Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 89. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen.
Aus dienstlichen Gründen haben sich Herr Minister Professor Dr. Reinhart und Herr Minister Stächele für heute Nachmittag entschuldigt.
Meine Damen und Herren, eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt vervielfältigt auf Ihren Tischen. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
1. Antrag der Landesregierung vom 1. März 2010 – Änderung der Abgrenzung der Geschäftsbereiche der Ministerien – Drucksache 14/5970
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an den Beginn meiner ersten Regierungserklärung den Dank stellen: den Dank für das Vertrauen der Mehrheit, die mich zum Ministerpräsidenten gewählt hat, den Dank an alle, die mir persönliche und gute Wünsche zur Wahl überbracht haben. Ich bedanke mich für dieses Vertrauen. Es stellt für meine Arbeit eine wirklich sehr, sehr wichtige Verpflichtung dar.
Meine Damen und Herren, ich will mich mit dieser Regierungserklärung ausdrücklich auf die wesentlichen Entwicklungen konzentrieren, die im neuen Jahrzehnt zu den großen Gestaltungsherausforderungen für Baden-Württemberg werden.
Baden-Württemberg steht am Wendepunkt der tiefsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Die Folgen der beispiellosen globalen Rezession haben unser Land, seine Unternehmen, seine Bürgerinnen und Bürger, seine Städte und Gemeinden hart getroffen.
Allmählich kehrt in Branchen und Betrieben die Zuversicht zurück, und allmählich zeigen die wesentlichen Indikatoren der Wirtschaft wieder nach oben. Das reale Bruttoinlandsprodukt in Baden-Württemberg wird im ersten Quartal voraussichtlich um eineinviertel Prozent wachsen. Deutlich mehr IHK-Unternehmen als noch im Herbst beurteilen die Lage wieder als gut und rechnen vor allem mit einer anziehenden Auslandsnachfrage.
Die beste Nachricht aber ist: Im Februar hatte Baden-Würt temberg wieder eine sinkende Arbeitslosenquote zu verzeichnen – übrigens als einziges Bundesland in Deutschland.
Wir Baden-Württemberger haben allen Grund, mit Selbstvertrauen ins neue Jahrzehnt zu schauen. Ich bin der Überzeugung: Wir haben die Kraft, die Ideen und die Strukturen, um einmal mehr zum Gewinner eines neuen Aufschwungs zu werden. Wir haben die Haltung und die Moral, um Strukturwandel und Veränderung erneut vor allem als Chance zu begreifen. Wir haben die Erfahrung und die Kreativität, um auch aus dieser Krise die richtigen Lehren zu ziehen.
Schon oft haben wir Baden-Württemberger Krisen und Umbrüche bestanden und erfolgreich gestaltet. Von den Ölpreisschocks der Siebzigerjahre über die Maschinenbaukrise der Neunziger bis hin zum Einbruch des Neuen Marktes und zum 11. September 2001 – immer haben wir Krisengeschehnisse
Baden-Württemberg ist ein starkes Land, und mit dieser Stärke werden wir auch den Verunsicherungen und vor allem den Herausforderungen dieser Zeit erfolgreich begegnen.
Meine Damen und Herren, ich weiß, viele Menschen in Baden-Württemberg machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Viele Eltern haben Zweifel, ob es ihren Kindern eines Tages noch so gut gehen wird wie uns heute. Viele Arbeitnehmer spüren, dass ihnen die Berufswelt bald noch mehr abverlangen wird, und viele Bürgerinnen und Bürger verlangen, dass auf dem Weg aus der Krise wieder echte Werte und nicht schlechte Wertpapiere den Kurs bestimmen.
Sie alle dürfen und können von meiner Regierung gute, klare und vor allem fundierte Entscheidungen erwarten. Sie alle haben Anspruch darauf, dass ihre Interessen in unserer Politik einen fairen und vor allem ehrlichen Ausgleich finden. Sie alle werden in dieser Landesregierung einen verlässlichen und vor allem berechenbaren Partner haben.
Ich bin überzeugt: Baden-Württemberg wird sich seinen Platz in diesem neuen Jahrzehnt engagiert und beharrlich erarbeiten. Wir werden gemeinsam neue Chancen verwirklichen und dabei unsere alten Stärken einsetzen. Wir werden uns dem Wettbewerb stellen und dabei weiter Einigkeit und Zusammenhalt beweisen. Wir werden selbstbewusst unseren BadenWürttemberg-Weg gehen und damit das Vertrauen in dieses Land, in seine Kraft und in seine Zukunft immer wieder von Neuem begründen, meine Damen und Herren.
Ein erstes und wichtiges Bewährungsfeld für unser Krisenfolgenmanagement ist ohne jede Frage die Haushaltspolitik. Hier wird unter dem Strich sichtbar, wie schnell und wie nachhaltig wir zu einer neuen Normalität nach der Krise zurückfinden.
Richtig ist: Im Sog der wirtschaftlichen Entwicklung waren neue Schulden im aktuellen Landeshaushalt unumgänglich und ohne verantwortbare Alternative. Ich glaube, das hat auch in diesem Haus bei den Etatberatungen niemand bestritten. Wir investieren gegen die Auswirkungen der Krise und sichern so Wirtschaftskraft, Arbeitsplätze und vor allem Innovationsfähigkeit in Baden-Württemberg.
Dabei unterstreiche ich noch einmal: Obwohl Baden-Würt temberg von den negativen Konjunkturausschlägen stärker betroffen war als vergleichbare Länder, ist unser Haushalt weiterhin solider. Hessen oder Rheinland-Pfalz nehmen im Jahr 2010 pro Kopf weit mehr als doppelt so viele Schulden auf wie Baden-Württemberg, obwohl sie schon heute deutlich mehr Schulden haben. Auch Niedersachsen und NordrheinWestfalen rutschen deutlich tiefer in die roten Zahlen als wir.
Dass wir hier so gut abschneiden, ist unter dem Druck der Steuerausfälle eine bemerkenswerte Leistung und beweist die konzeptionelle Kraft, die Disziplin und die klare Linie unserer Politik.
Umso mehr bekräftigt diese Landesregierung das bleibende politische Ziel der Nettonullverschuldung für Baden-Würt temberg.
Wir werden die krisenbedingte Neuverschuldung in den nächs ten Jahren wieder zurückführen, und wir stehen zu den Verpflichtungen der Schuldenbremse und der Landeshaushaltsordnung.
Die Bearbeitung der finanziellen und haushaltspolitischen Krisenfolgen ist eine der Schlüsselaufgaben der Landespolitik. Für die Haushaltsstruktur heißt das: Wir müssen neu darüber nachdenken, was tatsächlich Sache des Staates ist und sein kann. Mein Wort gilt: Bei Kindern und Bildung wird nicht gespart.
Überall sonst werden wir aber schon bald, unmittelbar nach dem Ende der Wirtschaftskrise, auf der Basis stabiler makroökonomischer Entwicklungen die drängende Frage beantworten müssen: Was können wir uns nicht mehr leisten?
Wo können wir Stärke und Spielraum gewinnen, indem wir uns auf das Eigentliche konzentrieren und dafür auf manches Wünschenswerte verzichten? Lassen Sie uns offen und ohne falsche Rücksicht Gehabtes infrage stellen.
Wir werden hier, Herr Kollege, sehr bald sehr konkret darüber diskutieren. Ich erwarte dann aber auch von der Opposition eine konstruktive und verantwortungsvolle Haltung, meine Damen und Herren.
Neben einer tragfähigen Haushaltsstruktur brauchen wir in diesem Land eine neue Haushaltskultur. Die problemlösende Kraft der Politik kann sich nicht mehr immer nur nach der Geldsumme bestimmen, die wir einsetzen.