Protocol of the Session on October 12, 2005

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie heute Morgen ganz herzlich mit einem fröhlichen „Guten Morgen“ auf den Lippen zur 80. Sitzung in dieser Legislaturperiode begrüßen und stelle fest

(Unruhe)

wenn Sie mir zuhören mögen –, dass wir die Tagesordnungspunkte 1, 2, 3, 5, 7, 11 und 34 erledigt haben.

Wir tagen heute bis ca. 17 Uhr, weil wir das vereinbart haben im Hinblick auf die damals vorgesehenen Feierlichkeiten zum heutigen 60. Jahrestag der Bestimmung der Stadt Wiesbaden zur Landeshauptstadt des Landes Hessen. Unbeschadet der Veränderung der Tagesordnung bei der Stadt Wiesbaden haben wir uns darauf verständigt, dass wir das Ende der Sitzung für 17 Uhr anpeilen. Es ist ein Gottesdienst vorgesehen und um 18.30 Uhr ein Festakt der Stadt Wiesbaden. Sie sind über die Terminlage informiert.

Wir beginnen heute mit Tagesordnungspunkt 33, Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend umfassendes Versagen der Sozialministerin, Drucks. 16/4516, mit 15 Minuten Redezeit. Dann folgt Tagesordnungspunkt 42, und die Punkte 24, 30 und 62 rufen wir da mit auf.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, es wäre gut, wenn Sie zuhören würden. – Wir beginnen nach der Mittagspause mit Punkt 43, zusammen mit den Punkten 37 und 65, und werden am Ende der Sitzung die Petitionen aufrufen.

Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend nachwachsende Rohstoffe in Hessen konsequent nutzen – Potenziale für regionale Produkte, Arbeitsplätze, Einkommen und Wertschöpfung erhöhen, Drucks. 16/4558. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann ist dieser Antrag in die Tagesordnung aufgenommen und wird Punkt 67. Er kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Punkt 39 aufgerufen werden. – Das ist so, danke schön.

Meine Damen und Herren, das waren die Mitteilungen. Es folgt noch der Hinweis,dass unsere Fußballmannschaft heute Abend wieder einmal versuchen wird, zu gewinnen.

(Günter Rudolph (SPD): Na, na, na!)

Das war eine Aufmunterung, Herr Kollege.

(Zuruf des Abg. Gerhard Bökel (SPD))

Herr Bökel, ich bitte Sie, Ihre psychologischen Kräfte wirken zu lassen. Einverstanden? – Sie spielt in Langen gegen eine Stadtauswahl. Die anderen, die nicht dorthin fahren, gucken dann das Spiel gegen China. Es wird morgen früh zu entscheiden sein, wer die schöneren Gesichter machte.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wobei die Landtagsmannschaft öfter gewinnt!)

Das kann passieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe jetzt vereinbarungsgemäß Tagesordnungspunkt 33 auf:

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend umfassendes Versagen der Sozialministerin – Drucks. 16/4516 –

Es ist eine Redezeit von 15 Minuten je Fraktion vereinbart. Ich erteile Frau Kollegin Fuhrmann für die Fraktion der SPD das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte diese Rede heute Morgen unter ein Motto stellen, das lautet: Leuchtturm oder Dunkelheit, Bautrupp oder Abrissbirne?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Sozialministerium ist ein eminent wichtiges Ministerium. Es ist verantwortlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für die Gleichberechtigung und Unterstützung von Menschen und für eine stabile volkswirtschaftliche Situation.

(Beifall bei der SPD)

Frau Lautenschläger, Sie zeigen uns jedoch seit Jahren volkswirtschaftlichen Blödsinn – Herr Hahn hat es so genannt. Sie zeigen uns dies, indem Sie die soziale Infrastruktur zerstören, indem Sie die Frauen- und Familienpolitik an die Wand fahren und in der Arbeitsmarktpolitik laufend alte Kamellen auspacken. Sie sind eine Ankündigungsministerin geblieben und werden mit diesem Attribut in die Geschichte Hessens eingehen.

(Beifall bei der SPD)

Wir möchten heute eine Zwischenbilanz ziehen, und ich kann sagen:Wer die „Operation düstere Zukunft“ zu verantworten hat, hat sich als Sozialministerin disqualifiziert, und zwar komplett.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben sich aus der sozialen Verantwortung verabschiedet. Sie haben soziale Einrichtungen platt gemacht. Andere kämpfen Tag für Tag ums Überleben. Aber Sie tun immer so, als wäre alles in bester Ordnung. Sie haben die Schuldnerberatung regelrecht ausgehungert. Sie haben bei den Frauenhäusern um 30 % gekürzt. Sie haben Eltern- und Erziehungsberatungsstellen, Frauenbildungsstätten, Arbeit in sozialen Brennpunkten, Obdachlosenhilfe, Beratung von Haftentlassenen oder das Hessische Mütterbüro auf null gesetzt, n-u-l-l. Damit haben Sie gezeigt: Sie schaffen keine Leuchttürme, sondern tiefe Dunkelheit. Bei Ihnen regiert kein Aufbautrupp, sondern die Abrissbirne.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer im Ressort für Frauen zuständig ist, muss auch Frauenpolitik machen, Politik für und nicht gegen Frauen. Sie aber haben der Auflösung der Frauenministerinnenkonferenz auf Bundesebene zugestimmt und haben damit ganz klar Ihr Weltbild gezeigt, nämlich Kinder, Küche, Kirche. Sie haben gezeigt, dass Frauenrechte, Gleichberechtigung von Frauen oder Frauenförderung nicht mehr in Ihrem Kopf stattfinden. Sie verstehen einfach nicht, dass es eine eigenständige Frauenpolitik geben muss, weil in dieser Gesellschaft immer noch Diskriminierung herrscht, weil Frauenpolitik kein Anhängsel an Familienpolitik ist.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie lösen die Frauenabteilung im eigenen Haus auf. Sie nehmen die Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst tatenlos hin,die gerade für Frauen mit Kindern ein besonderes Problem darstellt. Es gibt nicht einmal mehr Lippenbekenntnisse zur Frauenförderung. Also auch da kein Leuchtturm, sondern tiefe Dunkelheit in der Frauenpolitik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Familienministerin verweisen Sie immer stolz auf die kleinen kinder- und familienpolitischen Offensivchen. Ihre schrittweise Erhöhung der so genannten Offensivmittel ist ein Witz angesichts der gesellschaftlichen Probleme, die wir haben – das wissen Sie auch –,

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

und angesichts der Höhe der Unterstützung, die Sie den Kindertagesstätten entzogen haben. Ihrer so genannten familienpolitischen Kompetenz verdanken es die Kommunen, dass ihnen bislang sage und schreibe 300 Millionen c entzogen worden sind, die wir als Landesregierung für den Ausbau der Betreuung vorgesehen hatten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Unruhe bei der CDU)

Ihre kleinen Korrekturen werden das Problem der Betreuungsplätze nicht lösen. – Ich finde es schön, dass die CDU so laut brummelt.Aber es wäre ganz schön, wenn es ein bisschen leiser ginge.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Stichwort: Kindertagesstättengesetz. Ihre Vorgängerin, Frau Mosiek-Urbahn, hat im Jahr 2000 ein Kindertagesstättengesetz angekündigt. Sie haben es 2003 angekündigt, Frau Ministerin, und jetzt haben Sie das Kindergartengesetz um ein Jahr verlängert – eine ganz spannende Angelegenheit. Das heißt, ein Kindertagesstättengesetz wird es frühestens im Jahre 2007 geben.Wie viele Ankündigungen sollen den Ankündigungen eigentlich noch folgen, Frau Ministerin? Das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stichwort: Bildungs- und Erziehungsplan. Sie haben diesen Plan angekündigt und dann ein nacktes Baby aus der Taufe gehoben. – Meine Damen und Herren, 20 Modellprojekte stehen ohne jeden Euro aus dem Landestopf da.

Stichwort: Kindergartenerlass. Sie haben es zumindest nicht verhindert, dass der Kollege Bouffier einen total familienfeindlichen Erlass herausgegeben hat,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

durch den Eltern massiv tiefer in die Tasche gegriffen worden wäre. Man könnte sagen, Sie haben es schlicht verpennt.Es könnte aber auch sein – das trifft vermutlich zu –, dass Sie dem bei Ihrem Frauen- und Familienbild sogar zugestimmt haben.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Sie machen den Familien das Leben schwer. Familienpolitik ist auch kein Leuchtturm Ihrer Politik, sondern eher ein schiefer Turm von Pisa.

(Beifall bei der SPD)

Frau Fuhrmann, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein. Da ich eigentlich mindestens eine halbe Stunde Redezeit bräuchte, ist mir das jetzt leider nicht möglich.

Sie möchten eine Familienministerin sein, wissen aber sehr wohl, dass Frauen und vor allem die Alleinerziehenden kaum eine Chance haben, Betreuungsplätze zu finden, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Ich sage Ihnen:Ihre Offensive ändert daran überhaupt nichts,auch wenn Sie sie jetzt auf 18,x Milliönchen hochschrauben wollen. Frau Kollegin, bei den Krippen und Hortplätzen scheinen Sie momentan zwar die rote Laterne an Bayern abgegeben zu haben, zu den Schlusslichtern zählt Hessen aber nach wie vor.

(Ministerin Silke Lautenschläger: Nein, Nordrhein- Westfalen!)

Meine Damen und Herren, wir haben in Hessen für 166.000 Kinder von null bis drei Jahren gerade einmal 9.000 Krippenplätze. Das sind, selbst wenn ich Ihre eigenen Zahlen nehme, leider nur 5,7 % für einen Jahrgang. Das ist ein bisschen wenig, wenn Sie das als Schwerpunkt bezeichnen. Außerdem steigt die Quote logischerweise, weil wir leider weniger Kinder haben.Auch wenn Sie weiter gebetsmühlenartig wiederholen, dass bei dem Ausbau des Betreuungsangebots der Schwerpunkt der Landesregierung auf der Betreuung der unter Dreijährigen liegt, stimmt das einfach nicht. Die GRÜNEN haben Ihnen das neulich vorgerechnet. Aus dieser Offensive werden überwiegend Hortplätze gefördert. Ihre familienpolitische Kompetenz ist also ebenfalls null.Auch hier kein Leuchtturm Familienpolitik,sondern Dunkelheit,kein Bautrupp, sondern Abrissbirne.