Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 36. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen.
Aus dienstlichen Gründen haben sich entschuldigt: Herr Ministerpräsident Oettinger – heute Nachmittag –, Herr Minister Rau – heute Vormittag – und Herr Minister Professor Dr. Reinhart.
Dienstlich verhindert sind Herr Minister Professor Dr. Frankenberg – heute Vormittag – und Frau Staatsrätin Professor Dr. Hübner.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Gleiche Bedeutung von Rheintalbahn und Stuttgart 21 für Baden-Württemberg durch eine menschen- und umweltfreundliche Trassenführung im Rheintal sicherstellen – Drucksache 14/1817
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten, in der Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der anstehende Ausbau der Rheintalbahn ist notwendig, und er ist unumstritten. Strittig sind die Planungen der Bahn hierzu. Diese Planungen haben Bedenken und Widerstand der Bevölkerung provoziert. Gegen die Bevölkerung ist eine solche Planung nicht durchzuführen –
Die Bürgerinitiativen haben sich vereinigt zur IG BOHR. Sie arbeiten mit höchster Fachkompetenz, wie ich meine. Ebenso wie meine Kollegin Marianne Wonnay und andere Abgeordnete habe ich mich von Beginn an mit diesen Bedenken auseinandergesetzt. Wir haben sie ernst genommen und haben an allen neuralgischen Punkten Veranstaltungen mit Wolfgang Drexler durchgeführt. Wir haben im Verkehrsministe rium in Berlin vorgesprochen. Wir haben an unzähligen Veranstaltungen und Diskussionsrunden vor Ort teilgenommen. Dabei ist eines klar geworden, meine Damen und Herren: Die Planungen müssen anders laufen, als die Deutsche Bahn das derzeit vorsieht.
Absolute Priorität müssen Maßnahmen zur Lärmminderung und Lärmvermeidung haben – ebenso die Prüfung alternativer Trassen. Der Leidensdruck in der Region ist richtig groß.
Bei einer solchen Sachlage ist es doch mehr als verständlich, meine Damen und Herren, dass die Entscheidung für Stutt gart 21 mit einem nochmals erhöhten Landeszuschuss bei den Bürgerinnen und Bürgern in Südbaden zu der Erwartung geführt hat, dass sich die Landesregierung auch für den Ausbau der Rheintalbahn politisch exponiert und gegebenenfalls auch finanziell engagiert.
Meine Damen und Herren, die Antwort auf Stuttgart 21 heißt Baden 21 – als Zusammenfassung einer Alternativplanung, die von der Bevölkerung akzeptiert wird – zumindest weitestgehend –, die sich auf die gesamte Strecke von Buggingen bis Offenburg bezieht und vier markante Veränderungen aufweist: eine gedeckelte Tieflage im nördlichen Markgräflerland, eine Mittellage in der Freiburger Bucht, die Fortsetzung einer autobahnparallelen Trassenlage von Riegel bis Offenburg – also keine Zerschneidung der Gemeinden Herbolzheim und Kenzingen – und einen Güterzugtunnel durch Offenburg. Das sind gravierende Veränderungen, die möglicherweise über dem gesetzlichen Mindeststandard liegen, Veränderungen, die Mehrkosten verursachen werden. Hierfür müssen spezifische Lösungen gefunden werden. Das, meine Damen und Herren, ist möglich. Ich nenne Ihnen fünf Punkte, warum mir dies möglich erscheint.
Erstens: Baden 21 ist nicht vergleichbar mit anderen Schienenverkehrsprojekten, weil nirgendwo sonst in Europa die Trassenanwohner mehr durch Schienenverkehrslärm belastet sind. Wir sprechen hier übrigens von weit über 100 000 Güterzügen pro Jahr.
Zweitens: Auf dieser Strecke, die ein besonders attraktiver Teil der europäischen Schlagader Rotterdam–Genua ist, werden ungewöhnlich hohe Gewinne der DB AG prognostiziert.
Drittens: Die großzügige Mitfinanzierung von Stuttgart 21 durch das Land hat einen Standard geschaffen, der jetzt auch in Südbaden erwartet und eingefordert wird.
Viertens: Das vom Regierungspräsidium Freiburg in Auftrag gegebene und dankenswerterweise vom Land finanzierte Gutachten zur Zugzahlprognose 2025 wird mit Sicherheit dazu führen, dass neue planungserhebliche Erkenntnisse vorliegen. Wenn sich Neues im Planfeststellungsverfahren einspeisen lässt, dann zahlt der Bund.
Fünftens: Nach neuesten Berechnungen liegt die Summe der erwarteten Zusatzkosten durch Baden 21 im Vergleich zur Planung der DB AG bei unter 500 Millionen € – ein Betrag, der zusätzlich noch über eine Gesamtbauzeit von etwa zehn Jahren verteilt werden kann.
Meine Damen und Herren, das alles muss doch realistische Finanzierungsoptionen für ein Projekt eröffnen, das als „Jahrhundertbauwerk“ bezeichnet wird.
Die Landesregierung scheint da noch zu schwanken zwischen den Sympathieerklärungen für Baden 21 vor Ort und schroffer Ablehnung im Fachausschuss. Noch im Februar hat ein Vertreter der CDU-Fraktion im Innenausschuss eine Äußerung getroffen, wonach sich das unterschiedliche Engagement der Landesregierung für Stuttgart 21 und für den Ausbau der Rheintalbahn dadurch erklären lasse, dass – jetzt zitiere ich wörtlich aus dem Bericht über die Ausschussberatungen –
das Projekt Stuttgart 21 und die Neubaustrecke nach Ulm im Wesentlichen ganz konkrete Vorteile für das Land brächten, während Hauptnutznießer des dritten und vierten Gleises auf der Rheintalstrecke Bundesländer außerhalb Baden-Württembergs seien. Daher sehe er keine Notwendigkeit, seitens der Landespolitik dieses Projekt, welches Sache der Bahn und des Bundes als dem Eigentümer der Bahn sei, aktiv zu unterstützen und schon gar nicht mit Geld aus dem Landeshaushalt von Baden-Würt temberg.
Meine Damen und Herren, mit solchen Äußerungen muss Schluss sein. Notwendig ist ein gemeinsamer, ein konkreter und ein landespolitischer Einsatz für das Projekt Baden 21,
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte meinen Redebeitrag zum dritten und vierten Gleis am Oberrhein mit einem Zitat zu diesem Thema beginnen:
Einfach durch die gewachsenen Städte … zwei neue Gleise zu legen … ist im Grunde genommen rechtlich und politisch nicht durchsetzbar.
Dem gibt es aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. Das ist ein wörtliches Zitat aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten im Juli dieses Jahres.
Darin kommt das zum Ausdruck, was wir gemeinsam als Politiker in der Region, als Politiker hier im Land so sehen. Wir kämpfen gemeinsam für eine für Mensch und Umwelt verträgliche Realisierung dieses Ausbaus.
Was Sie, Herr Kollege Bayer, an Informationen, an Einbringungen und Gesprächen erwähnt haben, gilt für die Kollegen der SPD-Fraktion, das gilt für unsere Kollegen, und das gilt für die Kollegen aller übrigen Fraktionen. Unser Einsatz dafür erfolgt vielleicht erst recht wegen Stuttgart 21, aber auch unabhängig von Stuttgart 21 im Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der Trasse, an den Strecken, damit die Planungen verändert werden, die jetzt auf dem Tisch liegen.
Weil Sie aus einem Bericht über die Beratungen des Innenausschusses vom Februar zitiert haben, weise ich darauf hin: Die Landesregierung hat mehrfach, auch in der Stellungnahme zu Ihrem Antrag, betont, dass der Aus- und Neubau der Rheintalbahn für sie im Blick auf Baden-Württemberg und das Landesinteresse eine vergleichbare Bedeutung hat wie Stuttgart 21 und die Neubaustrecke nach Ulm. Weil das so ist, hat die Landesregierung die Prognose der Zugzahlen für den Güterverkehr im Jahr 2025 in Auftrag gegeben und finanziert.
(Minister Willi Stächele: Und finanziert! So ist es! Wir müssen dem Tiefensee auf die Sprünge helfen, der spurt nicht!)
Es ist wahrlich ein Witz, dass Planungen im Verfahren sind, die beim Lärmschutz auf Verkehrsprognosen für das Jahr 2015 ausgelegt sind, einem Jahr, in dem voraussichtlich kein Zug auf irgendeiner dieser Strecken, die sich im Verfahren befinden, fahren wird. Dass wir den Horizont schon in den Planungen auf das Jahr 2025 erweitern, ist bei der Bedeutung des Vorhabens bis weit in dieses Jahrhundert hinein eine Jahreszahl, die dem gerechter wird. Das ist ein Verdienst der Landesregierung und wurde auch mit Landesmitteln erreicht.