Karl-Josef Laumann
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Last Statements
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion greift mit ihrem Antrag ihre bereits im Dezember 2008 und im Januar 2010 erhobene Forderung nach Aufnahme der Leih- und Zeitarbeitsbranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf.
Dabei zeigen die schwammigen Formulierungen der Forderungen, dass sich selbst die SPD im Klaren darüber ist, dass die Landesregierung gar nicht die rechtlichen Möglichkeiten dazu hat, auf Bundesebene dafür zu sorgen, dass die Leih- und Zeitarbeitsbranche aufgenommen und das ArbeitnehmerEntsendegesetz entsprechend geändert wird.
Als Aufhänger für den jetzigen Antrag dienen die Abschlüsse von zwei Tarifverträgen für die Leih- und Zeitarbeitsbranche. Sie meinen, dass man damit endlich auf dem Weg hin zur Allgemeinverbindlichkeit starten sollte.
In einem Punkt haben Sie recht: Die Vorgänger dieser Tarifverträge sind bereits am 31. Dezember 2008 ausgelaufen. Das heißt, sie wirkt zwar nach, aber hätten so nicht für allgemeinverbindlich erklärt werden können.
Nein.
Allerdings gibt es auch noch den Tarifvertrag des Bundesverbandes Deutscher Dienstleistungsunternehmen mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen.
Da aber gerade erst gerichtlich über die Tarifmächtigkeit der CGZP entschieden wird, die Gültigkeit dieses Tarifvertrages also durchaus problematisch erscheint, wäre eine Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages doch sehr gewagt. Das heißt, es gab keinen Tarifvertrag, den das Bundesarbeitsministerium für allgemeinverbindlich hätte erklären können.
Nun gibt es endlich wieder gültige Tarifverträge für diesen Bereich. Insofern ist tatsächlich eine wichtige Voraussetzung für eine Allgemeinverbindlicherklärung erfüllt.
Das Problem für eine Allgemeinverbindlicherklärung liegt aber darin, dass wir in der Branche mindestens zwei Tarifverträge haben. Diese Zahl kann sich auch noch erhöhen, da zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen, iGZ, und den DGB-Gewerkschaften bereits Tarifverhandlungen laufen. Möglicherweise wird auch noch zwischen dem Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen und den CGB-Einzelgewerkschaften ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen werden.
Das Problem bei solch verschiedenen Tarifverträgen innerhalb einer Branche liegt darin, dass es ein erheblicher Eingriff in die Tarifautonomie wäre, wenn der Staat unter Verdrängung eines niedrigeren Tarifvertrages einen anderen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärte.
Wenn ich mir den Verlauf der Tarifverhandlungen anschaue, verwundert mich eines sehr: Ich gehe davon aus, dass die betroffenen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände wissen, dass eine Allgemeinverbindlicherklärung nach dem ArbeitnehmerEntsendegesetz durch eine einheitliche Tarifstruktur zumindest stark begünstigt, wenn nicht gar erst ermöglicht wird. Wieso ist es diesen Beteiligten nicht gelungen, eine übereinstimmende Einigung zu erzielen?
Vor allem wundert mich, dass die im Januar/Februar bereits verkündeten Ergebnisse näher beieinander lagen als die jetzt abgeschlossenen Tarifverträge. Damals hatte der Tarifvertrag zwi
Diese Unterschiede erschweren eine Allgemeinverbindlicherklärung deutlich. Eigentlich müssten alle an diesen Tarifverträgen Beteiligten ein Interesse daran haben, dass eine Allgemeinverbindlicherklärung erfolgt. Nur diese Allgemeinverbindlichkeit bietet die Gewähr, dass ausländische Konkurrenten sich an diese Bedingungen halten müssen. Damit können auch mit Eintritt der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit im Mai 2011 sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber vor ausländischer „Schmutzkonkurrenz“ geschützt werden.
Ich halte im Hinblick auf die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit im Mai 2011 die Aufnahme der Leiharbeitsbranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für den richtigen Schritt. Ich halte ihn im Übrigen auch für einen unverzichtbaren Schritt. Wenn Sie heute erleben, welche Seminare polnische Arbeitgeberverbände heute schon in Berlin veranstalten, um sich auf diesen Markt vorzubereiten, und über welche Löhne dort gesprochen wird, dann weiß man: Wenn wir in Deutschland noch eine Zeitarbeitsbranche haben wollen, ist die Aufnahme in das Entsendegesetz eine unabdingbare Aufgabe der Politik.
Aber wir müssen ganz klar sehen: Solange wir konkurrierende Tarifverträge haben, ist das aus meiner Sicht nicht möglich, vonseiten der Politik einen Tarifvertrag herauszugreifen und ihn für allgemeinverbindlich zu erklären.
Deswegen bleibt es Aufgabe der Politik, die sich auch meinem Ministerium stellt, dass wir in den nächsten Wochen schlicht und ergreifend weiter daran arbeiten müssen, um zu einem einheitlichen Tarifvertrag in der Zeitarbeit zu kommen. Ich sehe in den letzten vier bis sechs Wochen trotz aller Probleme und Unterschiedlichkeiten, die wir sowohl auf Arbeitgeber- wie auf Gewerkschaftsseite in diesem Bereich haben, sehr viel mehr Licht im Tunnel einer solchen Tarifeinigung als noch vor Monaten. Und wenn man dann einen einheitlichen Tarifvertrag hat, muss man auch einen Weg finden, wie man diesen Tarifvertrag im Entsendegesetz absichert. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So wie der SPD-Antrag „Gute Gesundheitspolitik für die Menschen in NRW“ formuliert ist, kann man ihn nur stellen, wenn man weiß, dass durch die Mehrheit des Parlamentes die Ablehnung dieses Antrages gesichert ist;
denn ansonsten würde man unser Gesundheitssystem damit in schwere Bedrängnis bringen.
Frau Gebhardt, Sie haben in Ihrer Rede kritisiert, was in den letzten fünf Jahren alles passiert sei. Dazu sage ich Ihnen nur: Wir haben in NordrheinWestfalen dafür gesorgt, dass unsere Krankenhäuser mit einer klaren, für sie berechenbaren Investitionspauschale endlich ein gerechtes Finanzierungssystem bekommen haben. Ihren alten FörderPaternoster, den wir abgeschafft haben, wünscht sich in Nordrhein-Westfalen niemand mehr zurück.
Sie haben vergessen, zu erwähnen, dass wir mit dem Krankenhausgestaltungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen eine Riesenwelle der Zusammenarbeit bis hin zu Fusionen von Krankenhäusern Schritt für Schritt erreicht haben. Jetzt sind wir mitten in diesem Prozess, in dem wir in den Regionen qualitativ erheblich nach vorne kommen. An dieser Stelle sorgen wir auch dafür, dass in den Krankenhäusern Strukturen entstehen, in denen man unter den Bedingungen der diagnosebezogenen Fallpauschalen erfolgreich Medizin betreiben kann.
Sie haben wohl Gedächtnislücken, wenn es um die Frage geht, wie stark die Ärzteausbildung in Nordrhein-Westfalen in den letzten zehn Jahren Ihrer Verantwortung zurückgeführt worden ist. Die Ärzte, die uns jetzt fehlen, hätten vor zehn Jahren ihr Studium aufnehmen müssen, damit sie heute da wären.
Welche Landesregierung hat denn die hausärztliche Versorgung auf dem Lande zum Thema gemacht? Das war doch wohl die Landesregierung, die jetzt im Amt ist. Es war vor allem mein Haus und insbesondere der Minister selber, der dies zum Thema gemacht hat.
Natürlich sind wir auch in der Frage der Prävention aktiv. Es gibt eine Broschüre, in der Sie das Präventionskonzept dieser Legislaturperiode nachlesen
können – von der Sturzprävention für ältere Menschen über die Frage übergewichtiger Kinder hin zu vielen anderen Punkten. Ich weiß gar nicht, warum ich dem Landtag andauernd diese Informationen zuschicke, wenn Sie sie einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Aber man kann zuschicken, was man will – wenn jemand das nicht zur Kenntnis nehmen will, nimmt er es eben nicht zur Kenntnis.
Ist eigentlich völlig vergessen, dass wir im Gesundheitssystem eine Situation haben, die zunehmend zu einer Zweiklassenmedizin führt, und zwar deswegen, weil über Jahre das Finanzierungsproblem des medizinischen Fortschritts in der Bundesrepublik Deutschland nicht gelöst worden ist?
Das ist einfach eine Wahrheit. Es ist doch wahr, dass wir in vielen Bereichen diese Mangelverwaltung haben, weil wir budgetieren, budgetieren und nochmals budgetieren. Zwar schreiben wir alle zusammen in die Gesetze, dass jeder Mensch jede medizinische Leistung bekommt. Als Staat ducken wir uns dann aber weg und lassen die Ärzte alleine vor der Frage stehen, dies mit Budgets irgendwie sicherzustellen.
Deswegen wehre ich mich ernsthaft dagegen – darüber werden wir uns in den nächsten Wochen sicherlich noch unterhalten –, dass jede Überlegung, beim Gesundheitssystem der Bundesrepublik Deutschland auch über neue Finanzierungsquellen für die Finanzierung des medizinischen Fortschritts nachzudenken, von vornherein als unsozial dargestellt wird.
Ich weiß nur: Es ist das Unsozialste in einem Gesundheitssystem, wenn es in diesem Land in stärkerem Maße eine Zweiklassenmedizin gibt. Das ist das Unsozialste, was passieren kann.
Da wir uns auch bei der Honorierung der Ärzte in der gegenwärtig nun einmal bestehenden Situation befinden, haben wir in bestimmten Regionen unseres Landes, in denen der Anteil der Privatversicherten niedrig ist, ernsthafte Probleme, noch niederlassungswillige Ärzte zu finden. Oder entgeht Ihnen etwa völlig die Realität in den ländlichen Gemeinden des Sauerlandes, im Kreis Borken oder im Kreis Kleve? Entgeht Ihnen völlig die Realität in Ostwestfalen-Lippe, wenn es darum geht, junge Ärzte in den Kreis Höxter zu holen? Entgeht Ihnen das wirklich alles völlig?
Der Grund dafür, dass die jungen Ärzte nicht dorthin gehen, liegt nicht etwa darin, dass sie von vornherein etwas gegen die jeweilige Region hätten, sondern darin, dass sie unter der Budgetierung von Ulla
Schmidt – und im Übrigen auch unter dem Verhalten der Kassenärztlichen Vereinigungen – nicht wissen, wie sie eine Landarztpraxis noch aufbauen und solide finanzieren sollen!
Ich halte es schon für eine Zweiklassenmedizin, wenn die Ärzte in den Städten, wo der Anteil der PKV-Versicherten hoch ist, vorhanden sind, während wir auf dem Land, wo der Anteil der PKVVersicherten logischerweise wesentlicher niedriger ist, kaum noch eine ärztliche Versorgung hinbekommen.
Ich sage Ihnen: Laumann sorgt dafür, dass die Landbevölkerung genauso versorgt wird wie die Stadtbevölkerung. Das werden wir auch in den nächsten Jahren hier durchsetzen.
Jetzt will ich einmal ganz ruhig zu der nächsten Frage kommen. Wie ich gehört habe, wird man irgendwann nach Ostern bei Ihnen gegen eine Kopfpauschale unterschreiben können. Ich weiß gar nicht, wofür Sie diese Unterschriften sammeln. Von der Regierung in Berlin wird es keine Kopfpauschale geben; denn wir werden an der beitragsfreien Mitversicherung von nicht berufstätigen Ehegatten festhalten, und wir werden daran festhalten, dass die Kinder ohne eigene Beiträge in der gesetzlichen Krankenkasse versichert sind.
Wir waren auch die Regierung, die durch den Einsatz erheblicher Steueranteile im Gesundheitswesen die ersten Schritte dahin gemacht hat, dass Kinder nicht nur über Beitragszahler finanziert werden, sondern auch über Steuern, sodass auch diejenigen mit zu ihrer Finanzierung beitragen müssen, die gar nicht Mitglied des GKV-Systems sind. Das ist mehr Solidarität und nicht weniger Solidarität.
Bei Ihnen wäre in dieser Frage nämlich nichts anderes passiert als eine knallharte Beitragserhöhung – und das in der aktuellen Wirtschaftskrise!
Sie müssen es doch auch wissen, wenn Sie sich etwas mit Politik beschäftigen – und das sollte man schon tun, wenn man hier bezahlt wird. Zur Beschäftigung mit Politik gehört nämlich auch die Erkenntnis von Realitäten und Zusammenhängen.
Da gibt es noch eine Sache. Schauen Sie sich schlicht und ergreifend einmal die Preissteigerung bei Arzneimitteln an. Sie betrug in den letzten zehn Jahren 65 %. Übrigens haben Sie neuneinhalb Jah
re davon die Gesundheitsminister auf Bundesebene gestellt.
Dazu nur ein Beispiel: Es ist doch nicht wahr, dass diese Steigerungen entstanden sind, weil wir alle zu viele Medikamente nehmen und weil wir eine Entwicklung bei den Preisen haben, die ganz furchtbar ist. Das spielt bei einem kleinen Teil eine Rolle. Jetzt ist Herr Rösler ja auch dabei, das einzufangen. – Der entscheidende Punkt, warum wir diese Ausgabensteigerung bei den Medikamenten gehabt haben, meine Damen und Herren, ist doch, dass wir – Gott sei Dank – einen gewaltigen medizinischen Fortschritt bekommen haben.
In der letzten Sitzungswoche – viele von Ihnen waren mit dabei – haben wir im nordrhein-westfälischen Landtag eine Feierstunde für 25 Jahre Aids-Hilfe gehabt. Warum war denn kein einziges Mitglied der Aids-Hilfe dabei, das vor 25 Jahren zu den Gründungsmitgliedern gehört hat? Weil damals Aids eine Krankheit war, die zum Tode führte.
Die Aids-Hilfe ist am Anfang – das haben wir alles noch einmal gehört, es ging einem wieder richtig auf, weil man die Zeit auch bewusst miterlebt hat – eher gegründet worden, um Menschen, die am Rande der Gesellschaft standen – das war ein gesellschaftliches Problem –, die aber vor allem krank waren, die pflegebedürftig waren, ein Stück soziale Unterstützung zu geben.
Dass Aids heute eine Krankheit ist, die nach wie vor schlimm ist, bestreitet niemand. Aber dass wir aufgrund von medizinischem Fortschritt in der Lage sind, dass diese Menschen heute damit eine erheblich längere Lebensperspektive haben, ist doch ein Segen. Aber, meine Damen und Herren, das kostet nun einmal im Gesundheitswesen Geld. Und dieses Geld muss zur Verfügung gestellt werden.
Gucken Sie sich die Entwicklung bei den Krebserkrankungen an! Wir sind in der Frage der Heilung gar nicht so viel besser geworden. Aber die Zeitspanne, wie lange man mit einer solchen Krankheit in vielen Fällen mit einer hohen Qualität leben kann, hat mit Fortschritten bei Medikamenten zu tun. Sie wissen, dass wir hier oft über eine Medikation von tausend und mehr Euro im Monat reden. Das muss ein Gesundheitswesen zur Verfügung stellen.
Deswegen sind CDU und FDP der Meinung, dass wir diesen medizinischen Fortschritt nicht alleine auf die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze abwälzen können, so wie wir das Gesundheitssystem in Deutschland seit 135 Jahren über dieses Arbeitsverhältnis am meisten und fast ausschließlich finanzieren.
Die Wahrheit ist – ob wir regiert haben oder ob Sie regiert haben, ich war lange dabei in Berlin, ich habe unterschiedliche Gesundheitsreformen erlebt, es gab auch welche, die man zusammen gemacht hat –, die Wahrheit ist, dass wir manche Budgetierungen gemacht haben, weil wir uns aus wirtschaftspolitischen Gründen eine Steigerung der Lohnnebenkosten nicht erlauben wollten. Auch dass wir die Parität nicht mehr haben, im Übrigen von Rot-Grün beschlossen, hat mit dieser Frage zu tun.
Das kritisiere ich ja gar nicht. Aber dass man in einer Regierungskommission in Ruhe am Anfang einer neuen Regierung überlegt, ob man es unbürokratisch schaffen kann, dass man auch neuere Finanzierungsquellen für das Gesundheitssystem findet, ohne eine riesige Bürokratie auszulösen, wobei die alten Grundsätze gelten -Gesunde zahlen für Kranke, Stärkere zahlen für Schwache mit, und vor allen Dingen, alle Menschen haben einen Anteil am medizinischen Fortschritt –, halte ich für richtig, für verantwortungsbewusst und in dieser Zeit für eine notwendige und gebotene Maßnahme im Gesundheitssystem.
Wenn Sie nicht für diese Finanzierungsquellen sorgen, dann ist alles das, was Sie sich an medizinischer Versorgung wünschen, in Wahrheit Schall und Rauch. Es glaubt Ihnen nämlich niemand mehr, dass man in die Gesetze reinschreiben kann, ihr bekommt jede medizinische Leistung, wenn man auf der anderen Seite Ärzte beauftragt, Budgetierungen vorzunehmen und dann mit ihrem Gewissen alleine zu verantworten, was es noch an medizinischen Leistungen gibt.
Deswegen bin ich ganz entschieden dafür, dass wir diesen Weg weitergehen. Wir müssen den Weg einer engeren Verzahnung von ambulant und stationär weitergehen, um auch da Wirtschaftlichkeitsreserven zu nutzen.
Das kann doch nicht so aussehen, dass wir den Krankenhäusern im ambulanten Bereich jede Ermächtigung zur Behandlung geben. Denn wir haben in Deutschland auch Fachärzte im niedergelassenen Bereich. Man muss so etwas auf Ausnahmen beschränken. Das ist nun einmal unser deutsches System.
Ich möchte im Übrigen nicht, dass es dazu kommt, dass es nur noch angestellte Ärzte gibt. Es ist wichtig, dass wir eine Politik machen, bei der wir die medizinischen Versorgungszentren in Trägerschaft von Krankenkassen oder Pharmakonzernen nicht wollen. Wir wollen, dass der Arzt freiberuflich und unabhängig bleibt. Ich möchte, wenn ich krank werde, vom Arzt einen Rat bekommen und in ein Kran
kenhaus gehen, bei dem ich weiß, dass er an diesem Krankenhaus finanziell nicht beteiligt ist. Deswegen sind unsere Entscheidungen in dieser Frage zukunftsweisend und richtig.
Natürlich möchte ich auch ein Gesundheitssystem, bei dem wir nicht nur nach dem Markt rufen. Der kranke Mensch ist ein hilfesuchender Mensch, vor allen Dingen, wenn er schwer krank ist, und kein normaler Marktteilnehmer. Deswegen muss es den Auftrag des Staates in der Gesundheitspolitik geben, und den muss der Staat am Ende auch durchsetzen können, auch dann, wenn das die Selbstverwaltung des Gesundheitswesens schlecht macht: nämlich, dass wir in anderen Regionen unseres Landes, sowohl was den stationären Bereich wie den ambulanten Bereich angeht, eine exzellent gute Versorgung haben. Und das muss Schwerpunkt einer Krankenhausplanung sein.
Aber man muss innerhalb dieser Krankenhausplanung auch nicht die letzte Detailstation planen, das letzte Bett planen, sondern man muss dann auch bestimmte Patientenströme und Entwicklungen zulassen, bei denen sich ein Krankenhaus stärker entwickeln kann als andere, weil das auch mit Qualität zu tun hat. In diesem Rahmen wünsche ich mir auch unter Krankenhäusern einen gewissen stärkeren Wettbewerb, als wir ihn in der Vergangenheit hatten.
Deswegen ist vielleicht auch Ihr Antrag und diese Debatte so zu verstehen: Ich weiß sehr genau, dass wir in diesem Gesundheitssystem weder bei den niedergelassenen Hausärzten noch bei den niedergelassenen Fachärzten – trotz aller Probleme, die wir gerade in Nordrhein-Westfalen mit der Honorarsituation haben, die nicht politisch, sondern von der Selbstverwaltung zu verantworten sind –, aber auch in der Krankenhausszene niemanden finden, der sich wirklich wünscht, dass in diesem Land ein Bündnis aus Kommunisten, SPD und Grünen die Gesundheitspolitik bestimmt. Denn das wäre das Ende einer freiheitlichen Gesundheitspolitik.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da Herr Sagel und seine Partei in Deutschland dafür stehen, dass die Funktionäre eine Diktatur über die Arbeitnehmer ausüben, da seine Partei 40 Jahre dafür gestanden hat, dass es im anderen Teil unseres Landes keine freien Gewerkschaften gab,
da seine Partei 40 Jahre dafür gestanden hat, dass es keine freien Betriebsratswahlen gab,
und da seine Partei dafür gestanden hat, jeden Arbeitnehmeraufstand in dieser Zeit mit Panzern niederzurollen,
finde ich, dass man sich mit diesen Anträgen nicht auseinanderzusetzen braucht.
Deswegen lehnt die Landesregierung die Zusammenarbeit mit Ihnen und die Auseinandersetzung mit Ihren Anträgen ab.
Ich kann Sie von der SPD nur auffordern, endlich klar zu sagen, dass Sie mit dieser Partei keine gemeinsame Politik betreiben wollen. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal, Herr Kollege Schmeltzer, möchte ich gerne noch etwas zur Situation der JobPerspektive bei uns in NordrheinWestfalen sagen.
Mittlerweile haben wir in vielen Gesprächen mit dem Bundesarbeitsministerium erreicht, dass keine einzige Arge und Optionskommune in NordrheinWestfalen die Menschen, die heute in der JobPerspektive sind, rauswerfen muss. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir das erreichen konnten. Die Mittel für die JobPerspektive sind vom Bund von 560 Millionen € auf 700 Millionen € erhöht worden.
Der zweite Punkt: Wir haben bei der JobPerspektive auch in Nordrhein-Westfalen ein Problem. Es gibt einen Bericht des Bundesrechnungshofs, der dem Bundesarbeitsminister seit einigen Tagen vorliegt. Man muss sich einmal vorstellen, dass in 93 % aller Förderfälle die Förderhöchstgrenze von 75 % ausgeschöpft worden ist.
Ich war damals dabei, und Sie wissen, dass ich die JobPerspektive für ein gutes Arbeitsmarktinstrument halte, weil wir damit zum ersten Mal ein Instrument an der Hand haben, das berücksichtigt, dass es einen Teil von arbeitslosen Menschen gibt, die man nur mit einer mittelfristigen Perspektive wieder in den Arbeitsmarkt eingliedern kann.
Aber eine Förderung fast ausschließlich in einer Höhe von 75 %, das funktioniert nicht. Wir müssen deshalb jetzt in einer zweiten Welle in NordrheinWestfalen daran arbeiten, dass diese Fördersummen heruntergefahren werden. Dann kann man mit der gleichen Summe auch mehr Köpfe fördern.
Außerdem findet die JobPerspektive im ersten Arbeitsmarkt statt. 60 % der Stellen in NRW sind in der Privatwirtschaft geschaffen worden. Wenn ein Mensch im Rahmen der JobPerspektive 10 € die Stunde bekommt, dann zahlt der Arbeitgeber bei 75 % Förderung noch ganze 2,50 € die Stunde. Meine Damen und Herren, ich finde, Würde von Erwerbsarbeit hat auch damit zu tun, dass derjenige, der den Nutzen der Arbeit hat, dafür auch etwas bezahlt. Deswegen, finde ich, müssen wir da herangehen.
Ich war sowieso schon immer der Meinung, dass eine 75-%-Förderung zu hoch ist. Das ist damals sehr stark über die Wohlfahrtsverbände in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden. Ich habe seinerzeit immer die Meinung vertreten: Hört bei 50 % Förderung auf; denn wir können im ersten Arbeitsmarkt so etwas nur dann verantworten, wenn wir uns auch Gedanken darüber machen, dass diese Arbeitsplätze dort geschaffen werden, wo es auch eine gewisse Wertschöpfung gibt und ein Teil dieser Wertschöpfung auch in die Entlohnung fließt.
Der zweite Punkt betrifft die Frage der Haushaltssperre. Natürlich ist es für ein Mitglied der Regierung schwierig, etwas dazu zu sagen; denn das Haushaltsrecht ist das höchste Recht eines Parlaments. Es ist nicht zu kritisieren, wenn ein Parlament sagt, wir setzen eine Haushaltssperre. Das Parlament hat auch gesagt: Wir werden diese Sache wieder entfristen, wenn die Bundesregierung ein Konzept dafür vorgelegt hat, welche Eingliederungsleistungen sie mit diesen 900 Millionen € erbringen möchte.
Ich muss ehrlich sagen: Für eine Regierung ist es nicht schön, wenn ein Parlament das macht. Es ist aber das gute Recht eines Parlaments, ein solches Konzept einzufordern. Für eine Regierung ist das immer unbequem. Ich bin auch Abgeordneter. Wenn ich mich nur als solcher sehe, dann hätte ich auch auf die Idee kommen können, zu sagen: Liebes Bundesarbeitsministerium, als Abgeordneter möchte ich einmal ein Wörtchen bei dem mitreden, was ihr alles macht.
Herr Schmeltzer und Frau Steffens, ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie es so kritisieren, wenn Parlamentarier bei dem mitreden wollen, was gemacht wird.
Ich glaube, die Grünen hatten schon einmal etwas mit Basisdemokratie. Davon habe ich in meiner
Jugendzeit einmal etwas gehört. Jetzt finden Sie schon die Rechte eines Parlaments beim Haushaltsrecht nicht mehr in Ordnung. Junge, Junge, Junge, das sind aber Entwicklungen!
Ich war mein Leben lang Parlamentarier. Ich bin ein Mensch, der eine hohe Achtung vor dem Parlament hat.
Ja, Sie hören das nicht gerne. Ich weiß das wohl.
Aber was bedeutet das für Nordrhein-Westfalen? Wir haben jetzt noch nicht einmal Ostern. Bis zur Sommerpause wird das unsere Arbeitsmarktpolitik überhaupt nicht verändern.
Ich gehe fest davon aus, dass die Bundesarbeitsministerin dem Deutschen Bundestag bis zu diesem Zeitpunkt ein überzeugendes Konzept vorgelegt hat und dann die Mittel wieder entfristet sind. Dann geht die Arbeitsmarktpolitik mit diesem Konzept in die zweite Phase des nächsten Halbjahres. Ich finde, das ist doch ein ganz normaler Vorgang, über den man sich nicht sofort aufregen muss.
Die heutige Debatte ist wieder ein Beweis dafür, dass Sie keine Themen und kein Konzept haben und nicht wissen, womit Sie die Regierung ärgern sollen. Dann fällt Ihnen halt so etwas ein. Bitte schön. Sie sehen aber, dass ich in dieser Frage ganz relaxt bleibe. Es hilft Ihnen auch nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Erst einmal ist die Landesregierung froh, dass der Deutsche Bundestag nach fünf Jahren Hin und Her nun endlich eine Verdreifachung des Schonvermögens auf 750 € pro Lebensjahr beschlossen hat.
Damit ist eine der größten Ungerechtigkeiten der Hartz-IV-Gesetze beseitigt worden, nämlich Menschen, die fürs Alter vorgesorgt haben, all dieses wegzunehmen und damit deutlich zu machen, dass sich Altersvorsorge in diesem Land eigentlich nicht lohnt.
Ich kann mich im Übrigen noch an die Zeit erinnern, als Franz Müntefering noch Arbeitsminister war. Da habe ich mit viel Kampf erreicht, dass das Altersvorsorgevermögen um 50 € aufgestockt wurde. Zu mehr war man damals nicht bereit. Daran wollte ich nur einmal erinnern.
Nein, ich wollte dies eben ausführen; dann kommen wir auf die Frage zurück.
Des Weiteren haben wir entschieden, diese 750 € zusätzlich zu den Leistungen der Riester-Rente und auch zusätzlich zu Rentenansprüchen, die ohnehin unpfändbar sind, zu gewähren. In der gesetzlichen Rentenversicherung prüfen wir ja auch nicht, wie hoch zum Beispiel die Ansprüche auf Betriebsrenten sind, wie hoch die Ansprüche auf gesetzliche Rente sind, wie hoch die Ansprüche auf RürupRente sind, die auch eine sehr stark staatlich geförderte private Vorsorge ist, und wir prüfen auch nicht, wie hoch die Ansprüche auf Riester-Rente sind. Wir haben pauschal gesagt, dass es pro Lebensjahr 750 € sein sollen. Dies bedeutet im 60. Lebensjahr immerhin 45.000 €.
Wir erhöhen damit das Altersvorsorgevermögen in diesem Bereich von einer Rentenleistung von früher 85 € pro Monat – für diese 250 € pro Lebensjahr konnte man diese bestenfalls erreichen – auf 300 € Zusatzrente.
Frau Steffens schlägt jetzt vor, diesen Freibetrag in Höhe von 750 € für Frauen zu erhöhen. Dafür müsste eine Frau erst einmal über 45.000 € haben.
Außerdem glaube ich, dass – selbst wenn wir es machen wollten – wir damit Folgendes auslösen würden: eine Überprüfungsstrategie, was die Leute in der Rentenversicherung, bei Betriebsrenten und woanders für Altersicherungen haben. Dann werden Sie dies aber auch nicht nur auf Frauen begrenzen können, sondern dann wird es wieder auf das gesamte System übertragen werden. Will man das wirklich?
Ich glaube, dass wir eine unterschiedliche Bewertung, wie viel Altersvermögen bei Hartz IV unter Schutz gestellt ist, auch vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes nicht durchhalten. Von daher bin ich froh, dass wir die 750 € durchgesetzt haben.
Ich glaube nicht, dass der Antrag der Grünen zielführend ist und wir angesichts des Gleichheitsgrundsatzes ein solches Problem so, wie von den Grünen vorgeschlagen, wirklich lösen könnten.
Im Übrigen: Überlegen Sie es sich gut, wenn Sie dem Antrag der Grünen zustimmen, für was für eine Richtung Sie dann am Ende stimmen. Es sind sicherlich nicht die Frauen, bei denen es um die Frage der Altersarmut geht, sondern es sind in erheblichem Umfange diejenigen, bei denen wir uns über diese Frage auch keine Gedanken machen müssen. Auf der anderen Seite müssen viele Menschen, die wenig verdienen, mit ihren Steuergeldern immer höhere Freibeträge finanzieren. Ich finde, dass uns mit den 750 € alles in allem eine vernünftige Abwägung gelungen ist.
Noch einmal: Es geht bei der Altersvorsorge darum, dass wir das, was durch die Rentenversicherung aufgrund der Rentenreform bei der Rente an Volumen zurückgenommen wird, durch private Vorsorge zusätzlich aufbauen. Da liegen wir mit den 300 € Zusatzrente zurzeit im Bereich dessen, was man auch fachlich vertreten kann. – Schönen Dank.
Ja.
Das weiß ich nicht. Ich persönlich weiß nur, dass im letzten Jahr in ganz Deutschland, so wie ich die Statistik entziffern konnte, nur 14.000 Anträge wegen Vermögen abgelehnt worden sind – bei 6 oder 7 Millionen Anträgen, die gestellt worden sind. Das ist ein verschwindend kleiner Teil.
Aber darum geht es doch nicht, Frau Steffens. Es geht doch um folgende Frage, die vielleicht auch nur ein Arbeiterherz verstehen kann, nämlich dass die Menschen sagen: Ich habe 20, 30 Jahre in diesem Land gearbeitet, habe mit meinen Beiträgen und Steuern erheblich zur Finanzierung des Sozialstaates beigetragen, habe mir natürlich auch etwas fürs Alter zurückgelegt. Wenn mir dann etwas passiert, nehmen die mir alles weg. – Das wurde überall so diskutiert. Das fanden die Leute ungerecht.
Ich glaube, dass dieses Gesetz keine Gerechtigkeit in der Frage der Fälle bringt, sondern dass es ein Signal an die Menschen ist: Hier gibt es ein Stück Sicherheit für euch, auch für Menschen, die vielleicht aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit nie bei Hartz IV landen, aber die die Sorge haben, bei Hartz IV zu landen. Die Wahrheit ist nun einmal, dass gerade die Menschen, die in der Produktion arbeiten, in dieser Krise spüren, wie schnell man auch arbeitslos werden kann, obwohl man selber alles in seinem Leben vernünftig gemacht hat.
Ich glaube, den Menschen diese Sicherheit zu geben, war diese Anstrengung wert.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! NordrheinWestfalen ist ein gutes Land für Kinder. Politik für Kinder – das ist ein Schwerpunkt der Landesregierung. Die Landesregierung wird nicht hinnehmen, dass soziale Herkunft, Familieneinkommen oder Bildung der Eltern über die Zukunft der Kinder in Nordrhein-Westfalen entscheiden. Kinder brauchen mehr denn je die Unterstützung der ganzen Gesellschaft.
Die meisten Kinder in Nordrhein-Westfalen leben in sicheren sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Das heißt nicht, dass ich die Augen vor der wachsenden Anzahl von Kindern aus einkommensarmen Familien verschließe. Denn im Gegensatz zu der Vorgängerregierung belassen wir es nicht bei statistischen Angaben. Sie müssen immer daran denken, dass die letzte rot-grüne Regierung ihren letzten Armuts- und Reichtumsbericht nicht einmal im Plenum diskutieren ließ.
Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen geht das Thema Kinderarmut sehr offen an. Wir haben das Thema in aller Breite mit den Beteiligten im Land in fünf Regionalkonferenzen erörtert.
Mir war nach der Erstellung des ersten Armuts- und Reichtumsberichtes eines klar: dass man als Sozialminister mit den Zahlen und den Problemen erst einmal offen umgehen muss, um überhaupt eine Veränderung zu erreichen. Ich kann mich gut hineindenken, dass es einer Regierung nicht leicht fällt, mit diesen Zahlen offen umzugehen. Es war manchmal schon sehr schwierig, das in den fünf Regionalkonferenzen zu vertreten.
Ich will im Vorfeld meines Berichtes deutlich machen, worum es geht, wenn wir über Armut reden.
Kinderarmut hat folgende Gesichter: Erstens grundsätzlich immer die Arbeitslosigkeit der Eltern; zweitens das Aufwachsen bei einem alleinerziehenden Elternteil; drittens die Anzahl der Kinder im Haushalt; und viertens das Bestehen einer Zuwanderungsgeschichte. Zwar ist die Anzahl der Kinder aus einkommensarmen Familien in absoluten Zahlen gesunken – von 815.000 im Jahre 2005 auf 755.000 im Jahre 2008 –, aber die Armutsquote liegt immer noch bei 24 %. Im Vergleich: Die Armutsquote der Gesamtbevölkerung liegt bei 13,9 %. Das heißt, Minderjährige tragen nach wie vor ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko.
Seit der Einführung der bedarfsorientierten Grundsicherung nach dem SGB II im Januar 2005 ist die SGB-II-Quote der Kinder unter 15 Jahren kontinuierlich gestiegen, bis sie im März 2007 mit 479.815 Kindern 18 % erreicht hat. Im August 2009 lag die SGB-II-Quote der Kinder mit 17,3 % etwas niedriger. In absoluten Zahlen heißt das, dass wir trotz der Finanzkrise heute mit rund 443.000 Kindern fast 37.000 Kinder weniger im SGB-II-Bezug haben. Der Vergleich zu 2005 zeigt, dass wir besser geworden sind. Wir sind auf dem richtigen Weg.
Meine Damen und Herren, diese Zahlen nehmen wir sehr ernst. Wir werden auch in Zukunft das Thema Kinderarmut in den Mittelpunkt unserer Politik stellen und auch in den Mittelpunkt unserer Politik stellen müssen. Auch den von Armut betroffenen Kindern und Jugendlichen eine faire Chance auf Teilhabe zu geben ist für uns nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch eine sinnvolle und notwendige Investition in die Zukunft unseres Landes.
Das zeigt sich nicht zuletzt an den zahlreichen Maßnahmen und Angeboten für Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Lebensverhältnissen. Beispielhaft will ich hier nur nennen:
Zum 1. August 2008 ist das neue Kinderbildungsgesetz in Kraft getreten. Mit dem KiBiz wird Folgendes sichergestellt: Die Betreuung der Kinder unter drei Jahren wird deutlich ausgebaut. Bis zum 1. August 2013 werden wir den Rechtsanspruch für Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres erreicht haben. Schon heute stehen 58.242 Plätze in Kindertageseinrichtungen und 16.245 Plätze in der Kindertagespflege, die landesseitig gefördert werden, zur Verfügung. 2005 waren es nur 11.800 Plätze. Wir haben heute also das Sechsfache.
Inzwischen arbeitet ein dichtes Netz von ca. 2.400 Kindertagesstätten als Familienzentren. Damit erhalten Eltern passgenaue Angebote. Auf diese Weise können auch bildungsferne Familien erreicht werden.
Ich persönlich finde es im Übrigen bei meinen Besuchen in den Familienzentren der Kindertagesstätten immer sehr interessant, zu sehen, dass sie mit ihrer Arbeit in weiten Bereichen Bevölkerungsgruppen erreichen, die andere soziale Einrichtungen schon länger nicht mehr erreichen. Und darüber freue ich mich letzten Endes doch.
Die Sprachförderung für Kinder in den Tageseinrichtungen ist deutlich verbessert worden. Der Sprachstand von allen Kindern wird zwei Jahre vor der Einschulung erfasst. Insgesamt nehmen derzeit 70.000 Kinder an solchen Maßnahmen teil. Die Landesregierung stellt zusätzliche finanzielle Mittel in Höhe von 345 € pro Kind und Jahr bereit. Insgesamt betragen die Haushaltsmittel hierfür 28 Millionen €.
Damit sind die Weichen gestellt, dass alle Kinder beim Eintritt in die Schule über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen.
Die Förderung von in Armut aufwachsenden Kindern in der Schule ist eine besondere Aufgabe, der sich die Landesregierung durch zahlreiche Maßnahmen, die zur Verbesserung der Situation beitragen, gestellt hat.
Die Landesregierung hat kontinuierlich in allen Schulformen die Ganztagsplätze ausgebaut. Im Schuljahr 2004/2005 gab es 343.124 Ganztagsplätze. Im Schuljahr 2010/2011 gibt es aktuell 607.691 Ganztagsplätze. Das ist ein deutlicher Schritt nach vorne. Damit werden Kindern mehr Bildungschancen eröffnet und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert.
Der Übergang von der Schule in den Beruf ist besonders wichtig. Hier sind die Bereiche Arbeitsmarkt, Schule und Jugendsozialarbeit besonders gefordert. Dieses gilt auch für die Unternehmen und die Betriebe.
Die Landesregierung hat zentrale Maßnahmen initiiert, die gerade diesen Übergang verbessern helfen. Das Projekt BUS zielt darauf ab, benachteiligte Jugendliche an Haupt-, Gesamt- und Förderschulen, deren erfolgreicher Abschluss gefährdet ist, zu unterstützen. Im letzten Pflichtschuljahr werden schulisches Lernen und betriebliche Erfahrung kombiniert. Das BUS-Angebot gibt es derzeit an 300 Schulen. In den sogenannten BUS-Klassen werden 3.600 Schülerinnen und Schüler auf den Übergang in den Beruf vorbereitet. 3.400 Betriebe kooperieren mit diesen Schulen.
Wir haben das Werkstattjahr eingerichtet, an dem Jugendliche ohne Ausbildungsverhältnis teilnehmen können. Die Jugendlichen sollen zusätzlich zu den schulischen Ausbildungszeiten praktische Ausbildungseinheiten im Betrieb absolvieren. Es
werden jährlich rund 28 Millionen € für 5.000 Teilnehmer eingesetzt.
Gesundheit und Armut hängen direkt zusammen. Wer arm ist, dessen gesundheitliche Entwicklung ist auch beeinträchtigt. Die Landesregierung hat gerade in diesem Bereich wichtige Akzente gesetzt, zum Beispiel die finanzielle Förderung von Mittagsmahlzeiten. Mit dem Landesfonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ bekommen landesweit 82.000 Schulkinder aus ärmeren Familien jeden Tag ein Mittagessen im Rahmen der Ganztagsangebote.
Trotz schwieriger Haushaltslage haben wir den Landesfonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ verlängert und um 19,3 Millionen € aufgestockt. Die Einführung dieses Landesfonds war unbedingt notwendig. Allerdings dürfen solche Probleme eigentlich gar nicht erst entstehen. Nordrhein-Westfalen beteiligt sich deshalb am EU-Schulobst- und EU-SchulmilchProgramm.
Die Situation von Alleinerziehenden muss verbessert werden. 18 % der Bedarfsgemeinschaften in Nordrhein-Westfalen bestehen aus Alleinerziehenden. Das heißt, fast jede fünfte Bedarfsgemeinschaft ist ein alleinerziehender Haushalt. Der Anteil der Kinder, die bei einem alleinerziehenden Elternteil aufwachsen, nimmt zu: 1996 waren es 10,5 %, 2008 waren es 14,8 %. Ich möchte allerdings hinzufügen: Das heißt auf der anderen Seite auch, dass Gott sei Dank immer noch 85 % aller Kinder bei beiden Elternteilen aufwachsen. Auch das muss man zur Relativierung dieser Zahl dazusagen.
Kinder von Alleinerziehenden sind überdurchschnittlich häufig von Einkommensarmut betroffen. Diese Zahlen machen es deutlich. Wir müssen uns insbesondere um die alleinerziehenden Mütter und Väter kümmern. Sie haben es besonders schwer, mit den Folgen von Armut zu leben und ihren Kindern eine ausreichende Förderung zuteilwerden zu lassen.
Es ist eine wichtige Voraussetzung zur Verbesserung ihrer Situation, durch bessere Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Möglichkeit zu eröffnen, dass Alleinerziehende ein existenzsicherndes Einkommen erzielen. Deshalb haben wir seit 2005 zum Beispiel insgesamt 264.567 Plätze in Ganztagsschulen gefördert. Denn das ist die einzige Möglichkeit für Alleinerziehende, Kinder und Berufstätigkeit miteinander zu verbinden.
Was ich überhaupt nicht verstehe, ist, dass die gleichen Zahlen schon in den Armuts- und Reichtumsberichten der alten Landesregierung standen, Sie aber trotzdem nichts für das Angebot im Ganztagsbereich getan haben.
Vor allem junge Mütter gehen häufig ohne Ausbildung in die Familienphase. Danach gelingt es ihnen allzu oft nicht mehr, den Anschluss an den Arbeitsmarkt zu finden. Deshalb werden junge Mütter und Väter seit dem Ausbildungsjahr 2009/2010 auf eine betriebliche Erstausbildung in Teilzeit vorbereitet. In 16 Arbeitsmarktregionen des Landes werden bei 30 Trägern zurzeit bis zu 400 Teilnehmerplätze angeboten.
Das läuft so ab, dass wir erstens zusammen mit den Handwerks- sowie mit den Industrie- und Handelskammern Teilzeitausbildung bei den Unternehmen bekannter machen wollen.
Zweitens wollen wir einer jungen Mutter in den ersten Monaten der Ausbildung – wir denken dabei an sieben Monate; es kann aber auch länger gehen – über einen Träger eine Hilfe zur Verfügung stellen, damit sie Ausbildung, Haushalt und Babyversorgung unter einen Hut bekommt. Ich glaube, dass wir damit eine gute Maßnahme entwickelt haben, die wir über das Land finanzieren, um Teilzeitausbildung für ganz junge Mütter möglich zu machen. Denn ohne Berufsausbildung ist es schwer, später ein Einkommen zu erzielen, das ein Leben außerhalb des SGB II und damit außerhalb der Armutsgrenzen ermöglicht.
Arbeitspolitische Förderangebote werden gezielt zur Unterstützung von Berufsrückkehrerinnen genutzt. Dazu gehört insbesondere der Bildungsscheck in Nordrhein-Westfalen, den wir auch für Berufsrückkehrerinnen geöffnet haben. Dieses großartige, unkomplizierte, unbürokratische Förderinstrument ist in seiner Breite in ganz Europa so nicht wiederzufinden.
Aber eines muss man doch sehen: Die Alleinerziehenden sind nicht schlechter ausgebildet als andere Eltern, sondern genauso gut. Hier sind auch ganz deutlich die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen, dass mehr Alleinerziehende eingestellt werden. Es ist doch unmoralisch, wenn auf der einen Seite gefordert wird, dass die Leute mehr Kinder bekommen sollen, und sie auf der anderen Seite auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden.
Unsere Gesellschaft muss aufwachen. Hier ist jeder Einzelne gefordert. Das kann nicht alleine der Staat regeln. Das hat auch etwas mit Werten zu tun.
Wir haben 2008 den runden Tisch „Hilfe für Kinder in Not“ ins Leben gerufen. Damit geht die nordrheinwestfälische Landesregierung einen Weg, der in Deutschland einzigartig ist. Unter Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen und der Kommunen wird gemeinsam an einem Strang gezogen. Mit der Öffnung des runden Tisches für weitere Institutionen und Akteure ab Juli 2009 wurde dieser Weg konse
quent fortgesetzt. Wir sorgen damit für Transparenz in unserer Politik.
Durch die offene Diskussion und Vernetzung haben wir den Wirkungsgrad des Themas deutlich erhöht. Damit können alle Ressorts der Landesregierung auf allen Ebenen mit betroffenen Institutionen und Akteuren beraten und letztlich gemeinsame Lösungen und Handlungsansätze entwickeln.
In einem ersten Schritt hat die Landesregierung im März letzten Jahres an dieser Stelle einen Zwischenbericht vorgelegt. Ein wesentliches Ergebnis sind Leitziele des weiteren Entwicklungsprozesses. Nicht am grünen Tisch wurde über Lösungswege nachgedacht. Vielmehr hat eine breite Diskussion mit Experten unterschiedlicher Organisationen sowie Praktikern vor Ort stattgefunden. Wichtig war uns dabei, die Ergebnisse und Vorschläge aufzunehmen und sie zu einem integralen Bestandteil des Ihnen vorliegenden zweiten Zwischenberichts zu machen.
Meine Damen und Herren, wer die Lebensverhältnisse von armen Kindern und Jugendliche wirklich ändern will, der darf nicht an seinen eigenen Zuständigkeitsgrenzen halt machen. Er muss den Blick öffnen für die Vielfältigkeit der Benachteiligten und damit auch für die Notwendigkeit eines breiten Bündnisses.
Das heißt in der Konsequenz auch: Andere Meinungen und Vorstellungen werden nicht ausgeblendet und verschwiegen. Wir haben sie in den Bericht aufgenommen, auch wenn einiges nicht unseren eigenen Vorstellungen entspricht. Wir haben den fachlich zuständigen Verbänden die Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem vorliegenden Bericht gegeben. Wir haben sie im Wortlaut im Anhang aufgenommen, wie es sich für einen wirklichen Beteiligungsprozess gehört.
Meine Damen und Herren, nun komme ich zu den Ergebnissen. Die sechs folgenden zentralen Handlungsfelder haben sich herauskristallisiert: Familie stärken, frühe Förderung, Bildungsort Schule, Übergang Schule/Beruf, Kinderarmut und Gesundheit, Kinderarmut und Sozialraum. Diese Handlungsfelder geben das weitere Vorgehen auf Landesebene vor.
Beginnend mit dem zweiten Halbjahr 2010 sollen diese Handlungsfelder in den Mittelpunkt von übergreifenden Aktivitäten gestellt werden. Bestehende und geplante Programme und Maßnahmen sollen darauf überprüft werden, ob sie dem Ansatz der Bekämpfung und Vermeidung von Kinderarmut gerecht werden.
Mit diesem runden Tisch setzt sich die nordrheinwestfälische Landesregierung für die Kinder in unserem Land ein. Wir nehmen Teilhabegerechtigkeit von Kindern ernst. Die Arbeit des runden Tisches „Hilfe für Kinder in Not“ soll verstetigt werden, um auch zukünftig fach- und ebenenübergrei
fende inhaltliche wie auch strategische Handlungsansätze zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, schauen Sie mal in den Bericht. Ich freue mich, dass sich der Sozialverband VdK, die Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände, die Freie Wohlfahrtspflege Nordrhein-Westfalen und viele mehr an diesem Dialog beteiligt haben.
Wenn Sie deren Stellungnahmen lesen, erkennen Sie, dass sie auch vieles über das hinaus fordern, was wir zurzeit machen. Das sehe ich auch; das halte ich auch für gerechtfertigt. Aber Sie können darin auch lesen, dass all diese Verbände den Dialog, den wir in Nordrhein-Westfalen zu diesem Thema begonnen haben, begrüßen,
dass all diese Verbände mitarbeiten und dass all diese Verbände froh sind, dass die Sprachlosigkeit der Landesregierung gegenüber diesen Problemen durch die neue Landesregierung überwunden wurde. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer solchen Debatte muss man sich immer wieder eines vor Augen führen – zum Schluss ist das ein bisschen verloren gegangen –: Zurzeit leben 443.000 Kinder in Nordrhein-Westfalen von SGB II. Diese Situation ist nicht gut für das Land. Ich denke, darüber sind wir uns einig.
Man kann das Problem dieser Kinder im Grunde genommen nur lösen, wenn man gleichzeitig versucht, das Problem der Arbeitslosigkeit der Eltern zu lösen, und zwar unabhängig von der Frage, ob sie – wie in etwa 18 % der Haushalte bei Bedarfsgemeinschaften – alleinerziehend sind oder in Partnerschaften zusammenleben.
Zurzeit sehe ich diese 500.000 Arbeitsplätze auf dem nordrhein-westfälischen Arbeitsmarkt nicht. Es ist nicht so, dass wir die offenen Stellen haben und sie nicht besetzen können. So viel möchte ich zum Thema Arbeitsanreize sagen.
Die Opposition sollte zumindest einmal zugeben, dass sich etwas verändert hat. Seit 1998 verfolge ich auf unterschiedlichen politischen Ebenen die Berichterstattung über Armut und Reichtum in diesem Land. Mir ist aufgefallen, dass die Regierungen immer ein verklemmtes Verhältnis zu diesen Berichten hat. Geben Sie doch einfach einmal zu, dass ich der erste Sozialminister bin, der versucht, mit diesen Berichten ziemlich offen umzugehen.
Das habe ich mir auch gut überlegt; denn mir war immer klar: Wenn ich als Sozialminister keinen Beitrag dazu leiste, dass arme Kinder ein Thema in der Gesellschaft von Nordrhein-Westfalen werden, wer
den wir das Problem nicht lösen. Ich bin sehr zufrieden darüber, dass es nun ein Thema geworden ist.
Sie haben Sozialberichte erstellt, viele Institute daran beteiligt, die Berichte veröffentlicht und anschließend ganz schnell in die Schublade gepackt, ohne sie in das Parlament einzubringen. Das war Ihr Regierungsstil. Dazu müssen Sie stehen.
Deswegen hat sich jahrelang nichts verändert.
Der nächste Punkt ist: Ein Sozialstaat braucht Veränderungen in den Strukturen. Damit Menschen und insbesondere der hohe Anteil von alleinerziehenden Menschen überhaupt Arbeit aufnehmen können, müssen wir das Ganztagsangebot im Erziehungs- und Bildungssystem ausbauen. Das ist unstreitig richtig. Das ist die Voraussetzung dafür, um überhaupt Arbeit annehmen zu können.
Sie sollten die Größe haben zuzugeben, dass wir bei Regierungsantritt 11.800 Plätze im Kindergartenbereich, im Ganztagsbereich vorgefunden haben. Heute haben wir über 100.000 Plätze. Hier haben wir Strukturen verändert.
Über alle Schulformen in Nordrhein-Westfalen hinweg haben wir heute 264.000 Ganztagsschulplätze mehr als an dem Tag, an dem wir an die Regierung gekommen sind. Das eröffnet Perspektiven für Alleinerziehende. Wir haben die staatlichen Strukturen so gestellt, dass diese Menschen überhaupt eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und dadurch Armut überwinden können. Sagen Sie doch bitte einmal: Wir haben nichts gemacht. Ihr habt das in den letzten fünf Jahren gut gemacht. – Dann wären Sie in Ihrem Forderungsteil wenigstens ein bisschen glaubwürdiger. So kommen Sie mir fast wie Pharisäer vor.
Ja, gerne!
Im U3-Bereich waren es 11.000.
Ich habe jetzt U3 gesagt.
Frau Kollegin, präzise hin – präzise her: Dass Sie die Regierung im Jahr 2005 mit 11.800 Plätzen für unter Dreijährige abgegeben haben und damit den Ausschluss der Alleinerziehenden aus der Erwerbsarbeit zementiert hatten, ist die Wahrheit, ob präzise oder nicht präzise.
Deswegen können Sie uns in dieser Frage gar nichts vormachen. Ich sage Ihnen: In der Sozialpolitik ist es wie bei Hase und Igel; bevor Sie irgendwo sind, bin ich schon längst da. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal will ich ganz klar sagen, dass das, was bei uns in der CDU-Landesgeschäftsstelle passiert ist, nämlich dass Briefe verschickt worden sind, in denen man Zeitkontingente des Ministerpräsidenten gegen Geld angeboten hat, ein schwerer Fehler war.
Zweitens. Der politisch für die Geschäftsstelle verantwortliche Generalsekretär hat, wie es sich für einen gradlinigen Politiker gehört, dafür die Verantwortung übernommen. Für diese Entscheidung gebührt ihm, finde ich, zunächst einmal Respekt.
Der dritte und entscheidende Punkt ist, dass es in Nordrhein-Westfalen bei der jetzigen Landesregierung nie einen Terminverkauf – weder beim Ministerpräsidenten noch bei einem anderen Mitglied der Landesregierung – gegeben hat.
Meine Damen und Herren, wenn ich hier eben die SPD-Kollegen habe reden hören, dann möchte ich nur aus einer SPIEGEL-ONLINE-Nachricht zitieren:
Eine einseitige Anzeige im SPD-Zentralorgan „Vorwärts“ kostet 18.000 €. Gute Kunden der Zeitung bekommen einen ganz besonderen Ser
vice geboten: Kaminabende mit hochrangigen Vertretern der SPD.
Die Gespräche finden bis zu zwölfmal im Jahr statt, im noblen Brandenburger Hof in Berlin etwa, bei einem festlichen Essen und guten Weinen. 20 bis 25 Gäste kommen zu den Treffen und sie haben auch Gelegenheit zu vertraulichen Gesprächen am Rande der Veranstaltung.
Die SPD bezeichnet dieses als ein ganz normales Kundenbindungsinstrument.
Meine Damen und Herren, ich will nur ganz ruhig sagen: Der Unterschied zwischen den Mitgliedern der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen und der SPD in Deutschland ist, dass das, was Sie uns vorwerfen, bei Ihnen gemacht wird, wir es zwar angekündigt, aber nie gemacht haben. Das möchte ich schon einmal in dieser Deutlichkeit betonen.
Meine Damen und Herren, zur Stunde ist es so, dass die SPD-Fraktionsvorsitzende Frau Kraft mit Herrn Gabriel, anstatt hier im Plenum zu sein, lieber Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen macht. Das kann sie gerne machen – bei der Gelegenheit können sich die beiden ja darüber austauschen, wer die nächsten Termine im Brandenburger Hof übernimmt.
Im Übrigen ist der Brandenburger Hof in Berlin eine Gaststätte, die nahe der Arbeiterklasse ist.
Da finden Sie auf der Speisekarte nämlich weder Frikadellen noch Bouletten. Aber gut, nah am Menschen – naja, dazu soll sich jeder seine eigenen Vorstellungen machen.
Meine Damen und Herren, mir ist Folgendes sehr wichtig: Ich persönlich kenne Jürgen Rüttgers seit vielen Jahren.
Wie Sie wissen, bin ich auch seit vielen Jahren in der Politik. Dort habe ich viele Menschen kennengelernt. Mir ist heute in der Debatte wichtig: Bis jetzt habe ich in der Politik noch keinen Menschen kennengelernt, der als Politiker in Deutschland so geradlinig und bescheiden auftritt wie Jürgen Rüttgers.
Ich möchte Ihnen noch ein Zweites sagen.
Ihr hört das nicht gern. Das verstehe ich ja. Dass Sie ganz besonders böse auf den Mann sind, der Ihre Regierungszeit nach 39 Jahren beendet hat, kann ich sogar verstehen.
Genauso waren Sie immer böse auf Helmut Kohl, weil er Sie 16 Jahre in der Opposition gehalten hat. Das ist, wie ich finde, das größte Verdienst von Helmut Kohl.
Bei uns in der Christlich-Demokratischen Union gibt es seit 1946 eine wichtige Frage, die die Partei beschäftigt: Wir sind der Überzeugung, dass sich diese Bundesrepublik Deutschland auch von den Vorgängern, die wir in Deutschland erlebt haben, dadurch erheblich unterscheidet, dass für uns klar ist: In dieser Bundesrepublik Deutschland haben Politik und Wirtschaft gegenüber dem Menschen eine dienende Funktion.
Und, meine Damen und Herren, wiederum sage ich: Wenn ich einen Menschen bei uns in der CDU kenne, der seine politische Arbeit als eine dienende Funktion für unser Land und die Menschen begreift,
dann ist das Jürgen Rüttgers!
Meine Damen und Herren, ich möchte ein Weiteres sagen, weshalb Sie ja auch versuchen, das so hochzuziehen. Dass Sie kritisieren, dass die CDU solche Briefe geschrieben hat, ist Ihr gutes Recht, ich finde sogar Ihre Pflicht. Aber vor einer Sache warne ich: Wenn Sie genau wissen, dass von niemandem der Beweis erbracht worden ist, dass es gekaufte Gespräche gegeben hat,
natürlich legen wir alles offen –, dann kann ich Ihnen nur eins sagen:
Einem Kollegen bei aller parteipolitischen Gegnerschaft Käuflichkeit vorzuwerfen, sollte man sich dreimal überlegen.
Noch eines: Wir befinden uns wenige Wochen vor der Landtagswahl. Sie wissen ganz genau und spüren, dass der Ministerpräsident durch seine Arbeit in diesen Jahren einen riesigen Beitrag dazu geleistet hat, die Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen zusammenzuhalten.
Das wird auch daran deutlich, dass Menschen wie Herr Maier-Hunke, Herr Schulhoff, Herr BauwensAdenauer und Herr Guntram Schneider den Zukunftspreis der CDU in Nordrhein-Westfalen angenommen haben, weil sie an diesem Ministerpräsidenten genau diesen Zusammenhalt, den er hinbekommen hat, so schätzen.
Wissen Sie, ich kann es menschlich verstehen, aber politisch ist es nicht klug: Sie haben diesem Mann inhaltlich nichts entgegenzusetzen und versuchen es deshalb jetzt mit Dreck. Das kann ich nicht ändern.
Ich kann nur sagen: Mit diesem Dreck werden Sie die politische Kultur in Nordrhein-Westfalen für alle demokratischen Parteien nicht verbessern. Ich bin aber ziemlich sicher, dass bisher noch niemand mit Dreckschmeißen aus der Opposition herausgekommen ist. Deswegen: Bleiben Sie bitte da, wo Sie sind. Dafür werden wir weiter arbeiten. – Schönen Dank.
Das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen ist mit Hochdruck dabei, die Kapazitäten für den Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie auszuweiten. Ich habe es hier gestern schon gesagt: Wir haben da Probleme. Wartezeiten bei stationären Behandlungen von drei bis vier Monaten in manchen Regionen unseres Landes sind nicht in Ordnung.
Man muss allerdings sehen, dass die Kliniken die Wartezeiten unterschiedlich berechnen. Manche Kliniken rechnen ab dem Tag, an dem der erste Kontakt da ist. Ich finde, richtig ist es, ab dem Tag zu rechnen, an dem man die Diagnose hat. Aber dennoch: Da gibt es Probleme.
Ziel der Landesregierung ist es, die stationären und die teilstationären Angebote in diesem Bereich mit Hochdruck auszubauen. Mir schwebt im stationären Bereich ein Ausbau um rund 10 % und im teilstationären Bereich um rund 25 % vor.
Wir brauchen auch mehr niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater. Hier besteht allerdings das Problem, dass jedes Jahr nur sehr, sehr wenige die Ausbildung abschließen, sodass sich die Zahl der Niederlassungen leider im unteren zweistelligen Bereich bewegt. Das heißt, hier müssen die
Ausbildungszahlen erhöht werden. Nur: Die Ausbildungen dauern bis zu zehn Jahre. Das sind relativ lange Ausbildungen. Es geht auch um Weiterbildungsplätze. Gott sei Dank sieht es im Bereich der nichtärztlichen Psychiater besser aus. Aber, wie gesagt, wir sind mit Hochdruck dabei, die Kapazitäten für schwere Behandlungen auszubauen, damit wir die Wartezeiten – das ist mein Ziel – auf etwa vier Wochen herunterdrücken können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Standpunkt der Landesregierung zu dem hier diskutierten Problemkreis ist klar, aber auch seit Langem bekannt.
Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ist der Auffassung, dass unser Land selbstverständlich festgelegte Löhne braucht. Aber die entscheidende
Frage ist, wer sie festlegt. Da unterscheiden wir uns erheblich von den Oppositionsfraktionen.
Die Oppositionsfraktionen sind der Meinung, dass der Staat in die Lohnfindung massiv eingreifen soll.
Wir sind der Meinung, dass zur sozialen Marktwirtschaft, wie wir sie bis jetzt in der Bundesrepublik Deutschland haben, unabdingbar gehört, dass die Löhne durch die Tarifvertragsparteien, durch Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, nach Regionen und Branchen festgelegt werden.
Zweiter Punkt! Wir haben als Politiker die Möglichkeit, dort, wo in Branchen Löhne festgelegt werden und die Gefahr sehr groß ist, dass sie nicht eingehalten werden, weil die Bindungskraft der Tarifverträge schwach ist, diese Löhne über allgemeinverbindliche Erklärungen oder durch Aufnahme ins Entsendegesetz in ihrer Wirkung quasi zu gesetzlichen Mindestlöhnen zu machen. Wir sind sehr dafür, weil die Lohnfindung stattgefunden hat, nicht politisch, sondern in den Branchen. Deswegen möchten wir diesen Weg weiter gehen. Deshalb begrüßen wir auch, dass heute die Bundesarbeitsministerin genau dies für den Bereich der Gebäudereiniger getan hat.
Ein weiterer Punkt, an den ich nur einmal erinnern möchte: Es hat sieben Jahre lang in Berlin eine rotgrüne Regierung gegeben. Die Wahrheit ist, dass es in diesen sieben Jahren nicht die Aufnahme einer einzigen Branche ins Entsendegesetz gegeben hat – keine einzige.
Erst in der Großen Koalition sind dann wieder Branchen ins Entsendegesetz aufgenommen worden. Meine Damen und Herren, es ist eine Tatsache, dass zur Stunde, wo der Landtag über diese Frage diskutiert, es in ganz Deutschland zuzüglich denen, die wir schon im letzten Jahr ins Entsendegesetz aufgenommen haben, keinen einzigen Antrag einer Branche gibt, ins Entsendegesetz aufgenommen zu werden.
Ich sehe noch in drei großen Bereichen Regelungsbedarfe:
Erstens in der Pflege, aber in den Verbänden der Pflege und der Arbeitgeberbereiche sind die Voraussetzungen noch nicht geschaffen. Ich würde es mir sehr wünschen. Es ist kein nordrheinwestfälisches Problem. Wir haben in der Pflege keine Mindestlöhne, aber deutschlandweit wäre das, glaube ich, richtig.
Zweitens. Ich wünsche mir sehr und appelliere auch hier noch einmal an die Tarifvertragsparteien in der Zeitarbeit, dass man die Bewegung, die es jetzt in der Zeitarbeit durch den neuen Tarifvertrag der Christlichen Gewerkschaften mit einem Arbeiterge
berverband gegeben hat, nutzt, um zu einem einheitlichen Tarifvertrag in der Zeitarbeit zu kommen, damit wir überhaupt rechtlich die Möglichkeit haben, diese Branche ins Entsendegesetz aufzunehmen. Wenn die Arbeitnehmerfreizügigkeit im Mai 2011 kommt, brauchen wir das; sonst ist Zeitarbeit mit osteuropäischen Löhnen in Deutschland rechtlich möglich.