Protocol of the Session on December 2, 2009

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer 136. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen in dieser Wahlperiode herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 14 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich Ihnen mitteilen, dass die Landeswahlleiterin mir mit Schreiben vom 12., 19. und 22. November 2009 mitgeteilt hat, dass Frau MarieTheres Ley aus der Landesreserveliste der CDU als Nachfolgerin von Thomas Jarzombek, dass Frau Claudia Middendorf, ebenso aus der Landesreserveliste der CDU, als Nachfolgerin von Rudolf Henke, dass Frau Helen Weidenhaupt aus der Landesreserveliste der SPD als Nachfolgerin von Dr. Gero Karthaus und Frau Dr. Ute Dreckmann aus der Landesreserveliste der FDP als Nachfolgerin von Christian Lindner Mitglieder des Landtags geworden sind.

Ich bitte Sie, meine Damen, zu mir zu kommen, damit ich nach § 2 unserer Geschäftsordnung Ihre Verpflichtung vornehmen kann.

(Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.)

Ich bitte Sie, die folgenden Worte der Verpflichtungserklärung anzuhören und anschließend durch Handschlag zu bekräftigen:

Die Mitglieder des Landtags von NordrheinWestfalen bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegenüber jedem Menschen dem Frieden dienen werden.

Sehr geehrte Damen – es ist etwas ganz Seltenes, dass wir hier vier Frauen verpflichten können –, ich heiße Sie als neue Abgeordnete herzlich willkommen und wünsche Ihnen für den Rest der 14. Wahlperiode noch sehr viel gutes Arbeiten. Tun Sie Ihre Pflicht! Ich bin sicher, dass Sie gute Erfolge haben werden. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, wir treten nun in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/10089

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfes erteile ich der Landesregierung das Wort, und zwar Herrn Minister Dr. Wolf.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir nach dem gestrigen Fahndungserfolg der nordrhein-westfälischen Polizei allen Kolleginnen und Kollegen der Polizei ein herzliches Dankeschön zu sagen für diesen hervorragenden Fahndungserfolg, der nun dazu geführt hat, dass beide Ausbrecher gestellt worden sind.

(Allgemeiner Beifall)

Das zeigt wieder einmal, dass die Polizei in Nordrhein-Westfalen sehr gut aufgestellt ist. NordrheinWestfalen ist insgesamt auch sicherer geworden. Die Zahl der angezeigten Straftaten ist von 2005 bis 2008 kontinuierlich um 5,1 % zurückgegangen. Die Aufklärungsquote wurde gesteigert. Das ist ein Erfolg unserer Polizei.

(Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Wir haben, meine Damen und Herren, den von RotGrün eingeleiteten Stellenabbau bei der Polizei gestoppt und 841 Stellen erhalten. Wir haben die Neuorganisation durchgeführt, damit die Verwaltung gestrafft und damit mehr gefahndet statt verwaltet und nicht zuletzt die Neueinstellung von 500 um 600 auf 1.100 jährlich erhöht, also mehr als verdoppelt, und damit auch dem demografischen Wandel Rechnung getragen.

Meine Damen und Herren, das hat die Vorgängerregierung nicht geschafft. Das ist die Leistung dieser Koalition und dieser Regierung.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir werden nun mit der Novelle des Polizeigesetzes das Recht in Nordrhein-Westfalen weiterentwickeln. Dabei werden auch Versäumnisse und Fehler der Vorgängerregierung korrigiert. Der neuesten Rechtsprechung wird Rechnung getragen. Ein Schwerpunkt ist an dieser Stelle die Fortentwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das den Schutz privater Lebensgestaltung konkretisiert. Hierbei handelt es sich um eine äußerst komplexe und komplizierte Materie.

Das hat auch gerade die SPD mit ihrem Gesetzentwurf in der Anhörung erleben müssen. Hier ist in Sachen Kernbereichsschutz auch Kritik geäußert worden. Sie sehen, dass viele Länder Kernbereichsschutzregelungen bisher nur für besonders grundrechtintensive Eingriffe getroffen haben. Wir setzen neue Maßstäbe durch eine generelle Kern

bereichsregelung, sozusagen vor die Klammer gezogen. Darüber hinaus gibt es bereichsspezifische Kernbereichsregelungen dort, wo es verfassungsrechtlich geboten ist.

Auch beim Schutz der Berufsgeheimnisträger gehen wir neue Wege. Anders als im Entwurf der SPD vorgesehen, sollen alle Berufsgeheimnisträger den gleichen hohen Schutz genießen.

Des Weiteren setzen wir die Koalitionsvereinbarung 1:1 um und nehmen notwendige Anpassungen vor. Die Polizei wird nun, wenn auch subsidiär, für die öffentliche Ordnung zuständig. Da die SPD das immer kritisiert, weise ich nur darauf hin, dass das sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Berlin und Brandenburg Rechtslage ist.

Wir setzen die Regelung des finalen Rettungsschusses um. Eine größere Rechtssicherheit für die Polizistinnen und Polizisten wollen wir schaffen. Das ist aus meiner Sicht ein guter Weg. Auch das kann sich die SPD gerne anschauen: Es ist in Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Bremen ebenso geregelt. Wir wollen, dass der Rettungsschuss, der natürlich Ultima Ratio bleibt, nur dann zulässig ist, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist. Das wird jetzt klar geregelt und ist ein Schutz für unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, den wir so wollen.

In diesem Sinne hoffe ich auf gute Beratungen und eine möglichst baldige Verabschiedung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Dr. Wolf. – Als erster Redner von der SPD hat Herr Dr. Rudolph das Wort.

Frau Präsidentin! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Zuruf: Guten Morgen!)

Ich kann die Unruhe auf den Bänken der CDU durchaus verstehen, wenn hier der Innenminister der Koalition spricht. Die Gründe dafür konnte man in den letzten Wochen in den Zeitungen nachlesen.

(Dr. Robert Orth [FDP]: Ihre Leute können Sie gar nicht hören!)

Ich habe die Einbringung des Gesetzentwurfs durch den Innenminister eher als einen realsatirischen Beitrag zur Belebung des Parlamentslebens in der, wie man im Rheinland wohl sagt, fünften Jahreszeit erlebt.

(Beifall von der SPD)

Das will ich begründen; diese Einbringung ist vor allen Dingen unter zwei Gesichtspunkten bemerkenswert: Wir reden im Grunde genommen – das hat der Innenminister versucht – über die Modernisierung des nordrhein-westfälischen Sicherheitsgesetzes anhand von höchstrichterlichen Urteilen und haben – das ist hier, glaube ich, ungeteilte Meinung – erheblichen Anpassungsbedarf.

Bemerkenswert ist deshalb, was die Landesregierung bis heute nicht vorgelegt hat, nämlich eine Novelle des Verfassungsschutzgesetzes. Ich möchte Sie, Kolleginnen und Kollegen, an den Ausgangspunkt auch für die heutige Debatte erinnern: Das ist die grandiose Niederlage der Landesregierung, die die Onlinedurchsuchung in unser Verfassungsschutzgesetz geschrieben und damit eine Bruchlandung in Karlsruhe erlebt hat.

Jetzt hätten alle eine Reaktion erwartet. Was aber wird dem Parlament vorgelegt? – Eine Novelle des Polizeigesetzes, die nichts anderes ist als ein Novellchen, das offenbar von der CDU-Fraktion, Herr Kollege Stahl, Herr Kollege Biesenbach und alle anderen Kolleginnen und Kollegen in der CDUFraktion, noch nicht mal halbherzig unterstützt wird. Deswegen empfinden wir es angesichts der Herausforderungen, die sich für die Modernisierung des Sicherheitsrechts stellen, schon als einen Witz, den Polizeibehörden zwar eine subsidiäre Zuständigkeit für die öffentliche Ordnung zu geben, sie aber nicht mit angemessenen und verfassungsgemäßen Befugnissen bei der präventiven Bekämpfung schwerster Verbrechen auszustatten.

Ich finde auch – um das noch einmal zu sagen – die Haltung der FDP in dem Punkt nicht verständlich. Wir erinnern uns doch alle gemeinsam daran, wie die FDP im nordrhein-westfälischen Parlament das neue BKA-Gesetz der Großen Koalition kritisiert hat. Der Innenminister hat von einem deutschen FBI gesprochen. Jetzt verzichtet man auf präventive Befugnisse im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz und sagt: Wenn etwas Schlimmes passiert und wir präventiv gegen den internationalen Terrorismus vorgehen müssen, dann haben wir ja zum Glück Berlin mit seinem BKA.

Wer so denkt und so handelt, Kolleginnen und Kollegen, der betreibt nichts anderes, als dafür zu sorgen, dass Nordrhein-Westfalen eine polizeiliche Provinz des Bundesinnenministers wird.

(Beifall von der SPD)

Das kann nicht in einem gut verstandenen und begründeten Selbstverständnis des Föderalismus liegen.

Die CDU marschiert derweil nach rechts ab: Videoüberwachung allüberall, automatisierte Kennzeichenerfassung, Bundeswehr im Innern, unbewaffnete Hilfspolizei, die 110 wählen soll, um die „richtige“ Polizei zu holen, wenn etwas passiert. Das alles

sind Vorschläge der CDU, die offensichtlich nicht in dem Gesetzentwurf untergebracht werden konnten.

Ich will den Kolleginnen und Kollegen der CDU noch einmal deutlich sagen, was Sie anrichten: Sie nehmen im Grunde genommen eine Einteilung vor; denn Sie schaffen drei Sorten von Polizei. Sie wollen die Bundeswehr im Innern mit Polizeiaufgaben ausstatten, Sie wollen eine zusammenschmelzende und kleiner werdende Landespolizei behalten, und Sie möchten angestellte Wachleute einsetzen. Ich sage Ihnen: Wer ein solches Verständnis von hoheitlichen Aufgaben und von Polizei hat, der untergräbt das Vertrauen der Bürger in das staatliche Gewaltmonopol, die demokratische Polizei und den Rechtsstaat ebenso.

(Beifall von der SPD)

Ich komme zum Schluss: Dieser Gesetzentwurf, aber auch das sicherheitspolitische Positionspapier der CDU sind zusammengenommen nichts anderes als eine Kapitulationserklärung der Union. Sie sind zugleich ein Misstrauensvotum gegen die eigene Regierung – im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, nicht nur gegen den Innenminister, sondern gegen den gesamten christdemokratischen Teil des Kabinetts und nicht zuletzt gegen den Regierungschef, von dem man eigentlich annehmen dürfte, er trage die Gesamtverantwortung für das, was die Koalition will und was die Regierung einbringt. Ich zitiere Herrn Papke: Wer jetzt schon wieder das neue Polizeigesetz infrage stellt, wie das die CDU ja tut, vermittelt die Gestaltungskraft eines Hühnerhaufens.

Diese Aussage greift ein Stück weit zu kurz, wenn sie sich nur auf die CDU bezieht. Denn dieser Hühnerhaufen ist die gesamte Koalition und die gesamte Regierung, die die Gesamtverantwortung haben. Das ist ein innenpolitischer Hühnerhaufen, wo munter mit- und gegeneinander gegackert wird und wo laufend Hahnenkämpfe ausgetragen werden, allerdings zum Schaden der Bürgerinnen und Bürger und zum Schaden unserer Polizei. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)