Meine Damen und Herren! Ich er öffne die 103. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württem berg und begrüße Sie.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute haben Frau Kollegin Fohler und Herr Kollege Pix Geburtstag. Im Namen des gan zen Hauses gratuliere ich ihnen sehr herzlich. – Sie sind wohl noch nicht anwesend.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gebe ich bekannt, dass zu Tagesordnungspunkt 6 – Fragestunde – keine Anfra gen vorliegen, sodass dieser Tagesordnungspunkt entfällt.
Die Fraktionen sind auf Wunsch der Antragsteller übereinge kommen, Tagesordnungspunkt 8 ohne Aussprache für erledigt zu erklären.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Mi nisteriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr – Mit einer Volksabstimmung die dringend notwendige breite Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger zur Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart (Stuttgart 21) und zur Neu baustrecke Wendlingen–Ulm zurückgewinnen – Drucksa che 14/6896
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung des Antrags fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Stuttgart 21 ist zu einem Symbol geworden, zum Symbol für das Versagen der Projektträger, die Akzeptanz für ein wichtiges Infrastrukturvorhaben politisch hochzuhalten. Denn die ursprüngliche Zustimmung zu diesem wichtigen Schienenverkehrsprojekt, die in Stadt und Land durchaus vor handen war, ist in den Keller gerasselt.
Die Schuld daran tragen diejenigen, die in den letzten Jahren in Stadt und Land als Projektträger für dieses Projekt einge treten sind. In erster Linie ist das der Oberbürgermeister Schuster, der die Stadtgesellschaft in dieser Frage gespalten hat, aber natürlich sind das auch der damalige Verkehrsminis ter Rech, der sich wenig um dieses Projekt geschert hat, und die Landesregierung insgesamt, die es nicht geschafft haben, den Menschen deutlich zu machen, wie wichtig dieses Schie nenverkehrsvorhaben für unser Land Baden-Württemberg ist.
Stuttgart 21 ist zum Symbol für eine Vertrauenskrise zwischen vielen Bürgerinnen und Bürgern des Landes und der Politik geworden.
Denn es geht nicht mehr nur um den Bahnhof und dessen Um gestaltung sowie um die Neubaustrecke nach Ulm, sondern es geht um die Frage: Wie geht eine Landesregierung mit Bür gerinnen und Bürgern um, die Einwände und Sorgen haben, die einen Anspruch darauf haben, dass die Pro- und die Kon traargumente gegeneinander abgewogen werden? Diese Bür gerinnen und Bürger fühlen sich von einer Attitüde vor den Kopf gestoßen, mit der der Eindruck erweckt wird: „Wir zie hen das jetzt durch. Das ist beschlossen. Ende der Durchsage. Basta!“ Dies werden sich die Bürgerinnen und Bürger des Landes Baden-Württemberg nicht länger bieten lassen.
Stuttgart 21 ist zum Symbol für die Hilflosigkeit eines Minis terpräsidenten geworden, der, wie er selbst gesagt hat, dieses Thema „geerbt“ hat, der aber dieses Erbe fast ausgeschlagen hätte, dann aber gemerkt hat, dass er damit vielleicht doch ir gendwie Wahlkampf betreiben kann.
Eine Landesregierung und ein Ministerpräsident, die nicht wissen, wie sie mit diesem Bürgerprotest, mit diesem Aufbe
gehren, mit diesem Infragestellen, auch mit diesem Engage ment von vielen Bürgerinnen und Bürgern umgehen sollen, haben in ihrer Verzweiflung gesagt: Nun ja, uns wurde ein Fehdehandschuh hingeworfen, den nehmen wir auf. Trauri ger Höhepunkt war dann der massive Polizeieinsatz, der jetzt zu Recht durch den Untersuchungsausschuss aufgearbeitet wird.
Dieser Polizeieinsatz hat nicht nur dem Projekt, sondern auch dem demokratischen Miteinander in unserem Land massiv ge schadet.
Sie ist inzwischen in einen schwarz-grünen Glaubenskrieg da rüber abgeglitten, wer jetzt recht hat, wessen Gutachten die besseren sind.
Je nachdem, wem man zuhört, geht die Welt entweder unter, wenn Stuttgart 21 nicht kommt, oder sie geht unter, wenn Stuttgart 21 kommt. Wir von der SPD sind der Meinung,
(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Verein zelt Heiterkeit – Gegenruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)
In der Sache sind die Argumente für Stuttgart 21 gut. Das hat die SPD immer wieder deutlich gemacht. Es gibt gute Argu mente dafür, weshalb wir dieses große Bauvorhaben im Land in Angriff nehmen: die Verbesserungen im Fernverkehr, die Anbindung auf dieser wichtigen Ost-West-Achse, beispiels weise die Möglichkeit, die Südbahn nach Ulm heranzuführen und diesen Bereich des Landes dann auch besser zu verknüp fen, Verbesserungen im Nahverkehr, gerade im Großraum Stuttgart – übrigens auch in dem Wahlkreis, in dem ich bisher angetreten bin, und in dem Wahlkreis, in dem ich in Zukunft antreten werde, im Raum Neckar-Alb.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Herzlich willkom men! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wenn Sie es wissen, warum fragen Sie dann? – Unruhe)
Schließlich gibt es eine große städtebauliche Chance für die Stadt Stuttgart. Diese städtebauliche Chance hat Oberbürger meister Schuster leichtfertig aufs Spiel gesetzt, indem er bei städtebaulichen Vorhaben immer wieder Großinvestoren den Vorzug gegeben hat. Damit ist dies eher zu einer Bedrohung
als zu einer Chance geworden. Ich sage aber: Die guten Ar gumente für Stuttgart 21 gelten nach wie vor. Deshalb brau chen wir einen neuen Anlauf, um die Bürgerinnen und Bür ger hier im Land zu überzeugen.
Dieser neue Anlauf knüpft an die Haltung an, die die SPD zu diesem wichtigen Infrastrukturvorhaben über 15 Jahre hinweg vertreten hat.
Wir als SPD hätten es uns leicht machen und sagen können: Na ja, lassen wir das die Landesregierung allein durchboxen. Wir haben aber über Jahre hinweg deutlich gemacht: Wir ste hen zu dem Vorhaben; es ist wichtig für den Wirtschaftsstand ort. Wir wissen, Wachstum und Beschäftigung hängen ganz eng an Verkehrswegen und gerade auch an Schienenwegen. Wir haben deshalb dieses Vorhaben unterstützt, frei nach dem Motto „Erst das Land, dann die Partei“.
Jetzt weisen wir einen Weg aus der Sackgasse, in die Sie das Projekt geführt haben, einen Weg der Vernunft, einen Weg, der Brücken baut, und einen Weg, der für dieses Projekt neu wirbt und die Bürgerinnen und Bürger neu davon überzeugt, dass es unterm Strich nach Abwägung von Pro und Kontra besser ist, das Projekt zu Ende zu bauen, anstatt es unter ho hen Ausstiegskosten abzubrechen.
Deshalb werben wir dafür und haben einen konkreten Vor schlag gemacht, wie mit einer Volksabstimmung eine zusätz liche demokratische Legitimation für die Vollendung dieses Bauvorhabens gewonnen werden kann.