte ich anmerken, dass Ihnen im Zusammenhang mit dem Versuch, das noch einmal mit den vorausgegangenen Aktionswochen zu vermarkten, ein paar Meisterstücke der Selbstentlarvung gelungen sind. Ich will jetzt gar nicht die berühmten Beispiele, die wir alle kennen, wiederholen. Doch, das eine möchte ich wiederholen. Das ist das mit dem günstigeren Einkauf des Öko-Katzenstreus und das mit dem leichteren Zugang zu den pädagogisch wertvollen Angeboten von Super RTL. Das war mir neu. Das finde ich schon „beeindruckend“.
Ihnen sind also bei dem Versuch, das noch einmal zu vermarkten, doch ein paar sehr entlarvende Kabinettstückchen gelungen. Mit einer der ersten Presseerklärungen zu dieser Aktionswoche hat Frau Staatssekretärin Müller-Klepper darauf hingewiesen, dass man bei einem bestimmten Träger mit der Familienkarte Selbstverteidigungskurse kostengünstiger besuchen kann. Das tut dieselbe Landesregierung, die mit der „Operation düstere Zukunft“ alle Landeszuschüsse für Projekte gegen Gewalt in Familien und vor allem gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder drastisch gekürzt bzw. gestrichen hat. Sie lässt bis jetzt bei der Umsetzung des Landesaktionsplans gegen sexuellen Missbrauch jeden Ehrgeiz vermissen. Deshalb hat sie sorgfältig vermieden, auch nur einen konkreten Punkt in diesen Landesaktionsplan zu schreiben.
Herr Minister, hier haben Sie die Antwort auf die Ausfälligkeiten vom Anfang Ihrer Rede. Sie haben gefragt, was Punkt 10 unseres Dringlichen Entschließungsantrags mit der Familie zu tun habe. Das hat er damit zu tun.
Zweiter Punkt. Herr Minister, vielleicht war es deshalb nur konsequent, dass einer der Preise, die man bei der Osteraktion der Familienkarte Hessen gewinnen konnte, ein Besuch im Senckenbergmuseum war, und zwar einer gemeinsam mit Ihnen. Wahrscheinlich wurde das deswegen gemacht, damit die Menschen einmal sehen, dass es tatsächlich noch lebende Dinosaurier gibt
und dass Sie als Familienpolitiker in der hessischen CDU allen frauen- und gleichstellungspolitischen Kometeneinschlägen getrotzt haben. Denn das ist das tiefer gehende Geheimnis der Familienpolitik der hessischen CDU.
Sie wird von Leuten gemacht, die erst jemanden wie Kristina Schröder zur Bundesfamilienministerin machen, die sie dann bei der Aufstellung der Liste zur Bundestagswahl abmeiern und sie dann schon vorsorglich einmal als Bundesfamilienministerin demontieren, und zwar mit der sprechendsten aller Begründungen, nämlich der, dass ausgerechnet die Bundesfamilienministerin mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf überfordert sei.
Ich beschäftige mich hin und wieder mit Satire. Vom Standpunkt der Satire aus will ich Ihnen sagen: Ich hätte das nicht erfinden können.
Kommen wir jetzt zu all dem, wozu Sie und auch der Antrag der Koalition nichts gesagt haben bzw. nichts sagen.
Herr Minister, eines will ich anerkennen: Immerhin haben Sie in der Überschrift Ihrer Rede davon abgesehen, etwas von Hessen als dem „Familienland Nummer eins“ zu fantasieren. Das wird ja bei anderen Gelegenheiten immer wieder gesagt. Normalerweise ist dieses penetrante „Ich bin schon wieder Erster“ eines der Markenzeichen der Marketingstrategie dieser Landesregierung. Stattdessen sagen Sie: „Hessen hat Familiensinn“. Das aber ist auch nur die Ersetzung einer Phrase durch eine andere.
Die Kollegen von der Koalition dagegen haben der Versuchung nicht widerstehen können, denn dort heißt es: „Hessen ist Familienland“ – wenn auch ohne das „Nummer eins“. Ich könnte das nun als einen gewissen Anflug von Defätismus – oder von Realitätsbewusstsein – deuten. Ich kann das auch lassen.
Allerdings finde ich schon, dass die diesmaligen Aktionswochen – Los Wochos zur Familie – durch einen durchaus ausgeprägten Mangel an Enthusiasmus gekennzeichnet sind, wenn man sich einmal den Terminkalender der Landesregierung anschaut. Ich habe schon mehr Engagement erlebt als in diesem Falle.
Was aber haben Sie alles hier vorgelegt?
Sie haben ein Familienbild, das im Wesentlichen von dem alten Bild der Vater-Mutter-Ehe-zwei-Kinder-Familie gekennzeichnet ist; andere Formen von Familie und Partnerschaft wie Einehe oder Patchwork-Familie, Familie ohne Trauschein finden – Sie haben sie erwähnt, aber im Grunde – in Ihrer Welt nicht statt.
Was schon überhaupt nicht stattfindet, sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften, ob mit oder ohne Kinder. Was demzufolge ebenfalls nicht stattfindet, sind deren Probleme und die Frage ihrer vollständigen rechtlichen und materiellen Gleichstellung.
Nicht angesprochen wird die besondere Situation, in der viele Familien mit Migrationshintergrund leben.
Nicht angesprochen werden die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern im Berufsleben und die Frage, was Politik dazu beitragen kann und muss, damit sich Männer und Frauen die Lasten, die mit der Verantwortung für Kinder und/oder für pflegebedürftige Angehörige einhergehen, tatsächlich fair teilen und dennoch beruflich keine Nachteile und Karriereeinbußen in Kauf nehmen müssen.
Sie, Herr Minister, haben zum Thema Arbeitszeitpolitik – außer den Beispielen aus der Landesverwaltung, die ich durchaus anerkennen will – nicht viel zu bieten, und der Koalitionsantrag schweigt sich dazu vollkommen aus.
Insgesamt bleibt die Frage der Situation von Frauen – Einkommensunterschied, Armutsrisiko, vor allem im Alter, geringe Frauenerwerbsquote und vieles andere mehr – ziemlich systematisch ausgeblendet.
Familienarmut sowie Gewalt und sexueller Missbrauch in Familien: Ich komme erneut darauf zurück. Denn das gehört zur Realität der Familien in diesem Lande. Nach wie vor kommt sexueller Missbrauch als massenhaftes Phänomen überwiegend in Familien vor. Das hat etwas mit Familie und ihrem gegenwärtigen Zustand zu tun. Herr Minister, wenn Sie als Familienminister das nicht erkennen, dann haben Sie einen sehr erstaunlichen blinden Fleck in Ihrem Familienbild.
Das kommt also ebenfalls nicht vor, und dementsprechend haben Sie auch für die beiden Themen Familienarmut, Kinder- und Jugendarmut sowie Gewalt gegen Kinder und sexueller Missbrauch keinen einzigen Lösungsansatz entwickelt.
Schon allein aus dieser Liste wird deutlich, welche Defizite sowohl die Regierungserklärung als auch insbesondere der
Antrag der Koalitionsfraktionen haben, wenn es um eine umfassende Bestandsaufnahme der Situation von Familien in Hessen ginge. Freilich geht es Ihnen aber offensichtlich nicht darum.
Wenn es Ihnen darum ginge, dann hätten Sie selbst in dem von Ihnen verantworteten Landessozialbericht mehr als deutliche Hinweise darauf gefunden, wo die Probleme liegen und welche politischen Handlungsanforderungen daraus resultieren.
Jetzt zu dem, wozu Sie bzw. der CDU/FDP-Antrag etwas gesagt haben.
Sie wollen vom Landtag – erster Punkt – begrüßt wissen, ich zitiere:
dass die Landesregierung hessische Familien in allen Bereichen unterstützt und dass Land und Kommunen gemeinsam rund 2,5 Milliarden € in Familienleistungen und Angebote für Familien investieren.
Ich kann das nicht begrüßen, weil es nicht so ist.
Weder ist es so – das sollte aus dem vorher Gesagten deutlich geworden sein –, dass die Landesregierung die hessischen Familien in allen Bereichen unterstützt; noch ist es so, dass Land und Kommunen – man beachte übrigens die Reihenfolge in diesem Antrag – g e m e i n s a m Geld investieren würden; denn von einer strukturierten Zusammenarbeit und einer durchdachten Arbeitsteilung zwischen Land und Kommunen kann auf dem Feld der Familienpolitik nicht wirklich die Rede sein. Deshalb kann eben auch keine Rede davon sein, dass hier g e m e i n s a m – im Sinne eines gemeinsamen, strukturierten und planvollen Handelns – Geld investiert würde.
Was man v i e l l e i c h t sagen kann, ist, dass Land und Kommunen, zusammengenommen, ca. 2,5 Milliarden € für familienpolitische Leistungen aller Art ausgeben. Aber welche Leistungen, welche Angebote haben Sie in diese Berechnung einbezogen? Von wem wurde das berechnet? Wie setzt sich diese Zahl zusammen? Vor allem aber: Wessen Geld ist das? Welchen Anteil hat daran das Land?
Alle Plausibilität spricht dafür, dass dieser Anteil ziemlich gering ist; denn wäre es anders, würden Sie den Landesanteil gesondert nennen und ihn nicht schamhaft in einer zunächst einmal als beeindruckend daherkommenden Gesamtsumme verstecken.
Sie würden dann in Ihrem Antrag auch nicht so über die Dörfer gehen müssen, wie Sie das tun. Denn dort, wo Sie es tun und Zahlen nennen, sind diese Zahlen ziemlich mickrig.
Nehmen wir für den Augenblick einmal an, dass in diesem Betrag zumindest ein Großteil der Ausgaben in der Kinderund Jugendhilfe enthalten ist, also die Ausgaben im Bereich des SGB VIII, das Hilfen für Kinder, Jugendliche und Familien umfasst. Die Kosten lagen im Jahr 2011 bei insgesamt 2,6 Milliarden €; für alle Leistungsarten in Hessen waren es netto knapp 2,4 Milliarden €, und zwar sowohl in der Einzel- und Gruppenhilfe als auch im Bereich der Einrichtungen. Der weitaus größte Teil davon wird von
den Kommunen bestritten. Ein sehr großer Batzen, nämlich der gesamte Bereich der Hilfen zur Erziehung mit knapp 500 Millionen € bei kontinuierlich stark steigender Tendenz, lässt sich gerade als Beleg für die Funktionsschwäche vieler Familien und nicht in erster Linie als Ausdruck einer gut funktionierenden und gut ausgestatteten Familienpolitik deuten, sondern dem sind eher Hinweise für die gegenteilige Richtung zu entnehmen. Dies ist natürlich ein Bereich, in dem das Land überhaupt nicht aktiv ist und auch nicht zahlt.
Das ließe sich auch an anderen Teilaspekten zeigen, z. B. an der Jugendsozialarbeit. Ich erinnere an das Versprechen des ehemaligen Ministers Banzer, sich fair und verlässlich an den Kosten der Schulsozialarbeit zu beteiligen. Aber Sie weigern sich nach wie vor, in irgendeiner relevanten Art und Weise hier gemeinsam mit den Kommunen zu investieren. Deshalb ist es unredlich und eine politische Irreführung, in diesem Antrag hier Eindruck mit großen Zahlen schinden zu wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition und lieber Minister, besonders dreist ist, dass wir als Landtag anerkennen sollen, dass mit dem KiföG der Finanzierungsanteil des Landes für die Kinderbetreuung auf 424,5 Millionen € im Jahr erhöht wird.
Die Wahrheit ist – und ich werde nicht müde, das zu sagen; wahrscheinlich werden Sie das am Donnerstag erneut wiederholen, und ich werde wieder das sagen, was ich jetzt sage –, dass die Gesamtkosten der frühkindlichen Bildung, Stand 2011, bei 1,5 Milliarden € pro Jahr lagen, übrigens mit einer Steigerung gegenüber dem Jahr 2006 um über 500 Millionen €. So viel übrigens zu den Steigerungen, die Sie uns hier immer vorrechnen: Natürlich folgen die in gewissem Maße den gestiegenen Kosten.
Die Gesamtkosten lagen also bei 1,5 Milliarden € pro Jahr. Der Anteil originärer Mittel des Landes – folgt man der Rechnung des Hessischen Städtetags, und wir folgen ihr – liegt nach KiföG bei gerade einmal 38,5 Millionen € pro Jahr. Der gesamte Rest sind entweder zweckgebundene Mittel des Kommunalen Finanzausgleichs, darunter z. B. auch die Mittel für das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr, durchgeleitete Bundesmittel oder eben das Geld, zu dessen Zahlung Sie erst durch den Staatsgerichtshof verurteilt werden mussten.
Das alles ist schon Dutzende Male erörtert worden. Deswegen muss man fast schon Bewunderung vor der Hartnäckigkeit – man kann auch sagen: Dreistigkeit – haben, mit der Sie wider besseres Wissen offensichtlich wahrheitswidrige Behauptungen aufrechterhalten.
In die gleiche Kategorie gehören die Behauptungen hinsichtlich des Aufbaus des Betreuungsangebots selbst. Die Zahlen in Punkt 5 des Koalitionsantrags sind richtig. Sie haben aber mit der Politik der Landesregierung gar nichts zu tun, sondern sie gehen, erstens, auf den vom Bund 1996 festgesetzten Rechtsanspruch auf einen Ü-3-Betreuungsplatz und, zweitens, auf die darauf folgenden erheblichen Anstrengungen der Kommunen und der freien Träger beim Ausbau dieses Angebots und bei der Garantie eines Kindergartenplatzes für die Drei- bis Sechsjährigen zurück.
Mit der Landesregierung hat all das nichts zu tun – mit keiner Landesregierung, in keinem Bundesland. Das war eine kommunale Aufgabe. Die wurde kommunal gelöst. Sie ist gut gelöst worden. Deswegen haben Sie gar keinen Grund, sich dafür nach all diesen Jahren hier auch noch selbst zu feiern.
In Punkt 6 Ihres Antrags versuchen Sie diese Nummer nochmals, nämlich in Bezug auf die Erfolge beim U-3Ausbau.
Auch das ist hier oft diskutiert und widerlegt worden. Hessen hat, wie leider allzu viele andere Landesregierungen auch, jahrelang nichts anderes getan, als die vom Bund zur Verfügung gestellten Investitionsmittel weiterzuleiten, mehr oder weniger reibungslos. Erst in diesem Jahr stellt Hessen eigene Mittel in Höhe von 55 Millionen € zu diesem Zweck zur Verfügung.
Sie haben sich dafür gelobt, dass Sie das ordnungsgemäß getan haben. Ich weiß nicht, warum man eine Landesregierung dafür loben muss, dass sie Mittel, die von einem Dritten für einen Dritten zur Verfügung gestellt werden, an diesen weitergibt. Es ist mir ein Rätsel, warum man sich dafür loben muss, aber vielleicht ist das bei dieser Landesregierung so.
Sie haben in diesem Jahr zum ersten Mal substanziell eigenes Geld zur Verfügung gestellt. Die Bilanz ist Folgende. Von 2008 bis 2013 werden Bund und Land insgesamt 265 Millionen € Investitionsfördermittel für den U-3-Ausbau ausgezahlt haben. Davon wird das Land gerade einmal 55 Millionen € beigetragen haben, also ca. 20 %, und zwar erst 2013 im Zusammenhang mit einem Landesinvestitionsprogramm, das zunächst einmal nur 30 Millionen € betrug und schnell noch mit Haushaltsausgaberesten aus der Kita-Finanzierung um 25 Millionen € aufgestockt wurde, damit es nicht ganz so ärmlich daherkam, nachdem man vom Bund aus Mitteln des Fiskalpaktes weitere 45 Millionen € erwarten konnte. Nur so konnte man schließlich stolz verkünden, dass das Land „den Löwenanteil an dem Landesinvestitionsprogramm“ finanziere. Ich weiß nicht, ob man bei 55 % von einem „Löwenanteil“ sprechen kann, aber ich finde es grundsätzlich bemerkenswert, dass das Land damals meinte und offensichtlich immer noch meint, betonen zu müssen, dass ein Landesinvestitionsprogramm tatsächlich maßgeblich vom Land finanziert wird. Auf jeden Fall ist und bleibt das alles weit entfernt von dem, was – entgegen Ihren ebenso hartnäckigen Behauptungen – auf dem Krippengipfel vereinbart wurde, nämlich eine Drittelfinanzierung von Bund, Ländern und Kommunen.
Sie haben, wie nicht anders zu erwarten, die Familienzentren über den grünen Klee gelobt. Dagegen ist inhaltlich – das will ich hier extra betonen; ich habe das bei vielen Gelegenheiten schon gesagt – nichts einzuwenden, da die entsprechenden Einrichtungen vor Ort in aller Regel sehr gute und innovative Arbeit im Interesse eines ganzheitlichen stadtteil- oder wohnortnahen Angebots machen. Aber nach wie vor bleibt es bei unserer Kritik, die ich hier schon im September 2011 vorgetragen habe. Sie haben für die Umsetzung eines einstimmig gefassten Landtagsbeschlusses drei Jahre gebraucht.
Die Förderhöhe von 10.000 bis 12.000 € pro Einrichtung und Jahr steht in keinem Verhältnis zur erwarteten Leistung. Bei dem vorgesehenen Gesamtfördervolumen und knapp 4.000 Einrichtungen in Hessen wird es mehrere
Jahrzehnte bis zu einem flächendeckenden Angebot dauern. Es ist wieder einmal eine dieser Geschichten, derer wir in der sozialen Arbeit herzlich überdrüssig sind: Anschubfinanzierung, Modellprojekt, aber um Himmels willen bloß keine Regelförderung, keine Finanzierung einer Aufgabe, die sich erkennbar auf Dauer und immer wieder neu stellt. Deshalb haben Sie auch davon abgesehen, die Familienzentren in irgendeiner Art und Weise im KiföG zu erwähnen.
Das gilt auch für den Modellversuch Qualifizierte Schulvorbereitung. Auch den müssen Sie mit einem Koalitionsantrag hier noch einmal abfeiern, damit die Bilanz nicht gar zu mager ist. Ich habe schon in der Landtagsdebatte vom 10. Mai letzten Jahres darauf hingewiesen, dass hier neben der Arbeit nach dem Bildungs- und Erziehungsplan eine zweite Förderlinie mit ähnlichen inhaltlichen Zielsetzungen etabliert wird, die darüber hinaus mit weiteren Förderlinien und inhaltlichen Konzepten, z. B. im Bereich der Sprachförderung, konkurriert. Das wird auch nach dem KiföG so bleiben, weil Sie gerade an diesen pädagogisch bedeutsamen Stellen weder gesetzliche Regelungen schaffen noch das vorhandene Finanzierungssystem wirklich vereinfachen.
Sie haben in diesem Bereich offensichtlich nach wie vor keine inhaltliche Klarheit innerhalb der Koalition. Das will ich als Fußnote anfügen. Das Modellprojekt QSV – Qualifizierte Schulvorbereitung – war eigentlich das Ergebnis einer krachenden politischen Niederlage der FDP mit ihrer abwegigen Idee der Kinderschule. Das war gut so, und wir haben das begrüßt. Sie wissen, Herr Banzer weiß, dass wir immer Gegner der Idee der Kinderschule waren.
Ich will deshalb aus gegebenem Anlass darauf hinweisen, dass sich diese Idee innerhalb der FDP offensichtlich nicht erledigt hat. Der Herr Integrationsminister hat es, als er über das Thema Sprachstandserhebung gesprochen hat, ausweislich eines Artikels in der „FAZ“ vom 14. Mai fertiggebracht, innerhalb von zwei, drei Sätzen von einer „Sprachstandserhebung“ zu einem „Sprachtest“, von einem „Sprachtest“ zu einem „verbindlichen Sprachtest“, zu einem „Sprachtest, bei dem man auch durchfallen kann“, bis hin zu einem Sprachtest zu kommen, „bei dessen Nichtbestehen Kindergartenpflicht über vierjährige Kinder“ verhängt wird. Herr Minister, wenn Sie jemanden suchen, der Eltern bevormunden möchte, der Gründe für die Verhängung einer Kindergartenpflicht finden möchte, der versucht, auf diese Art und Weise Kinder und Kindheit zu verstaatlichen, dann schauen Sie in Richtung Ihrer Banknachbarn. Schauen Sie nicht immer auf unsere Seite, weil Sie ganz genau wissen, was wir von der Kindergartenpflicht halten: Sie wäre verfassungswidrig.
Ich ziehe ein Fazit. Diese Regierungserklärung war eine Erklärung der versäumten Gelegenheiten. Sie haben es versäumt, ein modernes, den gewandelten Verhältnissen zumindest ansatzweise entsprechendes Familienbild zu entfalten. Sie haben es versäumt, die vielfältigen Probleme, denen sich die Familien heute nach wie vor, zum Teil verstärkt, ausgesetzt sehen, anzusprechen und Perspektiven für ihre Behebung zu entwickeln. Einiges davon habe ich im ersten Teil meiner Rede angesprochen. Sie haben es insbesondere versäumt, eine Perspektive für eine umfas
sende, faktische Gleichstellung von Frauen auf den Feldern Erwerbsarbeit und Erwerbseinkommen zu entwickeln, eine Perspektive, die für das materielle und das immaterielle Wohlergehen von Familien von entscheidender Bedeutung ist.
Was wäre nötig? Nötig wäre eine entschlossene Politik des Ausbaus und der Qualitätssteigerung der frühkindlichen Bildung, weil das die Grundvoraussetzung nicht nur für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern auch eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen für eine optimale Förderung der Kinder ist. Beides liegt den Familien mehr denn je am Herzen.
Nötig wäre dazu insbesondere ein entschlossener Ausbau der Ganztagsangebote auf allen Altersstufen, einschließlich der Schulkinder. Sie setzen dafür keine Anreize, und Ihr Ausbautempo im Schulbereich ist beklagenswert niedrig.
Die SPD setzt sich auf der Bundesebene für einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz und auf Landesebene für die weitere Förderung der Hortangebote und für den Ausbau von wirklichen Ganztagsschulen ein. Deshalb stehen wir in Hessen für einen Neuanfang in der Diskussion um die besten Lösungen für die frühkindliche Bildung, und deshalb werden wir das KiföG, wenn es denn Gesetz wird, wieder aufheben und durch ein neues, besseres, weil mit den beteiligten Trägern und den betroffenen Menschen ausgehandeltes, auch besser finanziertes Gesetz ersetzen.
Nötig wäre ein gut ausgebautes System früher Hilfen, das allen Eltern zur Verfügung steht und das umfassend und realitätsnah Angebote der Beratung und Hilfe bei Gesundheits- und Erziehungsfragen, aber auch beim Zugang zu materiellen Hilfen für Familien bietet. Herr Minister, die Netzwerke, von denen Sie gesprochen haben, sind erstens nicht wirklich gut ausgestattet und zweitens bundesfinanziert – auch hier wieder das Schmücken mit fremden Federn. Das einzig Neue, was ich gehört habe, war der Hinweis auf einen Modellversuch und – noch dazu – ein Ansatz mit Gutscheinen. Das ist nun wirklich hessische Familienpolitik auf den Begriff gebracht, wie Sie ihn verstehen.
Zur Etablierung eines gut ausgebauten Systems früher Hilfen wären eine gut ausgebaute Struktur von Frühförderstellen, Erziehungsberatungsstellen, Familienbildungsstätten, Mütterzentren, Antigewalt- und Antimissbrauchsprojekten, inklusiven Frauenhäusern und manches andere in diesem Zusammenhang mehr nötig.
Die SPD tritt deshalb auf Landesebene dafür ein, dass das Sozialbudget, aus dem solche Einrichtungen bis zur „Operation düstere Zukunft“ finanziert wurden, wiederhergestellt wird und die in Teilen zerstörte Infrastruktur wieder aufgebaut bzw. modernisiert wird.
Nötig wäre ein entschlossenes Eintreten für gleiche Chancen und für ein gleiches Einkommen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Nicht ausreichend sind Modellversuche und Kongressreihen. Nicht nötig ist ein Betreuungsgeld, das Frauen von der Erwerbsarbeit fernhält und sie dabei mit ein paar Euro abspeist.
Nötig ist die völlige rechtliche und materielle Gleichstellung aller Lebensgemeinschaften, auch und gerade der
gleichgeschlechtlichen. Dazu können Sie sich offensichtlich immer noch nicht bereitfinden. Wir sind dazu bereit.
Nötig ist die Unterstützung von pflegebedürftigen Menschen und von pflegenden Angehörigen durch eine funktionsfähige Pflegeversicherung und durch rechtlich und materiell gut abgesicherte Bedingungen für die Pflege von Angehörigen in und durch die Familie. Auch dafür hat die SPD Vorschläge gemacht, die den pflegenden Angehörigen und auch den Pflegebedürftigen tatsächlich Ansprüche garantieren – im Gegensatz zu dem, was wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben.
Zu all diesen Fragen – ich komme zum Schluss – haben Sie hier keine wirklichen Erfolge vorweisen und keine Perspektiven entwickeln können. Es ist mit dieser Regierung wie mit praktisch allen bisherigen: Wenn es sie nicht gegeben hätte, hätte uns nichts gefehlt. Leider aber fehlt den Familien in diesem Lande zu viel, als dass sie auf die Frage „Wie geht es der Familie?“ sagen könnten: Danke der Nachfrage, gut. – Aber das lässt sich ja ändern.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte mich nicht zu Wort gemeldet, obwohl der Kollege Rock gefühlte 75 % seiner Rede auf mich verwendet hat
ich weiß nicht, ob ich stolz darauf sein soll –, obwohl es sehr viel Anlass gegeben hätte, das zu tun. Aber zwei Dinge lasse ich ihm nicht unwidersprochen, weil sie ehrenrührig sind.
Es sind zwei Dinge, die ich als ehrenrührig empfinde. Das erste war: Sie haben mir böswillig unterstellt – ich kann es nur so wahrnehmen –, ich hätte in meiner Rede die aus verheiratetem Vater und Mutter und zwei Kindern bestehende Familie hier in irgendeiner Weise diskreditiert. Ich will jetzt nicht betonen, dass ich in genau so einer Familie lebe, und zwar sehr bewusst in dieser Situation lebe, und schon deswegen weit davon entfernt bin, das zu diskreditieren. Wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie gemerkt, dass die Aussage, in der diese Passage vorkam, darum ging: Das Familienbild des Minister ist auf diesen Familientypus fixiert, und alle anderen lassen Sie, auch wenn Sie sie immer mal wieder mit erwähnen, theoretisch und praktisch außer Betracht.
Das war der Kern meiner Aussage. Den können Sie jetzt auf der Sachebene widerlegen. Aber ich lasse Ihnen nicht unkommentiert durchgehen, dass Sie mir etwas in den Mund legen, was als Diskreditierung eines bestimmten Familientyps empfunden wird.
Zweiter Punkt und noch viel wichtiger: Der Minister hat am Anfang seiner Rede so getan, als sei es völlig abwegig, dass wir in unserem Antrag den Punkt sexuellen Missbrauch erwähnen. Er hat davon gesprochen. Wir haben diesen Punkt sehr bewusst aufgenommen, weil wir glauben, dass es zur Alltagsrealität in Familien gehört,
dass dort auch Gewalt und sexueller Missbrauch stattfinden. Wir haben hier in einer denkwürdigen Debatte sehr häufig darüber gesprochen, dass die Mehrzahl der gegen Kinder gerichteten Gewalt- und Missbrauchsdelikte in Familien und im familiären Umfeld vorkommt. Damit ist nicht gesagt, kann nicht gesagt werden und ist auch nicht von mir gesagt worden, dass solche Delikte sozusagen in allen Familien vorkämen. Sie können auch nicht ernsthaft glauben, dass ich hier so etwas sagen würde.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Wiesmann, wie ich als Jugenddezernent in der Stadt Gießen – meine Vorgänger übrigens auch – dafür gesorgt habe, dass Quantität und Qualität in der frühkindlichen Bildung und eine trotzdem vernünftige und solide Haushaltsfinanzierung kein Widerspruch sind, das erkläre ich Ihnen bei Gelegenheit, vielleicht in einer anderen Verfahrenssituation.
Zu dem, was heute hier in der zweiten Lesung ansteht, ist Folgendes zu sagen. Ich möchte zunächst einmal sagen, dass ich ein solches Gesetzgebungsverfahren wie bisher noch nicht erlebt habe, und zwar weder dem Inhalt noch dem Verfahren nach.
Es haben heute eine ganze Menge Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition gesagt, die Regierung und die Koalition arbeiten mit großem Erfolg.
In der Tat, es muss wirklich als Erfolg gewertet werden, was Sie mit diesem Gesetz erreicht haben. Dass man es mit einem Gesetz, das nach Ihrer Lesart wesentliche Verbesserungen bei den Standards der frühkindlichen Bildung bringt und mit dem Sie angeblich das Füllhorn Ihrer Gnade über die Kommunen, die Träger und die Einrichtungen ausschütten, fertigbringt, die gesamte Fachöffentlichkeit und weite Teile der allgemeinen Öffentlichkeit gegen sich aufzubringen, das ist wirklich eine der reifsten politischen Leistungen der letzten Jahre.
Knapp 130.000 Unterschriften für eine Petition gegen ein Gesetz, das hat es zumindest schon lange nicht mehr, wenn überhaupt jemals gegeben. Die Gesetzesanhörung war ein einziges Desaster. Es gab Demonstrationen überall im gan
zen Land, nicht nur die großen Demonstrationen in Frankfurt und zweimal in Wiesbaden, sondern auch an vielen anderen Orten jeweils mit mehreren Hundert Teilnehmern, Hunderten von empörten und entrüsteten Menschen. Nach wie vor vergeht praktisch kein Tag, an dem nicht an vielen Orten im Land Veranstaltungen und Diskussionen zu diesem KiföG stattfinden, zu denen die Menschen nach wie vor in großer Zahl kommen.
Kein einziger relevanter Verband ist Ihnen zur Seite gesprungen. Mittlerweile sind sogar die Treuesten der Treuen, die Kolleginnen und Kollegen vom Hessischen Städteund Gemeindebund, vom Glauben abgefallen und haben Ihnen die KiföG-Gefolgschaft aufgekündigt, wenn auch spät. Recht haben sie. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles muss man erst einmal hinbekommen.
Ja, weil ich die Leute aufhetze. Das ist Ihre Legende.
Lieber Kollege Dr. Müller, weil auf dieser Welt nichts so schlecht ist, dass es nicht für irgendetwas gut wäre, muss man Ihnen tatsächlich dafür dankbar sein, dass wir als Resultat dieses Gesetzentwurfs eine Diskussion über die Notwendigkeiten, Perspektiven und Standards der frühkindlichen Bildung im 21. Jahrhundert haben,
an der Sie freilich keinen Anteil haben, die aber trotzdem stattfindet und an der wir engagiert teilnehmen. Wir werden daran anknüpfen, wenn es darum geht, ein neues, ein besseres Gesetz in einem breiten Diskussions- und Beteiligungsprozess zu erarbeiten.
Es liegt mir echt auf der Seele: Ich muss etwas zu diesem Gesetzgebungsverfahren sagen. Wir haben eine Regierung, die nicht willens oder nicht in der Lage ist, den Gesetzentwurf selbst einzubringen, wahrscheinlich um sich eine geordnete vorgezogene Beteiligung zu ersparen. Diese Regierung schreibt einen Entwurf, den die Fraktionen von CDU und FDP einbringen. Ich selbst finde das bei meinem möglicherweise altmodischen Verständnis von Gewaltenteilung per se schon merkwürdig. Aber richtig ist, dass ab diesem Zeitpunkt der Einbringung dieser Gesetzentwurf einzig und allein eine Angelegenheit der beiden Koalitionsfraktionen war.
Meine Damen und Herren, was wir aber danach erlebt haben, ist nach meinem Verständnis von Parlamentarismus vollkommen inakzeptabel. Wir haben erlebt, dass die Landesregierung mit einer beispiellosen Massivität, die gar nicht beteiligte Landesregierung, in diese Debatte hineingegangen ist. Es verging keine Woche, ohne dass irgendein Minister der Landesregierung nicht irgendjemandem einen Brief geschrieben hätte, meistens gleich an Hunderte oder Tausende von Adressaten, an Eltern, an Einrichtungen, an Träger, an Gott und die Welt.
In einem Fall waren es gleich drei Minister, was allerdings die Verbindlichkeit und Richtigkeit der Aussage, in diesem Fall nämlich zum Zusammenhang von Kitas, Standards und Schutzschirm, nicht wirklich erhöht hat.
Am Schluss sah sich der Minister Grüttner veranlasst, noch einen Brief an die Kommunalen Spitzenverbände und die Liga der Freien Wohlfahrtspflege zu schreiben, in einer Angelegenheit, von der er bis dahin mit der ihm eigenen Widerborstigkeit behauptet hat, dass sie ihn nichts angehe, nämlich in der wesentlichen Frage der Berücksichtigung von Inklusion in der frühkindlichen Bildung. Es war übrigens auch der Minister, der während der Anhörung wie ein Buddha mitten unter den CDU-Kollegen saß und die Fragen verteilte, die Sie dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Sachverständigen gestellt haben. Das war auch ein Schauspiel ganz besonderer Art.
Zu diesem Teil des Spiels gehört die Schaltung einer Telefon-Hotline durch die Landesregierung zum KiföG. Dazu gehört, dass die Landesregierung selbst über das Land zog, um den Entwurf, der nicht der ihre war, zu verteidigen. Dazu gehört zum schlechten Schluss, dass die Änderungen zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen im Wesentlichen von der Landesregierung, diesmal sogar vom Herrn Ministerpräsidenten höchstselbst, präsentiert wurden, was dann zu solchen Schlagzeilen führte: „Regierung ändert Gesetz“. Man kann das auf den Kopf stellen, aber das Verhältnis von Legislative und Exekutive kann man nicht prägnanter ausdrücken als so.
Ich sage Ihnen, dies wird noch einmal ein Nachspiel haben, denn wir werden wissen wollen, was das den Steuerzahler alles gekostet hat.
Was ist nun das Ergebnis dieses Prozesses?
Die Änderungen, die die Landesregierung verkündet hat und die die Koalitionsfraktionen dann ins Verfahren eingebracht haben, haben an unserer grundsätzlichen und scharfen Ablehnung des Gesetzentwurfs nichts geändert. Es handelt sich mit einer einzigen Ausnahme um kosmetische Korrekturen oder um Verschlimmbesserungen.
Erstens. Reine Kosmetik ist die gefundene Formulierung für das Vorhalten zusätzlicher Zeiten für die mittelbare pädagogische Arbeit und Leitungstätigkeiten in § 25a. Was Sie damit im Klartext sagen, ist Folgendes: Das geht uns nichts an, das soll uns nichts angehen, und ihr sollt auch wissen, dass uns das nichts angeht. – Liebe Frau Kollegin Wiesmann, was das übrigens im Zusammenhang mit der eigenständigen Ausgestaltung und Umsetzung des Auftrags des Bildungs- und Erziehungsplans zu suchen hat – das ist der Gehalt des Satzes, in dem das steht –, wird Ihr Geheimnis bleiben.
Zweitens. Eine Verschlimmbesserung ist nach unserer festen Überzeugung die Einführung eines weiteren Betreu
ungsmittelwerts. Dieser wird zur Schaffung eines bedarfsdeckenden Angebots an Ganztagsbetreuungsplätzen, die den realen Bedürfnissen von immer mehr Eltern entsprechen, nichts beitragen. Der Betreuungsmittelwert ist eine Größe, die zur Ermittlung des Personalbedarfs nach § 25c Abs. 2 herangezogen wird. Mit der Einführung dieses neuen Mittelwerts erhöht sich der notwendige Personaleinsatz. So weit, so richtig, und so weit, so gut.
Das wäre also insofern nicht zu beanstanden, wenn dem auf der Finanzierungsseite auch etwas entspräche. Es ist und bleibt aber so, dass die in § 32 auch nach Betreuungszeiten gestaffelten Pauschalen bei 35 Stunden enden, sodass der Träger, die Einrichtungen und die Kommunen nach wie vor, und diesmal auf einer größer werdenden Differenz, nämlich zwischen 35 und 50 Stunden, hängen bleiben. Das wird man kaum eine Verbesserung der Finanzierung nennen können. Das ist doch ganz einfach.
Drittens. Ich nenne auch die sogenannte Deckelung der Gruppengrößen bei U 3 eine Verschlimmbesserung. Damit reagieren Sie – das haben Sie im Grunde zugegeben – interessanterweise auf ein Problem, das es nach Ihrer bisherigen Lesart gar nicht hätte geben können, nämlich Gruppengrößen von bis zu 16 Kindern. Etwas, was es nicht gibt, wird jetzt abgestellt; das lassen wir jetzt aber einmal sein, als zu den üblichen Widersprüchen gehörend.
Ich halte hier fest: Das ist eine tatsächliche Erhöhung der zulässigen Gruppengröße von bisher acht bis zehn Kindern auf maximal zwölf Kinder. Das nenne ich eine Absenkung von Standards.
Dann gibt es noch den Volltreffer: die Änderung der Vorschrift über die Notwendigkeit einer Mittagsversorgung bei einer täglichen Öffnungszeit von mehr als sechs Stunden – Glückwunsch, Kollege Bocklet. Das folgt wirklich der berühmten Redewendung – es stand in der „Bild“-Zeitung, und es ist bekanntlich alles wahr, was in der „Bild“-Zeitung steht; das haben wir heute schon bei anderer Gelegenheit gehört –: „Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu“. Das muss man einfach einmal sagen.
Ich weiß nicht, was bei japanischen Kindertagesstätten des Landes jetzt wirklich Brauch ist. Was ich aber weiß, ist: Wenn in einem Gesetz, jedenfalls in diesem Handlungsfeld – glauben Sie mir, davon verstehe ich als ehemaliger Jugenddezernent wirklich etwas –, nicht „muss“, sondern „soll“ steht, dann ist bei denen, die am Ende über die Finanzen entscheiden, für juristische Feinheiten kein Platz mehr. Dann wird aus einem „soll“ die Aussage: Das kann man machen, wir können es aber auch lassen. – Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.
Dann bleibt als einzige substanzielle Änderung zum Guten nur die Streichung des berüchtigten Passus in § 25b Abs. 2 Nr. 4, die Streichung der Geschichte mit den fachfremden Fachkräften, jener begrifflichen Wiedervereinigung von Pferd und Hindernis,
die in der Debatte völlig zu Recht zu den heftigsten und emotionalsten Reaktionen geführt hat.
Man kann Ihnen aber auch das nicht gutschreiben, denn erstens sind Sie hier nur dem sehr starken Druck des öffentlichen Protests gewichen. Zweitens sind Sie, das haben sie heute wieder dargestellt, in der Sache selbst vollkommen unbußfertig geblieben. Sie halten das nach wie vor für eine gute Idee, die die Menschen nur falsch verstanden haben, weil die Menschen überhaupt alles nur falsch verstanden haben bzw. von der SPD, insbesondere von mir, verhetzt worden sind.
Sie verstehen nicht oder wollen nicht verstehen, dass es hier um nichts Geringeres geht als um die Aushebelung des Fachkräftegebots, das in der Kinder- und Jugendhilfe eine der tragenden Säulen ist und bleiben muss.
Menschen, die anderen Menschen oder Institutionen ihre Kinder anvertrauen, egal, welchen anderen Menschen und welchen anderen Institutionen, müssen sicher sein können, dass es dort nach den Regeln des jeweiligen Standes der Professionalität zugeht.
Wir haben für den Bereich der Kinderbetreuung einen Stand der Professionalität. Der ist wohldefiniert. Den kann man reformieren, er ist aber wohldefiniert und darf im Kern nicht getroffen werden. Aber genau das hatten Sie hier vor, und genau das haben die Menschen, insbesondere die Fachleute, gemerkt. Deshalb stimmen wir diesem Punkt als einzigem zwar zu, aber Sie können dafür keinen Kredit beanspruchen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Es bleibt dabei: Dieses Gesetz ist ein schlechtes Gesetz. Es ist zwischen der ersten und zweiten Lesung nicht besser geworden. Sie haben eine von uns beantragte weitere schriftliche Anhörung abgelehnt. Wir wollten die Gelegenheit haben und Ihnen die Gelegenheit geben, mit der engagierten und fachkundigen Öffentlichkeit auch die Änderungsvorschläge zu diskutieren. Dann machen wir das eben außerhalb eines formellen Anhörungsverfahrens, und deshalb beantrage ich namens der SPD-Fraktion eine dritte Lesung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Ich stelle fest, dass dem Kollegen Müller als Antwort auf meine Rede nichts anderes eingefallen ist, als erstens Witze über meinen Namen zu machen, über die ich seit meinem sechsten Lebensjahr nicht mehr lache,
und zweitens meine Person und meinen Lebenslauf auf eine Art und Weise zu diffamieren, die zu widerlegen und zu kommentieren ich weder Lust noch Anlass habe.
Ich will sie aber mit zwei Sätzen kommentieren. Erstens. Herr Kollege Müller, das fällt in vollem Umfang auf Sie zurück.
Zweitens und abschließend. Wir sind geschiedene Leute.
Ich frage die Landesregierung:
Wie viele Kinder aus welchen Bundesländern bzw. aus welchen Jugendamtsbezirken innerhalb Hessens sind derzeit in Sinntal-Sannerz in der geschützten Unterbringung?
Herr Minister, aus einem im Januar erschienenen Presseartikel ging hervor, dass die Einrichtung bis Ostern ausgebucht sein würde. Habe ich es richtig verstanden, dass das gegenwärtig nicht der Fall ist? Bis wann wird die Einrichtung ausgebucht sein? Von welchem Zeitpunkt gehen Sie aus?
Herr Minister, darf ich Ihrer sehr ausführlichen Antwort entnehmen, dass Sie das Verhalten dieses Trägers in Bensheim für rechtlich fragwürdig, wenn nicht gar für unzulässig halten?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll.
Ich fange jetzt einmal so an, wie ich anfangen wollte, nämlich damit, dass dieser etwa 137. Versuch, in einer Regierungserklärung dieser Regierung zu erklären, im Ansatz gescheitert ist.
Auch nach den Worten von Herrn Hahn bleibt diese Landesregierung ein rätselhaftes Wesen, dessen Tun und Nichttun sich einem nicht einfach erschließt.
Das gilt auch für die Aktionswochen, die den Regierungserklärungen mittlerweile regelmäßig vorausgehen. Schon die Erwähnung des Begriffs Aktionswochen ist missbräuchlich. Aktionswochen bedeuten so viel wie Handeln. Handeln setzt eine bestimmte feste Motivation und ein klar umrissenes Ziel voraus, wenn es zielgerichtetes, zweckrationales Handeln sein soll.
Wer nun glaubt, dass Aktionswochen der Landesregierung Wochen sind, in denen zielgerichtetes und zweckrationales Handeln der Landesregierung geballt vorkäme, der irrt natürlich gravierend. Das Einzige, was in diesen Aktionswochen zielgerichtet und geballt stattfindet, ist Marketing ohne jedweden erkennbaren Handlungsanteil.
Deshalb müsste dieses Konzept von Rechts wegen auch eher Besichtigungswochen heißen, denn darum genau handelt es sich in der Realität. Genauso substanzlos wie die Aktionswochen sind dementsprechend auch die darauf folgenden Regierungserklärungen. Genauso war es eben heute wieder – deswegen wieder, weil dieses schon die zweite Regierungserklärung von Herrn Hahn war, der zweite Versuch, uns und der Öffentlichkeit insgesamt darzulegen, was die Landesregierung in ihrer Gesamtheit an fester Motivation, klar umrissenen Zielen und Konzeptionen für zweckrationales Handeln und an entsprechenden Erfolgen vorzuweisen hat. Mit aller Zurückhaltung ausgedrückt: Das Ergebnis ist erneut höchst unbefriedigend.
Herr Minister Hahn, man wird Ihnen in aller Regel den guten Willen nicht absprechen können. Wir können aber nach den fast fünf Jahren, in denen Sie das Amt des Integrationsministers innehaben, nicht mehr einfach den guten Willen für die Tat nehmen. Fast fünf Jahre wären genug Zeit gewesen, eine in sich konsistente Integrationspolitik für die
Menschen zu entwickeln, die bereits seit vielen Jahren und Jahrzehnten hier leben, und eine Zuwanderungspolitik für die Menschen zu entwickeln, die zukünftig zu uns kommen wollen und kommen werden. Davon ist weit und breit nichts zu sehen. Das liegt nicht nur am zerrissenen inneren Zustand der schwarz-gelben Koalition in praktisch allen relevanten Fragen der Integrationspolitik. Herr Minister Hahn, das liegt zum guten Teil auch an Ihnen selbst.
Hinsichtlich des unterstellten guten Willens muss man nämlich einschränkend sagen, dass Sie unsere Geduld mit vielen integrationspolitischen Äußerungen und Handlungen arg auf die Probe gestellt haben. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die nach wie vor völlig inakzeptable Einladung eines hemmungslosen Provokateurs und Grenzgängers zum Rassismus wie Herrn Sarrazin.
Ich erinnere an Ihre äußerst irritierende Bemerkung zu der von Ihnen und niemandem sonst aufgeworfenen Frage, ob die Deutschen reif seien, Herrn Rösler als Wirtschaftsminister zu akzeptieren. Ich bin der Meinung, dass die Deutschen Herrn Rösler als Wirtschaftsminister durchaus nicht akzeptieren.
Sie tun das in ihrer großen Mehrheit nicht. Sie tun das aber aus guten wirtschaftspolitischen Gründen nicht, und nicht aus den Gründen, die Sie den Menschen dieses Landes unterstellen.