Roland Koch

Appearances

16/1 16/3 16/9 16/10 16/12 16/13 16/16 16/19 16/21 16/23 16/25 16/28 16/31 16/33 16/35 16/37 16/39 16/41 16/51 16/52 16/55 16/59 16/62 16/63 16/68 16/71 16/72 16/74 16/80 16/83 16/84 16/85 16/87 16/89 16/93 16/96 16/102 16/103 16/114 16/116 16/120 16/127 16/138 16/141 16/144 16/145 16/146 16/150

Last Statements

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist gut, dass wir nach wenigen Tagen Weihnachtszeit jetzt alle in den Wahlkampf hinausgehen, denn da wollen wir offensichtlich hin.
Das ist auch so in Ordnung.Wir haben fünf Jahre hier gemeinsam gearbeitet, gestritten, unterschiedliche Positionen mit unterschiedlicher Leidenschaft vertreten. Am Ende muss man wieder über die Prinzipien reden.
Wählerinnen und Wähler haben bedauerlicherweise nicht wie Abgeordnete im Laufe von fünf Jahren Tausende von Stimmen, sondern sie haben eine Stimme für fünf Jahre, um zu bestimmen, was Abgeordnete tun. Das nennt man eine Richtungsentscheidung, in der die Bürgerinnen und Bürger Alternativen sehen können. Da ist es gar nicht schlecht, dass sich jeder aufregt.
Herr Kollege Al-Wazir, dass Sie heute Morgen frisch und spritzig gewesen wären, habe ich nicht erkennen können, aber das werden Ihre Freunde sicherlich auch so sehen.
Der Kollege Hahn hat Ihnen vorgemacht, wie man da ein bisschen kräftiger herangehen kann.
Auch im Wettbewerb der kleineren Parteien muss es einen Sieger geben. Der hat sich eben heute herausgestellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Tat lege ich Wert darauf – das mag ein bisschen ein Spleen sein –, dass man am Ende einer solchen Wahlperiode besonders jenseits unserer ganzen Reden, die wir halten, und der Wahlkämpfe, die wir machen, eine Chance hat, sich das genau anzuschauen. Verehrter Herr SPD-Generalsekretär Schmitt, ja, Regierungsprogramme werden in der Staatskanzlei gemacht, jetzt und auch in Zukunft.
Deshalb bereiten die Mitarbeiter die vor, und deshalb wird auch eine Regierungsbilanz in der Staatskanzlei erarbeitet.
Wenn man am Ende einer Wahlperiode jeden einzelnen Punkt,den man fünf Jahre zuvor Satz für Satz geschrieben hat – keinen weglassend und keinen hinzufügend –, genauso wieder hinlegt und daneben schreibt, was man fünf Jahre lang gemacht hat, dann ist das die verdammte Pflicht einer Regierung, die Bürgerinnen und Bürger als mündige Bürger zu informieren, was sie getan hat.
Wahlkampf machen wir woanders. Aber es ist Tatsache, dass eine Regierung den Mut hat, keinen Satz zu unterschlagen, jeden wieder aufzunehmen, die zu nennen, die sie ihrer Meinung nach erfüllt hat, die zu nennen, die sie nicht erfüllt hat. Dann können Sie darüber streiten. Sie können sagen: Das ist die falsche Farbe, das ist die falsche Bilanz. – Das ist alles Wahlkampf. Aber die Grundlage schaffen wir. Und diese Landesregierung legt eine sauberere und klarere Bilanz als jede andere Landesregierung in Deutschland vor.Das ist einer der Maßstäbe,die wir geschaffen haben.
Meine Damen und Herren, diese Regierung ist eine Regierung, die über all die Jahre Wert darauf gelegt hat, dass die Dinge dann gemacht werden, wenn sie notwendig sind, und nicht jeden Tag aus dem Opportunismus eines Moments heraus geglaubt hat: wie der Wind dreht – so herum oder so herum.
Was haben Sie sich in Gießen und in Marburg alles erhofft, als wir vor zweieinhalb oder drei Jahren hingegangen sind und ich gesagt habe, wir machen eine komplizierte Privatisierung der Universitätsklinik, um zwei Universitätskliniken in Mittelhessen zu retten? Das hat Hans Eichel unter dem Gesichtspunkt der Zusammenlegung schon vor den Landtagswahlen in den Neunzigerjahren machen wollen, aber darauf geschrieben: Damit verlieren wir die Wahl, und deshalb trauen wir uns nicht, in Gießen an der Universitätsklinik und in Marburg etwas zu machen.
Wir haben es gemacht, und Sie haben gehofft: Toll, jetzt werden wir die Wahlsiege feiern. – Schauen Sie sich einmal an, was anschließend passiert ist. Wir haben den Mut gehabt, den Bürgerinnen und Bürgern vorher zu sagen, was passiert. Wir haben die Studiengebühr nicht irgendwann später angelegt, sondern so, dass Studenten heute schon sehen können, was aus diesen Geldern in der Universität wird. Wir führen die Debatte über G 8 nicht irgendwann nach einer Wahl, sondern wir wissen, dass die Umstellung schwierig ist. Aber wir haben den Mut, den Menschen zu sagen: Wenn wir es nicht täten, wären wir das 14. Bundesland, das es nicht getan hat;
das bedeutet, wenn Sie umziehen, können Sie in kein anderes Bundesland mehr ziehen, ohne dass Ihre Kinder ein Jahr verlieren. – Wir machen die Dinge dann, wenn sie notwendig sind. Wir stehen dazu. Und das ist eine Realität.
Sie wissen ja, dass ich mich auch auf den Wahlkampf freue. Das brauchen wir nicht zu beschneiden. Aber ich freue mich durchaus, wenn ich mit Leuten diskutiere, wie sich Menschen ein neues Programm etwa im Bereich der Windkraft vornehmen. Da geht es mir gar nicht darum, ob Sie Windräder schön finden oder nicht.Aber was ich nicht
mag, ist, dass eine Partei hergeht und den Bürgerinnen und Bürgern sagt: Wir schalten die ganze konventionelle Energieversorgung eines modernen Industriestaates ab, und wir bauen überall Windräder hin.
Dann laufe ich durch das Land und sehe den Landrat Schnur im Odenwald. Dann laufe ich durch das Land und sehe den Landrat vom Werra-Meißner. Dann sehe ich das Schattenkabinett mit meiner verehrten Landtagskollegin vom Rhein-Main-Gebiet. Alle sagen mir: Windenergie ist eine tolle Sache,
aber in unserem Gebiet hätten wir nicht den Mut, das durchzusetzen. – Mit einer solchen Politik kann ich nichts anfangen.
Ich will auch in den nächsten Jahren in diesem Land für eine Politik stehen, die darauf Wert legt, dass wir unsere Chancen als ein Land der Mitte wahrnehmen. „Als ein Land der Mitte wahrnehmen“ heißt, wir sind besser erreichbar als andere. Wenn wir es schaffen, ist das alles nicht selbstverständlich: unser Reichtum, unser Wohlstand, die Tatsache, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer in Hessen pro Stunde mehr verdient als in jedem anderen Bundesland,
die Tatsache,dass von 1.000 Menschen,die in diesem Land leben, mehr als in jedem anderen westdeutschen Bundesland die Chance einer Beschäftigung haben,
die Tatsache, dass wir der Mittelpunkt von Entscheidungen sind, dass uns internationale Unternehmen mehr und mehr als den Platz in Europa ansehen, von dem aus man strategisch am besten die anderen Regionen Europas erreichen kann. Ich habe eine Regierungsverantwortung im Jahre 1999 nach neun Jahren übernommen, in denen man alles getan hat, um zu verhindern, dass Hessen seine Chance in der Mitte Deutschlands und Europas nutzt.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Menschen in der Mitte Deutschlands ein Land brauchen, in dem Bildung, Ausbildung, Forschung und Innovation zusammengehören.Wir haben damals ein Land übernommen, in dem Sie Bildung und Forschung zu einem Steinbruch gemacht haben,
indem Sie mit abstrusen Rechnungen dort die Haushalte geplündert haben, ein Land, dem Sie ein Jahrzehnt Chancen genommen haben, worunter wir bis heute leiden. Wäre die Regierung in den Neunzigerjahren nicht so mit den Hochschulen umgegangen, wären wir bei Exzellenzclustern und anderem genauso gut wie die Bayern und Baden-Württemberger.
In sieben oder acht Jahren sind wir da. Aber es war Ihr Versagen. Deshalb diese Dimension, die dort erreicht worden ist, die wir jetzt haben, die diese Vision für 2015 rechtfertigt. Herr Al-Wazir, ich nehme nichts davon zurück.
Ja, wir sind ein gutes Stück auf dem Weg vorangekommen. Das trifft sogar auf die Probleme der Bildungspolitik zu, an denen Sie glauben, sich weiden zu können. Ich sage Ihnen, sie sind ein Schritt auf dem Weg zum Bildungsland Nummer eins in Deutschland.
Wir haben nicht die Absicht, mitten in einem schwierigen Veränderungsprozess irgendetwas davon zurückzunehmen.Deshalb wird am Ende einer Richtungsentscheidung neben unserer Vision, neben der Kraft und neben den Selbstbestätigungszwischenrufen, die Sie hier machen, eine ganz schlichte Frage für Sie übrig bleiben.
Herr Al-Wazir und Herr Schmitt, wenn Sie hier sagen, Sie seien kurz davor, die Mehrheit zu bekommen, entgegne ich Ihnen: Lesen Sie die Zahlen.
Lesen Sie die Zahlen, wenn Sie wirklich der Meinung sind, dass Sie kurz vor der Mehrheit sind. Bei der letzten Umfrage sind Sie auf 30 % gekommen. Das sind immerhin 0,3 % mehr als vor fünf Jahren – sehr beachtlich.Wenn Sie sagen, Sie seien kurz davor, die Mehrheit zu bekommen, weise ich Sie darauf hin: SPD und GRÜNE zusammen erreichen nach dieser Umfrage 41 %. Die Christdemokraten und die Liberalen haben zusammen 50 %.
Sie wissen genau, dass Sie, wenn Sie die Mehrheit haben wollen und wenn Andrea Ypsilanti Ministerpräsidentin werden soll, die Stimmen der Kommunisten mit einkalkulieren müssen. Sonst hat Andrea Ypsilanti keine Chance.
Ich prophezeie Ihnen: Sie werden im Januar von Tag zu Tag häufiger gefragt werden, woher Sie Ihre Regierungsmehrheit bekommen wollen. Als Sozialdemokraten sind Sie Lichtjahre von uns Christdemokraten entfernt. FDP und GRÜNE werden nahe beieinander liegen und sich eine Schlacht um die Stimmen liefern.
Sie werden die Mehrheit nur bekommen, wenn Sie die Stimmen derer einkalkulieren, die Sie, Herr Schmitt, offenbar seit langer Zeit ins Auge gefasst haben.Warum hat Ihr Parteitag gegen den Willen der Basis eine Kandidatin gewählt, nur weil sie linker ist? Warum haben Sie ein
Wahlprogramm gemacht, das Sie ganz nahe an die Linkspartei heranrückt? Warum machen Sie all das?
Sie machen es nicht, um am Ende mich als Ministerpräsidenten zu wählen, sondern Sie machen das, um im Zweifelsfall Andrea Ypsilanti auch mithilfe der Linkspartei und der Kommunisten zur Ministerpräsidentin zu wählen. Das ist Ihr Recht.Aber die Wähler müssen es wissen.
Herr Kollege Schmitt, aus meiner Sicht ist es an der Zeit, dass Wahlkampf ist. Es ist gut, dass jetzt Wahlkampf ist. Danach sehen wir uns wieder.
Ich bedanke mich, dass Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, das hier auszudrücken. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Landtagspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Richtig ist, die Haushaltsdebatte über den Einzelplan des Ministerpräsidenten muss der Platz sein, an dem die grundsätzlichen unterschiedlichen Positionen deutlich werden. Natürlich ist es so, dass, wenn eine Wahl bevorsteht, es eine Kombination von Bilanz auf der einen Seite und von Ausblick auf der anderen Seite sein soll.
Frau Kollegin Ypsilanti,ich habe während Ihrer Rede versucht, ein bisschen zu verfolgen, welches Bild Sie von diesem Land haben. Denn wenn man Ministerpräsident oder Ministerpräsidentin eines Landes werden will, müssen die Bürger eine Vorstellung davon haben, ob man wahrnimmt, was in dem Land passiert. Deshalb ist auch die Frage, auf was man sich bezieht, eine ganz spannende. Immer, wenn ich in den Debatten der letzten Monate – an der einen oder anderen Stelle werde ich mir das auch heute erlauben – gesagt habe: „Schaut, wie es vor neun Jahren war“,
wird abgewinkt: Das ist so lange her, das hat doch keinen Einfluss mehr auf das,was heute passiert.– Gut,dann nehmen wir das doch einen Augenblick einmal so. Das Bundesland Hessen ist mit dem höchsten Bruttoinlandsprodukt
pro Erwerbstätigen weitab vor allen anderen. Das Bundesland Hessen ist mit weitem Abstand das Bundesland mit dem höchsten Arbeitnehmerentgelt unter den Flächenländern in der Bundesrepublik Deutschland.
Das Bundesland Hessen ist mit weitem Abstand das Land mit den höchsten Stundenlöhnen für die Arbeitnehmer aller Flächenländer in der Bundesrepublik Deutschland – deutlich vor Bayern, deutlich vor Baden-Württemberg und natürlich vor allen anderen,mit denen wir uns im normalen Vergleich nicht so sehr messen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,aber Hessen ist auch eines der Länder mit den meisten Abiturienten.Am Ende haben 46 von 100 einen Hochschulabschluss.In dem Musterland Rheinland-Pfalz, das nebenbei genannt wird, sind es 38. Wir haben pro 1.000 die höchste Zahl der Studierenden unter allen Flächenländern. Wir haben in diesem Land die höchste Quote von Abiturienten, die ein Studium beginnen.
Wir haben mit 18 % der hessischen Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren,die einen Hochschulabschluss haben, mit weitem Abstand den höchsten Prozentsatz in Deutschland. Wir sind das Land, das von 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die meisten Menschen in Forschung und Entwicklung im Vergleich zu allen anderen Ländern hat – ob Flächenländer oder Stadtstaaten in der Bundesrepublik Deutschland.
Wir sind inzwischen in der Versorgung mit Krippenplätzen, um es für den sozialen Bereich zu sagen, unter allen westdeutschen Flächenländern mit Abstand das Land Nummer eins.
Wenn Sie zum Schluss fragen, wie das die Versicherungen fragen:Wir sind auch von allen deutschen Bundesländern das Land, in dem die Menschen am wenigsten Angst vor Arbeitslosigkeit haben und sich am glücklichsten fühlen, wenn sie hier leben. Das ist die Bilanz der Zeit, in der wir hier arbeiten.
Frau Kollegin, deshalb müssen Sie sich die Frage stellen lassen, ob Sie vom richtigen Land reden, ob Sie an der richtigen Stelle waren,
oder ob Sie in einem verblendeten oppositionellen Tunnelblick die Leistungen der Menschen, die sie jedes Jahr hier erbringen, überhaupt nicht mehr sehen. Vielleicht ist das der Grund, warum Sie im 30-%-Getto verharren – bei allem, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben.
Es müsste doch gelegentlich eine Zeit des Nachdenkens darüber geben, warum die, die angeblich das Land so schlechtmachen,wie Sie es sagen,immer vor Ihnen liegen,
wenn das ganze Land in einer Aufbruchstimmung wäre, die so schrecklich wäre, dass einem alles leid tun müsste. Ich behaupte nicht, dass wir keine Probleme haben. Ich behaupte nicht, dass wir das Paradies sind. Das sind wir nicht.Aber wir sind ein Land, in dem mit großer Anstrengung der Menschen und mit großer gelassener Entscheidungskraft der Politik in den letzten Jahren die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind, dass dieses Bundesland Hessen spitze ist und dass die Menschen in diesem Land das wissen. Das ist eine der Ausgangsvoraussetzungen.
Wir befinden uns in einer Haushaltsdebatte. In der Tat muss man die Zahlen gegeneinander abwägen. Der Länderfinanzausgleich – ich komme noch auf andere Zahlen zu sprechen – ist durchaus ein Indiz für diese Entwicklung.
Was ist anders geworden? Wir zahlen in diesem Jahr mit allergrößter Wahrscheinlichkeit zum ersten Mal – die Abrechnungsdaten liegen vor – mehr als 3 Milliarden c in den Länderfinanzausgleich. Das ist mehr, als ein Land in der Bundesrepublik Deutschland bislang gezahlt hat. Es ist der bisher größte Abstand, den wir zu anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland haben. Dieser Abstand ist aufgrund der hohen Einkünfte der Menschen
und aufgrund der hohen wirtschaftlichen Produktivität, also durch unsere Leistung bedingt, zustande gekommen.
Es ist nicht nur das.Vielmehr definiert der Länderfinanzausgleich auch den Abstand, den wir aufgrund unserer Leistungskraft zu anderen Ländern haben.
Ich kritisiere ihn im Augenblick gar nicht, sondern stelle nur fest, was wir im Verhältnis zu anderen leisten. Ich bin überhaupt nicht am Lamentieren, sondern beschäftige mich mit der Frage, wie gut dieses Land ist.
Bei der Frage, wie gut dieses Land ist, muss man eines feststellen: Wir haben in dieser Legislaturperiode – also von 2003 bis 2007, mit einer Nettokreditaufnahme von 5,4 Milliarden c in dieser Zeit – in den Länderfinanzausgleich Zahlungen in Höhe von 10,2 Milliarden c geleistet. Das heißt,wir haben nur 52 % dessen,was wir in den Länderfinanzausgleich gezahlt haben, durch eine Nettokreditaufnahme ergänzen müssen.
Wenn alles so gut wäre, müsste es vorher anders gewesen sein. Jetzt nenne ich ein anderes Beispiel, nämlich den Zeitraum von 1991 bis 1995, also Ihre Regierungszeit. Das ist lange her; aber ich rede nicht über die Zahl, sondern über den Abstand zu anderen Ländern. In dieser Zeit war der Betrag, den wir in den Länderfinanzausgleich der Bundesrepublik Deutschland zu zahlen hatten, nicht signifikant höher. Wir mussten für etwa 35 bis 40 % des gesamten Länderfinanzausgleichs aufkommen, nicht für 50 %.Wir waren also, was diesen Betrag betrifft, näher an den anderen Bundesländern dran.Aber in den Jahren von 1991 bis 1995 hatten wir bei einer Zahlung in den Länderfinanzausgleich in Höhe von 4,4 Milliarden c eine Kreditaufnahme von 5 Milliarden c. Da muss man eine Sekunde lang zuhören.
Oder nehmen wir den Zeitraum von 1995 bis 1999, Ihre zweite Legislaturperiode. Da haben Sie bei einer Zahlung in den Länderfinanzausgleich in Höhe von 5,9 Milliarden c Kredite in Höhe von 4,5 Milliarden c aufgenommen. In Ihrer Regierungszeit befanden Sie sich in der Situation, dass die Zahlung in den Länderfinanzausgleich so hoch war, dass Sie fast alle Mittel aus der Nettokreditaufnahme dafür investieren mussten.
Inzwischen sind wir so weit, dass die Zahlung in den Länderfinanzausgleich weit darüber hinausgeht. Niemand ist stärker, auch was die Solidität des eigenen Haushalts betrifft. Aufgrund unserer Stärke haben wir es geschafft, Beiträge zugunsten anderer Länder Deutschlands zu leisten. Das liegt daran, dass dieses Land so erfolgreich ist. Man kann sich gelegentlich darüber ärgern, dass wir so viel helfen müssen. Wir können aber auch einmal stolz darauf sein, wie gut wir sind und wie viel wir an diesen Stellen verändert haben.
Wir reden,auch im Wettbewerb mit anderen,darüber,was ein Land politisch voranbringt. Das bezieht sich auf das eigene Land, auf die Gedanken, die sich dort entwickeln, aber aufgrund des Vorteils des föderalen Wettbewerbs
durchaus auch auf den Vergleich mit anderen.Wir wollen uns auch daran messen, ob wir mit den Ideen, die hier entstanden sind, andere überzeugen können. Das heißt, es geht darum, ob wir am Ende sozusagen die einsamen Rufer in der Wüste bleiben oder ob wir,da wir es als Erste gemacht haben, andere mitziehen konnten.
Ich nenne ein paar Beispiele. Ich erinnere mich noch an die Debatte über die Einführung des Integrationsbeirats und über die neuen Strukturen der Integrationspolitik in Hessen im Jahre 1999. Ich weiß, wie Sie aufgrund der alten Struktur – da die Ausländerbeiräte,dort die deutschen Behörden – alles auseinanderhalten wollten.Heute diskutiert keiner mehr darüber.Aber Länder wie Baden-Württemberg,Hamburg,Sachsen,Brandenburg und sogar Berlin haben das Modell der Kooperation zwischen Migranten und deutschen Behörden, wie wir es in Hessen geschaffen haben, inzwischen übernommen.
Ich nenne auch die Deutschvorlaufkurse. Diese Kurse waren sehr umstritten. Das Wort „Zwangsgermanisierung“ ist in diesem Parlament gefallen. Heute machen die anderen, ob es in Nordrhein-Westfalen, in Baden-Württemberg oder in Berlin ist – sogar die Kollegen in Bayern sind mit vier Jahren Verspätung so weit –, genau das, was wir hier eingeführt haben.
Was den Bildungs- und Erziehungsplan betrifft – Sie sprechen oft über die Bedeutung der frühkindlichen Erziehung –: Wir Hessen sind gemeinsam mit den Bayern diejenigen, die an dieser Stelle vorangehen.
Gehen Sie nach Rheinland-Pfalz, Berlin, NordrheinWestfalen oder Schleswig-Holstein, und Sie werden feststellen, dass sich unsere Leute im Augenblick dort aufhalten und die Arbeitsgruppen beraten, wie man das, was wir hier für die jungen Kinder begonnen haben, entwickeln und übernehmen kann.
Ich sage Ihnen auch – obwohl Sie es sicherlich am wenigsten hören mögen –, worum es geht: um die verlässliche Schule, um U+. Sie haben hier eine Diskussion nach dem Motto angefangen, wie unverantwortlich das alles ist. Sie polemisieren gegen jeden, der kein zweites pädagogisches Examen hat und trotzdem an einer Schule unterrichtet.
Ich will Ihnen eines sagen: Nachdem wir es hier gemacht haben,hat es der damalige rheinland-pfälzische Kultusminister Zöllner dort sofort eingeführt. Als er von Rheinland-Pfalz nach Berlin gegangen ist, hat er das in Hessen entwickelte Modell dorthin mitgenommen. Da es jetzt die Beteiligten machen, wird es inzwischen im Bundesland Bayern eingeführt.
Noch eines will ich Ihnen sagen: Die Rheinland-Pfälzer haben inzwischen, genauso wie wir, eine Evaluation unseres hessischen Modells durchgeführt. Dort steht der Satz:
Bei verantwortlichem Umgang mit diesem Instrument können auch andere Berufe als Lehrer für ihre Schulgemeinschaft eine Bereicherung sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diesen Satz würde ich hier gern einmal von Ihnen hören.
Als meine Regierung die Regierungsverantwortung in Hessen übernommen hat, waren der Versicherungsschutz für die ehrenamtlich Tätigen und ihre Betreuung Lippen
bekenntnisse. Wir haben gemeinsam mit denen, die ehrenamtlich tätig sind,versucht,die Schwachpunkte bei der Beratung und bei der Hilfe Stück für Stück abzubauen. Auch Sie haben jahrelang an den Podiumsdiskussionen teilgenommen, in denen sich herausstellte, dass eine der größten Sorgen der ehrenamtlich Tätigen war, dass sie, wenn sie zwei Kinder von einem Sportplatz zum anderen mitgenommen haben, nicht versichert waren.
Wir haben als Erste in Deutschland einen Versicherungsschutz für ehrenamtlich Tätige eingeführt. Inzwischen haben 14 Bundesländer das hessische Modell des Versicherungsschutzes übernommen.Aber wir haben als Erste erklärt, dass dies nicht unmöglich ist.
Zur Ehrenamtscard. Sozialdemokratische Kommunalpolitiker haben gelegentlich einen Augenblick gestockt, als es darum ging, ob man wirklich eine Idee der Landesregierung übernehmen soll. Dazu gehört auch noch das besondere Risiko, dass Herr Staatssekretär Metz als einer der Erfinder bei der Einführung persönlich anwesend ist. Das gefällt nicht allen in den Landkreisen; denn sie halten das für eine gefährliche Politik. Aber hier ist die Ehrenamtscard flächendeckend eingeführt. Außerdem ist sie in Thüringen und in Niedersachsen eingeführt. Man ist dabei, sie in Nordrhein-Westfalen einzuführen. Das ist eben ein Gedanke, dem andere folgen.
Zur Hochschulautonomie. Reisen Sie durch diese Republik, reisen Sie durch Europa, und versuchen Sie, irgendeine Analyse der Autonomiesysteme von Hochschulen zu finden, in der das Darmstädter Modell nicht erwähnt ist. Zum Schluss haben wir alle in diesem Parlament dieses Modell getragen. Aber es war eine Initiative, an der wir gemeinsam mit Kollegen von der FDP gearbeitet haben, um sie in dieser Form umzusetzen. Wir sind an dieser Stelle die Vorreiter.
Auch wenn es Ihnen nicht gefällt, sage ich Ihnen: Im Augenblick schauen die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland mit großem Interesse darauf, was wir in Bezug auf die Privatisierung des Uniklinikums Gießen gemacht haben und mit welchem Erfolg wir die Teilprivatisierung der Justizvollzugsanstalt in Hünfeld organisieren.
Diese hat zwei Effekte:Zum einen hat sie den Effekt,dass die Betriebskosten der Anstalt geringer ausfallen, weil sie wirtschaftlicher gebaut wird. Zum anderen haben die Gefangenen bessere Arbeitsbedingungen als irgendwo anders; denn der Staat ist, was das Suchen von Beschäftigungsmöglichkeiten für die Gefangenen angeht, schlechter als private Unternehmen. Das ist die konkrete Konsequenz. Deshalb haben wir nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus vielen anderen Ländern Europas Gäste hier, die dieses Modell übernehmen wollen.
Ich bin stolz auf die Innovationsfähigkeit des Landes Hessen und auf das, was wir in den letzten Jahren hier geschafft haben.
Das ist der Unterschied zwischen einer Opposition, die nichts von dem, was in den letzten Jahren geschehen ist, gut finden darf und deshalb über Programme sprechen muss, und einer Regierung, die durchaus stolz sein darf auf das, was sie gemacht hat, um, darauf aufbauend, über Programme zu sprechen.
Das ist ein Unterschied. Darauf bezieht sich auch die unterschiedliche Rolle, die wir an diesen Stellen haben.
Nur, es ist ganz spannend, zu beobachten, dass die Herausforderin und Oppositionsführerin zur inneren Sicherheit, also zu einem zentralen Thema, das eigentlich in jeder politischen Debatte vorkommt, weil es die Bürger unmittelbar betrifft, abgesehen von einer Bemerkung zur Besoldung nichts zu sagen hat.
Frau Kollegin, verstehen Sie, es gibt unterschiedliche Methoden, Volker Bouffier ein Kompliment zu machen. Ich gebe zu, die Methode, die Sie gewählt haben, ist die unauffälligste. Das verstehe ich.Aber es ist ein Kompliment.
Es war keineswegs immer so.Hessen befand sich nicht auf einem vorderen Platz, was die innere Sicherheit betrifft. Vielmehr erinnern sich viele daran, dass wir, als Hessen eine Aufklärungsquote von 55 % hatte,darüber debattiert haben, ob die Aufklärungsquote von 60 % in Bayern mit der Nähe zu den Alpen, mit dem Föhn oder doch etwas mit der Politik zu tun hat.
Wir können heute, nach all den Jahren, sagen: Ja, es gibt in Hessen ständig Veränderungen bei der Zahl der Straftaten im Vergleich zu den Vorjahren, zum einen in Form einer Reduzierung der Kriminalitätszahlen und zum anderen in Form einer Erhöhung der Aufklärungsquote. Das ist nicht nur ein Bundestrend. Vielmehr sind wir bei diesem Bundestrend führend. Wir entwickeln uns schneller und besser in Richtung der Möglichkeit, die Aufklärungsquote zu steigern.
Nehmen Sie einfach – in Prozentzahlen ausgedrückt – die Veränderung bei der Aufklärungsquote zwischen den Jahren 2002 und 2006. Es gibt kein einziges Bundesland, das höhere Abbauquoten hat als Hessen.In Hessen liegt diese Quote bei 6,9 %. In Bayern liegt sie bei nur noch 1,1 %. Das ist angesichts des hohen Niveaus verständlich und erklärbar.Aber die beiden Bilder zeigen sehr deutlich, dass wir eine Aufholjagd betreiben. Wir haben den Bürgern versprochen, für eine konsequente Sicherheitspolitik zu sorgen.
Lieber Herr Schmitt, bei all Ihrem Dazwischenreden: Hätten Sie in Ihrer Zeit dafür gesorgt, dass die Polizeibeamten Computer haben, dass sie ordentlich ausgebildet werden, dass sie ordentliche Autos haben und dass sie über ordentliche Gesetze verfügen,mit denen sie arbeiten können, dann hätten wir diese Zahlen auch frührer erreichen können.
Wir sorgen dafür, dass es diese Sicherheit in diesem Land gibt.
Das ist nicht nur eine abstrakte Frage, die sich auf Sicherheit und Statistik auswirkt. Kollege Volker Bouffier hat darauf hingewiesen: Unsere Polizeibeamtinnen und -beamten sind die bestausgebildeten und bestbezahlten in der Bundesrepublik Deutschland, und wenn die eingesetzt werden, muss man auch erkennen können, welche Erfolge für die Bürger spürbar sind.
Deshalb war es eine der Entscheidungen, dafür Sorge zu tragen,
uns besonders darum zu kümmern, wo Menschen in einer außergewöhnlichen Weise betroffen werden – und das sind beispielsweise der Diebstahl und der Wohnungseinbruch. Jeder von uns weiß, dass ein Stück des Vertrauens in den Staat auch damit zusammenhängt, ob er in der Lage ist,diese individuellen Lebensräume zu schützen.Jeder Bürger, der einmal im Leben einen Einbruch erlebt hat, weiß – und erzählt das auch mir immer wieder –, er wird nie mehr den Gedanken loswerden, wenn er den Wohnungsschlüssel umdreht: War da wieder einer drin, oder ist da wieder einer drin?
Wenn Sie jetzt sehen, dass es in Hessen in den Jahren von 1999 bis 2006 gelungen ist, die Wohnungseinbruchdiebstähle um genau 46,2 % zu reduzieren – d. h., jeder zweite Wohnungseinbruch des Jahres 1999 findet heute in Hessen nicht mehr statt –, dann ist das gelebte Sicherheit. Das ist eine zentrale Größenordnung, und das ist der Grund, warum Sie nicht mehr darüber reden; denn die Bürgerinnen und Bürger wissen das genau.
Damit sich auch da keine Legenden bilden: In Hessen ist der Wohnungseinbruchdiebstahl mehr als doppelt so stark zurückgegangen wie im Durchschnitt aller deutschen Bundesländer, und er ist um 40 % stärker zurückgegangen als im nächstbesten Bundesland. Das ist eine Leistung, eine Arbeit, die hier gemacht worden ist. Es ist eben nicht so, dass die Kriminalitätsquote – die früher in Bayern in dem Sinne für die Bürger so günstig war,dass es viel Aufklärung und wenige Straftaten gab – etwas mit dem Blick auf die Alpen und dem Föhn zu tun hat. Nein, das hat etwas mit Arbeit, Struktur und einer Architektur von Sicherheit zu tun, wie sie in diesem Bundesland geschaffen worden ist – aber nicht von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich sage Ihnen sehr offen: Natürlich hat diese Diskussion zum Schluss auch etwas mit den Mitteln zu tun, die wir den Polizeibeamtinnen und -beamten an die Hand geben. Das hat eine Tradition. Sie waren die striktesten Gegner der Videoüberwachung. Sie waren diejenigen, die in Hessen eine verdachtsunabhängige Straßenkontrolle be- und verhindert haben.
Sie haben den Polizeibeamtinnen und -beamten bestimmte technische Möglichkeiten nicht gegeben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sind an jeder Stelle dieser Diskussion im Zweifel immer gegen die Aktionsmöglichkeiten der Polizei gewesen. Wir haben das geändert. Sie aber haben Ihre Geisteshaltung in dieser
Frage um keinen Deut geändert. Nehmen Sie doch heute die Debatte um die Onlinedurchsuchung, wie Sie sie in der SPD führen. Sie laden Menschen, die schwere und schwerste Straftaten in diesem Land begehen wollen – und nur um die geht es –, dazu ein, es so zu machen, dass die Polizei das nicht nachvollziehen kann.
Niemand wird das verantworten können,wenn es wirklich einmal zu schweren Straftaten kommt.
Wir haben das in einer der größten Aktionen, die jemals in der Bundesrepublik Deutschland zum Terrorismusschutz durchgeführt wurden, doch alles erlebt – das war eine Leistung durchaus der Person des Ministers und vieler Beamtinnen und Beamten der hessischen Polizei. Jeder, der in Ausschüssen sitzt, über die wir nicht dauernd öffentlich reden können, weiß, mit welchen Instrumenten und Mitteln wer in Deutschland und wer im Ausland Hilfe dazu geleistet haben, damit das möglich geworden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,wer behauptet, moderne Kriminalitätsbekämpfung des internationalen Verbrechens, das dieses Land bedroht, sei möglich, indem man zwar ein Telefon abhören darf, auch ein Handy – die benutzt aber keiner mehr –, nicht aber das Onlinesystem, das die Beteiligten benutzen, das geschützt bleibt, weil man es nicht abhören darf, und der neue Verfügungsraum für Kriminalität wird, der versündigt sich an den Schutzinteressen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich wird die Debatte, die wir über die Frage führen, wie sich die Zukunft dieses Landes entwickelt, sehr stark von zwei Elementen geprägt, für die Landespolitik in einer außergewöhnlichen Weise Verantwortung trägt und zuständig ist. Das ist zum einen die Infrastruktur unserer Bildung, und das sind zum anderen die Infrastruktur unserer Verkehrswege und die logistischen Strukturen. Wenn diese beiden Elemente nicht stimmen, dann hat es ein Land schwerer. Deshalb lohnt der Streit über diese Fragen.
Hessen ist ein Land, das diesen Streit in der Bildungspolitik schon immer in einer besonderen Intensität geführt hat. Frau Kollegin Ypsilanti legt ohnehin Wert darauf, möglichst extreme oder polarisierende Positionen zu vertreten. Das hat sie schon im Sommer in ihrem Analysepapier gesagt.
Das ist auch richtig. In der hessischen Tradition haben wir hierzu eine besonders lange Diskussion und Geschichte. Viele, die in der Politik aktiv sind, kennen diese Debatte aus vielen Jahren.
Deshalb will ich noch einmal sagen: Unser Konzept, das Kollegin Karin Wolff, die Kollegen der CDU und in der ersten Wahlperiode, die ich verantwortet habe, CDU und FDP zusammen vertreten haben,hat bis zum heutigen Tag unstreitig vier Kernelemente.
Das erste Kernelement. Wir haben eine Schule vorgefunden, der das Mindestmaß an notwendigen Ressourcen vorenthalten worden ist,um überhaupt ihre Arbeit zu machen. Heute gibt es keine Eltern mehr, die Stundenpläne bekommen, auf denen gar nicht alle Stunden stehen, die dort nach der Stundentafel stehen müssten.
Herr Holzapfel und die Sozialdemokraten haben den bequemen Trick angewandt, zwar vier Stunden Mathematik in die Stundentafel zu schreiben, aber nur drei Stunden Mathematik in den Stundenplan – und dann hatten sie die Chuzpe, gegenüber den Eltern zu behaupten, es falle ganz wenig aus.
Diese Mathematik des 80 oder 90 gleich 100, die in den hessischen Schulen Einzug gehalten hat, haben wir beendet. Das hatte eine gigantische finanzielle Auswirkung auf den Haushalt, auf die Anzahl der Stellen der Lehrerinnen und Lehrer; und das war bei den knappen finanziellen Verhältnissen nur möglich, indem wir Lehrerinnen und Lehrern auch mehr Arbeit auferlegt haben. Übrigens war das gar nicht neu, denn auch das hat Herr Holzapfel als Erstes getan. Wir haben den Teil, den er dabei in Angriff genommen hat, in den letzten Wochen zuverlässig, wie es sich gehört, so zurückgegeben, dass die Lehrerinnen und Lehrer wissen, dass sie mit uns da einen verlässlichen Partner haben.
Das Problem der Quantität ist in Schulen nie endgültig lösbar, denn man kann immer noch viel mehr Leute einsetzen. Aber die Herausforderung, dass die Stunden, die wir in den Stundenplan und in die Stundentafel geschrieben haben, durch Lehrer abgedeckt sind, ist in den ersten Jahren bewältigt worden.
Das zweite Kernelement. Schule muss vergleichbar sein. Das bestreiten Sie zwar, aber davon sind wir überzeugt. Schule wird nicht in Unterrichtsformen erteilt,in denen in jeder Schule nach der jeweils individuellen Fasson der Schule, der Lehrerinnen und Lehrer, der Schüler und der Eltern die Schüler möglichst glücklich durch die Schule kommen. Sie sollen in der Schule viel Spaß haben.
Aber am Ende sollen sie die Garantie haben,genau das zu wissen, was auch in der Nachbarschule gelehrt worden ist. Was Sie in Hessen provoziert haben und wieder provozieren wollen – das schreiben Sie ausdrücklich –, ist, dass es sein kann, dass Schüler durch ihr ganzes Schülerleben kommen und subjektiv der Meinung sind, sie seien einigermaßen gut, dafür auch eine Note bekommen, von der sie meinen, sie sei gut, anschließend aber beim Einstellungstest bei der örtlichen Kreissparkasse, an der Universität oder sonst wo mit Erschrecken feststellen, dass sie zwar eine 1,5 haben, der Nachbar eine 2,0, aber der mit der 2,0 jeden Test besser besteht, weil er in der Schule anders ausgebildet worden ist.
Das darf der Staat nicht. Denn das können die Kinder am Ende nicht ausgleichen.
Deshalb ist der zweite Kernpunkt zentrale Abschlüsse, damit eine Vergleichbarkeit hergestellt wird. Das stellen Sie infrage.Wir haben es erst in der Hauptschule, dann in der Realschule und erst später im Gymnasium gemacht, damit sich die Schulen vorbereiten konnten. Übrigens haben wir solche zentralen Abschlussprüfungen, die Sie abschaffen wollen, in 14 von 16 deutschen Bundesländern. Das zeigt, wie stark Sie da im Mainstream der Debatte sind. Aber wir haben Tests hinzugefügt, schon in der
Grundschule, damit die Schülerinnen und Schüler schon mit vergleichbaren Leistungen in die weiterführenden Schulen gehen.
Wir haben es in der gymnasialen Ausbildung hergestellt, etwa mit dem Mathematiktest. Den schreiben wir heute nicht mehr als Hessen, sondern gemeinsam mit den Baden-Württembergern – um sicherzustellen, dass das, was wir dort an Ausbildung und Bildungsstandards haben, in beiden Ländern gemeinsam ist.
Wir ziehen daraus Konsequenzen für die Ausbildung und für die Formen der Unterrichtung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb sind wir heute sicher, eine Struktur geschaffen zu haben, in der die Verantwortlichen für die Schule – das ist am Ende der Staat – sicherstellen können, dass an allen Schulen mit gleichen Maßstäben unterrichtet wird.
Jetzt kommt die dritte Aufgabe. Das ist aus meiner Sicht eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Legislaturperiode: die Schulen in immer mehr Selbstständigkeit zu entlassen.
Der Staat muss verbindlich festlegen, was am Ende der Ausbildung steht,sonst versündigt er sich an den Kindern.
Die Frage, wie das gelernt wird – ob im Blockunterricht, in neuen Unterrichtsformen, im praxisorientierten Unterricht oder wie auch immer –, das kann Sache der Schule sein.Dafür haben wir Pädagogen,die ausgebildet sind,mit eigenen Mitteln zu wissen, wie sie diese Ziele erreichen. Sie haben keine Freiheit in der Wahl der Ziele,aber sie haben eine große Freiheit in der Wahl der Instrumente, die Schule jeweils so anzupassen, damit sie den einzelnen Schülerinnen und Schülern, der Region, den besonderen Gegebenheiten,durchaus auch den Neigungen der Lehrerinnen und Lehrer, wie sie ihre Persönlichkeit einbringen können, am besten folgen.
Dazu muss die Schule die Leute aussuchen können, dazu muss sie eine eigene Verwaltungsmöglichkeit haben. Sie hat Jahresstundentafeln, keine Wochenstundenpläne mehr und vieles andere.
Das Projekt der nächsten fünf Jahre ist eine Schule, die in ausreichendem Umfang Ressourcen hat, was die Grundversorgung für jeden anbetrifft, eine Schule, bei der wir Verbindlichkeit in den Ergebnissen hergestellt haben und die wir nun in der Selbstständigkeit der Pädagogen so leben lassen können, wie das für die Schülerinnen und Schüler am besten ist. Das ist unser Weg, den wir in dieser Entwicklung gehen.
Dazu kommt der vierte Kernbereich, eine Herausforderung, die uns sehr beschäftigen wird – nämlich diese Schule so zu organisieren, dass sie für alle Schülerinnen und Schüler eine ganztägige Betreuung möglich macht.
Wir wollen im Gegensatz zu den Sozialdemokraten ausdrücklich keine Zwangsganztagsschule. Wir wollen nicht, dass alle Schüler ganztägig in einer Schule beschult werden müssen, weil wir sehr wohl wissen, dass es angesichts
der Unterschiede zwischen der Stadt – insbesondere der Innenstadt mit ihren besonderen Sozialstrukturen – auf der einen Seite und dem ländlichen Raum – mit langen Fahrwegen, mit den Interessen von Schülerinnen und Schülern, in ihrer Freizeit in Vereinen und Kirchen Aktivitäten ihrer Wahl zu betreiben – auf der anderen Seite ein Recht der Eltern und Kinder geben muss, darüber zu entscheiden.
Der Staat hat kein Recht darauf, die Kinder ganztägig zu beschlagnahmen, aber er hat die Verpflichtung, Eltern die Möglichkeit zu geben, Kinder gesichert betreut zu wissen. Das ist der Unterschied.
Es ist der alte Unterschied, der zwischen den Sozialdemokraten und uns an so vielen Stellen besteht. Sie glauben immer, dass Sie auf einem Parteitag beschließen könnten, was für die Menschen gut ist, und anschließend das moralische Recht hätten, dies für alle Menschen verbindlich zu machen. Wir glauben daran, dass wir den Menschen Angebote machen müssen, durch die sie in eigener Verantwortung intelligent, verantwortungsbewusst und frei genug sind, ihre Entscheidung zu treffen. Bei dieser Entscheidung hilft der Staat. Der Staat ist der Helfer, nicht der Vormund der Eltern. Das muss auch zukünftig die Organisation in Hessen bleiben.
In einer solchen Schule wird Leistung gefordert. Wir machen uns keine Illusionen, dass eines der Probleme der Neunzigerjahre war, dass die Leistungsanforderungen an Schülerinnen und Schüler und die Ergebnisse der schulischen Leistungen nicht ausreichend waren.
Man kann nicht darüber hinwegreden – ich komme nachher noch einmal darauf zu sprechen; Sie nehmen vieles im Land, glaube ich, nicht so ganz wahr, aber das haben Sie damals wahrgenommen –: Die Situation war doch die, dass Eltern an die Landesgrenze gezogen sind, wenn sie dienstlich nach Hessen versetzt worden sind – in der Hoffnung, dass sie ihre Kinder nach Mainz, Aschaffenburg, Ludwigshafen, Mannheim oder andere Städte in die Schule schicken könnten. Dann waren sie bereit, in Hessen zu arbeiten, nicht aber, wenn sie ihr Kind in eine hessische Schule hätten schicken müssen.
Das waren nicht 20 oder 30 Eltern, sondern Hunderte und Tausende.Versuchen Sie einmal, heute noch jemanden zu finden, der das macht. Dagegen kenne ich eine ganze Menge Rheinland-Pfälzer, die inzwischen in hessische Schulen gehen. Das ist der Unterschied, den wir durch eine Veränderung der Struktur herbeigeführt haben.
Ich mache mir gar keine Illusionen: Die Schule, die wir heute in Hessen haben,ist mitten im Umbau.Es gibt viele, die mir, Karin Wolff und anderen den Ratschlag gegeben haben: Um Himmels willen, macht langsamer. Macht weniger Reformen, führt die Tests später ein, verändert die Unterrichtsstrukturen langsamer. – Wir haben das nicht gemacht. Frau Ypsilanti versucht im Moment, daraus ein wenig Honig zu saugen. Frau Kollegin Ypsilanti, ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe es einfach für unverantwortlich gehalten, Schulpolitik nach wahlkampforientierten Perioden zu strukturieren.
Ich bin fest davon überzeugt – ich glaube auch, dass ich damit Erfolg haben werde –,dass Eltern nicht wollen,dass
in der Bildungspolitik dauernd ein Zickzackkurs gefahren wird.
Ich glaube, dass die Eltern durchaus mit dem leben können, was es da an Schwierigkeiten gibt,
und dass sie es durchaus mitleben, in jeder Hinsicht. Es gibt viele Diskussionen und Schwierigkeiten. Niemand behauptet – etwa bei der Einführung von G 8 –, dass alles schon so wäre,wie wir es haben wollen.Das ist wie bei vielen anderen Reformen auch. G 8 wegen der Anfangsschwierigkeiten nicht umzusetzen, obwohl inzwischen in 13 deutschen Bundesländern nach acht Jahren das Abitur gemacht wird, und zu glauben, wir in Hessen könnten es uns leisten, diesen Vorteil für junge Menschen, ein Jahr der Zeit einzusparen, bis sie sich beruflich entwickeln können, hessischen Kindern vorzuenthalten, wäre falsch.
Natürlich ist es ein komplizierter Weg, auch für andere Bundesländer. Es gibt Länder, die G 8 seit 10 oder 15 Jahren haben. Es gibt seit langer Zeit Kinder, die nach G 8 Abitur gemacht haben. Sie begegnen uns an den Universitäten und anderswo. Sie haben die gleichen Erfolgsmöglichkeiten wie nach einem Abitur nach neun Jahren. Der Staat hat nicht das Recht, den Kindern ein Jahr mehr abzuverlangen, wenn es nicht sein muss.
Natürlich werden wir über die organisatorischen Schwierigkeiten und die Herausforderungen reden. Deshalb spricht Karin Wolff mit dem Landeselternbeirat, der damals zugestimmt hat, jetzt auch über die Frage, wie es weitergeht.
Wir reden darüber,dass wir nicht wollen,dass in der 5.und 6. Klasse schon mehrere Nachmittage für den Unterricht vorgesehen sind; denn die Stundentafel gibt überhaupt nicht her, dass mehrere Nachmittage in Anspruch genommen werden müssen.Also werden wir über die Organisation sprechen.Aber eines machen wir nicht:Wir sind nicht in der Weise populistisch, dass wir sagen:Wenn es am Anfang einer Reform Schwierigkeiten gibt, stecken wir die Reform wieder weg.
Das ist Ihre bundespolitische Haltung: Überall, wo es bei einer Reform Schwierigkeiten gibt,gehen Sie in Deckung. Das war auch im Land immer Ihre Haltung. Meine Damen und Herren, das ist das Gegenteil von geradliniger, berechenbarer Politik, für die diese Landesregierung steht. Das gilt auch und gerade für die Bildungspolitik.
Ich gebe zu, dass ich mich schon darüber gewundert habe – denn eigentlich haben Sie die Erfahrung; es gibt einige bei Ihnen, die das alles erlebt haben –, dass Sie jetzt anfangen, die alte bildungspolitische Debatte wieder zu eröffnen.
Nein, Frau Kollegin Ypsilanti, Sie versuchen zwar, zu vermeiden, dass die gleichen Begriffe wie damals bei Ih
nen noch einmal auftauchen. Aber am Ende sind die Dinge schon ziemlich klar. Sie sagen: „Alle werden bis zur 10. Klasse gemeinsam unterrichtet. Es gibt keine Nichtversetzung.
Es gibt keine Querversetzung. Es gibt keine Eingangsempfehlung.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich ziehe jetzt einmal einen Zeugen heran, den wir lange kennen: Rainer Dinges, der seit fast 30 Jahren nicht nur über hessische Landespolitik, sondern ganz besonders über Schulpolitik berichtet, durch all diese Zeiten hindurch. Ich würde gerne vorlesen, was er sagt, denn mir würden Sie es ohnehin nicht glauben.
Was die hessische SPD beschließen wird, hieße für die Gymnasien in letzter Konsequenz, dass sie alle Schüler aufnehmen müssen, deren Eltern das wünschen. Eine Empfehlung der Grundschule für eine bestimmte Schulform soll es nämlich auch nicht mehr geben. Haben Schulen die Kinder einmal aufgenommen,dürfen sie keines mehr abschieben.Das ist dann doch Gesamtschule, und zwar von oben verordnet. Dann bedarf es keiner Beschlüsse von Eltern und Lehrern mehr. Von Wahrheit und Klarheit, die die Politiker so gern vom Gegner einfordern, ist da nichts zu spüren.
Da wird eher verschleiert, was man verändern will. Wieder einmal geht es in einer hessischen Landtagswahl also letztlich um die Frage, ob es auch in Zukunft das dreigliedrige Schulsystem oder nur noch eine Schule für alle geben soll. Da mögen Sozialdemokraten und GRÜNE noch so oft beteuern, dass sie nicht die bildungspolitischen Schlachten der Siebzigerjahre noch einmal schlagen wollen, in denen es vor allem anderen um die Schulorganisation ging. Nur darum geht es.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Entscheidung haben Sie getroffen, und wir stellen uns ihr durchaus. Im Augenblick gehen 82 % aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland in ein gegliedertes Schulwesen. Es liegen doch Untersuchungen darüber vor. Ich glaube, dass dies durchaus ein Punkt ist, über den man mit Eltern und Lehrern sachbezogen und im Detail reden muss.Wir haben die PISA-Untersuchung.
Jetzt zitiere ich einmal, was Jürgen Baumert, der Leiter des deutschen PISA-Konsortiums, über die Frage der unterschiedlichen Schulformen, die er vorgefunden hat, schreibt.
Aus den Befunden internationaler Vergleichsstudien lassen sich keine zwingenden Aussagen über die Effekte unterschiedlicher struktureller Differenzierungen ableiten. Mit Blick auf die Ergebnisse aktueller Bildungsstudien und Vergleichstests kann allerdings festgestellt werden, dass sich die darin integrierten Gesamtschulen in Deutschland kaum als
Zukunftsmodell empfehlen. Die durchschnittlichen Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler liegen im Durchschnitt nur zwischen denen der Hauptschüler und Realschüler.
Olaf Köller, Leiter des von der Kultusministerkonferenz eingerichteten Bewertungsstabs, sagt:
Konsistent wird in den älteren wie den neueren Studien auf die ungünstigeren Fachleistungen an den Gesamtschulen im Vergleich zum differenzierten System hingewiesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie es den Fachleuten nicht glauben – ein letztes Zitat. Gabriele Behler, die letzte sozialdemokratische Kultusministerin Nordrhein-Westfalens, schreibt:
Die Veränderung der Schulstruktur wird von wichtigen Protagonisten der SPD immer noch verstanden als der Kampf gegen Privilegien des Bürgertums. Als deren Symbol wird das Gymnasium bekämpft. Die offensichtlichen Probleme der Gesamtschulen, die trotz guter Bedingungen unbefriedigende Ergebnisse sowohl in der Leistungshöhe wie bei der Chancengleichheit haben, werden immer wieder geleugnet. Nun sollte man annehmen, dass damit im PISA-Zeitalter Schluss wäre. Aber weit gefehlt: Keine SPD-Konferenz, kein regionaler Parteitag, auf dem zurzeit nicht wieder die vermeintlichen Heilsgewissheiten verkündet würden. Von Franz Müntefering
über Edelgard Bulmahn und Heide Simonis bis zum Unterbezirksdelegierten aus Köln: Da feiern manche Mythen eine fröhliche Auferstehung – was prompt Kulturkämpfe nach dem Muster früherer Jahrzehnte nach sich zieht und nichts anderes als Blockaden bewirkt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hätte es nicht besser sagen können.
Wir nehmen diese Auseinandersetzung ernst. Eltern von Kindern im gegliederten Schulwesen müssen wissen, dass dieses System mit Ihnen nicht fortgesetzt wird. Sie verwenden viele Tricks, und zwar nicht nur in den Worten. Im Übrigen finde ich Ihren Slogan „Kein Kind wird zurückgelassen“ gut. Aber wissen Sie, wen Sie da gerade kopieren? „No child left behind“ ist die Überschrift des Bildungsplans von Georg W. Bush.
Man hätte es nicht für möglich gehalten. Frau Kollegin, ich habe dagegen nichts einzuwenden. Der Satz ist ja richtig.Aber dass Sie ihn für richtig halten, ist überraschend.
Die Frage, die mit dem Haus der Bildung zusammengeführt wird, und die Überlegungen, die dahinter stecken, sind die Botschaft an die hessischen Eltern, dass sie fünf Jahre vor sich haben,in denen alles anders wird,als es vorher war. Es wird ein Durcheinander, ein Rückführen aller Reformen der letzten neun Jahre.
Die zweite Botschaft an die Eltern ist, dass die Differenzierung des Schulwesens aufgehoben wird. Ihre Behauptung, sie machen das freiwillig, geht nach dem alten sozialdemokratischen Trick der Siebzigerjahre. Das hat Domisch, Ihr Experte dafür, sehr lieb formuliert.
Er hat gesagt, Geld für die Zukunft bekämen die Schulen, die sich dem neuen Prozess anschlössen.
So, wie man früher nur Geld bekam, um Gesamtschulen zu bauen. Für Gymnasien und Realschulen war kein Landesgeld mehr da. Meine Damen und Herren, Sie wollen auf kaltem Wege Ihre Ideologie durchsetzen.
Wir haben einen anderen Weg. Wir haben in den letzten Jahren viel über die Hauptschule gesprochen, weil sie uns besondere Sorgen macht. Viele Eltern und insbesondere viele junge Menschen fühlen sich in dieser Schule alleingelassen.Sie kann nicht so bleiben,wie sie ist.Darüber besteht noch kein Streit. Die spannende Frage ist jedoch: Wie wird sie? Wir haben uns entschieden, in den kommenden Jahren diese Schule in eine Schule mit einer deutlich stärkeren Praxisorientierung, unter dem Stichwort Schule und Betrieb, umzubauen. Wir reden darüber nicht mehr nur theoretisch, sondern auch praktisch. Wir haben es inzwischen in Hunderten von Schulklassen ausprobiert. Wir wissen, dass die Zahl derjenigen, die in dieser Hauptschule schon einen Ausbildungsplatz bekommen, gigantisch hoch ist.Wir sehen, dass alle Schülerinnen und Schüler, die im letzten Jahr in der SchuB-Klasse waren, am Ende nicht am Arbeitsmarkt zu irgendeiner Vermittlung anstehen mussten. Sie haben entweder eine Ausbildungsstelle erhalten, oder sie sind mit ihrem Abschluss an eine weiterführende Schule gegangen.
Wir sehen, dass die schwierigsten und herausforderndsten Schülerinnen und Schüler, auch was die Leistungen und ihre noch nicht volle Entwicklung angeht, die wir in die SchuB-Klassen gesteckt haben, zu 100 % den Hauptschulabschluss gemacht haben, während es von den anderen nicht alle geschafft haben.
Wir wissen, dass das gut ist. Was ist die Botschaft? Die Botschaft ist, die Schule findet in der 7., der 8. und der 9. Klasse nur noch teilweise im Schulunterricht statt. Im ersten Jahr an einen Tag, im zweiten und dritten Jahr vielleicht an zwei Tagen und vor dem Schulabschluss vielleicht sogar an drei Tagen sind die Schülerinnen und Schüler im Betrieb und nur noch die restlichen Tage in der Schule. Wir haben ein System, in dem man einen Teil der schulischen Leistungen schon als betriebliche Leistungen einbringen kann. Wir haben ein System, in dem die Schülerinnen und Schüler das Anödende von Schule – das muss nicht jeder so empfinden, es ist jedoch aus der Sicht vieler so – austauschen gegen Spaß im Beruf.
Sie werden im Betrieb gefordert und fragen: Kann ich das auch werden? Sie erhalten die Antwort: Ja, du kannst das auch werden, wenn du in der Schule mitmachst. – Auf einmal ist der Lehrer, der ihn vorher angeödet hat, der Helfer, um in diesen Betrieb zu kommen. Das ist die Umstellung.
Die besonderen Fähigkeiten und Begabungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler werden in den Vorder
grund gestellt, und es wird auch darauf geachtet, dass es Spaß macht. Dabei wird jedoch die Leistung nicht vergessen.Wir brauchen Schüler, die nicht mit Abneigung in die Schule gehen, sondern mit dem Willen, etwas zu erreichen. Wir brauchen Schülerinnen und Schüler, deren Fähigkeiten nach der Schule so sind, dass sie von Betrieben angenommen werden. Das ist eine andere Schule. Nach meiner Überzeugung ist es sogar eine Schule mit einem anderen Berufsbild von Lehrern. Wir werden mehr Berufsqualifizierte mit anderen Ausbildungen als nur der pädagogischen Ausbildung zusätzlich im System haben müssen.Wir müssen den Einzelnen helfen.
Es ist keine Schule, die man in die anderen Zweige integrieren kann. Wer sagt, man könne Hauptschülern eine Chance geben, indem man sie in die gleiche Klasse wie Gymnasiasten setzt, erreicht am Ende, dass diese Hauptschüler feststellen, mit den Maßstäben, mit denen Gymnasiasten gemessen werden, können sie nie Sieger sein, obwohl sie zu den Besten zählen können.
Ich streite mit Ihnen nicht über die Frage von Abiturientenquoten. Wir haben die höchste Abiturientenquote in Deutschland. Ich streite mit Ihnen nicht über den Anstieg von Studierendenquoten.Wir haben die höchste Quote in Deutschland. Wir ruhen uns darauf nicht aus. Wir wollen sie ausbauen. Wahr ist auch, 30 % der Schülerinnen und Schüler bekommen die Hochschulreife durch Abitur,aber 46 % der Hessen haben die Hochschulreife.Das bedeutet, dass wir schon längst weg sind von dem Glauben, den Sie haben, in den ersten zehn Schuljahren entscheide sich alles.Wir haben längst ein differenzierteres Schulsystem. Es ist nicht nur das durchaus ernst gemeinte strategische Element, dass man über den Gesellenbrief oder den Meisterbrief auch in die Hochschule kommen kann. Es sind die berufsqualifizierenden Schulen. Es gibt eine unendliche Zahl von Wegen. Es ist kein dreigliedriges Schulsystem. Es ist ein gegliedertes Schulsystem. Es ist ein System, das Menschen gerecht wird. Jeder, der in eine Schule kommt, kann mit seinen Möglichkeiten auch der Beste sein. Wir machen keine Klasse, in der die Akademiker die Besten sind und die anderen auf einer zweiten Stufe stehen, die Sie hier produzieren wollen.
Es ist doch nicht nur meine und unsere Meinung. Sie haben dankenswerterweise auf Ihrer eigenen Homepage in den Blocks, die heute diskutiert werden, einen Leserbrief eines Ihrer Parteifreunde veröffentlicht. Ein Lehrer aus Hessen schreibt:
Er kommt zum Abschluss:
Das Haus der Bildung ist alles andere als ein Bildungskonzept, sondern lediglich eine Idee, die konkrete Ansätze,die das Schulleben benötigt,nicht erkennen lässt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, besser hätte es keiner sagen können.
Wir wollen unseren Weg weitergehen, der auf Leistung und Begabung setzt. Wir wollen diesen Weg gemeinsam mit den Schulen in der Selbstständigkeit gehen. Wir wollen ihn gehen,indem wir Schülerinnen und Schüler immer stärker qualifizieren, die Abschlüsse zu erlangen, die sie benötigen.Auch das gehört ein bisschen zur Wahrheit.Als wir die Regierungsverantwortung übernommen haben – ich weiß, das ist ein Thema, das man nur beim ersten Teil nicht ansprechen darf –, waren rund 23 % aller Hauptschüler ohne Abschluss. Inzwischen sind es nur noch die Hälfte. Das immer noch zu viel, aber es ist eine beachtliche Leistung. Es zeigt, dass es in die richtige Richtung geht.
Was die Ganztagsbetreuung angeht, sind wir auf einem guten Weg. Wir haben zum einen früher angefangen als andere. Wir machen es teilweise behutsam, z. B. mit dem pädagogischen Mittagstisch, der Schulen üben lässt, in diese Struktur hineinzukommen.
Wir machen es mit den Kommunen zusammen, damit sichergestellt ist, dass wir eine wirklich gemeinsame Schulstruktur haben. Das geht nicht von heute auf morgen. Das ist eine Entwicklung, bei der die Gesellschaft auch mit ihren finanziellen Ressourcen mitgenommen werden muss.
Wir sind sehr sicher, dass wir in den letzten Jahren bei allen Schwierigkeiten, bei allen Herausforderungen, die wir noch zu bewältigen haben, bei der Tatsache, dass wir oft mitten auf der Baustelle sind, auf dem Weg, Hessen zum Bildungsland Nummer eins zu machen, ein Stück vorangekommen sind.
Ich bin mir sehr sicher, dass eine große Mehrheit der Eltern und auch eine große Mehrheit der Lehrer, die Ihnen sonst manche Sympathie entgegenbringen, nur eines ganz bestimmt nicht wollen, nämlich dass jetzt Leute kommen und alles mit der Axt zerschlagen, was in den letzten neun Jahren mühsam aufgebaut worden ist.
Deshalb kann man eines ganz sicher sagen: Ihnen fehlt das Augenmaß für Reformen. Das Augenmaß für Reformen, das Ihnen fehlt, ist neben manchem ideologischen Streit auch das, was uns in der Energie- und Wirtschaftspolitik am meisten trennt.
Es geht nicht um die Debatte, ob es auch regenerative Energien gibt. Es geht nicht um die Debatte, dass wir im Jahr 2050 mit größter Wahrscheinlichkeit überwiegend bis ausschließlich mit regenerativen Energien unser Land und die modernen Industriestaaten versorgen werden. Es geht nicht um die Tatsache, dass wir Solarenergie oder Windenergie erforschen. Es waren Walter Wallmann und Wolfgang Gerhardt, die das ISET in Kassel gegründet haben.
Sie haben dafür gesorgt,dass dieses Wissen entstanden ist. Das mag manche von Ihnen ärgern, aber es bleibt geschichtlich wahr.
Seien Sie einmal ruhig. Sie sind ja meiner Meinung, das dürfen Sie nur nicht sagen, wenn ich mich an Frau Ypsilanti wende.
Wenn jemand Ministerpräsident eines Landes werden will und den Bürgerinnen und Bürgern sagt: „Die Stromproduktion unseres Landes kommt zurzeit zu ca. 60 bis 65 % aus zwei Kernkraftblöcken
und zu rund 25 % aus Kohlekraft; wir können in fünf Jahren 90 % der in Hessen installierten Stromproduktion abschalten, ohne dass das Folgen hat“, dann empfehle ich jedem mit normalem gesunden Menschenverstand, ohne Energiepolitiker zu sein, eine kleine Sekunde zu verharren und sich zu fragen, ob das gehen kann. Sie haben im Moment 3 bis 6 % Möglichkeiten von regenerativen Energien.Das wollen wir verdoppeln,wir wollen bei 15 % liegen und in einer überschaubaren Zeit 20 % erreichen. Das ist anstrengend, wird aber nach meiner festen Überzeugung gehen. Jeder, der glaubt, es gehe einfach, täuscht sich.
Es wird noch manche Auseinandersetzung und erhebliche Kosten verursachen,um allein diese Zahl zu erreichen.Sie begeben sich nicht auf den Weg, zu sagen: Lasst uns darüber streiten, was realistisch ist. – Zusammen mit Herrn Scheer sind Sie auf einer Wolke entschwebt und erzählen den Menschen etwas, wozu jeder mit gesundem Menschenverstand sagen muss, das kann am Ende nicht gut gehen.
Wenn aber Ministerpräsidentenkandidaten etwas behaupten, was am Ende nicht gut gehen kann, ist das schlecht für das Land. Sie müssen sich also schon an den Dingen, die Sie gesagt haben, messen lassen. Sie müssen sich die Frage stellen lassen,wie Sie das realisieren wollen. Ich mache das nicht in jedem einzelnen Punkt. Sie haben dankenswerterweise in Ihrem Papier einiges gesagt.
Sie rechnen beispielsweise mit Solarenergie. Aber von den Solaranlagen mit einer installierten Leistung von 10 bis 12 MW gibt es – rein technisch gesehen – im Augenblick weltweit nur sechs Prototypen. Sie wollen bis zum Jahre 2013 Hessen flächendeckend damit versorgen. Sie wissen, dass diese Solaranlagen nicht auf irgendwelchen Dächern installiert werden können. Dies würden Sie innerhalb von fünf Jahren schon gar nicht schaffen. Stattdessen müssten Sie Solarparks bauen. Sie wissen, dass ein Solarpark für jeden Quadratmeter installierter Fläche die vierfache Fläche braucht, weil die Sonne gelegentlich auch richtig daraufscheinen sollte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich frage Sie ganz praktisch und aus dem Bauch heraus, ob dies nicht für jeden Landkreis bedeuten würde, dass er eine Fläche von 1.200 Fußballfeldern haben müsste. Müssten dann in Hessen nicht insgesamt Flächen in der Größe von rund 30.000 Fußballfeldern bereitgestellt werden?
Das sind Ihre Zahlen, nicht meine. Ich muss wenigstens versuchen, Herrn Scheer so viel Ehre zu erweisen, ihn ernst zu nehmen. Denn er hat sich darauf eingelassen, die installierte Leistung zu benennen, sowie die Anzahl der Windparks und Solaranlagen. Ich lasse mich nur darauf ein, dies in Quadratmeter umzurechnen. So handfest und klar wird Politik noch sein dürfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der Windenergie ist es nicht anders. Ich war und bin für den Transrapid; und ich bin auch dafür, dass wir zeigen, dass wir in Deutschland mit Windenergie auch zu wirtschaftlichen Bedingungen Strom erzeugen können, da das international, in bestimmten Teilen der Welt etwas ist, was man gut verwenden kann. Somit ist die Windenergie etwas, womit wir Geld verdienen können. Darüber brauchen wir keine Sekunde lang zu streiten.
Diese Frage, die Sie nun aufwerfen, lautet: Ist es flächendeckend – also nicht als Zusatz und stabilisierend, sondern prinzipiell – möglich, damit ein Land zu versorgen? Hierbei machen Sie wieder einen Trick, denn die durchschnittliche installierte Leistung eines Windrads beträgt zurzeit 1,5 MW. Sie rechnen aber mit 4,5 MW. Sie wissen, dass es davon weltweit nur wenige Prototypen gibt, die derzeit alle offshore ausprobiert werden.
Es gibt überhaupt niemanden, der bisher eine 4,5 MW Rotorenanlage auf dem Festland ausprobiert hat – schon gar nicht in einem Mittelgebirge. Damit wir hiervon ein klein wenig eine Vorstellung bekommen – Herr Scheer hat die Anlage, die er im Auge hat, benannt –, sage ich Ihnen: Diese Anlage hat nicht nur eine Nabenhöhe von 180 m,sondern auch eine Spannweite von 120 m.Wenn Sie davon ausgehen, dass sich diese 120 m Spannweite drehen, dann passt ein kompletter A 380 hinein. Die Wahrheit ist doch, dass jedes Windrad, das sich in Hessen drehen würde, der Gesamtoberfläche eines kompletten A 380 entsprechen würde.
Meine Damen und Herren, die Menschen werden uns für verrückt halten, wenn wir dies irgendwo aufstellten. Das hat mit Bodennähe,Vernunft und Realität nicht mehr das Geringste zu tun.
Sehr verehrte Frau Kollegin Ypsilanti, an dieser Stelle muss ich sagen: Ihre Diskussion ist, auch was die tatsächlichen innerparteilichen Verhältnisse angeht,nicht in Ordnung. Diese Position ist nicht ehrlich, denn in Wahrheit beschließen Sie anders. Ich habe lange mit Herrn Schaub darüber diskutiert, was die Nordhessen beschlossen haben. Der nordhessische SPD-Parteitag – nun beziehe ich mich auf dessen Homepage, denn irgendwann muss man das einmal ganz vorlesen – hat unter dem Antrag U 5 am 16. Juni 2007 in Baunatal auf Antrag des SPD-Unterbezirks Hersfeld-Rotenburg, auf den gleich noch einmal zu kommen sein wird, beschlossen, dass die Adressaten in der regionalen Planungsversammlung die Zuständigkeit für die Windenergie dezentral belassen sollen. – Mich interessiert aber nicht dieser Beschluss, sondern dessen Begründung.
Herr Kollege – –
Verehrter Herr Kollege Schmitt, es wäre schön, wenn wir uns bei diesem Dialog noch auf ein Mindestmaß an Rationalität verständigen könnten.
Da gibt es den Verdacht,dass diese Begründung etwas mit dem Beschluss zu tun hat.
Daher lese ich Ihnen nun den etwas kryptischen Text – –
Man will das schließlich im Protokoll haben, damit es „voll“ da ist. – Ich lese Ihnen den etwas kryptischen Text, der beschlossen worden ist, vor.
Herr Schmitt, es hilft nichts, zu stören, denn ich nehme mir dafür alle Zeit der Welt.Irgendwann werden Sie so ruhig sein, dass es ordentlich ins Protokoll geht.
Der beschlossene Text lautet:
Die Adressaten werden aufgefordert, die Ausweisung von Eignungs- und Vorrangsflächen für die Nutzung von Windenergie in der Zuständigkeit von regionaler Planungsversammlung und regionaler Planungsbehörde zu belassen.
Das ist der Antrag, und dieser ist einstimmig beschlossen worden. Diesen empfinde ich weder als besonders schlimm noch als gefährlich. Aber diesen Antrag würde kein Mensch verstehen, wenn er nicht noch eine Begründung hätte, und ohne diese würde man ihn, so glaube ich, nicht beschließen.
Die Begründung lautet: