Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Plenarsitzung und heiße Sie alle mit einem frohen Glückauf an dem heutigen Plenartag willkommen. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, und stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.
Zur Tagesordnung: Erledigt sind die Tagesordnungspunkte 1 bis 5, 8, 10 a und 10 b – hier haben wir noch zwei Einzelpläne zu beraten –, 25 bis 27, 30, 31, 36, 40, 42, 47, 50, 57, 58, 71, 72, 86, 97 bis 99 und 117.
Zum Ablauf der Sitzung: Wir tagen heute bis 19 Uhr. Sollte nach der Abstimmung über den Haushalt etwas Zeit übrig bleiben, schieben wir, wie verabredet, eine kleine Mittagspause ein.
Wir beginnen mit den vier Anträgen betreffend eine Aktuelle Stunde, wobei wir die Tagesordnungspunkte 87 und 90 vereinbarungsgemäß in dieser Reihenfolge aufrufen. Den Fraktionen stehen je Aktuelle Stunde je fünf Minuten Redezeit zur Verfügung. Bei den ersten beiden Anträgen sind es zweimal fünf Minuten Redezeit.
Anschließend geht es weiter mit Tagesordnungspunkt 52, Antrag von Abgeordneten der Fraktion der SPD zu dem Thema solidarische Bürgerversicherung für alle. Über diesen Tagesordnungspunkt wird ohne Aussprache abgestimmt. Im Anschluss daran wird Tagesordnungspunkt 45 behandelt.Anschließend werden wir mit den Beratungen zu den Einzelplänen 04 und 15 die Debatte über das Haushaltsgesetz fortführen. Danach wird in zweiter Lesung über den Haushalt abgestimmt.
Gegen 14 Uhr fahren wir mit der Beratung von Tagesordnungspunkt 55, Entschließungsantrag der Fraktion der FDP betreffend Föderalismusreform, Drucks. 16/3173, fort. Hierzu wurde heute Morgen auf Ihren Plätzen ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, Drucks. 16/3247, verteilt. Zum Abschluss des heutigen Sitzungstages werden wir noch einige Gesetzeslesungen durchführen.
Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Toleranz statt Ignoranz – Freiheit und ihre Gren- zen. Für ein offenes Hessen) – Drucks. 16/3214 –
Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessen weist den richtigen Weg: Integration durch Vermittlung von Werten und Sprache!) – Drucks. 16/3220 –
Wir haben vereinbart, dass die Fraktionen zweimal fünf Minuten Redezeit haben. Herr Kollege Hahn, der Fraktionsvorsitzende der FDP, beginnt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Einfach ausgedrückt bedeutet Toleranz für uns Liberale das Auseinandersetzen mit dem anderen, mit dem Fremden. Unsere Gesellschaft ist aber zurzeit zu verunsichert, als dass sie in der Lage wäre, sich wirklich angstfrei
mit dem Fremden, mit dem anderen auseinander zu setzen. Das ist in der Tat eines unserer wesentlichen Probleme in dieser Diskussion.
Angst macht eine Gesellschaft schwach. Aus dieser Schwäche heraus wird allzu häufig und manchmal auch etwas leichtfertig ein starker Staat gefordert. Dieser tut in der Tat teilweise Gutes, denn er bekämpft die Feinde der Demokratie – Hassprediger, Islamisten und Neonazis –, die offensichtlich gegen diesen Rechtsstaat sind. Das ist in den Augen der Liberalen richtig und notwendig.Aber nur eine starke Gesellschaft ist wirklich in der Lage, ein tolerantes Miteinander verschiedener Kulturen dauerhaft zu garantieren.
Deswegen sagen wir Ihnen: Natürlich brauchen wir einen gut funktionierenden Staat. Vor allem aber brauchen wir eine starke Gesellschaft. Das eigentliche Problem in unserer Gesellschaft besteht nicht in einem gewaltbereiten Islamismus oder Extremismus. Es geht übrigens auch nicht um die finanzielle Ausstattung staatlicher Institutionen oder um Sprachlabors.
Das eigentliche Problem ist vielmehr das sehr weit verbreitete Phänomen der Alltagsintoleranz.Ich habe gesagt, Toleranz hat etwas damit zu tun, dass man das Fremde annimmt und sich mit ihm auseinander setzt. Man kann feststellen, dass diese Fähigkeit in unserem Land ein wenig verloren gegangen ist.Dies hat unserer Meinung nach wenigstens zwei Gründe. Der erste Grund ist die Angst.Aus Angst vor dem Fremden wird jede Auseinandersetzung mit ihm von vornherein vermieden. Der zweite Grund liegt in der naiven Multikulti-Geisteshaltung, jede Form des Fremden kritiklos zu akzeptieren. Längst hat die Toleranz einer aktiven Ignoranz Platz gemacht,und das müssen wir in unserer Gesellschaft ändern.
Beides schadet der Integration,denn wir leben nicht mehr miteinander, sondern nur noch nebeneinander her. Deshalb ist es die Aufgabe der Politik – auch der des Hessischen Landtags –, wieder für mehr Toleranz in der Gesellschaft zu werben.Wir stehen in der Pflicht, den Menschen die Angst vor einer Auseinandersetzung mit dem Fremden zu nehmen.
Wir können dies tun, indem wir deutlich machen, dass unser Land – auch unser Bundesland – immer ein Einwanderungsland war und das auch bleiben wird und muss:von den Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg über die Boatpeople und die Gastarbeiter bis hin zu den Aussiedlern.
Die Einwanderung ist für uns keine Bedrohung, sondern ein stetig fortschreitender Prozess.Angesichts unserer demographischen Entwicklung sage ich Ihnen: Die Einwanderung ist geradezu eine Notwendigkeit für unsere Gesellschaft.
Wir können den Menschen die Angst aber nur dann nehmen,wenn wir sie in die Lage versetzen,mit dem Fremden richtig umzugehen. Deshalb müssen wir von einer bestimmten Geisteshaltung abkommen. Ich sagte es eben schon: Die multikulturellen Gutmenschen in unserer Gesellschaft belegen jede kritische Auseinandersetzung
Sie hören es schon wieder – mit dem Fremden, mit dem Neuen sofort mit einem Tabu. Diese Tabuisierung führt letztlich zu einem fremdenfeindlichen Verhalten und Denken. Die Tabuisierung provoziert das geradezu. Stattdessen brauchen wir eine offene und ehrliche Auseinandersetzung und das Ansprechen von Problemen.
Wir brauchen das Ansprechen von Problemen, die die verschiedenen Kulturen miteinander haben, sowie ein offenes und gemeinsames Ausdiskutieren dieser Probleme. Nur dann hat unsere Gesellschaft eine echte Chance, zu einer wirklichen Integration zu kommen.
Das hat nichts mit Institutionen zu tun. Der Erfolg wird vielmehr davon abhängen, ob wir – die Politik – in der Lage sind, die Menschen auf diese Reise mitzunehmen. Die erwähnten Tabus oder die so genannte Political Correctness führen eher dazu, dass Staat und Gesellschaft ohnmächtig werden. Das würde das Gegenteil von Toleranz in unserer Gesellschaft bedeuten.
Wir müssen nicht die armselige Leitkulturdiskussion führen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Wertekanon, der Grundlage unserer Gesellschaft ist, sind die Grundrechte in unserem Grundgesetz. Darüber darf es und kann es keine Diskussion mehr geben.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, deshalb müssen wir auch jedem, der in unser Land kommen will, sagen: Das ist unser Wertekanon. Stehst du zu unserem Wertekanon, akzeptierst du diesen Wertekanon, und bist du bereit,mit uns diesen Wertekanon zu leben? – Dann ist jeder Fremde in unserem Land erwünscht und kann nach seiner Fasson glücklich werden.
Wenn er aber – Herr Präsident, das ist mein letzter Satz – nicht bereit ist, diesen Wertekanon zu akzeptieren, muss die Gesellschaft die Entscheidung treffen und sagen: Dieser Fremde hat in unserer Gesellschaft nichts zu suchen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hessen weist den richtigen Weg – Integration durch Vermittlung von Werten und Sprache. Nach der Ermordung von Theo van Gogh und anderen gewaltsamen Aktionen in den Niederlanden und teilweise auch bei uns hat eine intensive Diskussion über die Frage des friedlichen Zusammenlebens mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus der islamischen Welt begonnen. Ich glaube, unser Ziel muss und kann nur lauten: Es ist der richtige Weg, den die Landesregierung einschlägt, der Weg der Integration durch Vermittlung von Werten und Sprache und gegen die Entwicklung von Parallelgesellschaften.
Meine Damen und Herren, wer hier friedlich mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern gern zusammenleben will, der muss unsere Kultur, die auf christlich-humanistischen Werten beruht, und unsere Verfassung anerkennen.
(Beifall bei der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wie Herr Kanther!)
Wer hier extremistisches islamisches Gedankengut verbreitet oder sogar einer islamistischen terroristischen Vereinigung angehört, hat sein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland verwirkt.