Protocol of the Session on February 23, 2006

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie, heiße Sie alle sehr herzlich willkommen, freue mich erneut, dass Sie da sind, und wünsche uns einen schönen dritten Beratungstag in dieser Plenarrunde.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung: Noch offen sind die Punkte 6 bis 19, 21 bis 24, 26, 27, 29, 31, 33 bis 40, 42 bis 47, 49, 51 bis 53, 55 bis 58, 63 bis 66, 68, 72 bis 75 und 77 bis 81.

Wir tagen heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von einer Stunde.

Wir beginnen mit den Aktuellen Stunden, den Tagesordnungspunkten 63, 64, 65 und 66. Die Fraktionen haben sich auf eine Redezeit von fünf Minuten je Aktuelle Stunde verständigt.

Nach Tagesordnungspunkt 64 wird Tagesordnungspunkt 72 ohne Aussprache aufgerufen,und nach Tagesordnungspunkt 66 wird Tagesordnungspunkt 27 aufgerufen. Nach der Mittagspause kommt der Setzpunkt der FDP-Fraktion, Tagesordnungspunkt 58, der zusammen mit Tagesordnungspunkt 46 aufgerufen wird. Es folgen die Tagesordnungspunkte 53, 35 und 47.

Heute fehlen entschuldigt Frau Staatsministerin Lautenschläger, deren Anwesenheit bei der kurzfristig anberaumten Sondersitzung der Gesundheitsministerkonferenz in Berlin erforderlich ist, Herr Staatsminister Jochen Riebel, der erkrankt ist, und Herr Staatsminister Karlheinz Weimar, der wegen der Finanzausschusssitzung und der Finanzministerkonferenz in Berlin weilt.

Wir haben heute einen Geburtstag zu begehen. Ich gratuliere Frau Staatsministerin Wolff sehr herzlich zu ihrem Geburtstag und spreche ihr die Glückwünsche des ganzen Hauses aus.

(Allgemeiner Beifall – Vizepräsident Frank Lortz überreicht Ministerin Karin Wolff einen Blumen- strauß.)

Meine Damen und Herren, nun zur Tagesordnung. Das Wort hat der Herr Kollege Wintermeyer.

Herr Vizepräsident, ich möchte darauf hinweisen, dass nach der Aktuellen Stunde zum Thema Kellerei-Neubau auch noch Tagesordnungspunkt 81 zur Abstimmung aufgerufen werden soll – das haben sie eben nicht vorgelesen – und dass bei der Aktuellen Stunde zum Thema Föderalismusreform der Tagesordnungspunkt 80 mit aufgerufen wird.

(Reinhard Kahl (SPD): Richtig!)

Da gibt es Übereinstimmung. – Gehen wir davon aus, dass ich das vorgelesen habe.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, hat sich jetzt Herr Ministerpräsident Koch zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte den Hessischen Landtag von Folgendem unterrichten – ohne dass das vonseiten der Landesregierung Auswirkungen auf die heutige Tagesordnung der Plenarsitzung hat.Aber ich denke, es ist dennoch richtig, dass das Parlament über ein Thema, das in der Öffentlichkeit erörtert wird, während das Plenum tagt, unterrichtet wird:

Herr Staatsminister Jochen Riebel, der zurzeit erkrankt ist – es kann also keine Diskussion darüber geben,ob er in Berlin ist, wo er heute Dienst hätte; leider Gottes liegt er zu Hause im Bett –, hat mich bereits vor einiger Zeit gefragt, ob er mit dem Ablauf seines 61. Lebensjahres aus dem Kabinett ausscheiden könne.Heute Morgen habe ich der Fraktion mitgeteilt,dass ich im März dieses Jahres dieser Bitte entsprechen werde.

Jochen Riebel hat seit nun mehr als 30 Jahren in unmittelbarer Führungsverantwortung im öffentlichen Dienst gearbeitet: als Bürgermeister, Oberbürgermeister, Landrat, Staatssekretär und Minister. Er hat diesem Land wirklich in vielfacher Hinsicht gedient. Daher bin ich der Auffassung, dass es dann auch angemessen und richtig ist, dass ein Regierungschef den Wunsch eines Regierungsmitglieds, seine berufliche Zeit am Ende anders zu organisieren, respektiert.

Das Land Hessen und auch ich persönlich, aber vor allem diese Landesregierung haben Jochen Riebel für seine Arbeit als Staatssekretär im Finanzministerium, als Chef der Staatskanzlei und für seine Mitwirkung an einer neuen Organisation und am Aufbau der Vertretung des Landes Hessen beim Bund und in Europa viel zu verdanken – eine extrem zeitaufwendige Aufgabe, in der er als NichtAbgeordneter gelegentlich die „Chance“ hatte, die Termine so zu setzen, dass es mit den Plenarsitzungen konkurrierte. Ich weiß, das hat manchmal Diskussionen gegeben.Aber ich will hier auch sagen: Jochen Riebel war niemals faul, sondern er war immer im Auftrag des Landes Hessen unterwegs,und er war ein guter Vertreter des Landes Hessen bei all diesen Dingen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich denke, deshalb hat er einen Anspruch darauf, dass ich als Regierungschef die Entscheidung wie vorgetragen treffe.

Zum Weiteren möchte ich Sie davon unterrichten,dass ich meiner Fraktion mitgeteilt habe, dass ich dann beabsichtige, kraft der mir zustehenden Kompetenz Herrn Landtagsabgeordneten und stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion Volker Hoff mit dem Amt des Staatsministers für Bundes- und Europangelegenheiten in der Staatskanzlei zum Märztermin der Plenarsitzung zu betrauen. Dann wird der Hessische Landtag darüber zu beraten und am Ende in einer Vertrauensabstimmung darüber zu befinden haben.

Deshalb: Formal kann ich den Landtag heute nicht damit befassen, aber ich glaube, es ist dennoch wichtig, Sie hier darüber zu unterrichten. Dann haben Sie – wenn der Wunsch zur Diskussion besteht – die Chance zur Diskussion, die durch meine Wortmeldung eröffnet worden ist.

Sie werden verstehen, dass ich hoffe, erwarte und zugleich auch sicher bin, dass die Fortsetzung der Arbeit von Jochen Riebel durch Volker Hoff gewährleistet ist und sich die Hessische Landesregierung auch in Zukunft in der Bundes- und Europapolitik erfolgreich darstellen wird.

Wenn Sie mir einen letzten Satz gestatten: Eine Opposition wäre schlecht ausgestattet, wenn sie nicht sofort die Chance nutzen würde, sich dazu zu äußern, ob man dieses Amt braucht. Ich bleibe dabei: Die Tatsache, dass wir in Berlin und Brüssel hochrangig vertreten werden – auf der gleichen Augenhöhe mit unseren Kollegen aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen –, ist für Hessen nicht unwichtig. Ob es ein Staatssekretär ist – wie das hier immer gewünscht wird – oder ein Minister, das ist hinsichtlich der banalen Frage des Geldes praktisch das Gleiche geworden, angesichts der Gehaltsverzichte der Minister in den letzten Jahren.

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lesen Sie es nach. Das ist die Realität. Die Minister haben sich über Gehaltsverzichte dem angenähert. Das ist auch völlig in Ordnung. Streiten wir nicht, es ist so.

Deshalb geht es hier um die Frage, wie wir formal vertreten werden. Dazu sage ich sehr klar: Es ist ein Vorteil für das Land Hessen, in Brüssel auf der Ebene von Minister zu Minister vertreten zu werden. Übrigens gibt die badenwürttembergische Verfassung eine Chance, das anders zu regeln. Dort kann man einen Staatssekretär berufen und ihn kraft Verfassung mit dem Amtstitel Minister ausstatten. So ist das dort mit dem Vertreter beim Bund geschehen.

Wir haben eine solche Regelung nicht, und ich finde, wir brauchen sie auch nicht. Wir können uns offen und klar dazu bekennen: Bei der Vertretung im Bund und in Europa geht es um Millionen Euro, um Gesetzgebungskompetenz und um Einfluss an den verschiedensten Stellen. Ich will,dass der hessische Vertreter jeweils zu der Tür des verantwortlichen Behördenleiters, zu der Tür dessen, der wichtig ist, Zutritt hat. Das ist für einen Minister einfacher. Deshalb wird Hessen auch in Zukunft durch einen Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten vertreten werden. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Es gibt eine Vereinbarung, dass jetzt eine Aussprache über diese Erklärung des Ministerpräsidenten stattfindet. Wir haben eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart.

Es wird noch ein Dringlicher Antrag der SPD eingereicht; er ist noch im Verfahren.

(Reinhard Kahl (SPD): Er ist eingereicht!)

Irgendwann werden wir ihn erleben.Auf jeden Fall gehen wir jetzt in die Aussprache.

Zuerst hat sich der Vorsitzende der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet, der Kollege Walter. Sie haben das Wort, bitte sehr.

Herr Präsident,liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie versuchen, diesen Vorgang, über den wir jetzt reden, als etwas völlig Normales darzustellen.

(Günter Rudolph (SPD):Weiß Gott!)

Da gibt es einen Minister – man hat fast das Gefühl, er habe die Altersstufe 65 oder 67 Jahre erreicht –, der schei

det jetzt ganz automatisch aus dem Amt aus, weil er – wie Sie dies dargestellt haben – seit über 30 Jahren in öffentlichen Diensten unterwegs war.

Nein, Herr Ministerpräsident, dieser Vorgang heute Morgen ist alles andere als ein normaler Vorgang. Heute Morgen wird eines deutlich: in welchem Chaos Ihre Landesregierung mittlerweile zu versinken droht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, das eigentlich Bemerkenswerte ist doch, dass wir diese Information nicht in einer angekündigten Pressekonferenz mitgeteilt bekommen, sondern dass die Not bei Ihnen so groß ist, dass Sie während einer laufenden Plenarwoche morgens Ihre Fraktion zu einer Sondersitzung einladen müssen, statt das Plenum beginnen zu lassen. Unser parlamentarischer Geschäftsführer Reinhard Kahl musste Ihnen helfen, weil der eine oder andere der CDU-Kolleginnen und -Kollegen noch nicht einmal wusste, dass diese Fraktionssitzung stattfindet. Reinhard Kahl musste ihnen sagen: Nein, kein Plenum, sondern Fraktionssitzung.

Diese Aktion heute Morgen war eine Notaktion. Sie war aus der Not geboren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben zuallererst ein Kommunikationsdesaster. Der Regierungssprecher sitzt da hinten mit leicht gerötetem Kopf. Das ist komplett schief gegangen.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also erzählt doch bitte nicht,dass es in der Politik ein normaler Vorgang ist, dass während einer Plenarsitzung in einer Sonderfraktionssitzung der Ministerpräsident den Austausch eines Ministers bekannt gibt, weil dieser angekündigt hat, irgendwann einmal aus den Diensten des Landes ausscheiden zu wollen. So etwas macht man anders, so etwas macht man nicht in einer Notsitzung an einem Vormittag.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Diese Aktion heute Morgen ist beispielhaft für das Chaos in Ihrer Regierung. Sie haben dieses Land nicht mehr im Griff.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Mein Gott, ihr könnt hier jetzt ein bisschen hineinrufen, aber ihr wisst doch, ihr spürt es doch auch, dass professionelles Arbeiten anders geht als das, was diese Landesregierung hier momentan macht.