Protocol of the Session on March 11, 2010

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie sehr herzlich zu unserer heutigen, der 146. Sitzung. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich acht Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben heute zwei Geburtstagskinder. Geburtstag feiert heute der Kollege Manfred Palmen. Er wird 65 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Alles Gute im Namen aller Kolleginnen und Kollegen!

Außerdem hat der Kollege Michael Schroeren Geburtstag. Er wird 64 Jahre alt. Auch ihm gelten unsere Glückwünsche.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich folgende Hinweise:

Erstens. Unter Tagesordnungspunkt 6 der heutigen Sitzung ist die zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes NRW (AbgG NRW)“ vorgesehen. Entsprechend einer zwischen allen Fraktionen getroffenen Vereinbarung wurde dieser Gesetzentwurf Drucksache 14/10379 – Neudruck – inzwischen zurückgezogen. Stattdessen soll unter diesem Tagesordnungspunkt in erster Lesung ein Gesetzentwurf aller vier Fraktionen zur Änderung des Abgeordnetengesetzes Drucksache 14/10799 beraten werden. Das Beratungsverfahren soll unverändert bleiben. Wenn es dazu keinen Widerspruch gibt, können wir so verfahren.

Zweitens. Herr Sagel hat mit Schreiben von heute seinen Antrag „Kommunalfinanzen sichern – Die Umverteilung von unten nach oben muss gestoppt werden – sozialer, ökologischer, gerechter und solidarischer Schutzschirm“ Drucksache 14/10728 zurückgezogen. Damit entfällt die Beratung des entsprechenden Tagesordnungspunktes. Herr Sagel hat stattdessen einen Änderungsantrag zu TOP 3 angekündigt, der als Drucksache gleich hier im Plenum verteilt wird.

Meine Damen und Herren, wir können dann in die Beratung der heutigen Tagesordnung eintreten.

Ich rufe auf:

1 Elternrechte respektieren – Bekenntnisgrundschulen auch zukünftig als Bestandteil eines vielfältigen nordrhein-westfälischen Schulsystems erhalten

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/10782

Die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP haben mit Schreiben vom 8. März 2010 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem genannten aktuellen Thema der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Beratung und gebe als erstem Redner Klaus Kaiser von der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die heutige Aktuelle Stunde hat grundsätzliche Bedeutung, denn wir müssen darüber diskutieren, welche Zukunft die Bekenntnisschulen in Nordrhein-Westfalen haben und ob die Grünen den Elternwillen ernst nehmen oder nicht.

Unsere 1.034 katholischen, 103 evangelischen und zwei jüdischen Bekenntnisschulen bilden einen wichtigen unersetzbaren Bestandteil unseres Bildungssystems. Die CDU bekennt sich uneingeschränkt zu unseren Bekenntnisschulen.

(Beifall von der CDU)

Wir lassen nicht zu, dass diese wichtigen Schulen gerade für die jüngsten Schülerinnen und Schüler abgeschafft oder bevormundet werden.

Ein Blick in die Geschichte verdeutlicht, warum diese auch weiterhin ihre Existenzberechtigung haben. Die Mütter und Väter unserer Landesverfassung haben den Bekenntnisschulen eine starke Stellung zugebilligt, zum einen in bewusster Abkehr zur Gleichschaltungspolitik im Nationalsozialismus, als Schule gleichgeschaltet wurde, und zum anderen durch das Grundverständnis einer religiös-werteorientierten Gesellschaft. Daher war es eine kluge Entscheidung.

Wenn wir Erziehung und Wertevermittlung in unserer Gesellschaft fordern, dann gilt das in besonderer Weise für unser Schulsystem. Es ist daher schon bemerkenswert, wie die Grünen jetzt offen unsere Bekenntnisschulen angreifen.

(Lachen von den GRÜNEN – Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: Wo denn? Kein Beleg?)

So stellte Dr. Manfred Beck – bekanntlich grüner Dezernent in Gelsenkirchen – am 27. Januar in einer Anhörung des Landtags wörtlich fest, „dass Konfessionsschulen nicht mehr in die Zeit passen“.

Sigrid Beer äußerte, dass eine Debatte über ihren künftigen Status eröffnet werde.

Auch die Äußerungen von Frau Löhrmann machen deutlich, dass offensichtlich jetzt die Bekenntnisschulen sturmreif geschossen werden sollen.

(Lachen von den GRÜNEN)

Hier stehen wir vor einer grundsätzlichen Fragestellung. Für die CDU gilt, dass wir ein vielfältiges und differenziertes Schulangebot vorhalten wollen. Schulen können sich durch ihre pädagogischen Konzepte oder auch durch eine religiöse Grundorientierung unterscheiden. Damit machen sie Schülern und Eltern entsprechende Angebote. Von diesem Grundverständnis her sind die Bekenntnisschulen genauso zu werten wie etwa Waldorf- und Montessorischulen oder andere freie Schulen.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist Vielfalt statt Einheitsbrei.

(Beifall von CDU und FDP – Lachen von der SPD – Ute Schäfer [SPD]: Oh!)

Frau Schäfer ist auch wach. Das freut uns alle. – Unsere Verfassung sieht daher richtigerweise ein Wahlrecht der Eltern vor. Das Elternrecht hat eine entsprechend starke Stellung in der Verfassung. Deshalb ist es richtig, dass Eltern zum Beispiel über die Einrichtung einer Gesamtschule entscheiden. Deshalb ist es aber genauso richtig, dass sich Eltern für eine Bekenntnisschule entscheiden. Wir wissen, dass 30 % der Eltern für ihre Kinder eine private Ersatzschule als weiterführende Schule suchen. Auch hier übt eine wertegebundene Ausrichtung eine große Faszination aus. Die einschlägige Bestätigung des Elternrechts ist mehrfach höchstrichterlich vorgenommen worden.

Beispielsweise gehen die katholischen Bekenntnisschulen gerade auf den Erziehungsprimat der Eltern ein. In den entsprechenden Grundsätzen wird gefordert – ich zitiere –: „Die katholische Bekenntnisschule muß deshalb eng mit den Eltern zusammenarbeiten.“ Sie hat daher einerseits auch die Freiheit, über die aufzunehmenden Schülerinnen und Schüler zu entscheiden.

Andererseits machen die Bekenntnisschulen allerdings deutlich, dass sie bereit sind – so verfahren sie auch –, Kinder anderen Bekenntnisses aufzunehmen. Dies war ja immer wieder Anlass für Anfragen und Polemiken der Opposition. Insbesondere der Vorwurf der Verstärkung der Segregation wird von Ihnen stets aufs Neue erhoben. Er hält aber dem Wirklichkeitstest nicht stand. Mein Kollege Michael Solf wird das gleich noch näher untersuchen. Durch diese erneute Attacke wird deutlich: Sie ordnen das Elternwahlrecht Ihren parteipolitischen Erwägungen unter.

(Beifall von CDU und FDP)

Denn einerseits wollen Sie bei der Grundschulwahl – dazu gehört ja gerade auch die Wahl einer Bekenntnisschule – das Wahlrecht der Eltern einschränken, weil Sie die Bekenntnisschulen abschaffen oder einschränken wollen. Andererseits fordern Sie massiv die Elternbeteiligung, sobald es um Fragestellungen hin zur Einheitsschule geht. Damit gilt für Sie das Elternwahlrecht erster Klasse für alle Unterstützer des Einheitssystems und das Wahlrecht zweiter Klasse für Eltern außerhalb Ihres parteipolitischen Fokus.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Was?)

Hier unterscheiden wir uns allerdings fundamental von Ihnen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben, Herr Kaiser?)

Nehmen Sie auf der einen Seite das Beispiel der Debatte um die Anmeldeüberhänge an den Gesamtschulen, die Sie jedes Jahr führen, und auf der anderen Seite das Beispiel der Anmeldeüberhänge im Bereich der privaten Ersatzschulen, über die Sie noch nie diskutiert haben.

Ihre Artikel und Anfragen dazu waren sehr entlarvend. Sie sind ein Vorgeschmack darauf, wie Sie das Bildungssystem umzustellen beabsichtigen. Aus Ihren Äußerungen zur Bekenntnisschule wird deutlich, dass Ihnen nicht daran gelegen ist, Bildungsreform mit den Betroffenen zu machen, sondern dass es Ihnen darum geht, das Ganze einfach durchzuziehen.

(Beifall von der CDU – Sigrid Beer [GRÜNE]: Schwacher Beifall!)

Wir können unter Rot-Rot-Grün eine Polarisierung in der Bildungspolitik erwarten. Daran wird deutlich, dass Sie aus den Bildungskämpfen in NordrheinWestfalen nichts gelernt haben.

Alle Versuche in den 50er-Jahren, die Bekenntnisschule abzuschaffen, sind richtigerweise gescheitert. Die Volksabstimmung zur Verfassung hat eine klare Mehrheit für die Bekenntnisschulen ergeben. Viele von uns erinnern sich noch an die StoppKoop-Aktion von 1978, als der Großvater der heutigen Schulmodelle von Rot-Rot-Grün in einem Volksbegehren fulminant untergegangen ist. Auch die Hamburger Erfahrungen zeigen, dass es so nicht gehen wird.

Hinter der sanften Wahlkampflyrik wie der zarten Formulierung „Eine Schule für alle“ ist der Werkzeugkasten für einen Umbau unseres Schulsystems versteckt, bei dem kein Stein auf dem anderen bleiben wird.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie wollen hin zu einem ideologisch motivierten Einheitssystem. Ich bin sehr sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen dies nicht mitmachen werden; denn diese wollen nicht die

Abschaffung der Bekenntnisschulen; denn diese wollen nicht die Abschaffung der Gymnasien; denn diese wollen nicht die Abschaffung der Haupt- und Realschulen; denn diese wollen nicht den Einheitsbrei.

Mit dem Konzept einer rot-rot-grünen Schulpolitik werden Sie die Segregation in unserem Land verstärken; denn Ihr Einheitssystem macht zwangsläufig die Vielfältigkeit und Differenziertheit unseres Bildungssystems kaputt.

(Beifall von CDU und FDP)

Dies werden sich Eltern nicht gefallen lassen. Das wird zur Folge haben, dass sich ein zweites, wirklich segregatives Schulsystem etablieren wird. Dorthin werden dann die Kinder der Eltern gehen, für die Geld keine Rolle spielt.