Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 41. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Justizministeriums – Siebter Bericht zur Lage von Ausländern in Deutschland – Drucksache 14/2180
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Wir wollen ein gutes Miteinander zwischen deutschen und ausländischen Mitbürgern. So steht es auch in der Koalitionsvereinbarung, die die FDP/DVP im Jahr 2006 mit der CDU abgeschlossen hat. Darin wird betont, dass viele Zuwanderer bereits seit Jahrzehnten bei uns leben, in unsere Gesellschaft integriert sind, am bürgerschaftlichen Leben teilnehmen und zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen.
Aber wir verschweigen auch nicht, dass es auf der anderen Seite immer noch zu viele gibt, die noch nicht integriert sind. Die Integration ist daher eine notwendige und vorrangige Aufgabe. Das macht auch die Stellungnahme des Integrationsbeauftragten zum Bericht über die Lage von Ausländern in Deutschland deutlich.
Die vorliegende Stellungnahme der Landesregierung zu dem Antrag unserer Fraktion bestätigt unsere Auffassung, dass Integration gleichermaßen gefördert und gefordert werden muss. In Bezug auf Integration wurde eine Menge erreicht. Unser Land hat bei diesem Prozess ja auch eine lange Erfahrung.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden mehrere Millionen Menschen hier aufgenommen. Heute hat jeder vierte Einwohner Baden-Württembergs einen Migrationshintergrund, also mindestens einen Elternteil, der nicht in Deutschland geboren wurde.
Dass es mit dem Zusammenleben trotzdem so gut funktioniert, ist ein gutes Zeichen für die Integrationsfähigkeit und die Integrationsleistung dieses Landes und der hier lebenden Menschen. Wir brauchen hier nicht über den türkischen Chirurgen, den italienischen Gastwirt, den kroatischen Rechtsanwalt, den griechischen Kaufmann, den serbischen Ingenieur und den arabischen Professor zu sprechen. Da gibt es in Sachen Integration keinen Nachholbedarf. Verstärkte Anstrengungen sind erforderlich, um diejenigen in unsere Gesellschaft einzugliedern, die über wenig Bildung und oft über gar keine Ausbildung verfügen.
Wir brauchen alle – ich betone: alle –, damit unser Land weiterhin so gut dasteht, wie dies heute der Fall ist.
Die Stellungnahme des Integrationsbeauftragten zeigt die vielfältigen Bemühungen von Staat und Kommunen auf. Wir erwarten aber auch von allen, die dauerhaft hier leben wollen, eine verstärkte eigene Bereitschaft und eigene Anstrengungen zur Integration.
Dass Liberale unter Integration keine Germanisierung verstehen, brauche ich nicht zu betonen. Wir haben allerdings auch nichts dagegen, wenn sich jemand assimilieren will. Aber wir verlangen von niemandem die Aufgabe der eigenen kulturellen Identität.
Uns ist auch klar, dass jemand besser Deutsch lernt, wenn er seine Muttersprache richtig beherrscht. Wir sehen Mehrsprachigkeit als Chance und Bereicherung. Als Verfechter eines freien Schulwesens haben wir auch nichts gegen griechische oder türkische Schulen. Es gibt schon sehr erfolgreiche griechische Gymnasien bei uns im Land.
Es gibt auch, wie Sie wissen, über 120 deutsche Schulen im Ausland. Selbst die ja etwas bildungsferne Große Koalition in Berlin hat jetzt noch einmal dreistellige Millionenbeträge zur Verfügung gestellt, um dieses Netz auszubauen.
Wichtig ist uns, dass sich Zuwanderer nicht abkapseln und dass ihre Kinder Bildung bekommen, die sie zur gleichberech
tigten Teilhabe an unserer Gesellschaft befähigt. Wenn in meiner Heimatstadt Reutlingen von 115 zu einem Integrationskurs verpflichteten Zuwanderern 90 gar nicht erst hingehen, läuft da irgendetwas schief. Wir können uns ein unterdurchschnittliches Bildungsniveau junger Ausländer nicht leisten. Es geht nicht, dass mehr als ein Drittel der jungen Menschen mit Migrationshintergrund ohne berufliche Bildung bleibt. Eine mehr als doppelt so hohe Erwerbslosenquote bei Zuwanderern ist nicht hinnehmbar.
Es ist gut, dass diese Defizite mit der Sprachstandserhebung in Kindergärten gezielt angegangen werden, mit dem Programm zur Stärkung elterlicher Erziehungskompetenzen, mit Förderklassen und -kursen in Schulen und mit der Initiative des Wirtschaftministers zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze für Altbewerber.
Sie sehen: Es tut sich eine ganze Menge. Der Weg dahin war mühsam, weil es manchen auf beiden Seiten nicht leichtgefallen ist, sich von der Mär des doch nur vorübergehenden Aufenthalts zu verabschieden.
Die Berufung von Ulrich Goll zum Integrationsbeauftragten, die Bildung eines Kabinettsausschusses zu diesem Themenkomplex und die Aktivierung des Landesarbeitskreises Integration, das alles trägt jetzt Früchte.
Die FDP/DVP erwartet mit der jetzt bald anstehenden Vorlage des Landesintegrationsplans einen weiteren entscheidenden Schritt in die richtige Richtung. Es ist und bleibt das Ziel der Liberalen, Zuwanderern gleiche Bildungs- und Berufschancen zu gewähren und sie möglichst umfassend am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben in Baden-Württemberg zu beteiligen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns in Baden-Württemberg ist eine erfolgreiche Integrationspolitik seit Langem ein wichtiges Ziel. Nicht nur die Einsetzung des Kabinettsausschusses Integration, sondern vor allem die Vielfältigkeit der Integrationsangebote und -projekte in diesem Bereich dokumentieren, wie sehr wir uns mit den Herausforderungen auseinandersetzen, die sich durch die hohe Zahl unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund ergeben.
Rund 2,7 Millionen Baden-Württemberger weisen einen Migrationshintergrund auf. Damit liegt unser Land mit einem Anteil von 25 % an der Gesamtbevölkerung unter den Flächenländern an der Spitze. Aufgrund der besonderen Altersstruktur haben sowohl die Gruppe der unter 15-Jährigen als auch die Gruppe der 15- bis 25-Jährigen sogar einen Anteil von fast einem Drittel.
Der Bericht zur Lage von Ausländern in Deutschland macht deutlich, wie sehr Menschen mit Migrationshintergrund in
zwischen unser gesamtes gesellschaftliches Leben prägen. Baden-Württemberg hat dabei aufgrund seiner exzellenten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und seiner gesunden Struktur schon immer eine besondere Anziehungskraft gehabt. Viele Menschen sind aus Erwerbsgründen nach Baden-Württemberg gekommen, viele sind hier heimisch geworden.
Wie wichtig eine solche gesunde Wirtschaftsstruktur ist, belegen die Zahlen zur Erwerbsbeteiligung. So liegt die Erwerbsquote der Migranten mit 73 % in Baden-Württemberg deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 68 %. Die Einbindung in das Erwerbsleben schafft soziale Kontakte, Spracherwerb und zuletzt ein Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft. Daher leistet eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik zugleich auch immer einen wesentlichen und wichtigen Beitrag zur Integration.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel- mut Walter Rüeck CDU: Sehr richtig! – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Genau!)
Durch eine frühe und gezielte Förderung schaffen wir die Voraussetzungen für eine Teilhabe aller an unserer Gesellschaft.
Allerdings gibt es natürlich auch negative Auswirkungen, die wir benennen und auch stoppen müssen. So schneiden Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in der Schule im Vergleich zu ihren Altersgenossen ohne Migrationshintergrund signifikant schlechter ab. Zudem haben knapp 38 % der 25- bis 35-Jährigen mit Migrationshintergrund keinen Berufsausbildungsabschluss. Bei der entsprechenden Bevölkerungsgruppe ohne Migrationshintergrund – Kollege Kluck hat schon darauf hingewiesen – liegt dieser Anteil bei weniger als der Hälfte, nämlich bei 14 %. Das darf nicht so bleiben.
Das entscheidende Defizit dabei ist aber nach unserer Auffassung die mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache. Hier setzen wir an. Die obligatorische Sprachstandserhebung im vierten Lebensjahr zielt genau darauf, Förderbedarf zu erkennen und umgehend die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Durch das Programm STÄRKE wird die Familien- und Elternbildung in diesem Jahr mit 1,5 Millionen € und von 2009 zunächst bis 2013 mit jährlich 4 Millionen € zusätzlich ausgestattet.
Mit dem Orientierungsplan wird die Bedeutung des Kindergartens als Kinderschule hervorgehoben und die Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher insbesondere im Bereich der Sprachförderung entsprechend ausgebaut. Hierfür stellen das Land und die kommunalen Landesverbände verteilt auf vier Jahre insgesamt 20 Millionen € zur Verfügung. Auch mit dem Modell „Schulreifes Kind“ erhalten förderungsbedürftige Kinder eine entsprechende Förderung.
Vor allem die von uns beschlossenen Maßnahmen zur Stärkung der Hauptschule werden in diesem Bereich erhebliche Fortschritte bringen. Denn zusätzliche 300 Lehrerstellen und 40 Millionen € werden ausschließlich zur Verbesserung der Schulbedingungen beitragen.
Aber einer Tatsache dürfen wir uns natürlich nicht verschließen: Eine gelungene Integration setzt gegenseitiges Aufeinanderzugehen voraus. Vor diesem Hintergrund erscheint es bedenklich, wenn Menschen jahrzehntelang in Baden-Würt temberg leben, ohne Deutsch zu verstehen oder gar ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Aber ohne den Wunsch und den Willen, die Sprache zu erlernen, laufen wir mit unseren Integrationsbemühungen ins Leere. Hier muss erwähnt werden, dass gerade Eltern nicht Deutsch sprechender Kinder eine besondere Verantwortung haben – nicht nur der Staat.
Baden-Württemberg als tolerantes und weltoffenes Land fördert auf allen vorschulischen, schulischen und gesellschaftlichen Ebenen das Miteinander aller seiner Bürgerinnen und Bürger. Wir werden auch in Zukunft darauf achten, dass alle Kinder und Jugendlichen die Chance erhalten, das Rüstzeug für ein erfolgreiches und glückliches Leben zu erlangen. Wir werden aber auch von den Zuwanderern einfordern, dass sie sich aktiv einbringen und ihren Teil zu einer gelungenen Integration beitragen. Fördern heißt auch fordern.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Eine sehr gute Rede!)
Guten Morgen, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Guten Morgen, liebe Landesregierung“ kann man angesichts der Tatsache sagen, dass die Landesregierung