Winfried Kretschmann
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Last Statements
Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Die Ereignisse in Japan erschüttern uns alle. Das Erdbeben und der Tsunami haben viele Tausend Menschen das Leben gekostet. Wir wissen nicht, wie viele. Ebenso wenig wissen wir, wie viele Menschen in Zukunft noch unter diesen schrecklichen Ereignissen leiden werden. Wir teilen Trauer und Sorge mit diesen Menschen.
Neben diesen direkten Folgen des Erdbebens und des Tsuna mis erleben wir eine atomare Katastrophe, deren Ausmaß wir auch noch nicht wirklich kennen. Wir können nur hoffen, dass die verzweifelten Versuche der Behörden, die Reaktoren nach dem Ausfall aller Stromsysteme mit ungewöhnlichen Maß nahmen wie der Einleitung von Meerwasser zu kühlen, irgend einen Erfolg haben. Aber es ist schon heute beunruhigend, dass bereits große Mengen von Radioaktivität freigesetzt wur den.
Innerhalb einer Generation müssen wir den dritten schweren und folgenreichen Störfall in einem Atomkraftwerk erleben: die Beinahe-Kernschmelze in Harrisburg im Jahr 1979, der Super-GAU in Tschernobyl im Jahr 1986 und nun die Katas trophe in Japan.
Das berührt mich persönlich auch deswegen besonders, weil ich bei dem atomaren Super-GAU in Tschernobyl Mitarbei ter von Joschka Fischer im damaligen hessischen Umweltmi nisterium war. Wir sahen uns herausgefordert, mit den pani schen Ängsten der Bevölkerung und mit den Auswirkungen der radioaktiven Wolke umzugehen. Wir waren teilweise wirk lich überfordert, Ratschläge zu geben, wenn gefragt wurde: Darf man nach draußen gehen? Dürfen die Kinder in Sand
kästen spielen? Was ist mit der Nahrungsaufnahme? Das hat uns alle und mich persönlich sehr, sehr betroffen und bewegt. Deswegen kann ich gut mitfühlen, was es für die Verantwort lichen in Japan bedeutet, mit den noch viel schwereren Kata strophen vor Ort umzugehen.
Für mich jedenfalls, meine Damen und Herren, ist als Konse quenz aus diesem nochmaligen schweren Reaktorunfall klar: Den Begriff „Restrisiko“ müssen wir im Zusammenhang mit der Risikotechnologie Atomkraft aus unserem Repertoire streichen.
Denn er erweckt immer den Eindruck, als wäre das Risiko ir gendwie theoretischer Art. Jetzt haben wir nach Tschernobyl zum zweiten Mal gesehen, was für eine leichtfertige Einschät zung das ist: Es gibt einfach ein echtes Risiko. Das wurde uns wieder vorgeführt. So müssen wir auch mit der Atomkraft um gehen. Sie ist eine Risikotechnologie. Das ist sozusagen der Schlusssatz zu dieser Technologie.
Wir sehen noch einmal, dass die Nutzung der Atomkraft ein Risiko ist, das vom Menschen letztlich nicht beherrschbar ist. Denn durch die Verkettung unglücklicher Umstände, von de nen das Eintreten jedes einzelnen, für sich genommen, un wahrscheinlich ist, kann trotzdem der unwahrscheinliche Fall einer solch fatalen Katastrophe eintreten, und dies innerhalb von 40 Jahren.
Joseph Kardinal Höffner hat 1986 nach Tschernobyl zu den Gefahren der Atomkraft gesagt, es gebe Risiken, deren Fol gen so gewaltig seien, dass sie bei noch so geringer Wahr scheinlichkeit ihres Eintretens nicht zu rechtfertigen seien. Ich finde, die klaren Erkenntnisse dieses Kirchenmanns sind bei Ihnen, bei CDU und FDP, nach 25 Jahren noch immer nicht wirklich angekommen.
Wenn Fukushima uns etwas lehren sollte, dann ist es doch De mut angesichts der Grenzen unseres menschlichen Vermögens, alles – vermeintlich – zu beherrschen. Denn Japan ist bekannt lich ein Hochtechnologieland.
Daraus folgt nicht, dass wir in der Politik lauter risikolose Ent scheidungen treffen könnten. Aber wir als verantwortliche Po litiker müssen doch abwägen, welche Folgen ein Handeln ha ben kann. Wir sollten die Einsicht besitzen, dass wir eben nicht alles realisieren, was technisch machbar ist.
Meine Damen und Herren, Japan lehrt uns nicht, dass wir die Notstromaggregate oder die Zuverlässigkeit einzelner Sicher heitskomponenten unserer Kraftwerke jetzt nochmals über prüfen sollten. Das muss man dauernd machen. Ich hoffe, dass es auch getan wird.
Das ist nicht das Thema, das Japan uns vorgibt. Die Lehre ist: Wir sind nicht allmächtig und können solche Risiken im Letz ten nicht wirklich beherrschen. Das ist die Lehre aus Japan.
Die Ereignisse in Tschernobyl gingen in erster Linie auf menschliches Versagen zurück. Die aktuellen Ereignisse be ruhen auf technischem Versagen im Gefolge einer Naturkata strophe. Zu glauben, nur weil Baden-Württemberg nicht in ei nem stark erdbebengefährdeten Gebiet liegt oder weil es hier keinen Tsunami geben kann, könne hier nicht wieder eine neue Katastrophe passieren – aus ganz anderen Verkettungen her aus –, das ist der Irrtum, dem Sie unterliegen.
Das wissen wir schon lange und nicht erst seit Fukushima. Aber seit Fukushima wissen wir sozusagen hundertprozentig, dass wir die Nutzung der Atomkraft so schnell wie möglich beenden müssen.
Meine Damen und Herren, das war unsere Maxime. Das war die Maxime der rot-grünen Bundesregierung. Daraus haben wir die Konsequenz gezogen und einen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Das war die Kernkonsequenz aus all diesen Vorhaben, schon vor Fukushima.
Wir haben das Ende der Atomkraft eingeläutet und gleichzei tig den erneuerbaren Energien zum Durchbruch verholfen. Diese beiden Teile der Energiepolitik kann man überhaupt nicht trennen. Aus unserem starken Nein vor 30 Jahren zur Atomkraft ist heute ein starkes Ja für die Energiewende hin zu den regenerativen Energien geworden. Wir sehen: In der Demokratie gehören ein starkes Ja und ein gutes Nein immer zusammen. Das ist die richtige Politik in der Demokratie.
Beides hat unsere Energieversorgung zukunftsfähiger und ver antwortbarer gemacht. Wir haben Deutschland vorangebracht und bundesweit bis heute ca. 350 000 neue Arbeitsplätze, vie le davon auch in Baden-Württemberg, in diesem Bereich ge schaffen. Sie waren dagegen und haben diese Energiewende durch Ihre Laufzeitverlängerung brüsk gestoppt. Das ist die Wahrheit.
Was ich heute von Ihnen erwartet hätte, Herr Ministerpräsi dent und Herr Fraktionsvorsitzender Hauk, war, dass Sie nach diesen dramatischen Ereignissen gesagt hätten: „Wir haben einen schweren Fehler gemacht. Diesen Fehler müssen wir heute eingestehen, und wir ziehen die Konsequenzen daraus.“ Das hätten wir heute von Ihnen erwarten können.
Diese Laufzeitverlängerung war ein Kniefall vor der Atom lobby und nichts anderes. Es gab für die Laufzeitverlängerung weder Klimaschutzgründe, noch gab es einen Grund wegen
einer Stromlücke, noch sind dadurch die Strompreise gesun ken. Das ist die Wahrheit. Das sind die Tatsachen.
Die Realität unserer Energieversorgung, die Realität überal terter Atommeiler mussten Sie dazu ausblenden. Die techni schen Konzeptionen von Neckarwestheim I und Philipps burg 1 stammen bekanntlich aus den Sechzigerjahren. Man wusste schon vorher, dass es keine gute Zukunft bedeutet, sol che Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen.
Neckarwestheim I wäre schon im letzten Jahr stillgelegt wor den, wenn es nach uns und nicht nach Ihnen gegangen wäre.
Das Moratorium, das jetzt beschlossen worden ist, haben al le, die das Vorgehen verfolgt haben, als das erkannt, was es ist: Es soll eine Beruhigungspille sein, um Sie über die Wah len zu retten. Das ist der wahre Grund.
Die Formulierung, die Ihr Ministerpräsident in der Presse konferenz in Berlin gebraucht hat, es sei ein „emotionaler Ausnahmezustand“ in Deutschland gegeben, spricht allerdings sehr für meine These. Jetzt will man für drei Monate abschal ten, bis sich die Emotion wieder beruhigt, und dann geht es irgendwie weiter.
Aber das ist nicht unsere Position. Unsere Position heißt: Die se alten Meiler gehen endgültig vom Netz. Das ist die Konse quenz, die wir heute ziehen müssen.
Ich sage noch einmal: Es ist ein Irrtum gewesen, zu glauben, man könne all die Gefahren, die mit diesen alten Atomkraft werken verbunden sind, bändigen. Das war ein schwerer Irr tum; denn es zeigt sich, dass wir das nicht können. Deswegen müssen diese alten Atomkraftwerke sofort stillgelegt werden. Das ist die klare Konsequenz, die sich aus allen Analysen, die wir haben, und aus dem schweren Unfall, den wir jetzt leider mitverfolgen müssen, ergibt.
Meine Damen und Herren, Frau Gönner, Herr Kollege Hauk, da kann es nicht um eine Faktenschlichtung gehen.
Da kann es jetzt überhaupt nicht darum gehen, analog zu Stutt gart 21 irgendeine Faktenschlichtung einzurichten. Kein ein ziges politisches Thema ist in der Vergangenheit so intensiv diskutiert worden wie die Atomtechnologie und die Energie politik – kein einziges Thema!
Die Konsequenzen liegen alle klar auf dem Tisch.
Ich zitiere noch einmal Erwin Teufel aus dem Jahr 1986 nach Tschernobyl:
Die Weichen für Alternativen zur Kernkraft müssen heute... gestellt werden und nicht erst nach dem Jahr 2000...
Die Zukunft gehört nicht der Kernkraft, weil kein Mensch mit so großen Risiken leben will, wenn... es risikoärme re oder gefahrlose Arten der Energieerzeugung gibt.
Erwin Teufel: schöne Worte ohne Folgen.
Die CDU dreht sich seit 25 Jahren im Kreis.
Herr Ministerpräsident Mappus, Sie sind wirklich der un glaubwürdigste Umkehrer in dieser Sache. Es ist noch kein Jahr her, da haben Sie in brachialer Weise den Rücktritt von Umweltminister Röttgen, des Ihrer eigenen Partei angehören den Bundesumweltministers, gefordert, weil er sich gegen Ih re Pläne der schnellen Verlängerung der Laufzeiten von Atom kraftwerken auf einen sehr langen Zeitraum gewehrt hat – Ihr eigener Umweltminister –, und Sie haben die Bundeskanzle rin aufgefordert, ihn rauszuschmeißen.
Fünf Tage nach Ihrem Amtsantritt als Ministerpräsident ha ben Sie in einem Interview in der „Stuttgarter Zeitung“ ge droht:
Es wäre aber völlig inakzeptabel, wenn das die Konse quenz hätte, dass zwei Reaktoren, darunter Neckarwest heim I, abgeschaltet werden müssten. Das ist mit uns nicht zu machen.
Was sagt uns das über Ihre heutige Rede? Sie ist nicht glaub würdig. Das sagt uns das.
Dazu schreibt der „Tagesspiegel“ heute in einem Kommen tar:
Und jetzt will er
Mappus –
offenbar als derjenige durchgehen, der die Atomkraft im mer nur notgedrungen richtig fand. Aber das stimmt nicht. Ganz und gar nicht. Er, vor allem er, war es, der eine Ver längerung der Laufzeiten wollte. Er hat die Bundeskanz lerin unter Druck gesetzt, hat gegen den Bundesumwelt minister gehetzt, hat sich am Ende durchgesetzt. Darum darf man ihm das nun nicht durchgehen lassen.
Ja, so ist es. Das darf man ihm nicht durchgehen lassen.
Das dürfen wir ihm in der Tat nicht durchgehen lassen.
Darum wäre es gut gewesen, Herr Ministerpräsident Mappus, wenn Sie sich hier heute hingestellt und gesagt hätten: „Das war ein schwerer Fehler, das gestehe ich hier ein. Weil ich da einen schweren Fehler gemacht habe, wird der jetzt ausgebü gelt. Ich setze mich dafür ein, dass diese alten Atomkraftwer ke endgültig stillgelegt werden.“ Das wäre die richtige Kon sequenz gewesen. Dann hätten wir Respekt vor Ihrer Rede ge habt.
Meine Damen und Herren, ich muss wirklich sagen: In die sem Zusammenhang überhaupt davon zu sprechen, dass es ein Moratorium des Ausstiegs sei, ist schon irreführend. Das ist eine ganz normale Stilllegung nach § 19 Abs. 3 des Atomge setzes, die man immer machen kann, wenn man z. B. Sicher heitsüberprüfungen macht.
Da Sie vorhaben, das nicht endgültig zu machen, ist das über haupt kein Moratorium des Ausstiegs aus dem Ausstieg. Es ist eine ganz normale Maßnahme, die man jederzeit treffen kann. Darum ist das keine besondere Tat, für die Sie sich jetzt auf die Schulter klopfen können. Man hätte aufgrund der dra matischen Ereignisse erwarten können, dass Sie da etwas mehr tun, als Sie getan haben.
Ich kann also zusammenfassen: Für das Land Baden-Würt temberg ist es unmittelbar wichtig, nicht nur Neckarwest heim I, sondern auch Philippsburg 1 stillzulegen.
Wir werden dies machen. Wenn es die Bundesregierung nicht macht, werden wir durch die Beteiligung an der EnBW zu sammen mit den Oberschwäbischen Elektrizitätswerken durch setzen, dass wir auch Philippsburg 1 stilllegen. Denn dies sind wir der Bevölkerung und ihrer Sicherheit nach den Katastro phen, die wir in Japan erlebt haben, schuldig.
Deswegen gibt es eine grundsätzliche Entscheidung über die Frage: Wie wird mit den Interessen der Menschen in diesem Land umgegangen? Am 27. März wird darüber eine grund sätzliche Entscheidung gefällt.
In welche Richtung geht man? Geht das Land in die Richtung, diese gefährlichen Atommeiler stillzulegen? Oder geht das Land in die Richtung, diese nur zeitweise abzuschalten und danach irgendwie weiterzumachen?
Denn wir wissen: Die Verlängerung der Laufzeiten ist keine Brückentechnologie. Die Verlängerung der Laufzeiten ist ei ne Bremstechnologie für die erneuerbaren Energien. Das wis
sen wir heute. Jeder weiß – in Unternehmen, in Stadtwerken, in Genossenschaften –:
Menschen, die etwas mit regenerativen Energien, die etwas in Richtung Energieeffizienz machen wollen, müssen investie ren.
Diese Menschen müssen Kapital in die Hand nehmen und et was unternehmen. Mit Ihrer Laufzeitverlängerung bringen Sie sie nur unter Druck im Wettbewerb mit den alten Monopolen,
denen Sie durch die Verlängerung der Laufzeiten Extraprofi te zusichern wollten. Das ist die Wahrheit.
Darum heißt ein Wechsel am 27. März auch: So schnell wie möglich weg von dieser Risikotechnologie, hin zur Zukunft der regenerativen Energien. Das werden wir durchsetzen.
Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Rheinland-Pfalz, ein kleines Bundes land mit ähnlichen naturräumlichen Bedingungen, wie sie in
unserem Land bestehen, hat einen Windkraftanteil von über 7 %.
Bei uns liegt der Windkraftanteil unter 1 %.
Hinter uns liegen nur noch die Stadtstaaten. Ich glaube, in ei ner solchen Situation sollten Sie sich einmal zurückhalten, uns als Blockierer hinzustellen.
Das kann nicht gelingen.
Die Fakten sprechen eindeutig für sich und zeigen, dass Sie diesen wichtigen Einstieg blockiert haben. Das können Sie al so wirklich bleiben lassen. Das ist nicht glaubwürdig.
Ich möchte jetzt einmal etwas zu Atdorf sagen. Das scheint mir wichtig, weil Sie seit Monaten versuchen, uns mit diesem Thema vorzuführen.
In Atdorf lief ein Raumordnungsverfahren, um festzustellen, ob dieser Standort für ein Pumpspeicherkraftwerk geeignet ist.
Wie Sie wissen, ist es in einem Raumordnungsverfahren zwin gend vorgeschrieben, dazu alternative Standorte zu prüfen.
Zu einem Zeitpunkt, als dieses Raumordnungsverfahren noch lief, kamen Sie – Sie, Herr Ministerpräsident, bis hin zu Wirt schaftsminister Pfister – mit Ihrer Kampagne, wir seien auch gegen Atdorf. Wir müssen uns einmal überlegen, was das be deutet. Diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass ein sol ches Raumordnungsverfahren fair stattfindet, dass man sicher sein kann, dass die Standorte, um die es dort geht, die Alter nativen, fair abgewogen werden, dass sie nach objektiven Kri terien geprüft werden – das ist ja der Sinn eines Raumord nungsverfahrens –, sprechen sich indirekt schon für einen be stimmten Standort aus. In diesem Stadium, in dem das Gan ze in der Prüfung ist, sagen Sie: „Die Grünen sind aber auch gegen Atdorf.“ Das heißt, Sie sind dafür.
Überlegen Sie einmal, was das für die Bevölkerung vor Ort heißt. Die Bevölkerung hat aufgrund verschiedener Kriterien, wie es sie immer nur vor Ort gibt, Bedenken. Eines ist z. B., dass der Aushub arsenhaltig ist. Das ist ein ganz starkes Ar gument. Denn auch, wenn man, wie wir, grundsätzlich für Pumpspeicherkraftwerke ist,
muss man doch prüfen: Welches ist der richtige Ort und Platz dafür? Das zu klären ist Aufgabe des Raumordnungsverfah rens.
Das ist eine ganz ernsthafte Angelegenheit.
Wer sich, wie Sie, festlegt, bevor das Raumordnungsverfah ren, das über diese Frage entscheiden soll, überhaupt abge schlossen ist, muss sich einmal in die Lage der Menschen vor Ort versetzen, die Einsprüche erheben, die sich engagieren, und fragen: Was bedeutet das für sie?
Das heißt für sie: „Du kannst hier einbringen, was du willst, es ist schon vorentschieden. Die entscheidenden Leute, die dafür verantwortlich sind –
wie der Ministerpräsident oder der Wirtschaftsminister –, ha ben sich indirekt schon dafür ausgesprochen.“ Ich sage Ihnen: Wer so handelt, zerstört das Vertrauen vor Ort, bevor man überhaupt dort war.
Das ist das, was sich ändern muss. Die Menschen vor Ort müs sen sicher sein können, dass wir mit ihren Argumenten ernst haft umgehen, sie gewichten und zum Schluss entscheiden und abwägen,
ob diese Argumente ein Kraftwerk an diesem Ort verhindern oder nicht. Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass die Regeln, die wir machen, ehrlich angewandt werden und dass die, die sie durchsetzen wollen, sich selbst an diese Regeln halten. Sie müssen darauf vertrauen können, dass die Alternativen in einem Raumordnungsverfahren nicht nur pro forma geprüft werden, während man sich in Wirklichkeit schon von vornherein festgelegt hat. Das ist ja wohl die Er fahrung aus Stuttgart 21.
Ich sage Ihnen: Ihr Versuch, den Sie hier unternehmen, sich einerseits schon festzulegen und uns andernorts vorzuwerfen, wir seien dagegen, muss das Vertrauen der Menschen vor Ort zerstören.
Wenn wir regieren, werden wir damit aufhören.
Die Menschen vor Ort können sich darauf verlassen,
dass wir ihre Argumente ernsthaft prüfen.
Sie haben ein Recht darauf, dass wir ihre Argumente ernsthaft prüfen, dass wir nicht mit Scheinalternativen arbeiten,
während wir uns in Wirklichkeit hintenherum schon festge legt haben. Darauf kann die Bevölkerung vertrauen. Den Schritt in die Bürgergesellschaft werden wir gehen, und die Bevölkerung muss sich darauf verlassen können.
Es gibt immer Argumente vor Ort. Diese können zum Schluss stechen, weil sie so stark sind, dass man dann an dem be stimmten Ort etwas nicht machen kann, was man vorhatte.
Dann macht man es anderswo. Oder die Argumente sind nicht so stark. Dann werden sie von übergeordneten Argumenten ausgestochen. Das werden wir der Bürgerschaft offenlegen. Sie kann darauf vertrauen, dass wir unsere Maßstäbe offenle gen, dass wir ihre Argumente ernst nehmen und abwägen
und uns nicht schon vorher entschieden haben. Das wird un sere Politik beim Schritt in die Bürgergesellschaft sein, und diese wird sich radikal von dem unterscheiden, was Sie ma chen.
Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Herr Goll, auf die Frage nach Ihrer zu künftigen Tätigkeit im Aufsichtsrat der EnBW sind Sie mit den Worten zitiert worden:
Ich will vermeiden, dass Finanzinvestoren mit kurzfristi gen Gewinninteressen einziehen.
Ich muss Ihnen leider sagen, Herr Goll: Es ist zu spät. Ein Fi nanzinvestor ist schon im Unternehmen, nämlich das Land Baden-Württemberg.
Was versteht man unter einem Finanzinvestor? Erstens: Er in vestiert kein eigenes Geld, sondern er steigt auf Pump ein. Zweitens: Er hat kein Interesse daran, das Unternehmen län ger zu führen, weil er – drittens – kurzfristige Gewinne mit nehmen muss.
Der erste und der zweite Punkt stimmen also. Genau so ha ben Sie die Anteile an der EnBW gekauft, nämlich auf Pump.
Sie sagen auch, Sie wollten das Unternehmen möglichst bald wieder loswerden.
Sie müssen auch, egal, ob Sie es wollen oder nicht, kurzfris tige Gewinne erzielen, um die Zinsen für den Kredit in Höhe von 4,7 Milliarden € für den Kauf der Anteile an der EnBW bezahlen zu können. Echte Gewinne werden Sie aber nicht er zielen; ich sage Ihnen auch gleich, warum nicht. Daher hat die „Financial Times Deutschland“ am 1. Februar 2011 die Lan desregierung auch nicht als Heuschrecke bezeichnet, sondern als „schwäbische Heuschrecke“.
Ob Sie das nun als ein besonderes Kompliment für die Wirt schaftskompetenz der Landesregierung ansehen, das überlas se ich Ihnen.
Aber darum geht es nicht. Ich will heute der Frage nachge hen: War der Kauf eine für das Land wirtschaftlich sinnvolle, Erfolg versprechende, wenigstens eine vertretbare Entschei dung, oder war es ein Spekulationsgeschäft, bei dem die Ri siken überwiegen?
Sie spekulieren mit 4,7 Milliarden € plus x auf Pump. Das ist ein Volumen in einer Höhe, bei dem es nicht mehr um gegen seitiges Schulterklopfen geht. Verehrte Kolleginnen und Kol legen, ich will Ihnen aufgrund der wirtschaftlichen Daten und der eigenen Prognosen der EnBW einerseits und aufgrund der Zwänge des schuldenfinanzierten Kaufs andererseits darle gen, dass das Verhältnis von Chancen und Risiken nicht ver
tretbar ist und dass es nicht richtig war, diese Risiken einzu gehen.
Zum wirtschaftlichen Umfeld dieses Deals möchte ich aus ei nem Artikel in der „Financial Times Deutschland“ vom letz ten Freitag zitieren:
Die fetten Jahre der deutschen Stromkonzerne sind vor bei. Mit einem überaus pessimistischen Ausblick hat RWE-Chef Jürgen Großmann den Aktienkurs des Kon zerns am Donnerstag auf Talfahrt geschickt. Der opera tive Gewinn werde in diesem Jahr um 15 % sinken, der Nettogewinn um 30 % einbrechen, sagte Großmann bei der Vorstellung der Jahresergebnisse in Essen.
Ist dies bei der EnBW anders?
Nein, denn das hat etwas mit den wirtschaftlichen Rahmen bedingungen zu tun, und zwar ganz unabhängig davon, wer Eigentümer des Unternehmens ist.
EnBW-Chef Villis hat bei der Investorenkonferenz am 8. Fe bruar 2011 eine Folie mit der Gewinn- und Investitionsprog nose aufgelegt, die deutlich macht, wohin die Reise gehen wird: fallende Gewinnerwartungen in allen Geschäftsberei chen, beim operativen Konzerngewinn ein Rückgang um 10 % bis 15 %. Die Entwicklung liegt also in derselben Größenord nung wie bei RWE. Dies bedeutet beim Gewinn ein Minus von 25 % pro Aktie.
Die Analysten erwarten dasselbe. Ein aktueller Report von LBBW Research prognostiziert bei der EnBW für das Jahr 2014 nur noch einen Gewinn von 2,6 € pro Aktie gegenüber einem Gewinn von 3,9 € pro Aktie in diesem Jahr. Das sind ebenfalls 30 % weniger – auch bei der EnBW.
Der Substanzwert des Unternehmens liegt nach der Bilanz bei ca. 28 € pro Aktie.
Am 8. Dezember 2010, also kurz nach dem Kauf der EnBWAnteile durch das Land für 40 € pro Aktie, sah die französi sche Bank Société Générale das Kursziel der Aktie bei 34 €. Übrigens lag dieses Kursziel, wie einem bekannten Informa tionsdienst im Internet zu entnehmen ist, bereits am 14. Sep tember 2010 bei 34 €. Aber Sie vom Staatsministerium haben offensichtlich nicht in diesen Informationsdienst geschaut.
Herr Mappus, Sie sagen, Sie hätten nach Brancheninformati onen gekauft. Sie haben zugesagt, dem Landtag Ihre Daten grundlage zukommen zu lassen. Das ist bisher nicht gesche hen. Das Bewertungsgutachten von Morgan Stanley muss auf den Tisch. Es basiert auskunftsgemäß allein auf öffentlich ver fügbaren Informationen. Es gibt keinen Grund, das geheim zu halten. Also auf den Tisch damit!
Der Kaufpreis hätte auf keinen Fall über 34 € liegen dürfen, wahrscheinlich eher bei 30 bis 31 €. Sie haben aber 40 € be zahlt. Ihr Berater von Morgan Stanley hat Sie also nicht gut beraten; es war eine Falschberatung. Die Differenz liegt bei mindestens 650 Millionen €, aber es ist zu befürchten, dass Sie 900 Millionen € in den Sand gesetzt haben.
Nach solchen Ergebnisprognosen war klar, dass es wirtschaft lich gar keinen Sinn ergibt, diesen Kauf zu tätigen; aber Sie wollten das offensichtlich nicht sehen. Bei dieser Prognose hätte wohl auch Ihre eigene Fraktion sich die Augen gerieben und gefragt, was es bringen soll, diesen Kauf zu tätigen. Des wegen haben Sie ihn in Ihrem Hauruckverfahren durchgezo gen.
Aber der gravierende Punkt liegt doch anderswo: Mit dem Zwang zur Ausschüttung verhindern Sie den Umbau des Un ternehmens. Der aber ist das eigentliche Ziel, das rechtfertigt, dass sich die öffentliche Hand überhaupt an einem solchen Unternehmen beteiligt.
Ihre Aussage lautet: Der Haushalt wird durch den Kauf auf Pump nicht belastet. Sie haben gesagt, dass Sie daran gemes sen werden wollen. Aber irgendwann klappt das nicht mehr. Die Frage ist nur, wann. Wann ist der Punkt gekommen, an dem der Steuerzahler – der übrigens schon gewiss sein kann, dass Herr Villis die Strompreise erhöht – draufzahlt?
Um diesen Punkt nun hinauszuschieben, ist Herr Villis ge zwungen, einen höheren Anteil des sinkenden Gewinns an die Aktionäre auszuschütten und in der Folge weniger zu inves tieren. Genau das hat er bei der Investorenkonferenz angekün digt: Die Ausschüttungsquote steigt auf 60 %,
die Investitionen sinken dramatisch, vor allem bei den rege nerativen Energien.
Zu den regenerativen Energien sagte Herr Villis den „Stutt garter Nachrichten“ am 8. Februar 2011:
Man könnte mehr machen..., aber es geht nicht.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, warum geht es nicht?
Es geht deswegen nicht, weil das Land auf Dauer mindestens eine Dividende in Höhe der Sollzinsen für die Zweckgesell schaft aus dem Unternehmen ziehen muss, und das ist eben das System Heuschrecke, der Kauf auf Pump. Es muss diese Gewinne herausziehen, sonst fällt uns das sofort auf die Füße und belastet den Haushalt.
Das heißt: Bei sinkenden Betriebsergebnissen – sie werden sinken, wie wir gesehen haben – wird es immer schwieriger. Die Investitionen sinken laut Villis bis zum Jahr 2013 von 7,9 auf 5,1 Milliarden €. Hinzu kommen Deinvestitionen durch Verkäufe von Unternehmensanteilen in Höhe von 1,9 Milli arden €.
Wenn wir das zusammennehmen, Herr Ministerpräsident Mappus, dann wird klar: Die Investitionen für eine neue stra tegische Ausrichtung des Unternehmens werden durch den Kauf zu diesem Preis gerade verhindert.
Wegen des Schraubstocks der Zinsbelastung der Zweckgesell schaft muss in schwierigen Zeiten die Dividende aus dem Un ternehmen förmlich herausgepresst werden. Die Möglichkeit, vielleicht einmal drei Jahre lang auf eine Dividende zu ver zichten, damit sich das Unternehmen anders aufstellen kann und investiert, steht Ihnen gar nicht zur Verfügung, ohne dass das dem Haushalt auf die Füße fällt. Das ist der Punkt.
Deswegen muss man also zusammenfassend sagen: Nicht nur dass Sie den Kauf am Parlament vorbei gemacht haben war ein schwerer Fehler,
sondern auch in der Sache muss dieser Kauf negativ beurteilt werden. Er ist unter diesen Bedingungen und zu dem Preis, zu dem Sie ihn getätigt haben, eine schwere Hypothek für das Land.
Sie konnten bis heute überhaupt nicht darlegen, wie Ihre stra tegische Ausrichtung aussehen soll, wo die strategischen Part ner sind, wo sie stehen und wer bereit ist, in dieses Unterneh men einzusteigen. Es ist also auch in der Sache ein schwerer Fehler und eine schwere Hypothek, die Sie Ihren Nachfolgern hinterlassen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst aufzählen, bei welchen Punkten unter den Fraktionen Einvernehmen be steht.
Erstens: Es besteht Einvernehmen in der Zielsetzung, dass wir ein neues Finanzausgleichssystem benötigen. Zweitens: Es besteht Einvernehmen, dass dieses neue System transparent und für jeden nachvollziehbar sein muss. Drittens: Es besteht Einvernehmen, dass für alle Länder die Anreize verstärkt wer den sollen, eigene Einnahmen zu generieren.
Aus meiner Erfahrung mit der Föderalismuskommission sa ge ich, dass es erfolgversprechender ist, sich nicht gleich zu Beginn der Verhandlungen auf ein bestimmtes Modell festzu legen. Deswegen haben wir in unserem Änderungsantrag be wusst darauf verzichtet, ein bestimmtes Konzept zu benen nen, obwohl wir ein Konzept haben und dieses auch öffent lich vorgestellt haben. Der hessische Finanzminister Thomas Schäfer hat gesagt, dies sei ein interessanter Diskussionsbei trag.
Na ja. – Die anderen Fraktionen waren in Vorgesprächen nicht bereit, den Begriff „Einnahmesituation“ zunächst ein mal wegzulassen. In den Verhandlungen der Föderalismus kommission hat sich gezeigt, dass es Sinn macht, Paketlösun gen anzustreben, also Finanzthemen mit anderen Anliegen zu verbinden. Das ist nur in einer breiteren Runde von Teilneh mern möglich.
Deswegen schlagen wir eine Föderalismuskommission III als den geeigneten Rahmen vor, über eine neue Finanzverteilung erfolgreich zu verhandeln. Ich weiß nicht, wie Sie sonst mit den anderen Ländern verhandeln wollen. Wie soll das eigent lich gehen? Eigene Vorschläge haben Sie bisher nicht ge macht.
Hinzu kommt, dass bei einer Föderalismuskommission auch die Gemeinden beratend mit am Tisch sitzen sollen, um zu tragfähigen und robusten Lösungen zu kommen; denn die un terschiedliche Finanzkraft der Kommunen spielt eine große Rolle. Anders kann man das gar nicht ernsthaft zu Ende brin gen.
Sollte am Ende des Prozesses ein gemeinsamer Weg nicht er reicht werden, dann kann man tatsächlich prüfen, ob es Sinn macht, eine Klage beim Bundesverfassungsgericht einzurei chen. Wichtig ist dabei, dass man prüft, ob sie Erfolgsaussich ten hat. Den Nachweis einer solchen Überprüfung haben Sie bisher nicht vorgelegt, Herr Finanzminister. Deswegen kön nen wir auch nicht beurteilen, ob eine solche Klage überhaupt Aussicht auf Erfolg hat.
Deswegen haben wir in unserem Antrag Änderungsvorschlä ge dazu eingereicht. Das ist die richtige Reihenfolge. Sie müs sen erst einmal Vertrauen bei den anderen schaffen und zei gen, dass Sie ernsthaft verhandeln wollen. Dann können Sie sagen: „Wenn das nicht zu einem Ergebnis führt, klagt man“ – aber nicht umgekehrt. Sonst schaffen Sie keine Verhand lungsatmosphäre. Das müsste doch eigentlich jeder wissen.
Ministerpräsident Oettinger hat das jedenfalls gewusst und sich auch so verhalten.
Wir wollen, dass das zu einem Erfolg wird. Das ist aus den Gründen, die genannt worden sind, wichtig.
Ich würde einmal sagen, dass wir zu über zwei Dritteln Kon sens haben, dass wir aber bei der Frage der richtigen Akzent setzung beim Verhandlungsweg und bei der Klage Differen zen haben.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich finde, dass Sie des wegen den einzelnen Ziffern des Änderungsantrags gut zu stimmen können, weil wir dann ein einheitliches Bild abge ben werden. In Ihren Fraktionsvorsitzendenkonferenzen wer den Sie merken, dass das erforderlich ist; denn die Unterschie de in den Interessenlagen sind gewaltig. Darum ist der Weg, den wir vorschlagen, der richtige Weg. Er ist nämlich erfolg versprechend.
Vielen Dank.
Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Es ist kaum zu glauben, aber es ist nach der Rede, die Sie, Herr Kollege Groh, gehalten haben, tatsächlich erforderlich, noch einmal klarzustellen, wie das jetzige System des Länderfinanzausgleichs funktioniert.
Es hält sich hartnäckig eine Falschinformation, die Sie schon wieder angeführt haben, nämlich die, dass der Länderfinanz ausgleich etwas mit den Ausgaben zu tun hat. Das ist einfach nicht der Fall.
Der Länderfinanzausgleich ist ein reiner Einnahmeausgleich. Selbst dann, wenn Schleswig-Holstein doppelt so hohe Stu diengebühren erheben würde wie wir, bekäme es trotzdem keinen Euro weniger. Das hat damit gar nichts zu tun.
Wenn Rheinland-Pfalz die Kindergartengebühren wieder ein führt, dann bekommt es keinen Cent weniger von uns.
Wenn auch Gebühreneinnahmen beim Länderfinanzausgleich eine Rolle spielen würden, dann wären die Leistungsanreize noch geringer.
Was Sie da erzählen, ist also wirklich barer Unsinn.
Damit können Sie natürlich in jedem Bierzelt und in jedem Festzelt die Leute auf die Bäume treiben,
aber es hat keinen Effekt. Es sind einfach Falschinformatio nen an die Bevölkerung.
Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas dazu: Damit Haushaltsdis ziplin eintritt und man kein Geld für etwas ausgibt, wofür man kein Geld hat, ist in der Föderalismuskommission II unter Führung Ihres Vorgängers Oettinger, Herr Ministerpräsident, die Schuldenbremse eingeführt worden. Dafür ist sie das In strument. Egal, ob die Länder Rheinland-Pfalz, SchleswigHolstein oder Baden-Württemberg heißen, sie dürfen ab dem Jahr 2020 keine neuen Schulden mehr machen.
So ist es. Für die schwachen Bundesländer ist das ein außer ordentlich hartes Regime, dem sie unterworfen sind.
Das ist die Richtung, die angegeben wurde. Was Sie erzählen, hat mit dem Problem, um das es hier geht, gar nichts zu tun.
Was Sie hier betreiben, ist reiner Populismus.
Er ist in dieser Frage wirklich gefährlich.
Der ehemalige Bundespräsident Herzog und Ihr Kollege Paqué, Herr Rülke, haben in dieser Woche in der Zeitung „Das Parlament“ ein Interview gegeben. Herr Herzog sagt: Wir brauchen ein neues System.
Er benennt die Eckpunkte deutlich. Sie sind völlig richtig. Er sagt:
All diese Länder
die Nehmerländer –
werden auf absehbare Zeit hin durch ihre Strukturge schichte schwächer dastehen, selbst wenn sie sich noch ordentlich in den nächsten zehn Jahren entwickeln. Ein neues System muss also her, zumal ein Zieldatum vorge geben ist: 2019 läuft der bisherige Länderpakt aus.
An einer späteren Stelle sagt er in diesem Interview: Zehn Jah re sind dafür eher kurz. Genau das sagt er in diesem Interview. Jeder, der in diesen Fragen Erfahrung hat, weiß, dass dies rich tig ist. Die Schweiz hat 17 Jahre gebraucht,
um ihr Finanzausgleichssystem wieder auf ein gutes Funda ment zu stellen. Das heißt, man muss jetzt damit anfangen, Vorschläge in die bundespolitische Arena einzubringen. Das
darf man nicht erst kurz vor Schluss tun, denn dabei käme wieder nichts Vernünftiges heraus.
Unser Ansatz ist, jetzt eigene Vorschläge einzubringen.
Diese müssen so gestaltet sein – wie auch immer man im Ein zelnen dazu steht, Herr Kollege Nils Schmid –, dass niemand mehr sagen kann: „Wir machen gar nichts und halten am al ten System fest.“ Das ist die erste wesentliche Hürde, die wir übersprungen haben. Ich habe meine Reihen jedenfalls so weit bekommen, dass niemand mehr sagt: „Nein, es bleibt alles beim Alten.“ Jeder, der ein bisschen Erfahrung hat, weiß: Das ist die richtige Vorgehensweise. Jeder weiß, dass jeder Vor schlag, den man in diesem Zusammenhang macht, am Ende der zehn Jahre nicht unverändert geblieben sein wird.
Das sind zunächst einmal Vorschläge, um andere zur Debatte einzuladen und die größten Fehlstellen in dem ganzen System offenzulegen. Dazu haben wir, denke ich, einen guten und pro funden Vorschlag gemacht.
Dieser Vorschlag beinhaltet zwei Gedankengänge, die klar und richtig sind: Er beachtet zum einen Leistungsgerechtig keit und zum anderen Bedarfsgerechtigkeit nach Artikel 106 des Grundgesetzes. Das ist der richtige Ansatz. Nur wenn man so vorgeht, hat man überhaupt eine Chance auf Erfolg.
Ich darf dazu sinngemäß eine Aussage von Minister Reinhart wiedergeben, der meinte, wir müssten Wege finden, um die finanzschwächeren Länder nicht zu benachteiligen; wir bräuchten ein Win-win-System:
Die Reform muss so aussehen, dass sie auch die Nehmer länder überzeugt.
Diese Aussagen liegen allerdings ein paar Jahre zurück, Herr Reinhart.
Aber so geht man dabei in die Auseinandersetzung.
Ich sage noch einmal klar: Wenn uns die Wählerinnen und Wähler mit der Regierungsverantwortung betrauen,
werden wir Baden-Württemberg als starkes Geberland – –
Wir werden genau an das Vorgehen Ihres Amtsvorgängers an knüpfen. Er hat in der Bundesarena mit Erfolg und Ansehen eine Führungsrolle übernommen.
Er hat die Leute und die Vorschläge zusammengebracht.
Was machen Sie dagegen? Sie wollen einfach nur vor Gericht gehen, und das aber auch erst im Sommer.
Sie haben nie dargelegt, wie die Erfolgsaussichten sind. Uns liegt noch nicht einmal das Gutachten vor.
Wenn einem solch starken Land wie Baden-Württemberg in einer derartigen Situation nichts anderes einfällt, als vor Ge richt zu gehen, bevor man auch nur einen einzigen Vorschlag gemacht hat – einen einzigen! –, sendet man das Signal an die Bevölkerung aus: „Die Politik ist nicht handlungs- und gestal tungsfähig. Man muss in diesem Land vor Gericht gehen, wenn man etwas erreichen will.“ Das ist nicht unsere Politik.
Wir gehen mit Gestaltungsansprüchen in die Debatte. Erst zum Schluss, falls man hierbei nicht mehr weiterkommt, geht man vor Gericht – nicht umgekehrt. Das ist die Politik, mit der wir in den Wahlkampf gehen. Wir wollen – auch in der Bundesarena – gestalten.
Sie treiben die Leute im Wahlkampf mit Falschinformationen auf die Bäume. Es fällt Ihnen nichts anderes ein, als vor Ge richt zu gehen.
Das ist für ein solches Bundesland kläglich.
Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ich will das einmal so zusam menfassen: Eine so schwache Regierung hatte Baden-Würt temberg noch nie.
Wenn ich daran denke, mit welcher Kunst und mit welcher Klugheit Ministerpräsident Oettinger
ja, das habe ich damals auch gesagt – in fast ausweglosen Situationen und bei den gravierenden Differenzen, die da zwi schen Nehmer- und Geberländern bestanden, es dazu gebracht hat, dass eine harte Schuldenbremse in das Grundgesetz auf genommen wird,
muss ich sagen: Respekt! Das war einfach eine tolle Leistung, die er da erbracht hat.
Sie treiben in der Tat die Leute nicht auf die Bäume; das neh me ich zurück. Sie treiben die Leute auf die Bierbänke.
Sie haben keinen einzigen Vorschlag, keinen einzigen subs tanziellen Vorschlag in die Debatte gebracht,
wie Sie das System ändern wollen – keinen einzigen Vor schlag!
So gehen Sie jetzt mit ziemlichem Krawall in die Debatte, ob wohl jeder weiß, was für schwierige Fragen das sind. Sie wol len vor Gericht ziehen, haben aber keine Klageschrift und trei ben Leute auf die Bierbänke.
Ich sage Ihnen nochmals: Selbst wenn Sie mit der Klage Er folg haben, wird das Bundesverfassungsgericht dasselbe ma chen wie beim letzten Mal: Es gibt die Sache an den Gesetz geber zurück, und wir sind wieder in der Situation, dass man sich einigen muss und substanzielle Vorschläge auf den Tisch bringen muss.
Aber das Entscheidende ist etwas ganz anderes: Das Bundes verfassungsgericht kann keinen neuen Länderfinanzausgleich erfinden.
Es kann nur den jetzigen korrigieren.
Der jetzige Länderfinanzausgleich – ich dachte, da sind wir uns einig – ist falsch, weil er leistungsfeindlich ist und falsche Anreize setzt.
Wenn ein Geberland die erzielten Mehreinnahmen in den Län derfinanzausgleich fließen lassen muss und ein Nehmerland, das Mehreinnahmen generiert, weniger aus dem Länderfinanz ausgleich bekommt, dann lohnt sich das für die Geberländer nicht und für die Nehmerländer auch nicht.
Das ist doch ein unsinniges System.
Das muss man abschaffen. Aber um das umzusetzen, muss man Vorschläge machen, muss man kraftvoll auftreten, die
Leute an einen Tisch zusammenbringen. Es war kein Zufall, dass die Vorsitzenden der Föderalismuskommission jeweils Ministerpräsidenten starker Geberländer waren. Man hat da die Verantwortung, in der bundespolitischen Arena etwas zu sortieren und zusammenzubringen. Was machen Sie? Sie brin gen die Leute durch Ihre Tonlage schon vorher auseinander.
Sie schaffen kein Klima der Kooperation, das man für einen Erfolg braucht, Sie machen Krawall.
Solche populistischen Strategien haben immer Wirkung bei den Wählern. Da mache ich mir gar nichts vor. Aber in der Sa che werden Sie damit nichts erreichen. Es ist einfach ein Zei chen der Schwäche, so zu agieren.
Herr Minister, stim men Sie mir zu, dass sich die Reihenfolge der Finanzkraft der Länder durch den horizontalen Länderfinanzausgleich nicht ändert, dass sie nach dem Ausgleich bestehen bleibt und dass erst durch die Bundesergänzungszuweisungen Änderungen in der Reihenfolge erfolgen? Dagegen können Sie nicht klagen, sondern Sie können nur klagen, wenn sich diese Reihenfolge ändert. Das war aber schon Gegenstand der letzten Klage.
Ich will einfach wissen: Stimmt es, dass sich die Reihenfolge der Finanzkraft der Länder nach dem Länderfinanzausgleich selbst nicht ändert?
Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Es geht hier um die ernsthafte Frage: Welche Stellung hat das Parlament, der Landtag von BadenWürttemberg,
in den Augen der Regierung und in Ihrem Regierungshandeln, Herr Ministerpräsident Mappus? Darum geht es. Das ist eine ernsthafte und entscheidende Frage. Denn wir alle wissen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die demokratischen In stitutionen abnimmt.
Das muss uns besorgen und beunruhigen. Die Frage, wie man damit umgeht, ist sehr wichtig und sehr relevant.
Jedenfalls haben Sie, Herr Ministerpräsident, zu der Frage, ob Ihr Handeln verfassungsgemäß ist, wörtlich gesagt – ich wie derhole es –:
Zu dieser Frage wurde vorab ein verfassungsrechtliches Gutachten der beratenden Anwaltskanzlei eingeholt, wel ches das Vorgehen des Finanzministers bestätigt.
Ein solches Gutachten lag nicht vor. Das haben Sie nachträg lich eingeholt. Auf Nachfrage hat Ihre Staatskanzlei gesagt, es gebe Memos.
Auch die würden wir gern einmal sehen, wenn es sie gibt.