Frieder Birzele

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Last Statements

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Mack hat sich gerade durch eine fundamentale Unkenntnis parlamentarischer Anträge ausgewiesen.
Wir haben dieses Thema allein in dieser Legislaturperiode schon mehrmals hier angesprochen.
Leider ist das an Ihnen spurlos vorübergegangen.
Ich hatte bei der ersten Lesung kritisiert, dass die Koalitionsfraktionen Berechnungsmethoden erwogen haben, ohne die Oppositionsfraktionen einzubeziehen. Ich habe im Ständigen Ausschuss für meine Fraktion vorgeschlagen, zu der Frage, auf welcher Ebene die Ausgleichsmandate berechnet werden sollten, hier doch einen gemeinsamen Antrag vorzulegen. Auch das haben CDU und FDP/DVP abgelehnt.
Deshalb will ich noch einmal darauf hinweisen: Das bisherige Verfahren – das Höchstzahlverfahren nach d’Hondt kombiniert mit einer Berechnung der Ausgleichsmandate auf Regierungsbezirksebene – hat zu eklatant ungerechten Ergebnissen geführt: 1992 hatte die CDU 14 Überhangmandate und einen Stimmenanteil von 39,6 %; trotzdem gab es nur 12 Ausgleichsmandate. Richtigerweise hätte es mindestens 18 Ausgleichsmandate geben müssen. 1996 hatte die CDU 18 Überhangmandate. Es gab nur 17 Ausgleichsmandate, aber richtigerweise hätte es mindestens 23 oder 24 Ausgleichsmandate geben müssen. Bei der letzten Landtagswahl 2001 hatte die CDU 6 Überhangmandate, aber es gab nur 2 Ausgleichsmandate. Die CDU hatte einen Stimmenanteil von 44,8 %. Bei den Ausgleichs-/Überhangmandaten hatte sie aber praktisch 66 %. Das ist doch eklatant ungerecht!
Wenn man das Berechnungssystem jetzt mit einbezieht.
Deshalb weise ich darauf hin, dass wir 1990 gemeinsam mit der FDP/DVP-Fraktion beim Staatsgerichtshof geklagt haben.
Der Staatsgerichtshof hat gesagt – ich zitiere aus dem 4. Leitsatz –:
Eines von mehreren möglichen Verfahren... verstößt dann gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Wahlrechtsgleichheit, wenn es gegenüber anderen Verfahren bei allen real in Betracht kommenden Wahlergebnissen für jede Partei zu ungenaueren Mandatszahlen – gemessen an den Stimmprozentsätzen auf Landesebene – führt.
Bei den Wahlen von 1992, 1996 und 2001 ist es eindeutig, dass die Ergebnisse ungerecht waren.
Deshalb müssen wir drei Konsequenzen ziehen:
Wir müssen erstens ein besseres Berechnungsverfahren schaffen. Das jetzt von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagene Verfahren ist besser als das bisherige Höchstzahlverfahren. Dies gilt zumindest bei kleineren Zahlen; bei großen Zahlen spielt es überhaupt keine Rolle, wie die Ergebnisse gezeigt haben. Es wäre sinnvoll gewesen, auch andere Vorschläge wie die des Mathematikers Fengler einzubeziehen.
Zweitens brauchen wir – das ist der entscheidende Punkt – die Berechnung der Ausgleichsmandate auf Landesebene, nicht auf Ebene der Regierungsbezirke. Das wollen wir mit unseren Vorschlägen im Änderungsantrag Drucksache 13/5183 zur Neufassung des § 2 Abs. 2 bis 6 erreichen.
Wir brauchen drittens ein sofortiges Inkrafttreten. Das ist verfassungsrechtlich geboten.
Das ist nicht nur zulässig, sondern verfassungsrechtlich geboten und hat mit der Nominierung der Kandidaten gar nichts zu tun.
Ich will Ihnen einmal ein Beispiel nennen, das Sie vielleicht vergessen haben. Nachdem die Kommunalwahl vorüber war – fünf Monate danach –, haben Sie Voraussetzungen, unter denen Menschen kandidiert haben, nämlich die Hinderungsgründe, verändert. Sie haben also nicht nur während des Spiels, sondern sogar noch nach dem Spiel die Spielregeln geändert, um zu erreichen, dass einige CDU-Mandatsträger
weiterhin im Kreistag bleiben konnten, aus dem sie sonst aufgrund der Verwaltungsstrukturreform hätten ausscheiden müssen.
Meine Damen und Herren, das zeigt, wie Sie vorgehen: Immer dann, wenn es Ihnen nützt, sind Sie bereit, alles Mögliche zu machen. Es ist eine Frage der Wahlgerechtigkeit, dieses System jetzt für die bevorstehende Landtagswahl zu ändern.
Das hat mit Kandidatenaufstellungen oder Ähnlichem überhaupt nichts zu tun.
Deshalb, meine Kolleginnen und Kollegen, unsere Vorschläge in dem Änderungsantrag. Ich bitte Sie, dem zuzustimmen. Insbesondere will ich der FDP/DVP sagen: Jetzt haben Sie die Möglichkeit, durch Ihre Stimmen mit dazu beizutragen, dass dieses Gesetz wirksam in Kraft treten kann. Ob Sie diese Möglichkeit auch in der nächsten Legislaturperiode noch haben, wage ich zu bezweifeln.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim vorigen Tagesordnungspunkt haben wir ein Gesetz beschlossen, das sich erst in der übernächsten Legislaturperiode auswirken soll, und genau das Gleiche wollen wir mit unserem Vorschlag zur Änderung des Abgeordnetengesetzes, Herr Kollege Mack.
Bereits bei der ersten Lesung habe ich darauf hingewiesen, dass im Bund wie auch in fast allen anderen Ländern eine strikte Inkompatibilität besteht, das heißt eine Unvereinbarkeit zwischen Mandat und öffentlichen Ämtern. Wir haben in Baden-Württemberg ein höchst inkonsequentes System, das dem Gewaltenteilungsprinzip widerspricht und das Interessenkollisionen nicht ausschließt, sondern geradezu herbeiführt.
Nehmen Sie als Beispiel den Schulausschuss. Im Schulausschuss kontrollieren Lehrer und Schulleiter den Kultusminister. Wenn sie wieder zu Hause in ihren Ämtern sind, werden sie vom Kultusminister kontrolliert.
Das gegenwärtige Abgeordnetengesetz ist auch eklatant ungerecht: Es widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz. Denn wie können Sie rechtfertigen, dass ein Amtmann im Regierungspräsidium oder im Ministerium ausscheiden muss, während ein Landrat im Landtag bleiben kann, obwohl es nach der Verwaltungsreform einen ungeheuren Zuwachs an staatlichen Aufgaben gab, die er zu erledigen hat?
Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe von Vorschriften im gegenwärtigen System, die ungerecht sind. Ich nehme zum Beispiel nur die Regelung: 60 % Bezüge, aber 100 % Versorgung. Deshalb fordern wir mit unserem Gesetzentwurf eine konsequente Inkompatibilität wie beim Bundestag und in fast allen anderen Ländern.
Leider wurde dieser Gesetzentwurf im Ständigen Ausschuss von den Regierungsfraktionen abgelehnt.
Der Kollege Mack hat bereits darauf hingewiesen, dass der Präsident und die Fraktionsvorsitzenden am 2. Juni 2005 eine gemeinsame Diätenkommission mit einem umfangreichen Aufgabenkatalog eingesetzt haben. Die Diätenkommission hat ihren Bericht vorgelegt. Die Regierungsfraktionen sind jedoch nicht bereit, in dieser Legislaturperiode auch nur eine einzige Konsequenz daraus zu ziehen. Dabei hat die Diätenkommission zum Beispiel überzeugend nachgewiesen, dass es nach der Verwaltungsreform inakzeptabel ist, dass die Chefs der Kreise, die einen ungeheuren Zuwachs an Vollzugsaufgaben erhalten haben, nämlich Landräte, Oberbürgermeister und Beigeordnete in Stadtkreisen, gleichzeitig im Landtag sein können. Deshalb, Herr Kollege Mack, bessern wir bei unserem Gesetzentwurf nicht nach – den haben Sie ja abgelehnt –, sondern geben wir Ihnen die Chance, wenigstens einen Punkt der Vorschläge der Diätenkommission heute hier für das Jahr 2011 zu verwirklichen.
Wir haben zusätzlich – nicht hinterher, sondern entsprechend unserer schon lange vertretenen Position – den Entschließungsantrag vorgelegt. Wir haben hier schon mehrmals vorgetragen – ich unter anderem in der ersten Lesung –, dass wir der Auffassung sind, wir sollten die Abgeordnetenentschädigung so regeln, wie sie in Nordrhein-Westfalen richtigerweise geregelt worden ist. Das bedeutet, den Forderungen der Öffentlichkeit nachzukommen und die Unkostenpauschalen in die steuerpflichtige Entschädigung einzubeziehen. Dann haben Abgeordnete wie alle anderen Steuerzahler die Unkosten gegenüber dem Finanzamt nachzuweisen.
Zum Zweiten wollen wir in die steuerpflichtige Entschädigung die Beträge mit einbeziehen, die erforderlich sind, um eine Altersversicherung selbst finanzieren zu können. Deshalb haben wir diesen Entschließungsantrag vorgelegt, damit diese Positionen noch von diesem Landtag beschlossen werden und sich der nächste Landtag nach Beginn der nächsten Legislaturperiode unverzüglich dieser Aufgabe stellen kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in anderen Lebenslagen, die man sich nicht heraussuchen will, gibt es einen letzten Wunsch. Ich habe bei meiner letzten Rede hier im Landtag meinen letzten Wunsch an die Regierungsfraktionen: Stimmen Sie den Anträgen der SPD-Fraktion zu.
Herr Minister, sehen Sie die von Ihnen geforderte Balance beim gegenwärtigen Gesetz als gegeben an?
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Bei der ersten Lesung unseres Gesetzentwurfs Drucksache 13/4803 habe ich ausführlich begründet, dass wir uns insbesondere bei Abwägung der positiven und der negativen Religionsfreiheit, also der positiven Religionsfreiheit der Erziehungspersonen und der negativen Religionsfreiheit der Kinder und Eltern, dafür ent
schieden haben, in den öffentlichen Einrichtungen ein klares Neutralitätsgebot vorzusehen. So wie in der Schule soll auch im Kindergarten dieses Neutralitätsgebot bestehen. Ich verweise in diesem Zusammenhang noch einmal darauf, dass von den über 600 000 Muslimen, die in Baden-Württemberg leben, die Mehrheit – jedenfalls für sich selbst – das Tragen eines Kopftuchs ablehnt.
Nun haben wir bei der Debatte zwei Punkte, die kontrovers sind. Ich will deshalb nichts mehr zu dem allgemeinen Prinzip sagen. Einen Punkt hat Herr Kollege Schebesta gerade angesprochen, einen anderen nicht. Letzteren will ich zunächst behandeln.
Es geht darum, ob der Satz 3, den wir vorschlagen und den auch die CDU-Fraktion vorsieht – diese Regelung, wonach christliche Werte in der Schule entsprechend der Landesverfassung zu vermitteln sind –, ein Privileg des Christentums darstellt oder ob dies eine Regelung ist, die mit der Verfassung vereinbar ist. Es kommt darauf an, wie man es auslegt.
Muslime haben darin einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot, eine Benachteiligung des muslimischen Glaubens gesehen. Deshalb will ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese Frage schon 1975 vom Bundesverfassungsgericht entschieden worden ist. Damals hat das Bundesverfassungsgericht zu den Bestimmungen der Landesverfassung von Baden-Württemberg – es ging um einen Streit eines Bürgers des Landes gegen das Land Baden-Württemberg und die Landesverfassung; ein Nichtchrist war gegen diese christliche Festlegung – ausdrücklich ausgeführt – ich zitiere –:
Das gemeinsame christliche Leitbild, welches das Schulleben bestimmt, ist geprägt durch die Anerkennung der Glaubensverschiedenheiten der beiden christlichen Konfessionen und die Offenheit sowie Toleranz gegenüber nicht christlichen Religionen und Weltanschauungen.
Etwas später wird zum Toleranzgebot ausgeführt:
Es verhindert ein Absolutsetzen christlicher Glaubensinhalte außerhalb des Religionsunterrichts, ebenso wie es eine angemessene Mitberücksichtigung anderer religiöser und weltanschaulicher Auffassungen gewährleistet, für welche die Schule offen zu bleiben hat.
Noch etwas später heißt es:
„Christlich“ bezeichnet hier nicht einen auf die christliche Glaubenslehre ausgerichteten Unterricht in den Profanfächern. Nach dem Lehrverständnis der christlichen Kirchen lassen sich ohnehin die christlichen Konfessionen nicht zu einer gemeinsamen Lehre vereinigen.
Es ist also festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht genau definiert hat, wie die sowohl in Ihrem Gesetzentwurf als auch in unserem Gesetzentwurf zitierten Bestimmungen der Landesverfassung zu verstehen sind. Es geht also nicht um eine Privilegierung des Christentums. Dies hat auch das Bundesverwaltungsgericht eindeutig festgelegt. Ich sehe jetzt leider nicht den Kollegen Mack, der da beim Schulgesetz eine falsche Meinung vertreten hat.
Denn bei dem zweiten Verfahren Ludin vor dem Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesverwaltungsgericht ganz eindeutig gegen den Prozessvertreter des Landes, Professor Kirchhof, Stellung genommen. Ich zitiere diesen Satz:
Ausnahmen für bestimmte Formen religiös motivierter Kleidung in bestimmten Regionen, wie sie der Prozessbevollmächtigte des Beklagten
also des Landes, Professor Kirchhof –
in der mündlichen Verhandlung in Erwägung gezogen hat, kommen daher nicht in Betracht. Für sie bieten weder der Wortlaut des Gesetzes noch der Schutzzweck der Regelung eine Handhabe. Auch materielles Verfassungsrecht stünde dem entgegen (Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes in der Ausprägung des Maßstabs der Systemgerechtigkeit und das Gebot der strikten Gleichbehandlung der Religionsgesellschaften und Glaubensgemeinschaften).
Es gilt also festzuhalten: Wir haben kein christliches Privileg. Durch diese Regelung wird keine Religion diskriminiert.
Nun komme ich zum zweiten Punkt. Ich habe gesagt: Wir haben uns für ein generelles Verbot ausgesprochen, aber mit einem Erlaubnisvorbehalt, um den örtlichen Trägern vor Ort zu ermöglichen, auf die Besonderheiten einzugehen.
Hier hat Herr Kollege Schebesta zitiert, dass Professor Kirchhof der Meinung ist, dies sei unrichtig.
Es sei verfassungswidrig. – Wir wollten deshalb, Herr Kollege Schebesta, den Ständigen Ausschuss mit dieser Rechtsfrage befassen. Wir wollten alle Gutachter, die zum Schulgesetz angehört worden waren, auch im Ständigen Ausschuss hören. Aber offensichtlich wollten weder CDU noch FDP/DVP in ihrer rechtlich falschen Auffassung belehrt werden.
Sie wollten ihren falschen Weg weiter einschlagen, ohne sich durch andere belehren zu lassen. Wir haben deshalb schriftliche Stellungnahmen eingeholt. Diese haben Sie zur Kenntnis bekommen. Sie können das werten.
Sie sind darauf eingegangen, aber Sie haben die Schlussfolgerung unterlassen. Ich meine die Schlussfolgerung, dass die Auffassung von Professor Kirchhof eindeutig falsch ist.
Ich will Ihnen einmal ein Argument von Herrn Jestaedt zitieren. Es geht um ein Argument ad absurdum. Er schreibt:
Da derartige Grundrechtskollisionen indes nicht die seltene Ausnahme, sondern gerade umgekehrt die Regel markieren, läge es in der Konsequenz der Allesoder-Nichts-Deutung,
gemeint: Professor Kirchhof –
dass dem Gesetzgeber weithin nichts anderes übrig bliebe, als mit Alles-oder-Nichts-Regelungen, das heißt pauschalen Verboten, Geboten oder Erlaubnissen zu regieren. Eine groteske Vorstellung!
Herr Professor Jestaedt hat hier eindeutig Recht. Nennen Sie mir einmal ein Beispiel, wo das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, es gehe nur, entweder alles zuzulassen oder alles zu verbieten;
es gäbe nicht die Möglichkeit eines Erlaubnisvorbehalts bei Verboten oder umgekehrt bei Erlaubnissen einen Verbotsvorbehalt.
Das ist eine abwegige Rechtsauffassung.
Bitte schön.
Herr Kollege Wieser, Sie haben etwas vorgegriffen. Aber ich komme gleich noch zum Städtetag und zum Gemeindetag.
Ich will also festhalten: Unser Gesetzentwurf ist rechtlich zulässig, und alle drei Gutachter sagen sogar, dass er rechtlich geboten ist,
und zwar aus unterschiedlichen Gründen. In diesem Zusammenhang will ich auf die Argumentation von Professor Böckenförde hinweisen, der zu Recht ausführt, dass unter kom
munalpolitischen Gesichtspunkten Folgendes eintreten kann – ich zitiere –:
Gemeinden mit erheblichem Anteil an muslimischen Kindern, wie etwa die Stadt Stuttgart, können ein erhebliches kommunal- und integrationspolitisches Interesse daran haben, Fachkräfte mit Kopftuch … weiterhin zuzulassen bzw. zu beschäftigen, um eine Zusammenführung und Kommunikation muslimischer und anderer Kinder zu fördern und der Gründung eigener islamischer Kindergärten … entgegenzuwirken.
Meine Damen und Herren – –
Sofort. Ich will nur noch den zweiten Gedanken vorbringen.
Er weist zu Recht ferner darauf hin, dass eine Regelung ohne Erlaubnisvorbehalt gegen die Diskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union verstößt.
Bitte schön, Herr Schebesta.
Erstens sagt Professor Kirchhof, ein Erlaubnisvorbehalt sei nicht zulässig. Sie sagen das nicht. Das ist schon einmal ein erfreulicher Fortschritt, aber ein zu kleiner.
Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt: Hier ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Schranken der widerstreitenden Freiheitsgarantien zu bestimmen. Wir bestimmen die Schranken. Wir haben genau festgelegt: auf Antrag, im Einzelfall, wenn das Verhalten keine Beanstandungen auslöst und wenn der Friede in der Einrichtung nicht gestört wird. Das heißt, es ist eine klare Festlegung getroffen.
Lassen Sie mich nun etwas zur FDP/DVP sagen. Herr Kollege Noll,
Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten ein positives Menschenbild. Auch ich habe eines. Ich hoffe, dass Sie insoweit jetzt doch der Subsidiarität den Vorrang geben, wie Sie es vorhin auch bei den anderen Bestimmungen des Kindergartengesetzes ausgeführt haben.
Frau Präsidentin, ich möchte nur noch die Frage des Kollegen Wieser beantworten: Die beiden kommunalen Landesverbände haben im Sozialausschuss Stellung genommen. Der Gemeindetag hat gesagt, nach einer Rückkopplung in den Gremien sei er zu der Auffassung gekommen, dass es besser sei, nicht zu viel Unfrieden in die Städte und Gemeinden hineinzutragen.
Meine Damen und Herren, wenn sich ein kommunaler Landesverband dagegen wehrt, vor Ort Entscheidungen zu treffen, spricht dies nicht gerade für kommunales Selbstbewusstsein.
Der Städtetag hat ja ganz unterschiedliche Meinungen von sich gegeben.
Das geschäftsführende Vorstandsmitglied hat zunächst unseren Gesetzentwurf begrüßt und ihn dann abgelehnt,
und im Sozialausschuss hat er gesagt – ich zitiere aus dem Bericht über die Beratungen des Ausschusses –:
Der Vertreter des Städtetags betont, gegenwärtig wolle er gar nicht so genau wissen, wie sich die Lage vor Ort darstelle. Er sehe dies pragmatisch.
Wenn ein solches Gesetz aber gewünscht werde – und es werde von vielen begrüßt –, dann wünsche der Städtetag nicht, dass die Städte in Einzelstreitigkeiten hineinschlitterten.
Aber genau dies machen Sie, weil Sie die Stadt Stuttgart zwingen, in mindestens 30 Fällen die Erzieherinnen aufzufordern, das Kopftuch abzulegen und gegebenenfalls Streitigkeiten vor Gericht auszutragen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie dies! Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu; dann haben Sie eine sinnvolle Konfliktlösungsregelung.
Frau Kollegin Lösch, ist Ihnen bekannt, dass der auch von Ihnen zu Rate gezogene Verfassungsexperte Professor Jestaedt unseren Gesetzentwurf für verfassungsrechtlich zulässig und den Erlaubnisvorbehalt sogar für verfassungsrechtlich geboten hält?
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, dass die Stadt Stuttgart, wenn dieses Gesetz heute verabschiedet und dann verkündet wird, in 30 Fällen arbeitsrechtlich gegen Erzieherinnen vorgehen muss, die bisher im Kindergarten ein Kopftuch tragen?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer bei dem anspruchsvollen Titel der Regierungserklärung – „Integration fördern, Zusammenhalt stärken“ – die Vorstellung einer neuen Gesamtkonzeption für die Integration und die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft erwartete, der wurde bitter enttäuscht.
Trotz einiger richtiger Ausführungen zu Anfang der Regierungserklärung soll die Regierungserklärung offensichtlich nur dazu dienen, den unseligen Einbürgerungsfragenkatalog zu rechtfertigen.
Auch hier zeigt sich: Der Ministerpräsident erkennt viel zu spät Fehler seiner Regierung, nimmt Hinweise – auch von kirchlicher Seite – nicht ernst und handelt nicht zügig und nicht entschlossen.
Richtigerweise hätte ein Satz von ihm genügt: „Der Erlass und der Gesprächsleitfaden des Innenministers werden aufgehoben.“
Weil dieser teils dümmliche, teils diskriminierende, teils unverständliche Fragenkatalog,
angeblich eine Hilfestellung für die Verwaltung, offensichtlich weiter angewandt werden soll – der Ministerpräsident hält ja alle Fragen für richtig –, muss ich mich zunächst leider damit beschäftigen.
Vorab die Frage: Warum wurde dieser Katalog von Innenminister Rech überhaupt entwickelt und der Verwaltung vorgegeben? Der baden-württembergische FDP-Bundestagsabgeordnete Wolff hat dazu in der Debatte vom 19. Januar 2006 im Deutschen Bundestag die eindeutige Antwort gegeben, die CDU wolle sich im Vorfeld der Landtagswahlen damit profilieren. Also: Rubrik Wahlkampf.
Auch die polemischen Ausfälle des Ministerpräsidenten gegen die frühere Bundesregierung und die SPD weisen in diese Richtung. Offensichtlich will die CDU mit diesen demagogischen und zweifelhaften Methoden Wähler vom rechten Rand für sich mobilisieren.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sollten sich erinnern: Auf diese Art Wahlkampf zu betreiben fördert nicht den inneren Frieden in unserem Volk, ist kein Beitrag zur Integration und kein faires Ringen um vernünftige Lösungen, sondern diskriminiert erhebliche Teile unserer Bevölkerung
und nützt letztendlich rechtsextremistischen Parteien.
Sie haben doch alle Muslime unter Generalverdacht gestellt, auch wenn der Ministerpräsident jetzt versucht, etwas zurückzurudern.
Ich zitiere aus einer Pressemitteilung des Innenministeriums:
Aufgrund all dieser Informationen habe das Innenministerium Zweifel, ob bei Muslimen generell davon
auszugehen sei, dass ihr Bekenntnis bei der Einbürgerung auch ihrer tatsächlichen inneren Einstellung entspreche. Diese Zweifel auszuräumen sei das Ziel eines Gesprächs, das die Einbürgerungsbehörden ab 1. Januar 2006 mit Einbürgerungsbewerbern aus den 57 islamischen Staaten, die der Islamischen Konferenz angehören,
anhand eines vom Innenministerium vorgegebenen Gesprächsleitfadens führen würden.
Mit sonstigen Einbürgerungsbewerbern werde ein solches Gespräch ebenfalls geführt, wenn bekannt sei, dass sie islamischen Glaubens seien oder bei denen im Einzelfall Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihres Bekenntnisses bestünden.
Es ist an Zynismus nicht zu überbieten, wenn es dann im übernächsten Satz der Pressemitteilung heißt:
Eine Diskriminierung von Muslimen sehe das Innenministerium bei diesem Verfahren nicht.
Auch aus den Ausführungen des Ministerpräsidenten zum Verhalten der Stadt Heidelberg und aus der jetzt bekannt gewordenen Aufforderung des Innenministers gegenüber der Stadt Heidelberg zur Anwendung des Leitfadens – der Brief, Herr Minister Rech, stand übrigens zunächst im Internet und ging erst sehr viel später bei der Stadt Heidelberg ein –
ergibt sich, dass die Landesregierung nicht nur die Grundlagen des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft mit den Einbürgerungsbewerbern erörtert wissen will, sondern die unmittelbare Anwendung dieses Fragenkatalogs einfordert. Oberbürgermeisterin Weber hat in ihrem Schreiben an den Innenminister ausdrücklich erklärt – ich zitiere –:
… dass auch ich eine Überprüfung der Loyalitätserklärung bei Einbürgerungsbewerbern für notwendig halte.
Deshalb werden in den bei uns geführten Gesprächen zielgerichtet die für die freiheitlich-demokratische Grundordnung maßgeblichen Aspekte erörtert, zum Beispiel Achtung der Menschenwürde, insbesondere Gleichberechtigung und Toleranz, Volkssouveränität, Gewaltenteilung.
Zusätzlich wird gesagt, dass bei besonderen, konkreten Anhaltspunkten im Einzelfall die Einstellung des Bewerbers zur deutschen Verfassung besonders kritisch hinterfragt werden muss. Was haben Sie daran auszusetzen?
Zu Recht hält die Heidelberger Oberbürgermeisterin jedoch den in der Verwaltungsvorschrift festgelegten Generalverdacht gegen alle Muslime für eine mit unserem Grundgesetz nicht zu vereinbarende Diskriminierung.
Was den Inhalt mancher Fragen betrifft, so wäre doch außerordentlich interessant zu wissen, wie die richtigen Antworten aus Sicht der Landesregierung lauten sollen.
Wie kleiden sich denn deutsche Frauen und Mädchen?
Wäre es nicht hilfreich gewesen, den Einbürgerungsbehörden geeignete Bilder von vorbildlich Gekleideten als Referenzmaßstab an die Hand zu geben – oder besser noch einen Burda-Schnittbogen?
Und wie ist wohl die richtige Antwort auf die Frage nach der Homosexualität des Sohnes auf der möglichen Skala von Renner bis Mappus bei der Drei-Säulen-CDU des Landesvorsitzenden Oettinger zu verorten?
Wenn der Kollege Schneider da gewesen wäre – –
Er ist da. Herr Kollege Schneider, die Frage an Sie: Werden in Ihrem Landratsamt die Fragen zur Homosexualität an die Bewerberinnen und Bewerber gerichtet?
Im Übrigen ist diese Fragestellung, worauf Professor Jestaedt zu Recht hinweist, verfassungswidrig und dürfte nicht einmal einem Beamtenanwärter gestellt werden. Der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Mahrenholz, meint, dass der Erlass der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie widerspreche.
Erfreulich in diesem Zusammenhang ist, dass es keinen CDU-Innenminister mehr gibt, der diesen Gesprächsleitfaden übernehmen will. Auch Bouffier und Beckstein haben sich distanziert.
Wie ich gerade einer Pressemitteilung entnehme, lehnt der nordrhein-westfälische Integrationsminister Laschet CDU diesen Einbürgerungstest ebenfalls ab.
Das Verhalten des Ausländerbeauftragten der Landesregierung, des FDP/DVP-Justizministers Goll, ist besonders merkwürdig und unlogisch.
Beim Dreikönigstag der FDP hat er den Gesprächsleitfaden noch scharf kritisiert, offensichtlich jedoch in der direkten Auseinandersetzung mit dem Koalitionspartner gekniffen. Es macht doch überhaupt keinen Sinn, wenn man wie Goll die Meinung vertritt, der Test enthalte unzumutbare Fragen,
dann noch ein halbes Jahr bis zu einer Überarbeitung zuzuwarten. Ich fordere Sie, Herr Justizminister Goll, deshalb auf: Kommen Sie hierher und erklären Sie, was Sie von diesem Fragebogen halten
und welche Konsequenzen Sie zu ziehen gedenken.
Die Kirchen hatten sich im Vorfeld zur Mitarbeit bereit erklärt und eindringlich vor solch missverständlichen und diskriminierenden Fragestellungen gewarnt. Sie äußern sich deshalb zu Recht kritisch. Die evangelischen Kirchen verweisen darauf, dass der Leitfaden den Eindruck eines Pauschalverdachts der Verfassungsuntreue von Muslimen aufkommen lasse. Die katholische Kirche lehnt die Fragenaktion ebenfalls ab.
Der Vorstoß schürt auf unverantwortliche Weise Ressentiments und Vorbehalte gegen die Gläubigen des Islam, die unter einen Generalverdacht gestellt werden,
erklärte der Vorsitzende der katholischen Arbeitsgemeinschaft Migration, der Essener Weihbischof Franz Vorrath.
Der Test sei ein Musterbeispiel dafür,
wie man das Zusammenleben von Amts wegen belastet, statt die Integration zu fördern.
Diese staatliche Desintegrationspolitik muss so schnell wie möglich eingestellt werden.
Das Erzbischöfliche Ordinariat Freiburg und das Bischöfliche Ordinariat Rottenburg-Stuttgart fordern in ihrer gemeinsamen Presseinformation vom 13. Januar 2006, dass alle Einbürgerungswilligen gleich behandelt werden müssen und dass der Gesprächsleitfaden überarbeitet werden soll.
Weiter heißt es:
Die Kirchen raten dringend zu einem Vorgehen, das den Integrationsprozess mit Muslimen und anderen einbürgerungswilligen Menschen in unserer Gesellschaft nicht beschädigt, sondern nachhaltig fördert.
Meine Damen und Herren, da kann ich nur sagen: Nehmen Sie diese Äußerungen der evangelischen und der katholischen Kirche hier in unserem Lande ernst!
Wer wie Sie, Herr Ministerpräsident, zu Recht die Kirchen und die gesellschaftlichen Gruppen zur Beteiligung bei der Integration einlädt und ihre Mitwirkung einfordert, darf sie nicht vorher vor den Kopf stoßen und sich über deren berechtigte Einwände einfach hinwegsetzen.
Deshalb kann es heute nur eine Konsequenz geben: Herr Ministerpräsident, erklären Sie hier eindeutig: Der Gesprächsleitfaden wird aufgehoben.
Um allen sonst zu erwartenden Falschmeldungen und Verdächtigungen vorzubeugen, betone ich: Wir Sozialdemokraten setzen uns dafür ein, dass alle Migrantinnen und Migranten die erforderlichen Deutschkenntnisse erwerben, und wir fordern von allen Einbürgerungsbewerberinnen und -bewerbern eine innere Hinwendung zur Bundesrepublik Deutschland und ein eindeutiges Bekenntnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, insbesondere zu der Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Artikel 3 des Grundgesetzes und der Wahrung der Freiheitsgrundrechte.
Ein Themenkatalog als Handreichung für die Ausländerbehörde kann dabei durchaus sinnvoll sein. Dabei sind jedoch die Themenkomplexe mit allen Bewerberinnen und Bewerbern durchzusprechen. Einen Anfangs- oder gar Generalverdacht wegen einer bestimmten Religionszugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit lehnen wir entschieden ab.
Meine Damen und Herren, es wären noch einige weitere Dinge anzusprechen. Ich will nur darauf verweisen, dass über die Arbeit der Härtefallkommission in der nächsten Sitzung des Innenausschusses noch debattiert wird. Wenn in dieser Härtefallkommission – besonders Herr Kollege Hofer kann dies ja bestätigen – sorgfältig und intensiv über einzelne Fälle debattiert und entschieden wird, erwarten wir, dass der Innenminister solchen Ersuchen der Härtefallkommission auch entspricht und nicht einen Teil davon ablehnt.
Wir haben am 1. Dezember des letzten Jahres über die Altfallregelung diskutiert. Meine Kollegin Inge Utzt hat dazu
die Position unserer Fraktion dargelegt. Sie von CDU und FDP/DVP haben den dringlichen Antrag leider abgelehnt.
Die katholischen und die evangelischen Bischöfe haben sich in einem Schreiben von Anfang Dezember 2005 an Sie, Herr Ministerpräsident, und an Sie, Herr Innenminister, gewandt. Leider ging von unserem Bundesland nicht das von den Bischöfen gewünschte – ich zitiere – „Zeichen humanitärer Familien- und Integrationspolitik“ aus. Vielmehr wurde, gerade auch auf Betreiben von Innenminister Rech, eine Härtefallregelung
eine Altfallregelung – erneut verschoben.
In diesem Zusammenhang verweise ich auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16. Juni 2005, die besagt, eine Aufenthaltsbeendigung stelle einen Eingriff in das nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Privatleben dar, wenn der Ausländer über starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte zum Aufnahmestaat verfüge. Der Aufnahmestaat ist verpflichtet, so der EGMR, mit positiven Maßnahmen, das heißt einer Aufenthaltserlaubnis, für die Rechte des Betroffenen zu sorgen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 19. Dezember 2005 dazu Kriterien aufgestellt. Das Verwaltungsgericht Stuttgart teilt in mehreren Entscheidungen diese Meinung.
Meine Damen und Herren, wir fordern die Landesregierung auf, die Ausländerbehörden in diesem Sinne anzuweisen, in solchen Fällen bei Erfüllung der genannten Kriterien Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen. Dies hätte auch eine erhebliche Reduzierung der Arbeitsbelastung der Härtefallkommission zur Folge, da diese nur noch Eingaben zu entscheiden hätte, bei denen eine solche Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der geschilderten Rechtsprechung nicht möglich ist.
Der Ministerpräsident führt in seiner Regierungserklärung aus:
Wir wollen eine Gesellschaft, in der niemand ausgegrenzt wird, in der alle ihren Platz finden und in der sich jeder mit seinen Fähigkeiten einbringen kann.
Diese richtige Aussage bedeutet doch selbstverständlich auch, dass die sozialen Voraussetzungen für eine solche Teilhabe gegeben sein müssen. Leider hat aber die Landesregierung gerade die für die soziale Integration erforderlichen Mittel gekürzt oder gestrichen.
Trotz aller vollmundiger Erklärungen haben Sie immer noch kein ausreichendes Konzept für die Sprachförderung im Kindergarten ab dem dritten Lebensjahr,
obwohl dies gerade für Kinder von Migrantinnen und Migranten wichtig wäre. In der Schule ist die Zahl der Stunden für Förderkurse zurückgegangen usw. Deshalb, Herr Minis
terpräsident, lassen Sie Ihren Worten Taten folgen. Zögern und taktieren Sie nicht weiter. Heben Sie den Gesprächsleitfaden auf, und schaffen Sie die erforderlichen sozialen Voraussetzungen für eine sinnvolle Integrationsarbeit, bei der selbstverständlich die Migrantinnen und Migranten ebenfalls ihren Beitrag einbringen müssen.
Herr Abg. Dr. Noll, können Sie mir sagen, wer von der SPD je die Meinung vertreten hat: „Lasst alle zu uns kommen“?
Heißt das, Herr Innenminister, dass die Pressemitteilung des Innenministeriums, die ich vorhin zitiert habe, falsch ist?
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einige Bemerkungen zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ma
chen. Ich würde vorab empfehlen, dass Sie sich auf eine einheitliche Aussprache einigen und dies in der Begründung phonetisch darlegen, damit künftig die Gesetzesväter exakt genannt werden können.
Wir haben bereits mehrmals über Gesetze gesprochen, die Parlamentarier betreffen, also über das Abgeordnetenrecht und das Landtagswahlrecht. Herr Kollege Kleinmann, wir haben bereits zu Beginn dieser Legislaturperiode dazu den Antrag eingebracht, dass die Gesamtprobleme in einer Kommission aufgegriffen und offen besprochen werden sollten. Dieser Antrag ist von beiden Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Sie vertrösten einen jeweils auf die nächste Legislaturperiode.
Da ich schon einige Legislaturperioden länger hier im Hause bin, kann ich Ihnen sagen, dass dabei nie etwas herauskommt. Ich kenne diese Vertröstungen. Die kannten Sie, als Sie noch in der Opposition waren, und jetzt in der Regierung machen Sie es genauso.
Es muss ins Gedächtnis gerufen werden: Ärgerlich war insbesondere die Wahlkreisänderung, die Sie ohne jede Rücksicht und ohne jede Absprache mit den beiden anderen Fraktionen nach eigenen Gesichtspunkten durchgezogen haben. Wie hat Ihre Kollegin Berroth dies so schön beschrieben?: „Wir haben das Gesetz so gestaltet, dass alle, die im Landtag sind, eine Chance haben, wieder gewählt zu werden.“ Das war die klar verfassungswidrige Absicht. Sie haben die Wahlkreise vom Zuschnitt her manipuliert.
Nun zu Ihrem heute vorliegenden Gesetzentwurf: Es ist begrüßenswert, dass Sie ein neues Zählverfahren vorschlagen. Wir werden uns im Ausschuss über die verschiedenen Varianten unterhalten. Wir alle werden Schwierigkeiten haben, die mathematischen Vorgaben nachzuvollziehen. Aber es ist uns daran gelegen, dass einige Beispielrechnungen gemacht werden. Wir können deshalb diesem Berechnungsverfahren durchaus zustimmen.
Was ich in diesem Gesetzentwurf vermisse, ist ein Punkt, bei dem sich die FDP/DVP schon einmal einer Klage vor dem Staatsgerichtshof angeschlossen hat. Die Zielsetzung war, die Berechnung der Ausgleichsmandate nicht auf Regierungsbezirksebene vorzunehmen, damit nicht die stärkste Partei auf der Ebene der Regierungsbezirke jeweils den Vorteil hat, sondern auf Landesebene. Wir werden uns erlauben, dieses gemeinsame Anliegen, das auch Anliegen der Grünen ist, in die Gesetzesberatungen mit einzubringen.
Das Zweite, was ich bei diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht verstehe, ist, dass er erst am 16. Juni 2006 in Kraft treten soll. Warum soll er denn nicht im Februar, am Tag nach der Verkündung, in Kraft treten?
Denn damit würden Sie gewährleisten, dass bei der jetzt anstehenden Landtagswahl bei der Berechnung der Mandate
so vorgegangen wird, wie hier in diesem Gesetzentwurf zu Recht eingefordert wird. Auch hier werden wir uns erlauben, einen entsprechenden Änderungsantrag einzubringen. Ich gehe davon aus, dass Sie, nachdem die CDU-Fraktion durch Herrn Mack dargelegt hat, dass dies ein gerechteres Verfahren sei, diesem gerechteren Verfahren auch schon für diese Landtagswahl zum Durchbruch verhelfen werden.
So viel zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen.
Nun noch etwas zum Vorgehen und zu dem Vorwurf des „Durchpeitschens“, Herr Kleinmann.
Wir haben schon sehr oft, auch in dieser Legislaturperiode, über die notwendigen Änderungen des Abgeordnetengesetzes gesprochen. Wir, die Fraktionen, hatten uns im letzten Sommer zuletzt darauf verständigt, dass die Fraktionsvorsitzenden eine Kommission einsetzen sollten, die einmal die Probleme aufbereiten sollte.
Es ging uns dabei um folgende Fragestellungen:
Übernahme des NRW-Modells, das heißt die Einbeziehung der bisher steuerfreien Pauschalen und der Altersversorgung in die steuerpflichtige Entschädigung. Darüber hinaus ging es um die Frage der Inkompatibilität.
Die Diätenkommission hat im Dezember 2005 ein Ergebnis vorgelegt, und Sie sind nicht bereit, auch nur einen einzigen Punkt aus diesem Kommissionsbericht hier im Landtag umzusetzen. Das ist die typische Verfahrensweise. Sie sagen jetzt: „Zu Beginn der nächsten Legislaturperiode werden wir …“ Aber da kann sich doch jeder schon an den Fingern beider Hände abzählen, dass dabei wiederum nichts herauskommen wird, wenn dies dann für die darauf folgende Legislaturperiode ab dem Jahr 2011 beschlossen werden sollte.
Deshalb sagen wir: Dieser Landtag muss jetzt wenigstens die Inkompatibilitätsregelung beschließen, damit sie dann 2011 wirklich in Kraft tritt.
Nun zu der Frage der Weigerung. Bislang gab es keinerlei Anzeichen für eine Bereitschaft, wenigstens das, was die Steuerzahler am meisten ärgert, nämlich die steuerfreien Pauschalen, in die steuerpflichtige Entschädigung mit einzubeziehen. Hier machen Sie keinen Ruck, obwohl, wie das Beispiel Nordrhein-Westfalen gezeigt hat, ein entsprechendes Verfahren durchaus möglich wäre.
Welche Ergebnisse? Herr Noll, Sie als Freiberufler müssten doch ganz energisch für diese Konzeption sprechen, denn Sie als Freiberufler müssen alles gegenüber dem Finanzamt nachweisen.
Warum wollen Sie, dass Abgeordnete dies nicht tun sollen?
Herr Noll, dies von den steuerfreien Pauschalen zu sagen ist doch absurd.
Wenn Sie die steuerfreien Pauschalen nehmen: Wenn der Abgeordnete diese Pauschalen insgesamt ausgibt, dann hat er den gleichen Zustand wie jetzt. Gibt er mehr aus, hat er den Vorteil, dass er dies steuerlich absetzen kann.
Gibt er weniger aus – und das ließe sich bei manchen, die in Ämtern sind, durchaus nachvollziehen –, dann muss er wenigstens für diesen Anteil an seinem Gehalt Steuern bezahlen.
Also müssten Sie doch dafür sein.
Und da sind die Freiberufler nicht begünstigt.
Ja, dann stimmen Sie mir doch zu! Dann haben Sie es doch viel einfacher!
Herr Abg. Wieser.
Und was ist die Frage?
Frau Präsidentin, stellt der Kollege Wieser eine Frage, oder debattiert er?
Nein, dieser Meinung bin ich nicht. Das Problem ist gar nicht so gewaltig, wie Sie es darzustellen versuchen. Auch hier kann mir der Kollege Noll beipflichten:
Genau die gleiche Situation haben Sie bei jedem betrieblich veranlassten Termin, wenn Sie damit noch einen Privattermin verknüpfen. Das ist doch überhaupt nichts Neues. Da gibt es doch gar keine besonderen Probleme.
Wenn ich fortfahren darf, Frau Präsidentin, setze ich meine Rede fort.
Das Ende naht noch nicht so schnell.
Eine Grundvoraussetzung für jede Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung ist – das sollten sich auch einmal die Freiberuflerkollegen von der CDU-Fraktion überlegen –: Sie können angesichts der Mehrheitsverhältnisse in manchen Fraktionen eine vernünftige Regelung nur dann herstellen, wenn Sie eine rigide Inkompatibilitätsregelung einführen.
Aus diesem Grund müssen wir eine Inkompatibilität zwischen Amt und Mandat vorsehen. Da dies für die nächste Legislaturperiode erfahrungsgemäß nicht möglich ist, haben wir uns entschlossen, noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf einzubringen, der ab 2011 wirken soll.
Die Kommission führt auf Seite 29 ihres Berichts aus – das will ich Ihnen nur noch einmal ins Gedächtnis rufen:
Im Unterschied zu Baden-Württemberg sehen die Abgeordnetengesetze des Bundes und nahezu aller Länder eine strikte Unvereinbarkeit zwischen Amt und Mandat vor.
Es wird für einzelne Funktionen – beispielsweise bei Landräten – ausgeführt, welchen ernormen Zuwachs an Kompetenzen sie durch die Verwaltungsreform erhalten haben.
Die Diätenkommission schreibt deshalb:
In Anbetracht dessen hält die Diätenkommission die jetzigen Regelungen des Abgeordnetengesetzes zur Unvereinbarkeit von Amt und Mandat in wesentlichen Teilen nicht mehr für angemessen und stimmig.
Wenn man, wie dargelegt, die gestiegene Verantwortung für originäre staatliche Aufgaben bedenkt, ist es für die Diätenkommission fraglich, ob Landräte und hauptamtlich kommunale Wahlbeamte in Stadtkreisen wie Oberbürgermeister und Beigeordnete mit dem
Mandat vereinbare Ämter wahrnehmen können, während ein Amtmann in einem Ministerium oder in einem Regierungspräsidium ein unvereinbares Amt innehat.
Diese Regelung, die wir haben, ist doch verfassungswidrig. Dies ist eine totale Ungleichbehandlung,
und es muss endlich dafür gesorgt werden, dass gleiche Verhältnisse gelten.
Dann folgen im Kommissionsbericht die Überlegungen zu den Kommunalwahlbeamten in Großen Kreisstädten, zu den Leitern von Verwaltungsgemeinschaften, zu den Ersten Landesbeamten, zu den Leitern öffentlicher Schulen und dem Behördencharakter öffentlicher Schulen, zu den Behördenleitern insgesamt. Also kann es da nur sinnvoll sein, eine klare Regelung vorzunehmen und wie die anderen Länder in der Bundesrepublik Deutschland eine Inkompatibilität vorzusehen.
Deshalb schlagen wir mit unserem Gesetzentwurf vor, dass wir dies in dieser Legislaturperiode vereinbaren mit Wirkung ab dem 15. Landtag. Dann können im nächsten Landtag auch schon mit Wirkung für den 15. Landtag die notwendigen zusätzlichen Bestimmungen im Abgeordnetengesetz beschlossen werden, die dann dieser neuen Regelung Rechnung tragen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will einen Punkt noch einmal ansprechen, weil dieser wichtig ist. Warum soll die Neuregelung des Auszählverfahrens nicht bei dieser Landtagswahl stattfinden können? Die Behauptung, dies sei verfassungsrechtlich nicht zulässig, ist – ich sage es einmal ganz zurückhaltend – wenig nachvollziehbar. Bringen Sie mir einen anerkannten Verfassungsrechtler, der diese Behauptung unterstützt!
Wir wissen, dass Juristen das, was sie nicht wollen, als rechtlich unzulässig bezeichnen. Da hier aber genügend Juristen im Landtag sind, können diese auf solche Argumente auch entsprechend antworten.
Ich will Ihnen nur ein Beispiel nennen. Nordrhein-Westfalen hat Ende der letzten Legislaturperiode für die neue Legislaturperiode eine umfassende Neuregelung bezüglich der Abgeordnetendiäten beschlossen. Niemand ist bisher auf den Gedanken gekommen, dass dies wegen des Zeitpunkts verfassungswidrig gewesen sei.
Hier geht es ausschließlich um das Auszählverfahren, das zentral vorgenommen wird. Dieses Auszählverfahren muss richtigerweise bereits bei der nächsten Landtagswahl stattfinden. Sie haben selbst eingeräumt, dass dieses neue Auszählverfahren ein Stück mehr Gerechtigkeit bringt.