Protocol of the Session on December 10, 2003

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 56. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Dienstlich verhindert ist heute Herr Minister Köberle und heute Nachmittag Herr Minister Stratthaus.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt vervielfältigt auf Ihren Tischen. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. Es ist so beschlossen.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung des Finanzministeriums vom 26. November 2003 – Zwischenbericht der Finanzverteilungskommission – Drucksache 13/2683

Überweisung an den Finanzausschuss

2. Mitteilung der Landesregierung vom 26. November 2003 – 39. Landesjugendplan für das Haushaltsjahr 2004 – Drucksache 13/2673

Überweisung an den Ausschuss für Schule, Jugend und Sport und federführend an den Finanzausschuss

3. Mitteilung der Landesregierung vom 1. Dezember 2003 – 17. Landessportplan für das Haushaltsjahr 2004 – Drucksache 13/2674

Überweisung an den Ausschuss für Schule, Jugend und Sport und federführend an den Finanzausschuss

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2004 (Staatshaushaltsgesetz 2004) – Drucksache 13/2706

b) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Haushaltsstrukturgesetz 2004 – Drucksache 13/2680

Haushaltsrede des Finanzministers

Ich erteile Herrn Finanzminister Stratthaus das Wort.

(Zuruf des Ministers Dr. Schäuble – Heiterkeit)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst beim Präsidium herzlich bedanken, das es ermöglicht hat, die Plenarsitzung eine halbe Stunde früher als geplant zu beginnen, weil ich im Anschluss an meine Rede noch zum Vermittlungsausschuss nach Berlin muss.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: So nett sind wir!)

Die Heiterkeit eben war auf einen Zwischenruf des Herrn Innenministers zurückzuführen. Er hat gesagt: „Wenn du schon kein Geld hast, dann mache es kurz.“

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP sowie Abgeordneten der SPD)

Aber leider wird es nicht möglich sein, meine Rede ganz kurz zu halten.

Meine Damen und Herren, ich lege Ihnen im Namen der Landesregierung von Baden-Württemberg den Entwurf des Haushalts 2004 vor. Der Entwurf wurde erstmals mit dem neu angeschafften SAP-System erstellt. Sie sehen, dass der Haushaltsplan auf eine ganz neue Art und Weise gegliedert ist.

Vom Inhalt her allerdings wird der Haushaltsplan keine angenehme Lektüre sein. Denn die Zahlen sprechen leider eine deutliche Sprache.

Wir stehen vor großen Herausforderungen. Das Ziel unserer Haushaltspolitik muss es sein, diese Herausforderungen anzunehmen. Wir müssen uns den Problemen stellen, und wir müssen versuchen, sie zu bewältigen. Nur so können wir Handlungsspielräume für die Zukunft schaffen. Denn dieser Etat ist ohne Frage ein Fahrplan in einer finanzpolitisch außergewöhnlich schwierigen Zeit.

Die entscheidende Frage für den Haushalt 2004 ist die: Können wir die verfassungsrechtliche Obergrenze für die Neuverschuldung einhalten oder nicht? Kurz gesagt: Im Entwurf liegt die Neuverschuldung um 350 Millionen € unter dieser verfassungsrechtlichen Grenze. Allerdings sind noch die Steuermindereinnahmen aufgrund der Steuerschätzung vom November dieses Jahres zu berücksichtigen. Sie sind in diesem Haushaltsentwurf nicht enthalten. Das waren immerhin 467 Millionen €. Was uns kurzfristig für 2004 an Einsparungen noch möglich ist, werden wir nach einer zweiten Einsparrunde bis zu den Ausschussberatungen vorlegen. Unser Ziel ist es, meine Damen und Herren, die Steuerausfälle aufgrund der Steuerschätzung vom November auf jeden Fall unterhalb der verfassungsrechtlichen Obergrenze aufzufangen.

(Minister Stratthaus)

Offen ist allerdings, was aus dem aktuellen Vermittlungsverfahren in Berlin noch auf uns zukommt.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Da hängt ja einiges von Ihnen persönlich ab!)

Für das Jahr 2004 droht uns das, was für sechs Bundesländer bereits im Jahr 2003 Realität geworden ist. Ich spreche von einer Neuverschuldung, die die Summe der eigenfinanzierten Investitionen überschreitet. Dies wäre ein klarer Verstoß gegen die Verfassung und nur unter ganz strengen Voraussetzungen erlaubt: Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist eine Überschreitung dieser verfassungsrechtlichen Kreditobergrenze ausnahmsweise zulässig.

Wir haben hier in Baden-Württemberg getan, was wir im Rahmen unserer Möglichkeiten tun konnten. Am 1. Dezember hat die Ratingagentur Standard & Poor’s unsere Bewertung noch einmal mit dem höchstmöglichen Rating, dem Triple-A, bestätigt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Entscheidend dafür sind und waren unsere Konsolidierungserfolge. Allerdings ist unser Triple-A mit einem so genannten negativen Ausblick versehen. Warum dies? Die Agentur hat interessanterweise festgestellt, ein großer Nachteil sei, dass wir keine Möglichkeit hätten, Einfluss auf die Entwicklung unserer Steuereinnahmen auszuüben. Das ist richtig, aber es erstaunt im Augenblick, da dies natürlich für alle Bundesländer gilt. Aber daran wird deutlich, dass die Ratingagenturen einen internationalen Maßstab anlegen. Es ist eben in anderen Ländern, die föderal organisiert sind, den föderalen Untergliederungen eher möglich als uns, einen Einfluss auf die Steuereinnahmen zu nehmen.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das ist leider falsch! Sie könnten etwas dafür tun, dass die Leute die Steuern auch zahlen!)

Wir diskutieren in einer Woche darüber.

Ich nehme die Begründung für das neue Rating vor allem auch als Beleg dafür, dass unsere föderale Finanzverfassung von Grund auf reformbedürftig ist. Wir brauchen Folgendes: erstens die Gesetzgebungskompetenz der Länder auch bei den Steuern, zweitens eine gerechte Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern und drittens einen leistungsfördernden Länderfinanzausgleich.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Nach der letzten mittelfristigen Finanzplanung bestand für das Jahr 2004 bei der Planaufstellung eine Einsparvorgabe von 1 Milliarde €. Diese Lücke haben wir mit der größten Einsparaktion in der Geschichte unseres Landes geschlossen. Dass die Nettoneuverschuldung im Haushaltsentwurf bei 1,8 Milliarden € liegt, also gut 500 Millionen € über dem in der Finanzplanung angestrebten Ziel, ist allein auf die Entwicklung der Einnahmen in dieser Zeit zurückzuführen. Und diese Nettoneuverschuldung kann aus den Gründen, die ich bereits vorhin erwähnt habe, noch ganz beträchtlich steigen.

Meine Damen und Herren, die Ursache dieser Entwicklung ist ohne Frage das Wegbrechen der Steuereinnahmen. Interessant ist folgender Vergleich: Zum ersten Mal haben wir bei der Steuerschätzung im Mai 2000 Aussagen über die Steuereinnahmen im Jahr 2004 gemacht. Damals, vor vier Jahren, ist man davon ausgegangen, dass das Land 27 Milliarden € brutto einnehmen würde. Nach der aktuellen Steuerschätzung vom November sind es nur noch ungefähr 22 Milliarden €, also knapp 5 Milliarden € weniger. Wir haben also in diesem Jahr 5 Milliarden € weniger, als wir zu Beginn der mittelfristigen Finanzplanung angenommen hatten.

Noch ein zweiter Vergleich: Mit den genannten 22 Milliarden € Steuereinnahmen nach der letzten Steuerschätzung liegen wir beim Istwert des Jahres 1999. Wir sind also bei den Steuereinnahmen fünf Jahre später wieder auf den Stand zurückgefallen, den wir bereits im Jahr 1999 hatten. Interessant ist natürlich, dass in dieser Zeit allein die Personalkosten durch außergewöhnliche Tarifsteigerungen, die dann auch auf die Beamtenbesoldung übertragen worden sind, um 1,25 Milliarden € gestiegen sind. Sie sehen, dass wir hier in eine Schere kommen: zurückgehende Steuereinnahmen, während die Kosten, insbesondere die Personalkosten, weiter steigen. Kurzfristig haben wir darauf wenig Einfluss.

Zu den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen: Um die Zusammenhänge zu verstehen, müssen wir natürlich einen Blick auf die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen werfen. Für das Jahr 2003 gehen alle Auguren für Deutschland von einer Stagnation aus. Wir haben bereits in den Jahren 2001 und 2002 ein sehr geringes Wirtschaftswachstum gehabt, nämlich 0,8 % im Jahr 2001 und 0,2 % im Jahr 2002. In diesem Jahr, im Jahr 2003, werden wir wohl überhaupt kein Wachstum haben.

Deutschland war jahrzehntelang die Wachstumslokomotive in Europa, ja in der ganzen westlichen Welt. In der Zwischenzeit sind wir, wie wir alle wissen, an letzter Stelle. Für das Jahr 2004 rechnet die Bundesregierung ebenso wie Wirtschaftsforschungsinstitute mit einem realen Wachstum von 1,7 %. Das heißt: Nominal ist das dann vielleicht doch 1 % mehr. Danach sollten sich eigentlich die Steuereinnahmen richten.

Wir können nur hoffen, dass sich tatsächlich ein Wirtschaftswachstum in dieser Größenordnung einstellt. Sicher ist das nicht, denn in den letzten drei Jahren mussten die Prognosen im Laufe des Jahres jeweils mehrfach nach unten korrigiert werden.

Aber man muss davon ausgehen – und das ist eigentlich schlimm in unserer Wirtschaft –, dass selbst dann, wenn ein reales Wachstum von 1,7 % kommen wird, dies auf dem Arbeitsmarkt kaum zu einer Belebung führen wird. Die Inflexibilitäten und die Verkrustungen unseres Arbeitsmarktes sind allgemein bekannt, und deswegen ist in Deutschland auch die Beschäftigungsschwelle ganz besonders hoch. Man geht davon aus, dass erst ein reales Wachstum von ungefähr 2 % in Deutschland zu mehr Nachfrage nach Arbeitskräften, also zu mehr Beschäftigung führt.

Diese Situation ist in anderen westlichen Ländern, in anderen mit uns vergleichbaren Ländern ganz anders. Zum Bei

(Minister Stratthaus)

spiel hat die Zahl der Erwerbstätigen – man darf ja nicht immer nur die Arbeitslosen sehen, sondern muss auch die absolute Zahl der Erwerbstätigen sehen – in den Niederlanden zugenommen.

Wie sieht es in Deutschland aus? Nach den Schätzungen des Sachverständigenrats hat die Zahl der Erwerbstätigen im letzten Jahr sogar um 0,6 % abgenommen, und in diesem Jahr wird sie um 1,4 % abnehmen. Das heißt, wenn wir nicht eine entsprechende demographische Entwicklung hätten, also weniger Menschen in dem Alter, in dem man normalerweise arbeitet, wäre die Arbeitslosigkeit bei uns natürlich noch beträchtlich höher. Es sind wesentlich weniger Menschen beschäftigt als früher. In der Arbeitslosenquote zeigt sich das nicht in der ganzen Höhe.

Die Versäumnisse der Bundesregierung bilden eine lange Liste. Sie vergrößern den Reformstau in Deutschland. Außerdem haben die Versäumnisse der Bundesregierung zur Perspektivlosigkeit in weiten Teilen unserer Wirtschaft geführt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Birzele SPD: Selbst die CDU glaubt die Leier nicht mehr!)

Ich glaube, es ist müßig, diesen ganzen Katalog aufzuzählen. Er ist allgemein bekannt. Interessant ist, dass er in den letzten Monaten auch von Vertretern der Bundesregierung akzeptiert wird.